Donnerstag, 13. Januar 2022

Mehrheitlich günstige Lawinensituation

Frischer Triebschnee bleibt die Hauptgefahr


Vorab: Wir haben es in Summe mit mehrheitlich günstigen Lawinenverhältnissen zu tun. Am meisten aufpassen sollte man weiterhin auf frische Triebschneepakete. Diese sind am ehesten im sehr steilen, häufig kammnahen Gelände bzw. hinter Geländekanten auszulösen. Als Schwachschicht dient  überwehter Wildschnee, kleinräumig auch kantige Kristalle angrenzend an oberflächennahen Schmelzkrusten. Meist handelt es sich dabei um kleine Lawinen. Entsprechend überwiegt häufig die Absturzgefahr der Verschüttungsgefahr.


Kleine, inzwischen wieder teilweise überwehte Schneebrettlawine - Glockturmgruppe. Foto: (13.01.2022)

Es dominiert somit eine eher spannungsarme Schneedecke. Oberflächennah ist diese inzwischen häufig vom Wind geprägt. Allgegenwärtig sind zudem eingelagerte Krusten. Allgegenwärtig ist auch eine zumindest in hohen und hochalpinen Lagen häufig an der Basis eher aufbauend umgewandelte Schneedecke. Die Schneequalität wurde im Laufe der Woche tendenziell schlechter. Gut zu fahrender Pulverschnee wird entsprechend seltener...


Wind war vergangene Woche ein häufiger Begleiter im Gelände. Stubaier Gletscher (Foto: 11.01.2022)


Auch hier erkennt man den Windeinfluss. Deferegger Berge (Foto: 08.01.2022)


Dort, wo die Schneeoberfläche "genoppt" ist, lässt es sich meist noch recht gut Ski fahren. Glockturmgruppe (Foto: 13.01.2022)


Unterdurchschnittliche Schneehöhen


Betrachtet man unsere langjährigen Aufzeichnungen unserer fleißigen Beobachter, so hat man es schwarz auf weiß: Aktuell findet man in den meisten Landesteilen eine für die Jahreszeit unterdurchschnittliche Schneehöhe. 


Beobachtergrafik unseres Beobachters Klaus Friedl von Boden im Lechtal: Die obere Grafik zeigt einerseits die seit 1960 gemessenen Maxima sowie Minima der Schneehöhe. Zusätzlich wird auch der Mittelwert und in magenta die aktuelle Gesamtschneehöhe dargestellt. Diese befindet sich unter dem inzwischen 61-jährigen Mittelwert. Die zweite Grafik zeigt den bisher gemessenen Neuschnee, die untere Grafik die Temperaturen an. Dort erkennt man auch die Anfang Jänner gemessene Maximaltemperatur.


Wie sich das im Gelände auswirkt, sieht man, wenn man selbst unterwegs ist. Steinkontakt ist keine Seltenheit.


Unterwegs in den Nördlichen Stubaier Alpen (Foto: 09.01.2022)


Die bei den Freeridern gefürchteten "sharks" - gerade noch vom Schnee überdeckte Steine, die zu einem erhöhten Sturz- und Verletzungsrisiko bei der Abfahrt führen. (Foto: 13.01.2022)




Aktuell verfolgen wir gerade sehr penibel eine mögliche Entwicklung von kantigen Kristallen angrenzend an jene Regenkruste, die sich während der Warmfront vom 29.12. auf den 30.12. gebildet hat. Bei einigen Schneeprofilen konnten wir diese Entwicklung bereits erkennen.

Derzeit haben wir nur zwei Rückmeldungen über eine "bösartige" Ausbildung im Sinne einer möglichen Bruchfortpflanzung. Dies war jeweils auf ca. 2700m in sehr steilem, besonnten Gelände, allerdings auch wieder nur recht kleinräumig. Aufgrund der weiteren Wetterprognose, die uns viel Sonnenschein und eine Milderung bei den Temperaturen verspricht, können wir davon ausgehen, dass es sich bei gm.4 vorerst nur um sehr kleinräumige Problemzonen in eingewehten, sehr steilen Hängen in eng begrenzten Höhen- und Expositionsbändern handelt. 


Wetterstationsgrafik Kühtai ab 01.01.2022: Anfangs überdurchschnittlich warme Temperaturen. Die Schneeoberfläche wurde feucht. Dann am 05.01. Schneefall und deutliche Abkühlung: Ideale Voraussetzungen für die Ausbildung von gm.4. Zudem zu sehen: Immer wieder viel Wind auf den Bergen.


Um für die kommenden, intensiven Schneefälle (die wohl noch länger auf sich warten lassen) gerüstet zu sein, verfolgen wir stets die Entwicklung der Schneedecke. Aktuell legen wir besonderes Augenmerk auf aufbauende Umwandlungsprozesse im Nahbereich von Krusten. Außerfern (Foto: 11.01.2022)



Der Pfeil zeigt auf eine Schicht kantiger Kristalle oberhalb der Regenkruste von Ende Dezember. Entstanden aufgrund von gm.4: Westliche Kitzbüheler Alpen. 1660m, Nord, 20°.


Um unser Bild über diese Entwicklung weiter zu schärfen, sind wir über Beobachtungen vom Gelände sehr dankbar. Gerne immer via mail an: lawine@tirol.gv.at oder aber via Schneeprofile und Stabilitätstests unter www.lawis.at. Ein herzliches Danke dafür!