Montag, 17. Juni 2019

Saisonende: Aktuelle Situation und Rückblick auf die Wintersaison 2018/19

Ein außergewöhnlicher Winter verlangt außergewöhnliche Zeiten für Blogeinträge...

Im ersten Teil folgt ein kurzer Beitrag zur Schnee- und Lawinensituation ab Ende Mai. Im zweiten Teil lassen wir den Winter mit einigen Daten, Fakten und Grafiken nochmals Revue passieren.


Schnee- und Lawinensituation Ende Mai bis Mitte Juni 2019
Noch immer liegt für die Jahreszeit in hohen und hochalpinen Lagen außergewöhnlich viel Schnee.

Hochalpin beträgt die Gesamtschneehöhe z.T. über 4m (!)

Selbst bis Ende vergangener Woche wurden Skifahrer bis in Höhenlagen um 1700m gesichtet...

Abrupter Übergang: Skifahren endet auf grüner Wiese. Seebensee (1660m) im Mieminger Gebirge (Foto: 14.06.2019)

Betrachten wir die Situation seit dem letzten Blogeintrag am 28.05. so gab es folgende interessante Beobachtungen:

Schneebrettlawinen, die unterhalb des Zwieselbacher Roßkogels durch Lockerschneelawinen ausgelöst wurden. Oberflächennähe, kurzfristig entstandene Schwachschicht aufgrund des Gefahrenmusters kalt auf warm Ende Mai. (Foto: 03.06.2019)

Ähnliche Situation wie beim oberen Foto im Bereich der Reichenspitze in den Zillertaler Alpen. (Foto: 02.06.2019)

Am 01.06. gab es sogar noch einen länger andauernden Lawineneinsatz im Bereich der Kleegrube im Variantenbereich des Hintertuxer Gletschers. Im extrem steilen Gelände löste sich spontan eine nasse Lockerschneelawine oberhalb zweier, gerade in diesem Hang abfahrender Wintersportler. Da die Anzahl der Einfahrsspuren von jenen der Ausfahrtsspuren abwich, ging man von einer verschütteten Person aus. Wie sich später herausstellte, benützte die zweite Person dieselbe Ausfahrtsspur, wie die erste Person. Der Einsatz konnte beendet werden, nachdem sich eine der beteiligten Personen bei der Polizei gemeldet hat. Während des Einsatzes lösten sich im Nahbereich aufgrund der fortschreitenden Durchnässung des kürzlich gefallenen Neuschnees weitere Lockerschneelawinen.

Lawineneinsatz Kleegrube, Hintertuxer Gletscher (Foto: 01.06.2019)

Zudem konnte man weiterhin vereinzelt Gleitschneelawinen beobachten - ein Dauerthema dieses Winters...

In Bildmitte erkennt man eine frische Gleitschneelawine unterhalb des Langen Sattels auf der Nordkette (Foto 01.06.2019)

Immer noch in Bewegung: Schneereste im Karwendel (Foto: 02.06.2019)

Reste der Tannauer Alm im Karwendel. Ursache: Gleitschneelawinen während der intensiven Schneefälle im Jänner (Foto: 02.06.2019)

Bodenerosion durch abgleitenden Schnee. Bächental (Foto: 02.06.2019)

Gut zu erkennen die Waldschäden von Mitte Jänner bei der Herzwiese im Nahbereich der Arzleralm auf der Nordkette (Foto: 01.06.2019)

Skitourengeher mit einem langen Atem kommen heuer ganz besonders auf ihre Rechnung...

Im Arlberggebiet konnte man am 08.06. noch von der Straße aus Skitouren unternehmen.

Hochalpin traumhafte Verhältnisse in den Zillertaler Alkpen (Foto: 04.06.2019)


Auf der Nordseite der Mieminger Kette ist bzw. war man mit Skiern z.T. noch besser beraten als zu Fuß... (14.06.2019)

Die Folgen der außergewöhnlichen Schneemenge und der während der vergangenen 2 Wochen z.T. ebenso außergewöhnlich warmen Temperaturen war ein sehr hoher Wasserstand des Inns (zumindest 30-jährliches Ereignis mit Überflutungen v.a. im Unterland).

Inn am 13.06.2019

Zu spüren bekommen diese Schneelage u.a. auch Hüttenwirte, Bauern bzw. Hirten. Hütten werden z.T. verspätet geöffnet, die Tiere kommen bis zu 3 Wochen später auf die Almen.


Saisonrückblick
Kurz und bündig – unsere Sicht des Winters:

Sehr ergiebige Schneefälle im Jänner
größtenteils gute Tourenbedingungen
verhältnismäßig wenig Lawinenereignisse mit Personenbeteiligung
teils beachtliche Waldschäden und Verlegung von Verkehrswegen.

Der Winter 2018/19 geht in ganz Tirol als besonders schneereicher Winter in die Geschichte ein. Wenngleich im südlichen Osttirol erst in der zweiten Saisonhälfte nennenswerten Schneemengen gefallen sind.
Von Anfang bis Mitte Jänner herrschte in vielen Teilen Tirols, aufgrund besonders intensiver Schneefälle, fast durchgängig die Lawinengefahrenstufe 4 – Groß. Am 14. 1. stieg die Gefahr in den Gebieten Arlberg und Außerfern, im Karwendel, den Nördlichen Zillertaler Alpen sowie in der Venediger Gruppe sogar auf 5 – Sehr Groß an (s. Blog).

Prozentueller Anteil der täglich prognostizierten Gefahrenstufen für den gesamten Ausgabezeitraum des Euregio-Lawinenreports (Quelle & ©: LWD-Tirol).

Während dieser Zeit kam es aufgrund der erheblichen Neuschneesummen vermehrt zu Lawinenabgängen, welche im Allgemeinen ein beachtliches Ausmaß erreichten. Vereinzelt wurden auch Lawinen der Größe 5 (extrem groß) beobachtet. Dies unterstreicht ebenso ein Blick auf den zeitlichen Verlauf der Lawinentätigkeit der gesamten Wintersaison.

Anzahl an beobachteten Lawinenabgängen zwischen 31.10.18 und 20.04.19, gewichtet nach ihrer Größe. Deutlich zu erkennen sind die Peaks der ersten Jännerhälfte, zum Zeitpunkt der Starkschneefälle (Quelle & ©: LWD-Tirol).

Im direkten Zusammenhang mit der Größe der Lawinen standen auch Gebäude- und Waldschäden sowie die Verschüttung von Verkehrswegen. Dementsprechend wurden von uns während dieser Zeit 65 Schadenslawinen registriert.

Erfasste Lawinenabgänge während der Starkniederschläge im Jänner, die entweder den Siedlungsraum oder Verkehrswege betroffen haben (exklusive Waldschäden). Ebenfalls dargestellt ist die Gesamtschneehöhe sowie Lufttemperatur der Wetterstation Muttekopfhütte (Quelle & ©: LWD-Tirol).

Im Anschluss an dieses Phase entspannte sich die Schneedecke und folglich die Lawinensituation wieder sehr rasch. Eine stürmische Südströmung führte dann nochmals Anfang Februar, speziell in Osttirol, zu einer Anspannung der Lawinensituation (Stufe 4 – Groß). Dies aber nur für kurze Zeit.
Ein über den gesamten Saisonzeitraum hinweg erkennbarer Begleiter war hingegen der Gleitschnee. Dieses Problem konnte vermehrt im Nordwesten des Landes festgestellt werden. Im Südosten trat unterdessen häufiger das Altschneeproblem auf, welches sich dort aufgrund des langen Abstandes zwischen den ersten beiden Schneefällen des Frühwinters entwickelte.

Räumliche Verteilung aller prognostizierten Lawinenprobleme während der Wintersaison 2018/19 (Quelle & ©: LWD-Tirol).

Zeitlicher Verlauf der im Euregio-Lawinenreport prognostizierten Gefahrenmuster während der Wintersaison 2018/19. Als durchgängig präsent erweist sich das Gefahrenmuster gm.2 (Quelle & ©: LWD-Tirol).

Zusammenfassend kann der heurige Winter, wie auch jener 2017/18, als klassischer Gleitschnee-Winter bezeichnet werden. In vielen Gemeinden kam es dadurch immer wieder zur (Teil-)Verschüttung von Verkehrswegen sowie zu Waldschäden. Einige Lawinen drangen sogar bis in den Siedlungsraum vor. Wenngleich der Abgang von Gleitschneelawinen mit gegenwärtigem Forschungsstand nicht vorhersehbar ist, fiel die Anzahl davon betroffener Personen äußerst gering aus. Demnach waren an nur 6 von insgesamt 132 Gleitschnee-Abgängen Personen beteiligt (4,5 %). Die betroffenen Personen wurden dabei nur in seltenen Fällen verletzt und niemand getötet. Im besiedelten Gebiet ist diese Tatsache unter anderem auf die hervorragende Arbeit der örtlichen Lawinenkommissionen zurückzuführen.

Ein genereller Blick auf die Statistik 2018/19 zeigt wieder einmal die übergeordnete Rolle von Triebschnee als Ursache für Lawinenabgänge mit Personenbeteiligung. Über 65 % dieser Unfälle hatten demnach ein Triebschneeproblem als Ursache, gefolgt vom Altschneeproblem (16 %).

Verortung der Lawinenereignisse mit Personenbeteiligung, kategorisiert nach dem dafür verantwortlichen Lawinenproblem.

Trotz eines sehr spannenden und schneereichen Winters mit vielen, im wahrsten Sinne des Wortes, Hochs und Tiefs, lag die Anzahl der Lawinenabgänge mit Personenbeteiligung (92 Ereignisse) etwas unterhalb des 10-Jahres-Medians (108 Ereignisse). Dieser Umstand ist auf die generell günstigen Wintersportbedingungen der heurigen Saison zurückzuführen. Ebenso liegt die Summe der Lawinentoten (5 Personen) unter dem 10-Jahresdurchschnitt (10 Personen).
Anzahl der Lawinentoten in Tirol zwischen 2009/10 und 2018/19. Die heurige Lawinensituation hatte weniger Tote zur Folge als im Durchschnitt der vergangenen 10 Jahre (Quelle & ©: LWD-Tirol).

Die Betrachtung der räumlichen Verteilung der Lawinenereignisse hebt heuer die Variantenbereiche der Tiroler Skigebiete als Hotspots für Lawinenunfälle hervor. Beliebte Skitourengebiete und damit besonders prädestiniert für Lawinenabgänge waren heuer, wie auch in Vergangenheit, die Regionen Nördliche Ötztaler und Stubaier Alpen sowie die Tuxer- und Zillertaler Alpen.

 Lawinenaktivität mit Personenbeteiligung im Verlauf der Wintersaison 2018/19 (Quelle & ©: LWD-Tirol).

Für die Saison 2018/19 ist unsere Arbeit nun getan.
Wir bedanken uns für die Vielzahl an privaten lawinenspezifischen Rückmeldungen während des vergangenen Winters und wünschen allen einen schönen, unfallfreien Sommer.