Mittwoch, 31. März 2021

Erhöhte spontane Nassschnee-Lawinenaktivität - Zudem lokales Altschneeproblem schattig, schneearm, sehr steil - Lawinenunfallanalyse Brennerspitze

Außergewöhnlich warm - Zeitreserven für Touren und Variantenfahrten schwinden - spontane Lawinenaktivität nimmt zu!


Aktuell befinden wir uns in einer für die Jahreszeit außergewöhnlich warmen Phase. Die Nullgradgrenze liegt heute laut ZAMG-Wetterdienststelle auf 3300m. Trotz klarer Nacht und oberflächige Ausstrahlung und Abkühlung der Schneedecke beginnt die Schneedecke bereits während des Vormittags rasch wieder aufzuweichen. Die Lawinengefahr steigt entsprechend rasch an. Aktuell befinden wir uns ab den Nachmittagsstunden bei einer durchwegs kritischen Stufe 3 "erheblich", also im Nahbereich von "großer Lawinengefahr". 

Bereits gestern am 30.03.2021 konnte man im Tagesverlauf aus Sonnenhängen vermehrt spontane Nassschneelawinen (v.a. Lockerschnee- und Schneebrettlawinen) beobachten. Dieser Trend wird sich weiter verschärfen, also die Gefahrenstellen für Lawinenauslösungen sowie die spontanen Lawinen während des Tages weiter zunehmen.


Typisch für die aktuelle Situation: Sonnseitig brechen Schneebrettlawinen bevorzugt in oberflächennahen Schichten (Schneefälle ab 05.03.2021) (Foto: 30.01.2021)


Die Temperatur steigt, die Schneeoberfläche wird während des Tages nass, der Schnee schmilzt dahin. Station Muttekopfhütte (Östliche Lechtaler Alpen)




Expertenfalle: Schneearme Bereiche, schattig, sehr steil - bevorzugt kammnah


Die vergangenen, bekannt gewordenen Lawinenereignisse, bei denen Personen beteiligt waren, hatten bevorzugt mit einem lokalen Altschneeproblem zu tun, bei dem die tageszeitliche Erwärmung keine Rolle spielte. Solche Gefahrenbereiche gibt es weiterhin in größeren Höhen im schattigen Gelände. Schneebrettlawinen können dort bevorzugt an schneearmen Stellen im sehr bis extrem steilen, kammnahen Gelände ausgelöst werden. Neben der Mitreißgefahr muss dort nicht selten auch die Absturzgefahr entsprechend beachtet werden. Der Lawinenunfall unterhalb der Brennerspitze vom 28.03.2021 fiel auch in diese Kategorie. Darauf soll nun detaillierter eingegangen werden: 


Lawinenunfall Brennerspitze in den Stubaier Alpen am 28.03.2021


Gestern am 30.03.2021 analysierten wir gemeinsam mit der Alpinpolizei den Lawinenunfall. Es handelte sich um ein hartes Schneebrett, das im Anrissbereich ca. 25m breit und in Summe 1200m lang war. An der breitesten Stelle des Lawinenkegels wurden 90m gemessen. Die Lawine löste sich unmittelbar nach Einfahrt einer Person in den ca. 45° steilen Nordhang auf 2870m. In Folge wurde die Person von der Lawine erfasst, über felsdurchsetztes Gelände mitgerissen und in Folge total verschüttet. Unter Reanimation musste die Person ins Krankenhaus geflogen werden.



Schneebrettlawine Brennerspitze mit Verschüttungsstelle (Foto: 30.03.2021)



Der obere Pfeil zeigt den Bereich an, wo die Person eingefahren ist, der untere Pfeil die Spur bei der Anrisskante. Die Anrissmächtigkeit betrug dort ca. 1m, rechts versetzt um 2m, ganz oben 0,2 bis 0,3m. (Foto: 30.03.2021)



Blick vom Grat: Von hier sprang der Wintersportler in den Hang. Aufgrund der großen Belastung drang dieser anfangs etwas tiefer in die harte Schneedecke ein. Rechts dieser Spur erkennt man einen Riss. Das Schneebrett löste sich in Folge aber erst seitlich und unten versetzt. Am Lawinenkegel ist die Verschüttungsstelle eingezeichnet. (Foto: 30.03.2021)



Wir führten unsere Schneedeckenuntersuchungen im unmittelbaren Nahbereich der Einfahrtsspur durch. Maßgeblich für den Lawinenabgang war die Abfolge von harten und sehr weichen Schichten. Der oberste Teil der Schneedecke war massiv vom Wind geprägt und sehr hart. Darunter fanden wir eine sehr lockere Schicht aus Schwimmschnee und kantigen Kristallen. Nach unten zu wechselten weitere härtere und weichere Schichten ab.



Schneedeckenuntersuchungen bei der Einfahrtsspur (Pfeil). Wenig Schnee, harte Schneeauflage, im Bereich der waagrecht am Bild erkennbaren Säge war der Schnee sehr locker - Schwimmschnee und kantige Kristalle. (Foto: 30.03.2021)




Schneeprofil orographisch rechts neben der Einfahrtsspur. Der Block brach, nachdem dieser seitlich und hinten abgesägt wurde.



Profil orographisch links der Einfahrtsspur. Hier konnten zwei Brüche initiiert werden. Maßgeblich für den Lawinenabgang war der untere Bruch



Die Kollegen der Alpinpolizei bei der Verschüttungsstelle (Foto: 30.03.2021)

Sonntag, 28. März 2021

Lawinenunfall Brennerspitze in den Nördlichen Stubaier Alpen - während der kommenden Tage (raschen) tageszeitlichen Anstieg der Gefahr beachten

Lawinenunfall Brennerspitze


Heute am 28.03. passierte ein Lawinenunfall unterhalb der Brennerspitze im Oberbergtal - einem Seitental des Stubaitales. Eine vom Gipfel abfahrende Person wurde von einer Schneebrettlawine erfasst, mitgerissen und total verschüttet. Die Person musste unter Reanimation in die Klinik nach Innsbruck geflogen werden.

Der Lawinenunfall erinnert an jenen vom 24.03. unterhalb der Giggler Spitze: Die Lawine löste sich kammnah an einer schneearmen Stelle in extrem steilem, schattigen Gelände. Vieles deutet auf ein kleinräumiges Altschneeproblem hin. Neuerlich werden wir gemeinsam mit der Alpinpolizei nähere Erhebungen zu diesem Unfall vornehmen. Details dazu werden frühestens am Dienstag abends publiziert werden.


Luftaufnahme Lawinenunfall Brennerspitze: Der Pfeil zeigt die Einfahrtsspur, die Ellipse die Fundstelle. Die Lawine löste sich im unmittelbaren Kammbereich. (Foto: 28.03.2021) 


Draufsicht Lawinenanriss samt Einfahrtsspur (Pfeil). Im Hintergrund das Gipfelkreuz der Brennerspitze (Foto: 28.03.2021)


Frühjahrsverhältnisse mit von Tag zu Tag rascherem Anstieg der Lawinengefahr im Tagesverlauf


Die kommenden Tage stehen im Zeichen klassischer Frühjahrsverhältnisse. Wichtig erscheint dabei immer, wie gut die Schneedecke während der Nachtstunden abkühlen kann: Je klarer die Nacht, je trockener die Luft, desto besser. Zu beachten ist allerdings, dass die Sonneneinstrahlung inzwischen sehr intensiv und die Temperaturen recht hoch sind. Dadurch wird die Schneedecke im Tagesverlauf aktuell v.a. noch in Sonnenhängen feucht bzw. nass. Eindringendes Wasser schwächt die Schneedecke. Speziell dort, wo wir aktuell ein oberflächennahen Altschneeproblem haben (stellenweise in weiten Teilen Nordtirols sowie im nördlichen Osttirol) können Schneebrettlawinen im Tagesverlauf immer leichter ausgelöst werden. Auch spontane Lawinen sind durchaus denkbar. Betroffen ist davon vorerst vermehrt O- und W-seitiges Gelände zwischen etwa 2200m und etwa 2700m, S-seitiges, extrem steiles Gelände zwischen etwa 2700m und 3000m. Gegen Wochenmitte könnten langsam auch Nordhänge um 2000m vermehrt betroffen sein. 

Quintessenz 

Eine gute Tourenplanung mit vernünftiger Zeiteinteilung wird während der kommenden Tage immer wichtiger!

Donnerstag, 25. März 2021

Stellenweise noch Altschneeproblem - meist jedoch schon recht günstige Verhältnisse - Lawinenunfallanalyse Giggler Spitze

Heute am 25.03. waren wir gemeinsam mit der Alpinpolizei im Tiroler Oberland unterwegs. Wir konnten dabei den Lawinenabgang auf der Giggler Spitze vom 24.03. näher analysieren, weiters hautnah bei einem Lawinenabgang am Hochwanner im Kühtai dabei sein sowie uns einen sehr guten Überblick über die Gesamtsituation aus der Luft verschaffen. 


Unterwegs mit der Alpinpolizei (Foto: 25.03.2021)

Kurz zusammengefasst:


Inzwischen wurden schon sehr viele Touren begangen und befahren, darunter vielfach auch extrem steiles Gelände. Angesichts dessen scheint es nicht mehr allzu viele Gefahrenstellen zu geben, an denen Lawinen ausgelöst werden können. Am meisten aufpassen sollte man dort, wo wir ein oberflächennahes Altschneeproblem haben. Die im gestrigen Blogeintrag (24.03.) angeführten Höhen- und Expositionsbereiche haben sich dabei heute aufgrund der beobachteten Lawinenabgänge recht gut bestätigt. Zusätzlich sollte generell in kammnahen, sehr steilen, schneearmen Bereichen aufgepasst werden, weil dort mitunter Schneebrettlawinen im Bereich von "Schwimmschneenestern" ausgelöst werden können.


Wetter der vergangenen Woche


Die vergangene Woche stand anfangs noch im Einfluss von polaren, kalten Luftmassen mit wechselhaftem Wetter. Immer wieder schneite es, zudem wehte zum Teil kräftiger Wind. Für die Jahreszeit war es deutlich zu kalt.


Die obere Grafik zeigt Abweichungen vom langjährigen Durchschnitt an der Station Patscherkofel. Man erkennt, die deutlich unterdurchschnittlichen Temperaturen der vergangenen 10 Tage. Es wurde sogar ein neues Minimum gemessen. Die untere Grafik dient der Erläuterung (c) ZAMG



Noch wechselhaftes Wetter am Sonntag, 21.03.2021 - Nördliche Stubaier Alpen (Foto: 21.03.2021)



Starker Wind verfrachtete viel Schnee und modellierte hier gefrorene Wassersäulen heraus. Diese stammten von der Wärmephase bis Anfang März - Lasörlinggruppe (Foto: 21.03.2021)



Anfang der Woche besserte sich das Wetter zusehends - Paznauntal (Foto: 23.03.2021)



Anfangs wechselhaft mit etwas Niederschlag und kalten Temperaturen, ab 23.03. besserte sich das Wetter. Die Temperatur steigt stetig




In Osttirol wehte zum Teil sehr kräftiger Wind



Schneedecke


Skifahrer und Freeriderinnen kamen die vergangene Woche auf ihre Rechnung: Abseits windbeeinflusster Bereiche dominierte meist toller Pulverschnee. 


Ein Pulvertraum in den Stubaier Alpen (Foto: 25.03.2021)


Inzwischen hat die Sonne schon ganze Arbeit geleistet. Pulver gibts nur mehr in reinen Schattenhängen. Meist dominiert Bruchharsch. Südseitig, sehr steil und in mittleren Lagen wird die Schneedecke zusehends nach klaren Nächten tragfähig. 

Interessant erscheint auch die an windbeeinflussten Stellen häufig ans Tageslicht tretende gelblich/orange Färbung der Schneedecke: Saharastaub von Anfang Februar...



Die gelbliche Schicht wurde durch die Ablagerung von Saharastaub so gefärbt. Silvretta (Foto: 23.03.2021)


Kurzfristig konnte auch ein für diese Jahreszeit ebenso interessantes, aber für die weitere Entwicklung wohl (zum Glück) irrelevantes Phänomen festgestellt werden: Als am 23.03. zumindest in den westlichen Landesteilen sehr trockene Luft eindrang, wurde die aus Wildschnee bestehende Schneeoberfläche durch intensiven kurzwelligen Strahlungseinfluss einige Zentimeter unterhalb der Schneeoberfläche feucht, darüber blieb diese trocken. Die Folge: Skier stollten massiv auf. Zudem bildete sich ab den späteren Nachmittagsstunden ein dünner Harschdeckel.


"Radiation recrystallisation" nennt man dieses Phänomen: Schneeoberfläche ist noch locker und trocken, darunter hat sich bis am späten Nachmittag ein dünner Harschdeckel gebildet (während des Tages war diese Schneeschicht feucht). Silvretta (Foto: 23.03.2021)



An diesem Profil erkennt man den Temperaturgang, der für "radiation recrystallisation" verantwortlich ist: Die Temperatur an der Schneeoberfläche ist negativ, einige cm darunter 0 Grad, dann wieder kälter. (Potential für die kurzfristige Ausbildung einer Schwachschicht aufgrund eines sehr großen Temperaturunterschiedes)



Lawinenunfall Giggler Spitze vom 24.03.2021 - eine kurze Analyse


Wie anfangs schon erwähnt machten wir uns heute gemeinsam mit der Alpinpolizei ein Bild von der Situation vor Ort. Die Schneebrettlawine hatte beachtliches Ausmaß: Diese war etwa 1600m lang und 100m breit und brach in einer Seehöhe von etwa 2480m in einem extrem steilen, nach Nordwesten ausgerichteten Hang.


Ein Ausschnitt der Unfalllawine unterhalb der Giggler Spitze in der Samnaungruppe vom 24.03.2021 (Foto: 25.03.2021)


Einfahrtsspuren der zwei verletzten Personen. Knapp oberhalb der querenden Spur führten wir unsere Stabilitätsuntersuchungen durch. Dort gab es Risse in der Schneedecke. Das Schneebrett löste sich erst dort, wo es steiler wurde. (Foto: 24.03.2021)



Links im Bild eine der Einfahrtsspuren. Im Vordergrund die querende Spur, darüber ein Riss. (Foto: 25.03.2021)


Auffallend und wohl unfallkausal war ein schneearmer, kammnaher Bereich. Dort fanden wir unterhalb von Triebschnee lockere, aufbauend umgewandelte Schichten. Bei Stabilitätstests konnte wir dort Brüche initiieren, die sich in Folge auch weiter fortpflanzten. Stellenweise beobachteten wir auch so genannte "Schwimmschneenester", also lokal viel Schwimmschnee unterhalb von kürzlichem Triebschnee. Dort war die Schneedecke besonders leicht zu stören. Von solch einer Stelle dürfte vermutlich auch die Bruchinitialisierung und Rissfortpflanzung in weitere, zum Teil sogar recht stabile Bereiche stattgefunden haben.


Schneeprofil samt Stabilitätstest oberhalb des Lawinenanrisses, im orographisch rechten Teil der Lawine. Der Schneeblock löste sich auf einer lockeren Schicht aus Schwimmschnee. Links der Schaufel erkennt man einen Riss innerhalb der Schneedecke, der als Folge des Lawinenabgangs entstanden ist. (Foto: 25.03.2021)


Hier das Profil zum obigen Foto. Der Pfeil zeigt auf die Schwachschicht.



Auf dem Schaufelblatt liegt lockerer Schnee, aus dem die Schwachschicht aufgebaut war (Foto: 25.03.2021)



Links die Einfahrtsspuren. (Foto: 25.03.2021)



Die höchste Anrissmächtigkeit betrug ca. 2m. Bruch bis in sehr stabile Bereiche hinein. (Foto: 25.03.2021)



Ein Blick von der Sturzbahn bis zur Ablagerung in den Waldschneisen (Foto: 25.03.2021)



Weitere, kürzlich beobachtete Lawinenabgänge


Vorab: Fast allen kürzlichen Lawinenabgängen ist gemein, dass diese in extrem steilem Gelände beobachtet wurden.

Unterhalb des Hochwanners im Kühtai wurde heute am 25.03. eine Person in der Abfahrt von einer Schneebrettlawine erfasst und mitgerissen. Die Person blieb bei dem Lawinenabgang unverletzt. Es handelte sich um einen extrem steilen, nach NO ausgerichteten Hang. Der Lawinenanriss befand sich auf 2350m. Die Lawine war ca. 300m lang und 50m breit. 


Lawinenabgang Hochwanner. Die Person fuhr von oben links in den, zum Teil felsdurchsetzten Hang ein. Am unteren Bildrand erkennt man den Notarzthubschrauber, der gerade die Situation abklärte. (Foto: 25.03.2021) 


Schneeprofil im orographisch linken Anrissbereich nahe der Einfahrtsspur: Unterhalb einer dünnen Schmelzkruste findet man eine kantige Schicht - die Schwachschicht. Darüber kürzlicher Triebschnee. 



Lawinenabgang Hoher Burgstall vom 23.03.2021, NO, 2500m. Wir vermuten einen sehr ähnlichen Schneedeckenaufbau wie bei dem Lawinenabgang am Hochwanner (Foto: 25.03.2021)



Lawinenabgang Grünbergspitze. Vermutlich spontan. Schwächung durch Sonneneinstrahlung. Ca 2700m, Süd (Foto: 24.03.2021)



Spontaner Lawinenabgang beim Kögele - Nördliche Stubaier Alpen. Der komplette Hang war Mitte Jänner 2021 schon einmal als Schneebrettlawine abgegangen. NO, 2200m (Foto: 25.03.2021)



Lawinenauslösung Thialkopf - Nord, Waldgrenzbereich - (eine ähnliche Situation u.a. auch vom Wattental in den Tuxer Alpen gemeldet) (Foto: 21.03.2021)



Die Pfeile zeigen auf kleine, zu Wochenbeginn abgegangene Schneebrettlawinen in den Tuxer Alpen. Als Schwachschicht könnte hier überwehter, lockerer Pulverschnee gedient haben. Wir sind uns aber nicht zu 100% sicher, da wir nicht vor Ort gegraben haben. (Foto: 24.03.2021)


Mit dem zunehmenden Strahlungseinfluss und dem Temperaturanstieg aktivierten sich während der vergangenen Tage vermehrt Lockerschneelawinen. Meist waren diese eher klein, östlich des Wipptals zum Teil auch etwas größer. Dort gabs am 23.03. vermehrten diffusen Strahlungseinfluss. Zum Teil beobachtete man auch Gleitschnee- und vereinzelt auch Schneebrettlawinen. Letzteres v.a. sonnseitig, kammnah und extrem steil.


Ablagerung einer Lockerschneelawine im hinteren Zillertal(Foto: 23.03.2021)



Kürzlich abgegangene Lockerschneelawinen (Foto: 25.03.2021)



Bald zieht (wieder) das Frühjahr ein


Morgen am 26.03. wird es wieder sonnig. Auf den Föhngipfeln soll lebhafter Südwest-Wind wehen. Am Samstag, 27.03. zieht rasch eine Kaltfront aus Nordwest übers Land. Die Schneefallgrenze soll sich zwischen etwa 1000m und 1500m bewegen. Meist werden um 5cm, im Nordstau um 10cm Schnee fallen. Nach Frontdurchzug klart es im Westen rascher auf als im Osten. 


Aufklaren nach Frontdurchzug am Samstag, 27.03.2021


In geschützten Schattenhängen in großen Höhen könnten sich dann kleine, ev. störanfällige Triebschneepakete bilden. (Hochalpin ev. aufgrund von gerade beobachtetem Nigg-Effekt ev. kammnah auf Oberflächenreif).


Ab Sonntag, 28.03. wird es zunehmend sonnig und von Tag zu Tag milder. Wichtig erscheint ab dann der fortschreitende Feuchtigkeitseintrag in die Schneedecke. Wir erwarten bis spätestens Wochenmitte einen ausgeprägten Tagesgang der Lawinengefahr.


Mit der zu erwartenden Durchfeuchtung werden auch wieder vermehrt Gleitschneelawinen zu beobachten sein (Foto: 20.03.2021)


Mittwoch, 24. März 2021

Lawinenabgang Gigglerspitze (Samnaungruppe) - gebietsweise Altschneeproblem beachten

Schneebrettlawine Gigglerspitze


Heute am 24.03. passierte ein Lawinenunfall im Nahbereich der Gigglerspitze in der Samnaungruppe. Es handelte sich um eine Schneebrettlawine. Diese löste sich, als sich Personen in der Abfahrt befanden. Zwei Personen wurden mitgerissen und verletzt. Der Hang ist stellenweise extrem steil und Richtung WNW ausgerichtet. Der Anriss befindet sich knapp unterhalb von 2500m. 


Der Unfallort befindet sich südwestlich von Landeck im Bereich der Gigglerspitze (türkis farbener Punkt) im Bereich der roten Ellipse


Schneebrettlawine Gigglerspitze mit den Einfahrtsspuren (Foto: 24.03.2021)

Morgen am 25.03. werden wir den Lawinenabgang gemeinsam mit der Alpinpolizei näher analysieren und gegen Abend darüber in einem weiteren Blogeintrag berichten. Wir gehen aktuell von einem Altschneeproblem aus. Die primäre Schwachschicht dürfte sich zwischen dem 05.03. und 14.03. gebildet haben.


Gebietsweise oberflächennahes Altschneeproblem beachten


Unsere Schneedeckenanalysen zeigen aktuell grob folgende Bereiche für ein Altschneeproblem

Schattseitig steil zwischen etwa 2000m und 2200m, lokal bis 2400m

West- und Ostseitig sehr steil zwischen etwa 2200m und 2600m

Südseitig extrem steil über etwa 2700m

Vermehrt betroffen sind folgende Regionen (Verwallgruppe, Silvretta, Samnaungruppe, Nördliche Ötztaler und Stubaier Alpen, Tuxer- und Kitzbüheler Alpen). Selbst innerhalb dieser Regionen sind die Gefahrenstellen nicht allzu verbreitet. Meist benötigt man inzwischen große Belastung, um dort Schneebrettlawinen auszulösen. Zudem sind Auslösungen am ehesten an eher schneearmen Stellen vorstellbar. Am vergleichsweise kritischsten erscheint uns das Problem aktuell schattseitig in dem Höhenband zwischen etwa 2000m und 2200m zu sein.

Das oberflächennahe Altschneeproblem ist heimtückisch, weil die Gefahrenstellen nicht unmittelbar erkennbar sind. Über der Schwachschicht lagert der seit 14.03. gefallene, anfangs vermehrt vom Wind beeinflusste Neuschnee, der oberflächennah teilweise noch pulvrig ist.

Samstag, 20. März 2021

Zahlreiche Lawinenabgänge mit Personenbeteiligung - zunehmender Wind bildet neue, z.T. störanfällige Triebschneepakete

Überblick über die Lawinenabgänge der vergangenen zwei Tage


An den vergangenen zwei Tagen bestätigte sich wieder einmal eine unserer langjährigen Erfahrungen: Bei erheblicher Lawinengefahr registrieren wir die meisten Lawinenabgänge mit Personenbeteiligung.

Über die Leitstelle Tirol wurden uns am 19.03. und 20.03. beachtliche 21 Lawinenabgänge gemeldet. Diese hohe Anzahl hat wohl auch mit dem zunehmenden Bewusstsein von Wintersportlern und Freeriderinnen zu tun, auch Negativlawinen zu melden. Danke dafür!

Eine grobe Analyse zeigt, dass die meisten Lawinen in einem Höhenband zwischen der Waldgrenze und etwa 2400m hinauf ausgelöst bzw. beobachtet wurden. Betroffen waren alle Expositionen. Gehäuft traten Lawinen im kammnahen Gelände auf, teilweise aber auch inmitten von Hängen (häufig ein Indiz für die Ausbildung des Gefahrenmuster gm.4 (kalt auf warm)). Als Schwachschicht dürften vermehrt aufbauend umgewandelte Kristalle im Bereich von Krusten bzw. an schneearmen Stellen bodennahe Schwachschichten eine Rolle gespielt haben. Bei einem Lawinenabgang heute am 20.03. am Mittagskopf in der Samnaungruppe verletzte sich eine Person am Arm. Die restlichen Lawinen gingen gut aus.


Hier die Auflistung sämtlicher Meldungen mit ersten groben Infos, (soweit verfügbar):

19.03.2021:

Seefelder Spitze (Karwendel): Person konnte ausfahren; W, ca. 2100m

Gilfert (Tuxer Alpen): 150-200m breit, nordöstlich vom Grat

Hoarbergkar (Tuxer Alpen): 60-70m breit, 300m lang

Birgitzköpfl (Stubaier Alpen): NW, 2000m

Kreuzjoch / Gerlos (Kitzbüheler Alpen)

Axamer Kögele (Stubaier Alpen): 100m unterhalb des Gipfels, NO, 30m breit, 100m lang

Kleiner Beil (Kitzbüheler Alpen): Wechte abgetreten, 10m breit, 50m lang

Niederer Burgstall (Stubaier Alpen): 20-30m beit


20.03.2021:

Lämpersberg (Kitzbüheler Alpen): 1 Person konnte unverletzt von der BR geborgen werden

Axamer Kögele (Stubaier Alpen): 2 Lawinenabgänge; 1 Person teilverschüttet, unverletzt

Wetterkreuzspitze (Tuxer Alpen): O, 200m breit, 400-500m lang, ev. spontan?

Sumpfkopf (Tuxer Alpen): 150m unter Gipfel Richtung Padasteralm, 50m breit

Kreuzjoch / Mitterwandskopf (Tuxer Alpen): 2200m

Lampsenspitze (Stubaier Alpen): 100m breit, 40m lang (ev. spontan?)

Mittagskopf (Samnaungruppe): ca. 200m nördlich des Gipfels; 1 Person teilverschüttet, Armverletzung

Plamort (Nauderer Berge): 50m lang, 20m breit

Wetterkeuzbahn / Skigebiet Hochötz (Stubaier Alpen)

Seblasspitze (Stubaier Alpen): ca. 400Hm über Brandstattalm; O-seitig, 20m breit, 50m lang

Roter Kogel (Stubaier Alpen): ca. 50m unter Gipfel; SO, kleines Schneebrett

Weißer Knoten (Glocknergruppe): vermutlich eine bereits zumindest einen Tag alte Lawine



 Folgend ein paar Bilder zu den kürzlichen Lawinenabgängen bzw. -beobachtungen:


Seefelder Spitze - 19.03.



Schlick - Lawinensprengung - 19.03.2021



Hoher Napf - Tuxer Alpen - Person löste Lawine aus, konnte ausfahren - 19.03.2021




Birgitzköpfl - Personen am Kegel - 19.03.2021




Kalkkögel - Lockerschneelawinen - 19.03.2021




Spontanes Schneebrett - Maningenbachkogel - Ötztaler Alpen - 19.03.2021




Lawinensprengung - Söldner Skigebiet - 19.03.2021




Axamer Kögele - kammnaher Anriss in bodennaher Schwachschicht - 20.03.2021




Gern - Kitzbüheler Alpen - Lawine im Hintergrund - 18.03.2021


Nun kommt wieder vermehrt Wind auf - neue Triebschneepakete bilden eine zusätzliche Gefahr


Die Prognosen der ZAMG sowie bereits einige unserer Wetterstationen zeigen, dass der Wind nun wieder zulegt. Die Folge sind neue Triebschneepakete, die zumindest schattseitig und in höheren Lagen, insbesondere auch kammnah störanfällig sein werden.



Windprognose für heute 20.03. nachts



Jene Wetterstation, bei der der Wind aktuell bereits am kräftigsten zugelegt hat: Vorderegg, Hinteres Ötztal bei Vent


Kürzliche Triebschneepakete bleiben v.a. dort noch störanfällig, wo kantige Schwachschichten eine Rolle spielen. Vermehrt dürfte dies aktuell v.a. folgende Bereiche betreffen: Nord: schmales Höhenband um 2000m; West und Nordwest sowie Ost und Nordost zwischen etwa 2000m und 2400m, Süd: vermutlich erst oberhalb etwa 2300m)

Dieser Blogeintrag könnte den Eindruck erwecken, dass es überall gefährlich sei. Dies ist nicht so. Allerdings ist die Situation zum Teil etwas heimtückisch, da Gefahrenbereiche nicht immer offensichtlich erkennbar sind. Wir raten deshalb weiterhin, einerseits frischen Triebschneepaketen im Steilgelände konsequent auszuweichen, andererseits im Zweifel eher defensiv, also nicht zu steil unterwegs zu sein.