Mittwoch, 30. Dezember 2020

Einige Lawinenabgänge mit Personenbeteiligung - alle gut ausgegangen - weiterhin ist Zurückhaltung angebracht!

Lawinenmeldungen der Leitstelle Tirol

Seit gestern, 29.12. hat uns die Leitstelle über 8 Lawinenereignisse informiert, bei denen Personen beteiligt waren:

29.12.2020: Juifenalm (Nördliche Stubaier Alpen); Roßkopf (Östliche Tuxer Alpen); Angerbergkopf (Nördliche Stubaier Alpen)

30.12.2020: Kleiner Leppleskofel (Östl. Deferegger Berge); Großer Leppleskofel (Östl. Deferegger Berge); Rogötzllenke (Östl. Deferegger Berge); Muttenjoch (Zentrale Stubaier Alpen); Schönbergspitze (Östl. Deferegger Berge)

Alle Lawinenabgänge sind bisher gut ausgegangen. Unserem derzeitigen Informationsstand handelte es sich durchwegs um mittelgroße Schneebrettlawinen. Eine Konzentration an Lawinenereignissen gab es u.a. in den Deferegger Bergen.


Violette Punkte: Grobe Örtlichkeit von Lawinenereignissen in den Deferegger Bergen am 30.12.2020



Weiterhin v.a. im Süden eine ernst zu nehmende Lawinensituation


Zwar haben wir für den morgigen Silvestertag die Gefahrenstufe von groß auf erheblich reduziert, dennoch muss gerade in den südlichen Landesteilen immer noch von einer heiklen Situation für den Wintersportler ausgegangen werden. Speziell dort, wo Oberflächenreif von Triebschnee überlagert ist, können Triebschneepakete sehr leicht durch geringe Belastung gestört werden. Auch heute wurde uns wieder von Setzungsgeräuschen und Rissbildungen, aber auch von Fernauslösungen berichtet, während frische spontane Lawinen inzwischen nicht mehr zu beobachten waren. Passend zu diesen Beobachtungen hier zwei Bilder einer vorbildlichen Routenwahl bzw. situationsangepassten Verhaltens.


Tour im flachen bis mäßig steilen Gelände im Bereich des Golzentipps (Karnischer Kamm) - (Foto: 30.12.2020)


Pfeil: Ein Skitourengeher beendet sein Tour an diesem Punkt, bevor es steiler wird. Hoher Bösring - Karnischer Kamm (Foto: 30.12.2020)


Weiter im Norden ebenso auf frischen Triebschnee, aber auch auf störanfälligen Altschnee achten


Der Neuschneezuwachs von Montag, 28.12. auf Dienstag 29.12. ist im Norden des Landes viel geringer ausgefallen, mit stetig abnehmender Tendenz Richtung Norden. Triebschneepakete sind deshalb weniger mächtig als im Süden. Dennoch, auch dort ist die Schneedecke zumindest oberhalb der Waldgrenze vielerorts massiv vom Wind geprägt. 


Windstrukturen durch den kürzlich starken Windeinfluss. Ötztaler Alpen (Foto: 29.12.2020)


Harte Schneebretter


Vorsicht, gerade unmittelbar während stürmischer, kalter Phasen können vermehrt auch so genannte harte Schneebretter im Steilgelände ausgelöst werden. Die Schneeoberfläche kann dabei auch pickelhart sein. Dies hat u.a. mit der erhöhten Sprödigkeit des Schneebretts aufgrund der kalten Temperaturen zu tun. Zu so einem harten Brett gehört natürlich immer auch eine ausgeprägte Schwachschicht. Diese findet sich vermehrt im Bereich von Übergängen von wenig zu viel Schnee bzw. an schneeärmeren Stellen.
 

Die Schneeschollen zeugen von einem eher harten Schneebrett, Nauderer Berge (Foto: Hans Hofer, weitergeleitet von Florian Maas)


Vorausschau für den Jahresstart

Die ZAMG-Wetterdienststelle hat neuerliche eine Niederschlagsinformation für den Süden ausgegeben. Von Neujahr bis zum 03.01.2021 ist speziell in Osttirol mit Neuschneemengen zwischen etwa 30 und 50cm zu rechnen - Schwerpunkt wieder einmal ganz im Süden. 

Somit ist vorerst auch von ähnlich heiklen Lawinenverhältnissen für den Wintersportler auszugehen, wie wir sie aktuell vorfinden. Wintersportler sollten über sehr gutes lawinenkundliches Wissen verfügen und weiterhin zurückhaltend unterwegs sein.


Einen guten Rutsch und v.a. viele sichere Erlebnisse im winterlichen Gebirge wünscht das Team des LWD Tirol!

Dienstag, 29. Dezember 2020

Gebietsweise heikle Situation für den Wintersportler - im südlichen Osttirol "Wintersportler-Groß"

Lawinenabgänge, Rissbildungen und Setzungsgeräusche sind eindeutige Alarmsignale - Frische Triebschneepakete im Steilgelände sollten vorerst unbedingt gemieden werden!


Der heutige 29.12.2020 bestätigte unsere Einschätzung über eine gebietsweise durchwegs heikle Situation für den Wintersportler. Wir bekamen vermehrt Rückmeldungen über meist mittelgroße, vereinzelt auch große spontane Lawinenabgänge. Zudem wurden Schneebrettlawinen durch Personen ausgelöst. Bisher kam dabei niemand zu Schaden.

 

Spontane Schneebrettlawinen in den Tuxer Alpen (Foto: 29.12.2020). An den abgeblasenen Rücken erkennt man u.a. auch den Windeinfluss

 

Betroffen sind vermehrt die etwas südlicheren Landesteile, dort wo es seit gestern, 28.12. mehr  schneite. Häufig kamen dort zwischen 20 und 40cm, lokal bis zu 60cm Neuschnee zusammen - dies unter kräftigem Windeinfluss.

 

Niederschlagssumme vom 28.12. auf den 29.12.2020 - Osttirol hat am meisten "abgekriegt".

 

Schnee, Schnee, Schnee - Lienzer Becken (Foto: 29.12.2020)


Der frische Triebschnee reagiert sehr leicht auf Zusatzbelastung. Dieser lagert auf folgenden Schwachschichten:

  • Wildschnee (besonders lockerer Pulverschnee) bzw. lockerer Pulverschnee in allen Expositionen
  • Oberflächenreif vermehrt bis zum Waldgrenzbereich in allen Expositionen, gebietsweise auch darüber, dann v.a. Nordsektor
  • kantige Kristalle im Nahbereich einer Schmelzkruste, die bis zum 22.12. entstanden ist (erhöhte Störanfälligkeit vermehrt im Nordsektor 2100m-2300m; im O-S-W-Sektor 2200-2500m).

So wurden wir heute über zahlreiche Rissbildungen und Setzungsgeräusche v.a. vom Waldgrenzbereich aufwärts informiert.

Wir stufen die Lawinengefahr aktuell aufgrund der hohen Störanfälligkeit der Schneedecke im südlichen Osttirol vom Waldgrenzbereich aufwärts als groß (Stufe 4) ein.

 

Gefahrenstufenkarte für den 30.12.2020

 

Es handelt sich dabei um ein "Wintersportler-Groß", also um eine Situation, bei der die Wahrscheinlichkeit einer durch Zusatzbelastung ausgelösten Schneebrettlawine zumindest oberhalb der Waldgrenze als hoch eingestuft wird. Zudem sind Gefahrenstellen recht flächig, also in allen Expositionen anzutreffen. Dies war heute z.B. ein triftiger Grund für einen unserer Beobachter im südlichen Osttirol, seine Geländeerkundung nur im mäßig steilem Gelände bis zur Waldgrenze durchzuführen. Darüber war auch aufgrund eingeschränkter Sicht "eine Geländebegehung zu riskant!" Angrenzend an die mit "groß" beurteilte Region ist die Gefahr vom Waldgrenzbereich aufwärts ebenso durchaus heikel. Viel Erfahrung in der Lawinenbeurteilung sowie sehr großer Zurückhaltung sind dort angebracht.

Am Schluss nochmals unser mehrmals geäußerter Appell: Kürzlich gebildete Triebschneepakete sollten derzeit im Steilgelände konsequent gemieden werden!

Montag, 28. Dezember 2020

Frischer Triebschnee lässt sich häufig sehr leicht stören - vermehrt auch spontane Lawinen zu erwarten

Kalter, lockerer Pulverschnee bildet eine sehr störanfällige Schwachschicht für frischen Triebschnee!


Ergänzend zu letztem Blogeintrag noch ein kurzer Hinweis an alle Wintersportler: Die Weihnachtsfeiertage standen vielerorts im Zeichen guten Pulverschnees. Damit ist es nun meist vorbei. Inzwischen hat der Wind auch abseits hoher Gipfel sowie abseits typischer Föhnschneisen allgemein zugenommen. Gefahrenstellen in Form von frischen Triebschneepaketen nehmen deshalb stetig zu. Dies trifft insbesondere auch für den Süden des Landes zu, wo es nun kräftig zu schneien beginnt.


Windverteilung in Tirol, 28.12. 07:00 Uhr - mitunter stürmisch aus südlicher Richtung


Neuschneeprognose für die kommenden 48 Stunden. Am meisten wird es ganz im Süden des Landes schneien



Im Süden zunehmende Eintrübung. Kräftiger Windeinfluss auf den Bergen; Defereggental

 

Zunehmend heikle Lawinensituation für den Wintersportler


Wintersportler sollen sich deshalb in den vom Wind beeinflussten sowie niederschlagsreichen Gebieten auf eine durchwegs heikle Lawinensituation einstellen. Frischer Triebschnee ist nämlich vielerorts nur sehr schlecht mit dem kalten, lockeren Pulverschnee (teilweise handelte es sich um besonders lockeren Wildschnee) verbunden. Setzungsgeräusche und Rissbildungen, aber auch Meldungen über erste spontane Schneebrettlawinen - derzeit meist noch Größe 2 (mittelgroß) - sind eindeutige Alarmzeichen.


Gut zu erkennen: Starker Windeinfluss samt Rissbildung: Gartalm-Hochleger, Tuxer Alpen (Foto: 27.12.2020)

Windeinfluss in den Osttiroler Tauern (Foto: 27.12.2020)

Lawinenauslösung am Weg zum Hochgasser - Osttiroler Tauern. Es handelte sich um frischen Triebschnee (Foto: 27.12.2020)

Unser Appell: Während der kommenden Tage sollte man frischen Triebschneepaketen im Steilgelände konsequent ausweichen!

Mittwoch, 23. Dezember 2020

Neuschnee samt Wind führen während der Weihnachtsfeiertage zu einem Anstieg der Lawinengefahr

Zunehmende Triebschneeproblematik in höheren Lagen


Seit Montag, den 21.12.2020 weht in höheren Lagen zum Teil recht kräftiger Wind aus westlicher Richtung. Dieser führt zu neuen Schneeverfrachtungen. Die dabei frisch gebildeten Triebschneepakete sind mitunter störanfällig, derzeit (am 23.12.) insbesondere oberhalb etwa 2400m. (Diese Höhengrenze wird mit Eintreffen einer Kaltfront vom 24.12. auf den 25.12. sukzessive tiefer zu liegen kommen.)


Schneefahnen auf ca. 2900m in den Ötztaler Alpen (Foto: 22.12.2020)


Die Hintergründe dafür: 


Einerseits konnte sich während einer milden Schönwetterphase zwischen Donnerstag, 17.12. und Samstag, 20.12. während klarer Nächte vermehrt Oberflächenreif bilden. Zudem wurde die Schneeoberfläche v.a. in höheren Lagen sowie in Schattenhängen lockerer. Beides stellt eine ideale Schwachschicht für darüber abgelagerten Triebschnee dar.


Oberflächenreif in den Tuxer Alpen (Foto. 18.12.2020)


Andererseits brachte eine von Montag, 21.12. auf Dienstag, 22.12. durchziehende Warmfront dann etwas Niederschlag in ganz Tirol. Der Schwerpunkt lag im Westen des Landes. Überall wo es regnete, wurde die locker aufgebaute Schneeoberfläche samt Oberflächenreif feucht, die mögliche Schwachschicht dadurch zerstört. Deshalb ist Triebschnee aktuell nur in höheren Lagen störbar, dort also, wo sowohl die locker aufgebaute Schneeoberfläche als auch der Oberflächenreif erhalten blieben.


Schneedeckensimulation Axamer Lizum: Die in magenta dargestellte Linie an der Oberfläche (vom 19.12. bis 22.12.) zeigt eine dünne Oberflächenreifschicht an, die am 22.12. durch Regeneinfluss zerstört wurde (Seehöhe: 2103m, Axamer Lizum)


Niederschlagsverteilung vom 21.12. auf den 22.12.: Im Westen am meisten, im Süden nur Spuren.


Regengrenzen der Warmfront vom 21.12. auf den 22.12.2020. Meist um 2400m, in Osttirol meist um 2000m


Die Störanfälligkeit der frischen Triebschneepakete zeigt sich derzeit einerseits durch Rissbildungen, andererseits aber auch durch kleine künstlich ausgelöste, vereinzelt auch spontane Schneebrettlawinen.


Rissbildung beim Betreten eines frischen Triebschneepakets auf 2900m. Die Schwachschicht bestand aus lockeren filzigen Kristallen samt Oberflächenreif. (Südliche Ötztaler Alpen, am 22.12.2020)



Lawinenauslösung Mittagsköpfe im Sellraintal. Man erkennt knapp unterhalb der Felsen einen gering mächtigen Anriss, darunter eine von der Lawine betroffene Personengruppe. Alle Personen blieben unverletzt. 2900m, SO (Foto: 22.12.2020)


Der Vorteil: Mit etwas Erfahrung in der Lawinenbeurteilung lassen sich die frischen Triebschneepakete aktuell noch recht gut erkennen, werden allerdings ab 25.12. zunehmend überschneit und dadurch immer schwieriger auszumachen.


Altschneeproblematik in den nordwestlichen Regionen Nordtirols


Während der vergangenen Woche hat die Anzahl der Gefahrenstellen, wo eine Lawinenauslösung im Altschnee möglich ist, auch in den schneeärmeren Regionen tendenziell abgenommen. Dennoch zeigen Stabilitätsuntersuchungen immer noch, dass bodennahe Schwachschichten durch die Zusatzbelastung von Wintersportlern brechen und in Folge Schneebrettlawinen abgehen können. Bekannt geworden sind uns während der vergangenen Woche zwei Lawinen mit Personenbeteiligung (jeweuils am 19.12.2020), die in aufbauend umgewandelten, bodennahen Schichten gebrochen sind; einmal am Schlantekopf in der Glockturmgruppe und einmal am Larsengrat im Muttekopfgebiet bei Imst. Jeweils passierte nichts.


Schneeprofil in den Tuxer Alpen im Bereich der Nafingalm. Man erkennt eine bodennahe, lockere Schicht - eine mögliche Schwachschicht für Schneebrettlawinen  (Foto: 19.12.2020)


Lawinenabgang Larsengrat; 2530m, NO. Beim Kreis erkennt man 3 Personen, die involviert waren. (Foto: 19.12.2020)


Altschneeproblematik wird durch Neuschnee samt Wind verstärkt

Mit dem angekündigten Niederschlag samt starkem Windeinfluss vom 24.12. auf den 25.12. (anfangs laut ZAMG-Wetterdienststelle noch bis etwa 2000m hinauf als Regen fallend, dann bis in Tallagen in Schnee übergehend) wird sich das Altschneeproblem in den bis dato schneeärmeren Regionen wieder verschärfen. Dies hat mit der großflächigen Bildung von Triebschneepaketen zu tun. Lawinen können dadurch größer werden, ebenso wird die Bruchfortpflanzung des Schneebretts begünstigt. Vermehrt betroffen ist weiterhin der Nordsektor, in größeren Höhen sind es dann vereinzelt auch Ost- und Westhänge.


72h-Neuschneeprognose, 23.12. 07:00 Uhr bis 26.12. 07:00 Uhr: Ganz im Westen wird am meisten Schnee fallen.


Ungünstig: Ein markanter Wechsel von weichen und harten Schichten: Region Westliche Lechtaler Alpen, Arlbergregion


Ausblick


Anstieg der Lawinengefahr

Die Lawinengefahr wird durch eine Kaltfront, die über Weihnachten Schnee und starken Wind bringt, ansteigen. Oberhalb der Waldgrenze wird die Gefahr erheblich werden.

Ab Anfang kommender Woche soll dann ein Mittelmeertief wieder viel Neuschnee im Süden des Landes bringen. Man geht derzeit von mindestens 50cm Neuschnee, lokal auch mehr aus. Vordergründig wird sich dadurch die Triebschneeproblematik verschärfen.


Der schneereiche Süden bekommt ab kommender Woche weiteren Schnee ab...


Mögliche Ausbildung des Gefahrenmusters 4 (kalt auf warm)


Interessant für uns Lawinenprognostiker ist derzeit auch ein zu erwartendes Gefahrenmuster 4 (kalt auf warm). Aktuell ist die Schneeoberfläche bis etwa 2400m hinauf (sh. obere Regenkarte) häufig angefeuchtet. Ab dem 25.12. wird sich darauf kalter Schnee ablagern. Die Temperaturen bleiben kalt. Aufgrund des ausgeprägten Temperaturgradienten an dieser Grenzfläche können sich in kurzer Zeit kantige, lockere Kristalle innerhalb der Schneedecke bilden, die als mögliche Schwachschicht für Schneebrettlawinen in Frage kommen könnten. Wir werden gemeinsam mit unseren Beobachtern diese Entwicklung genau im Auge behalten und sind natürlich auch an Rückmeldungen über entsprechende Beobachtungen an lawine@tirol.gv.at sehr dankbar!


Die durch Regen (und auch aufgrund der milden Temperaturen) angefeuchtete Schneeoberfläche bildet Knollen (ca. 2000m; N) in Obergurgl (Foto: 22.12.2020)


Die obstersten 5cm der Schneedecke sind feucht und weisen eine Temperatur von 0°C auf. (Profil auf 2040m bei Obergurgl am 22.12.2020)


Wochenrückblick


Meist günstige Lawinensituation


In den schneereichen Regionen dominierten in Summe günstige Verhältnisse. Steilwandfahrer kamen auf ihre Rechnung. 


Unterwegs in der Venedigergruppe im extrem steilen Gelände bei einer durchwegs stabilen Schneedecke (Foto: 19.12.2020)


Gleitschneeaktivität hat deutlich abgenommen


Die Gleitschneeaktivität hat inzwischen deutlich abgenommen, obwohl weiterhin ein gewisses Gefahrenpotenzial von Gleitschneelawinen ausgeht. 


Foto aus dem Schmirntal. Im Vordergrund erkennt man Skispuren im Pulverschnee, im Hintergrund fast apere Grashänge, wo bereits zahlreiche Gleitschneelawinen abgegangen sind (Foto: 18.12.2020)


Gleitschneeanriss in Sillian (Foto: 20.12.2020)


Viele SkitourengeherInnen im Gelände


Wir beobachten aktuell einen Boom beim Skitourengehen. Bis heute 23.12. waren viele der SkitourengeherInnen auch auf den häufig bereits präparierten Pisten unterwegs, während die Skigebiete noch geschlossen waren. 


Ein am 20.12.2020 voller Parkplatz in Praxmar im Sellraintal


Skitourengeher auf einer präparierten Piste im Kühtai (Foto: 17.12.2020)


Wetterrückblick


Milde Woche mit weiterem Temperaturanstieg aufgrund der Warmfront vom 21.12. auf den 22.12., die etwas Niederschlag brachte. Zunehmender Windeinfluss, wechselnde Windrichtung. Galzig, Arlberggebiet



Das Team des Lawinenwarndienstes Tirol wünscht FROHE und SICHERE WEIHNACHTSFEIERTAGE!

Donnerstag, 17. Dezember 2020

Altschneeproblem im Nordwesten des Landes - Gleitschneeproblem in den schneereichen Regionen

In Nordtirol gebietsweise heimtückisches Altschneeproblem v.a. im Nordsektor oberhalb etwa 2200m


Lawinenereignisse der vergangenen Tage, bei denen Personen beteiligt waren, aber auch unserer Schneedeckenuntersuchungen bestätigen ein zum Teil recht heimtückisches Altschneeproblem. Am prominentesten ist dieses derzeit in den nordwestlichen Regionen Nordtirols, dort wo es seit Anfang Dezember tendenziell weniger geschneit hat. Die Gefahr wird in diesen Gebieten oberhalb etwa 2200m als erheblich eingestuft. Gefahrenbereiche findet man oberhalb etwa 2200m v.a. im Nordsektor, oberhalb etwa 3000m vermehrt dann auch in den übrigen Hangrichtungen. Dabei handelt es sich um Bereiche, wo vor den Dezember-Schneefällen bereits Schnee gelegen ist und wo sich flächig lockere Schwachschichten ausbilden konnten.

 

Gefahrenstufenkarte für Freitag, 18.12.2020. Erhebliche Gefahr aufgrund eines Altschneeproblems.

 

Lawinenereignisse der vergangenen Tage (mit einem Altschneeproblem)
 

Am 12.12.2020 beobachtete man im Nahbereich des Rietzter Grießkogels im Sellraintal in einem sehr steilen Nordwesthang ein Schneebrett auf ca. 2500m. Es gingen Spuren in die Lawine rein sowie aus der Lawine raus.

 

Schneebrettlawine Rietzer Grießkogel. (Foto: 12.12.2020)


Unterhalb der Kübelwände im Muttekopfgebiet (Nahbereich Imst) löste sich am 14.12.2020 eine Schneebrettlawine, als sich eine Person in der Abfahrt befand. Die Person konnte aus der Lawine ausfahren. Das Gelände war zumindest sehr steil und lag im Sektor ONO. Der Anriss befand sich auf etwa 2600m.


Schneebrett Kübelwände. Die Lawine wurde orographisch rechts im Nahbereich der Felswände während der Abfahrt ausgelöst. Dort lag noch Schnee vom Frühwinter, der teilweise markant aufbauend umgewandelt war. (Foto: 16.12.2020)


Beim Profil im unmittelbaren Nahbereich des Anrisses der Lawine bei den Kübelwänden erkennt man sehr gut das hellere Neuschneepaket (ab Anfang Dezember) und das dünklere Altschneepaket. Unmittelbar unterhalb des Neuschneepakets findet man eine lockere, aufbauend umgewandelte Schicht - die relevante Schwachschicht für das Schneebrett. (Foto: 16.12.2020)
 

Am 14.12. verstarb ein Skitourengeher auf Vorarlberger Seite im Grenzgebiet zu Tirol, als dieser oberhalb von Stuben vom Albonagrat abfuhr. Höhenbereich um 2300m, Nordsektor, zumindest sehr steil.

Am 15.12. lösten zwei Skitourengeher bei der Abfahrt vom Pirchkogel unterhalb des Hinteren Grieskogels eine Schneebrettlawine aus. Eine Person wurde mitgerissen, blieb aber unverletzt. Nordost, 2700m, sehr steiles bis extrem steiles Gelände.

 

Lawinenabgang Hinterer Grieskogel. Mittig beim Anriss erkennt man die Einfahrtsspuren der zwei Skitourengeher. (Foto: 17.12.2020)
 

Das zur Schneebrettlawine am Hinteren Grieskogel gehörige Profil: Profilstandort oberhalb des Anrisse kammnah. Die sehr weiche Schicht, bestehend aus lockerem Schwimmschnee und kantigen Kristallen bildete die Schwachschicht für das Schneebrett. Wir konnten dort recht leicht einen Bruch initiieren, der sich sehr gut fortpflanzte.


Am 17.12. wurden wir von der Leitstelle über einen Lawinenabgang im Mattun (Arlberggebiet) informiert. Nähere Details dazu sind uns nicht bekannt. Fix ist, dass niemand zu Schaden kam.


Weiterhin Gleitschneeproblem in den schneereichen Gebieten


Zwar nimmt die Gleitschneeaktivität inzwischen langsam ab, dennoch muss unverändert auf steilem, glatten Untergrund mit dem Abgleiten von Schnee gerechnet werden. Wir raten deshalb unverändert, sich möglichst nicht unterhalb von Rissen in der Schneedecke aufzuhalten. Der Abgangszeitpunkt von Gleitschneelawinen ist - wie schon oftmals  erwähnt - nicht vorhersehbar!


Ein gefährliches Unterfangen: Aufenthalt unterhalb von Gleitschneerissen. Osttirol. (Foto: 10.12.2020)


Immer wieder wurden Straßen durch Gleitschneelawinen verlegt. Dies sowohl in Nord-, als auch in Osttirol in den neuschneereichen Regionen. Zum Glück sind sämtliche Abgänge glimpflich ausgegangen. Schäden durch Gleitschneelawinen haben sich bisher eher in Grenzen gehalten. Bekannt ist u.a. ein Schaden bei der Materialseilbahn der Bonn-Matreier-Hütte.


Der Kreis weist auf die Materialseilbahn hin. Darüber erkennt man den Anrissbereich der Gleitschneelawine. (Foto: 11.12.2020)


Mancherorts hohe Gleitschneeaktivität in Osttirol (Foto: 11.12.2020)


Abgleitender Schnee auf Schupfendach


Dachlawine bei der Muttekopfhütte. Im Hintergrund erkennt man einen Gleitschneeriss, ein Gleitschneemaul und einen Gleitschneerutsch (Foto: 16.12.2020)


Beeindruckende Schneeauflage in Sillian (Foto: 10.12.2020)


Ebenso berichtenswert:


Das Wetter

Die vergangene Woche war wechselhaft mit Süd- und Nordwestströmungen. Markant war insbesondere der Temperaturanstieg ab Montag, 14.12.2020.


Zunehmende Setzung der Schneedecke. Insbesondere am Hauptkamm in größeren Höhen immer wieder recht kräftiger Wind aus unterschiedlichen Richtungen. Gut zu erkennen u.a. auch der Temperaturanstieg ab 14.12.2020.


Lockerschneelawinen


Vermehrter Abgang von Lockerschneelawinen am 15.12. aufgrund des Temperaturanstieges. Mieminger Kette (Foto: 17.12.2020)


Im Hintergrund: Lockerschneelawine aus besonntem, extrem steilen Gelände. Schlick (Foto: 16.12.2020)


Die Gesamtschneehöhe


Verteilung der Schneehöhe in Tirol: Deutliches Gefälle von Süd nach Norden. Am wenigsten Schnee liegt im nordwestlichsten und nordöstlichsten Teil des Landes


In den schneereichen Regionen deutliche Setzung und Stabilisierung der Schneedecke, mancherorts noch super Pulverschnee

 

Abgesehen von den bereits angesprochenen Gleitschneelawinen muss unbedingt auch Positives hervorgehoben werden: Die Schneedecke hat sich sehr gut gesetzt und stabilisiert. Wintersportler nützen diese Situation und halten sich vermehrt auch in extrem steilem Gelände auf.


Extrem steile Abfahrt in Osttirol (Foto:

Nach Ende der ergiebigen Schneefälle am 09.12.2020 gabs anfangs sehr tiefen Pulverschnee, dann perfekten Pulver für Tiefschneeerlebnisse. Inzwischen hat der Wärmeimpuls den Pulver zumindest in tiefen und mittleren Höhenlagen sowie allgemein in besonnten Hängen zerstört. Dort gibts inzwischen eher Bruchharsch oder eine am Tag angefeuchtete Schneeoberfläche. Schattseitig findet man Pulver hingegen unverändert in höheren Lagen.

 

Ein Pulvertraum bei der Abfahrt vom Eselrücken im Virgental (Foto: 12.12.2020)