Samstag, 30. Januar 2021

Gebietsweise heikle Situation für den Wintersportler - Zwei tödliche Lawinenunfälle in den Stubaier Alpen

Zahlreiche spontane Lawinenabgänge


Wir haben gerade eine Phase mit zahlreichen spontanen Lawinenabgängen hinter uns. Einige davon waren auch sehr groß und haben u.a. exponierte Verkehrswege verschüttet. Dies war v.a. im neuschneereichen Westen des Landes der Fall. Durch die warmen Temperaturen und den Regeneinfluss hat ebenso die Aktivität von Gleitschneelawinen wieder zugenommen. Insbesondere aus dem schneereichen Osttirol sind uns diesbezüglich einige größere Abgänge bekannt. 

Die spontane Lawinenaktivität hat inzwischen deutlich abgenommen. Heute am 30.01. wurden uns noch einzelne im Westen des Landes gemeldet. Der Grund dafür dürfte v.a. in der verfrachtungsbedingten Zusatzbelastung zu suchen sein. Ab morgen Sonntag, 31.01. soll der Wind deutlich schwächer werden. Impulse für spontane Lawinen könnten dann v.a. noch durch (aktuell sehr schwer abschätzbaren) diffusen Strahlungseinfluss (im Bereich von Wolkenbänken) gegeben sein.


Die Situation für Wintersportler*innen bleibt gebietsweise heikel


Was bleibt ist eine für den Wintersportler gebietsweise heikle Lawinensituation. Dies trifft v.a. oberhalb der Waldgrenze zu. Darunter dürften durch den kürzlichen Regen- und Wärmeeinfluss bereits die allermeisten Schwachschichten innerhalb der Schneedecke entweder aktiviert oder zerstört worden sein. In tiefen und mittleren Lagen bleibt v.a. in den schneereicheren Regionen die Gefährdung durch Gleitschneelawinen oder aber - im extrem steilen, regenbeeinflussten Gelände - durch nasse Lockerschneelawinen.

Oberhalb der Waldgrenze haben sich hingegen durch Schneefall und Wind umfangreiche, flächige Triebschneepakete gebildet. Diese bilden ein "perfektes" Brett und können insbesondere an Übergängen von wenig zu viel Schnee unverändert recht leicht von Wintersportler*innen gestört werden. Vereinzelt wurde uns während der vergangenen Tage auch noch von Fernauslösungen berichtet - ein Charakteristikum für die großflächig, meist im Mittelteil der Schneedecke vorhandenen Schwachschichten. Da Lawinen in tiefere Schichten der Schneedecke durchreißen können, erreichen diese mitunter eine für Wintersportler gefährliche Größe.


Neuerlich einige Lawinenabgänge mit Personenbeteiligung - zwei davon mit tödlichem Ausgang


Die seit bereits Mitte Jänner anhaltende Periode mit vermehrten Lawinenabgängen, bei denen Personen beteiligt waren, hält leider an. So wurden uns heute von der Leitstelle sieben solche Lawinenabgänge,  zusätzlich ein Wechtenbruch (Zwölferkogel) sowie eine Dachlawine (in Lienz) gemeldet. Die Lawinenabgänge waren in Osttirol bei der Hollbrucker Spitze am Karnischen Kamm sowie beim Figerhorn in der Glocknergruppe. Die restlichen Lawinenabgänge wurden uns alle von den Stubaier Alpen, vermehrt aus dem Sellraintal gemeldet: Schafzöllen, Vorderer Grieskogel, Neunerkogel, Widdersbergsattel sowie Zubußerkopf bei Trins).


Bisher bekannte Fakten zu den tödlichen Lawinenunfällen


Lawinenabgang Neunerkogel (Nördliche Stubaier Alpen)


Die Schneebrettlawine löste sich, als sich eine Person bei der Abfahrt in einem ca. 40° steilen Nordhang auf ca. 2150m befand. Die Lawine war ca. 150m lang und 80m breit. Die Person hatte kein LVS-Gerät dabei und wurde von einem Lawinenhund gefunden (Verschüttungstiefe ca. 50cm) . Vor Ort durchgeführte Reanimationsversuche blieben erfolglos.


Screenshot aus www.lawis.at: Man erkennt die Unfallstelle unterhalb des Finstertalspeichers im Kühtai. Im Nahbereich der Lawine hat Lukas Ruetz, einer unserer Beobachter, nach dem Unfall Schneeprofile aufgenommen. Rechts dargestellt ist eines dieser Profile: Die Lawine löste sich auf der aktuell bekannten und recht verbreiteten Schwachschicht im Mittelteil der Schneedecke.


Lawinenabgang Widdersbergersattel (Nördliche Stubaier Alpen)


Laut Auskunft des Einsatzleiters der Bergrettung Axams wurde ein Einzelgänger im Aufstieg Richtung Widdersberg (Ausgangspunkt Axamer Lizum) von einer Schneebrettlawine knapp 2m tief verschüttet. Die Lawine war ca. 100m breit und löste sich unmittelbar unterhalb des Widdersberger Sattels in einer Seehöhe von ca. 2260m. Der Hang ist Richtung OSO ausgerichtet. Zwei Personen bemerkten den Lawinenabgang sowie die Einfahrtsspur und konnten die verschüttete Person sofort orten. Nach ca. 40 Minuten war die Crew des C1 bereits bei den Reanimationsmaßnahmen, die erfolglos blieben. Wir gehen aufgrund der uns von diesem Gebiet bekannten Schneedeckenuntersuchungen von einem gleich gelagerten Problem wie beim Lawinenunfall Neunerkogel aus.


Eingezeichnet ist der ungefähre Ort des Lawinenabgangs unterhalb des Widdersbergersattels. (c) tiris
 

Zusätzliche Bemerkung (20 min nach Veröffentlichung):


Gerade hat uns eine Person, die bei der Suchaktion beim Lawinenabgang unterhalb des Vorderen Grieskogels (im Kühtai) beteiligt war, gebeten, Folgendes mitzuteilen: Der Lawinenkegel befand sich im unmittelbaren Nahbereich der Kaiserjochbahn. Personen, die sich in der Bahn befanden und ein LVS-Gerät eingeschaltet hatten, beeinflussten die Suchaktion am Lawinenkegel enorm. Eventuell kann dadurch die Lehre gezogen werden, dass bei ähnlichen Lawinenunfällen das Liftpersonal die Personen dazu auffordert, in der Gondel die LVS-Geräte auszuschalten.


Lawinenabgang Vorderer Grieskogel. Suchmannschaft und Kaiserjochbahn (Foto: (c) Gerold Santer vom 30.01.2021)


Keine unnötigen Lawineneinsätze – Bitte um Meldung von „Negativlawinen“ an die Leitstelle Tirol

Lawinenabgänge mit Personenbeteiligung, bei denen definitiv niemand zu Schaden gekommen ist und somit auch keine Hilfe benötigt wird, bezeichnet die Leitstelle Tirol als „Negativlawine“. Um kostenaufwändige Lawineneinsätze zu vermeiden, appellieren wir an alle Wintersportler*innen, Negativlawinen unmittelbar bei der Leitstelle Tirol zu melden. Negativlawinen bitte telefonisch direkt über den Alpinnotruf 140 melden.


Lawinenabgänge mit Personenschaden bzw. Totalverschüttungen können ebenso über den Alpinnotruf 140 oder über die „SOS EU Alp" App gemeldet werden.


Vorbildlich gehandelt nach einem Lawinenabgang ohne Personenschaden. Der Lawinenabgang wurde umgehend der Leitstelle gemeldet. (Foto: 30.12.2020)


Vielen Dank für eure Unterstützung und Weiterleitung der Information an einen möglichst großen Kreis an Wintersportler*innen


Lawinenwarndienst Tirol, Leitstelle Tirol

Donnerstag, 28. Januar 2021

Warmfront mit Schnee und stürmischem Wind führen zu einem markanten Anstieg der Lawinengefahr - Spontane Lawinen sind zu erwarten!

Das Wichtigste vorab: Heute am 28.01.2021 steigt die Gefahr im Tagesverlauf markant an. Große Lawinengefahr!


Eine atlantische Warmfront bestimmt seit gestern, 27.01. unser Wetter- und in Folge auch Lawinengeschehen. Am meisten Niederschlag erwarten wir in den westlichen und zum Teil auch nördlichen Landesteilen Nordtirols. Die ZAMG-Wetterdienststelle sagt für den heutigen 28.01. in den Hauptniederschlagsgebieten Neuschneesummen zwischen 40-60cm, lokal auch mehr, voraus. Mit dem Niederschlag geht eine stete Erwärmung samt zunehmend stürmischem Wind einher.


72h-Neuschneeprognose seit 27.01. 07:00 Uhr


Windprognose für heute, 28.01. 16:00 Uhr - Auf den Bergen wirds stürmisch!

Aktuelles Wettergeschehen bei der Jamtalhütte in der Silvretta: Schneefall bei steigenden Temperaturen. Der Neuschnee seit gestern ist trocken bei zum Teil noch kalten Temperaturen gefallen.

Diese Kombination, gepaart mit dem aktuellen Schneedeckenaufbau, ist ein Garant für zahlreiche spontane Schneebrettlawinen. Entsprechend haben wir für heute, 28.01.2021 die Lawinengefahr in weiten Teilen Nordtirols unter Berücksichtigung eines Tagesgangs als groß eingestuft.


Gefahrenstufenkarte für den 28.01.2021 - Tageszeitlicher Anstieg der Gefahr!


Mit der Erwärmung samt Regen werden in tiefen und mittleren Lagen zudem vermehrt Gleit- und Nassschneelawinen abgehen. Exponierte Verkehrswege können auch dadurch gefährdet sein.

Durchfeuchtung und zusätzliche Schneeauflast fördern das Abgleiten des Schnees auf steilen, glatten Flächen, wie hier am Bild auf Wiesenhängen. Defereggental (Foto: 24.01.2021)

Ein Blick zurück zum besseren Verständnis der aktuellen Situation


Kurzer Wetterrückblick


Die vergangene Woche war wieder einmal turbulent und sehr wechselhaft. Der Südföhn wurde in der Nacht von Freitag, 22.01. auf Samstag, 23.01. von einer Kaltfront abgelöst. Der Schwerpunkt der Niederschläge lag damals (wieder einmal) ganz im Süden.


72h Differenz der Schneehöhe: 22.01.-25.01.2021

Am Montag, 25.01. sorgten feuchte und kalte Luftmassen aus Nordwest für Schneefall mit Niederschlagsschwerpunkt in den Nordstaulagen. 

48h Differenz der Schneehöhe: 25.01.-27.01.2021

Nun ist gerade die Warmfront im Anmarsch, die in Folge von weiteren Kalt- und Warmfronten (weniger intensiv) abgelöst werden wird. 


Ein Blick in die Schneedecke


Entscheidend für die aktuelle Lawinensituation ist insbesondere der an der Schneeoberfläche lockere, noch kalte Pulverschnee. Durch die heute am 28.01. weiteren Niederschläge samt steigenden Temperaturen und Wind werden sich die oberflächennahen Schichten zunehmend binden. Es entstehen großflächig "Bretter", die mit dem noch kalten Pulverschnee eine sehr schlechte Bindung eingehen werden. In Folge werden spontan zahlreiche Schneebrettlawinen auf dem lockeren Pulver abgehen, können (und werden häufig) in Folge durch deren Belastung in tiefer liegenden Schwachschichten Brüche initiieren. Lawinen können dadurch in den Hauptniederschlagsgebieten vereinzelt auch sehr groß werden. Für die sekundären Brüche sprechen v.a. die im ganzen Land durchgeführten Stabilitätsuntersuchungen während der vergangenen zwei Wochen. Brüche konnten sich dort häufig bei mittleren Belastungen gut fortpflanzen - eine der Grundvoraussetzungen für Schneebrettlawinen.


Schneedeckenuntersuchung am 27.01. - Hafelekar - Nordalpen. Die Schneeoberfläche ist vielerorts locker, innerhalb der Schneedecke findet man weichere, störanfällige Schwachschichten.



Rutschblocktest während eines Kommissionskurses im Defereggental (c) LK Defereggen
 

Ein typisches Bild: Lockerer Schneeoberfläche, im Mittelteil der Schneedecke Schwachschicht aus kantigen Kristallen (stammend von der Kälteperiode bis Mitte Jänner). NO, 2120m

Ähnliche Situation in Sonnenhängen: S, 2240m



Lawinengeschehen während der vergangenen Woche




Lawinenabgang Poverer Jöchl vom 22.01.2021 - Tuxer Alpen. Großflächige Schwachschichten von der Kälteperiode


Spontane Lawinen nach den Schneefällen ab dem 22.01. - südseitig - Deferegger Berge


Ein ähnliches Bild wie oben aus der Schobergruppe (Foto: 24.01.2021)



Lawinenauslösung im Waldgrenzbereich. Niedererberg (Foto: 25.01.2021)


Spontane Schneebrettlawine, die sich zu einer Staublawine entwickelte. Glocknergruppe (c) foto-webcam


Donnerstag, 21. Januar 2021

Weiterhin zumindest für den Wintersportler angespannte Lawinensituation - Lawinenunfallanalysen samt Ausblick

Das Wichtigste vorab: Die heikle und für den Wintersportler teils gefährliche Lawinensituation hält an! Wir raten deshalb unverändert zu großer Zurückhaltung im freien Gelände!


Zahlreiche Rückmeldungen von Wintersportlern, intensive Schneedeckenuntersuchungen sowie  Unfallanalysen bestätigen leider, dass die Lawinensituation für den Wintersportler angespannt bleibt! Verschärfend dazu kommt noch die Wetterprognose der ZAMG-Wetterdienststelle, die eine turbulente Wetterphase vorhersagt.



Eine wichtige Basis unserer Arbeit: Schneedeckenuntersuchungen samt Stabilitätstests. Hier machen sich Lawinenkommissionsmitglieder im Arlberggebiet ein Bild über die Situation nahe deren Anrissgebiete von Lawinen. Die Tests zeigten damals im südwestseitigen Gelände auf 2150m Höhe eine durchwegs störanfällige Schneedecke (Foto: 16.01.2021)


Fast eine Woche später pflanzen sich Brüche bei Stabilitätsuntersuchungen häufig immer noch über den gesamten Block (und dies bei meist geringen Belastungen) fort - ein Indiz für eine unverändert störanfällige Schneedecke! Axamer Lizum (Foto: 21.01.2021)


Überblick über Lawinenabgänge der jüngeren Vergangenheit

Wie schon in den vergangenen Blogeinträgen erwähnt, lösten sich während der letzten Woche zahlreiche Lawinen von selbst oder wurden von Wintersportlern ausgelöst. Hier eine Übersicht über die uns bekannt gewordenen Lawinenereignisse mit Personenbeteiligung. 


Alles andere als alltäglich: Die kürzlich über ganz Tirol gemeldeten Lawinen mit Personenbeteiligung: Bisher wurden dabei zwei Personen verletzt, eine davon befindet sich in kritischem Zustand



Kurzanalyse des Lawinenunfalls vom 20.01.2021 bei der Wanglspitze in den Östlichen Tuxer Alpen


Heute am 21.01.2021 waren wir gemeinsam mit der Alpinpolizei und einem unserer Beobachter bei der Unfalllawine vom 20.01.. Bei der Lawine handelte es sich um ein Schneebrett. Die Lawine war ca. ca. 400m lang und 35m breit bei einer Anrissmächtigkeit von durchschnittlich 30cm. Das Anrissgebiet befindet sich auf 2270m und ist Richtung Osten ausgerichtet. Das Lawinengelände ist extrem steil, meist beträgt die Neigung zwischen 40 und 45°.

Die Lawine löste sich am 20.01. kurz nach 11:30 Uhr in einer Seehöhe von 2270m, als sich eine Person bei der Abfahrt befand. Die Person wurde mitgerissen und in einem Graben ca. 2m tief verschüttet. Die Kameraden waren gemeinsam mit Einsatzkräften rasch vor Ort und konnten die Person nach ca. 30 Minuten ausgraben. Unter Reanimation wurde die Person ins Krankenhaus geflogen. Am 19.01. löste sich etwa 100 Höhenmeter unterhalb dieses Lawinenanrisses bereits ein Schneebrett. Auch damals befanden sich gerade Wintersportler bei der Abfahrt. Damals kam niemand zu Schaden.


Lawinenabgang Wanglspitze: Unfalllawine vom 20.01.2021 in magenta. Weiteres Schneebrett vom 19.01.2021 in türkis


Sturzbahn der Lawine samt Verschüttungsstelle (Foto: 21.01.2021)


An der steilsten Stelle in der Lawinenbahn (Foto: 21.01.2021)




Schneeprofil im Anrissbereich: Mann erkennt ein gering mächtiges Neu- und Triebschneepaket, darunter befinden sich sehr lockerere, kantige Kristalle - die Schwachschicht - darunter wieder kompakter werdend. (Foto: 21.01.2021)



Schneeprofil, welches an einer ungestörten Stelle orographisch rechts der Lawinenbahn ca. 100Hm unterhalb des Anrisses aufgenommen wurde. Man erkennt sehr gut die lockere kantige Schicht, die sich während der langen Kälteperiode gebildet hat. Am Standort war diese Schicht sehr störanfällig.


Weitere Lawinenereignisse


Bilder sagen bekanntlich mehr als 1000 Worte. Hier eine Auswahl an Bildern von Lawinenabgängen mit Personenbeteiligung, die wir kürzlich zugeschickt bekommen haben. Dabei passierte jeweils nichts.


Lawinenabgang Pleisen - Axamer Lizum - Nördliche Stubaier Alpen (Foto: 15.01.2021)



Lawinenabgang Diasalpe - Kappl - Östliche Verwallgruppe (Foto: 16.01.2021)



Lawinenabgang Finstertal-Staumauer - Nördl. Stubaier Alpen (Foto: 16.01.2021)



Lawinenabgang Schönberglspitze - Zentralosttirol (Foto: 16.01.2021)


Lawinenabgang Hafelekar-Direttissima - Karwendel (Foto: 19.01.2021)



Lawinenabgänge Nauders - Tscheyegg - Glockturmgruppe. Diese Lawinen wurden in etwa am rechten oberen Bildrand-Drittel fernausgelöst (Foto: 19.01.2021)



Lawinenabgang Roter Kogel - Nördliche Stubaier Alpen. Eine Person befand sich im Aufstieg, querte mit den Fellen und löste die Lawinen fern aus. (Foto: 20.01.2021)



Lawinenabgang Roter Kogel - Nördliche Stubaier Alpen. Eingekreist die Person, welche gerade beide Lawinen fernausgelöst hat. Vergleiche oberes Foto (Foto: 20.01.2021)



Lawinenabgang Wankspitze - Mieminger Gebirge (Foto: 21.01.2021)


Mit Sturm und Neuschnee nun wieder vermehrt spontane Lawinenabgänge


Aktuell mehren sich wieder die Informationen über spontane Lawinenabgänge aufgrund der Zusatzbelastung des frischen Triebschnees. Schuld haben der starke bis stürmische Südföhn samt dem ungünstigen Schneedeckenaufbau. Schneebrettlawinen können dabei aufgrund der meist recht flächigen Schwachschichten auch großflächiger werden.

Umfangreiche Schneeverfrachtungen auf den Bergen. Östliche Tuxer Alpen (Foto: 21.01.2021)


Vor zweit Tagen noch weiß, nun massiv abgeblasen - ganze Arbeit des Föhns. Bleispitze - Außerfern (Foto: 21.01.2021)


Spontanes Schneebrett vom 21.01.2021 aufgrund der Schneeverfrachtungen. Hönig - Berwang - Außerfern (Foto: 21.01.2021)


Spontanes Schneebrett Senderstal vom 21.01.2021 - Nördliche Stubaier Alpen. (Foto: 21.01.2021)


Es bleibt spannend und für den Wintersportler mitunter gefährlich!

Ein Blick auf die Wetterstationen zeigt u.a. den bereits bisher recht turbulenten Wetterverlauf. Die ZAMG-Prognosen zeigen zudem, dass es turbulent weiter geht. Die Lawinengefahr wird unverändert zumindest mit einem gespannten 3-er zu beurteilen sein, die Tendenz geht wieder Richtung großer Lawinengefahr.

Wetterstation Seegrube. Dort hat es während der vergangenen Woche u.a. auch am meisten geschneit. Kurz: Wechselhaft, sowohl was den Wind, als auch die Temperatur angeht. Aktuell stürmisch und recht warm.


Neuschneeprognosen für die kommenden Tage: Mit einer Südströmung kommt im Süden wieder einiges an Schnee zusammen.


Spannende Windprognose: Im Osten noch starke Südströmung, von Nordwesten drängt eine neue Störungsfront Richtung Osten


Kurz zusammengefasst: Wenn Lawinen das Problem sind, ist das Gelände meist die Lösung


Während heikler Lawinensituationen bieten sich Touren in mäßig steilem Gelände (unter Berücksichtigung des Einzugsgebietes, aus dem keine Gefahr von fernausgelösten bzw. spontanen Lawinen herrühren darf) an. Da hat man weniger Kopfweh und dennoch genussvolle Erlebnisse.


Noch etwas ganz am Schluss: Durch den Wärmeeinfluss während der vergangenen Tage hat die Störanfälligkeit der Schneedecke zumindest in tiefen und mittleren Lagen abgenommen. Die Verhältnisse sind dort tendenziell besser. Spätestens ab dem Waldgrenzbereich aufwärts wird es dann zunehmend kritisch!

Mittwoch, 20. Januar 2021

Zahlreiche Lawinenabgänge mit Personenbeteiligung mahnen weiterhin zu Vorsicht und Zurückhaltung!

Unverändert heikle Situation für Wintersportler

Seit den Schneefällen vom 12.01. und 13.01. hatten wir es in weiten Teilen Nordtirols sowie zumindest im nördlichen Osttirol mit einer für den Wintersportler anfangs sehr gefährlichen, nun durchwegs noch heiklen Lawinensituation zu tun. Aktuell gibt es immer noch Alarmzeichen, wie Wummgeräusche, Rissbildungen, teilweise auch Fernauslösungen sowie vereinzelt spontane Lawinen. Ebenso zeigen Schneedeckenuntersuchungen, dass die von der Kältephase stammenden Schwachschichten immer noch recht leicht zu stören sind. Alles zusammen sind das klare Indizien für eine hohe Gefahrenstufe 3 (erheblich) bzw. für einen "gespannten" 3-er.

Zahlreiche Lawinenereignisse mit Personenbeteiligung

Zudem gehen bei uns seit Ende der Kälteperiode seitens der Leitstelle Tirol zahlreiche Meldungen über Lawinenabgänge ein, bei denen Personen beteiligt waren. Bis gestern, 19.01. kam dabei niemand zu Schaden. Heute am 20.01. musste jedoch eine Person unter Reanimation ins Krankenhaus eingeliefert werden (Lawinenunfall Wanglspitze), eine weitere Person verletzte sich (Lawinenunfall Roßgruberkogel). Eine Auflistung der kürzlichen Lawinenereignisse findet man unter LAWIS.

Lawinenunfall Wanglspitze

Morgen am 21.01.2021 werden wir gemeinsam mit der Alpinpolizei Erhebungen zum Lawinenunfall unterhalb der Wanglspitze durchführen. Weitere Infos zum Lawinenabgang samt einer ausführlichen Rückschau auf die vergangene Woche gibt es morgen am 21.01. in einem weiteren Blogbeitrag.

Lawinenunfall Wanglspitze in den Östlichen Tuxer Alpen vom 20.01.2021. Die Lawine löste sich, als eine Person bei der Abfahrt war. Die Person wurde total verschüttet und musste unter Reanimation ins Spital geflogen werden. (Foto: 20.01.2021) 




Donnerstag, 14. Januar 2021

Extrem störanfällige Schneedecke - deshalb bitte um extreme Zurückhaltung im freien Skigelände während der kommenden Tage!!! Im Westen zunehmende Gefährdung exponierter Verkehrswege!

Alarmzeichen der Natur: Spontane Schneebrettlawinen, Setzungsgeräusche, Rissbildungen, Fernauslösungen!


Aus weiten Teilen Tirols gingen bei uns heute am 14.01.2021 sehr viele Meldungen über eine außergewöhnlich störanfällige Schneedecke ein. Im flachen und mäßig steilen Gelände war man auf Schritt und Tritt mit Setzungsgeräuschen, Rissbildungen und (Fern-)Auslösungen von Schneebrettlawinen konfrontiert. Ebenso konnten sehr gute Sprengerfolge mit großflächigen Anrissen erzielt werden. Peter Raich, einer unserer Ötztaler Beobachter, berichtete sogar darüber, dass am Gaislachkogel zwei großflächige Schneebrettlawinen nur durch die sehr geringe Belastung der Sprengladung auf die Schneedecke (also noch ohne Detonation) ausgelöst werden konnten.


Zahllose Gefahrenstellen

Die aktuelle Situation ist auch deshalb außergewöhnlich, weil die Verbreitung von Gefahrenstellen über das gesamte Land gesehen sehr groß ist. Deshalb sind bereits zahlreiche spontane (meist mittelgroße bis große) Lawinen abgegangen. Deshalb können aber auch Schneebrettlawinen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von Wintersportlern im Steilgelände ausgelöst werden. Zudem ist, wie schon erwähnt, an Fernauslösungen aus flachem Gelände zu denken.


Dazu eine Auswahl an aktuellen Bildern:

Spontanes Schneebrett in einer Waldlichtung am Geigenkamm im Ötztal (Foto: 14.01.2021)


Einer von zahllosen Böschungsrutschen. Kitzbüheler Alpen (Foto: 14.01.2021)


Typisch für eine sehr reaktive Schwachschicht: Lawinen lösen sich bei eher geringer Mächtigkeit. Die Stützwirkung von Verbauungen kommt dadurch nicht zum Tragen. Lärchfilzkogel (Foto: 14.01.2021)


Rissbildung. Außerfern (Foto: 13.01.2021)


Blick in die Schneedecke: Unten grobkörniger Altschnee, darüber das Neuschneepaket. Bichlbach (Foto: 13.01.2021)


Nein, kein Gleitschnee, sondern eine Schneebrettlawine am Dach aufgrund der vorhandenen Schwachschicht samt gebundenem Neuschneepaket. Gerlos (Foto: 14.01.2021)


Rissbildung aufgrund der Zusatzbelastung eines Skifahrers. Rosshütte (Foto: 14.01.2021)


Schneebrettlawine auf einer Böschung verschüttet Nebenstraße in Sölden. Die Lawine wurde von Skitourengehern ausgelöst. (Foto: 14.01.2021)

Weitere, ähnliche Lawinenabgänge auf Straßen gab es in Arzl im Pitztal, in Reith im Alpbachtal und zwischen Gries am Brenner und der Staatsgrenze.

Schneebrettlawine mit Staubanteil in der Venediger Gruppe (Foto: 13.01.2021)


Eine in den neuschneereichen Gebieten ebenso nicht zu unterschätzende Gefahr: Baumbruch. Außerfern (Foto: 14.01.2021)


Wetter der vergangenen Tage

Zwei Kaltfronten mit einer eingelagerten Warmfront seit 12.01. sind die Urheber der kürzlichen Neuschneefälle bzw. Niederschläge in Tirol. Diesmal war (endlich) mal der Norden des Landes begünstigt. Die Prognosen mussten aufgrund der eingelagerten Warmfront stetig nach oben revidiert werden, sodass schlussendlich gebietsweise über 100cm, lokal sogar nahe an die 200cm Schnee zusammenkamen. Auch ist aktuell (14.01.2021 22:50 Uhr) nicht absehbar, wie sich die Warmfront weiter auswirkt. Die Niederschläge könnten über Nacht wiederum deutlich ergiebiger ausfallen, als ursprünglich angenommen, was sich negativ auf die Größe spontaner Lawinen auswirken würde. Zunehmende Gefährdung exponierter Verkehrswege in den besonders neuschneereichen Regionen!) Prägend war und ist natürlich auch der starke bis stürmische Wind aus W über NW bis N, der zu umfangreichen Verfrachtungen führte.


48-h Schneedifferenz. Hotspots im Norden des Landes



Am meisten Niederschlag wurde bei der Alplhütte in der Mieminger Kette gemessen. 


Daten der Wetterstation Seegrube. Viel Neuschnee, stürmischer Wind. Interessant auch der Temperaturgang vom 13.01. auf den 14.01. Die nächtliche Erwärmung führte in tieferen Lagen teilweise zu Regen. Der Temperaturwechsel während des Schneefalls kann auch die Ausbildung einer Schwachschicht (ev. verzögert durch gm.4 - kalt auf warm) innerhalb des Neuschneepakets fördern.


Weiterhin spontane Lawinenabgänge möglich

Mit Abklingen der Niederschläge (spätestens ab morgen, 15.01. vormittags) wird die Anzahl an spontanen Schneebrettlawinen deutlich abnehmen. Spontane Schneebrettlawinen sind dann v.a. noch dort möglich, wo anhaltende Schneeverfrachtungen zu einer fortschreitenden Zusatzbelastung der Schneedecke führen. Ebenso könnte intensive Sonneneinstrahlung spontane Schneebrettlawinen initiieren. Erfahrungsgemäß sollten während der kommenden Tage auch Sprengerfolge sehr gut sein.


Äußerst unfallträchtige Tage stehen bevor - Macht mit, dass niemand zu Schaden kommt!

Das Wetter verspricht während der kommenden zwei Tage laut ZAMG-Wetterdienststelle schön zu werden. In der Vergangenheit sind bei ähnlichen Konstellationen (Schönwetter, extrem störanfällige Schneedecke, viel Neuschnee samt Wind) immer besonders viele Lawinenunfälle passiert!

Bisher sind sämtliche Lawinenabgänge noch gut ausgegangen. Wir hoffen sehr, dass es so bleibt und appellieren deshalb einmal mehr an die Vernunft der Wintersportler*innen, während der kommenden Tage. Bleibt bitte möglichst auf den gesicherten Pisten! Haltet euch im freien Gelände nur dann auf, wenn ihr über sehr gutes lawinenkundliches Wissen verfügt. Seid dort dann extrem defensiv unterwegs! Derzeit ist es im freien Gelände nämlich vielerorts so richtig gefährlich. Nicht umsonst haben wir die Lawinengefahr verbreitet als groß (Stufe 4) eingestuft. Schaut auch regelmäßig auf unseren Lawinenreport unter lawinen.report. Die Verhältnisse bedürfen mitunter einer morgendlichen Aktualisierung unserer auf Wetterprognosen gestützten Lawinenprognosen.