Bisheriger Winterverlauf
Der Winter ist vorerst nur in hohen und
hochalpinen Lagen weiter im Süden des Landes eingekehrt. Maßgeblich beteiligt
dafür waren die intensiven Niederschläge Ende Oktober. Bekanntlich gingen diese
mit Unwettern einher, die im Süden zu Vermurungen, Überschwemmungen und
großflächigen Windwürfen führten.
Ein Blick auf die hochgelegene Wetterstation am Pitztaler Gletscher in den
Ötztaler Alpen hilft, das Wettergeschehen des heurigen Winters besser Revue
passieren zu lassen: Die für die Schneedecke zumindest teilweise erstmals
bedeutsamen Schneefälle gab es am 24.09., 01.10. und ab dem 24.10.2018.
Auffallend sind die lange Schönwetterperiode ab Anfang Oktober sowie die großen
Niederschlagsmengen Ende Oktober samt Sturm.
Bodennahe Schwachschicht
Für eine umfassende
Schneedeckenanalyse ist es immer wichtig, die Entwicklung ab den ersten
Schneefällen im Herbst zu verfolgen: Erstmals wurde es im Gebirge bereits am
25.08.2018 weiß (eine Kaltfront beendete den fünftwärmsten August der
Messgeschichte). Dieser Schnee schmolz sehr rasch dahin, was vielerorts auch
bei den folgenden Schneefällen am 01.09., 07.09., 24.09. und am 01.10. der Fall
war.
Kurzfristig angezuckert, rasch wieder ausgeapert. Blick vom Nebelhorn in
Oberstdorf Richtung Südosten am 02.10.2018 (© foto-webcam.eu)
In weiten Teilen Tirols war bis knapp Ende Oktober (nach einer dreiwöchigen
Schönwetterphase) kein Herbstschnee mehr zu beobachten. Blick vom Nebelhorn in
Oberstdorf Richtung Südosten am 26.10.2018 (© foto-webcam.eu)
Allerdings traf dies nicht für hochalpines, insbesondere
vergletschertes und zudem schattiges Gelände zu. Trotz des überdurchschnittlich
sonnigen und warmen Oktobers (zehntwärmster der Messgeschichte) blieb Schnee dort
liegen. An der Schneeoberfläche bildete sich dabei häufig eine mehr oder
weniger dicke Schmelzkruste aus. Darunter begann sich der Schnee mitunter
umzuwandeln, d.h. er wurde lockerer und bindungsloser. Fazit: An der Basis
einiger uns zur Verfügung stehender Schneeprofile findet man lockere, kantige
Kristalle bzw. Schwimmschnee – mögliche Schwachschichten für Schneebrettlawinen.
Schneeprofil am Kraspesferner in den Stubaier Alpen vom 04.11.2018; Nord,
2935m, 22°. Man erkennt die bodennahe, lockere Schicht. Die Eislamelle stammt
von den Schneefällen bis 02.10. und bildete sich während der anschließenden
3-wöchigen Schönwetterphase. (© Lukas Ruetz)
Schneeprofil am Hintertuxer Gletscher in den Zillertaler Alpen vom
15.11.2018; Nordwest, 3070m, 38°. Ähnlich wie bei vorangegangenem Profil
erkennt man unter einer harten Kruste lockeren, bodennahen Schwimmschnee. (©
Stephan Mitter)
Vereinzelt lösten sich auf dieser
bodennahen Schwachschicht bereits Schneebrettlawinen.
Schneebrettlawine, die während der stürmischen Niederschlagsperiode Ende
Oktober in einer bodennahen Schwachschicht (auf Gletschereis) unterhalb des
Grundschartners in den Zillertaler Alpen abgegangen ist. (Foto: 18.11.2018)
Abfolge von Krusten und lockeren
Schichten in Oberflächennähe
Bedeutsam sind zudem Entwicklungen
in oberflächennahen Schichten beginnend von etwa 2500m aufwärts. Innerhalb der
ersten 10-30cm findet man teilweise eine Abfolge von Krusten und lockeren
Kristallen. Die Krusten entstanden durch Regen bis häufig 2700m, lokal bis 3000m
hinauf. Sie bildeten sich in besonnten Hängen aber auch durch Strahlungs- und
Wärmeeinfluss.
Schneeprofil beim Tuxerfernerhaus in den Zillertaler Alpen vom 15.11.2018;
Nord, 2660m, 25°. Die Abfolge von Krusten und lockeren Kristallen ist ein
Resultat aus sich ändernden Temperaturen mit Schneefall und Regen während der
Schlechtwetterphase ab dem 27.10. sowie anschließenden Umwandlungsprozessen. (©
Walter Würtl)
Schneeprofil Riepenkees in den Zillertaler Alpen vom 15.11.2018; Ost,
2810m, 33°. Auch hier erkennt man die Abfolge von Krusten und lockeren
Kristallen in oberflächennahen Schichten. Der Unterbau ist kompakt (© Peter Bletzacher)
Vereinzelt beobachtete man beim
Betreten solch aufgebauter Schneedecken Risse bzw. konnte man Setzungsgeräusche
wahrnehmen.
Eine lockere Schicht ca. 10cm unterhalb der Schneedecke angrenzend an eine
Kruste wurde bei deren Betreten gestört. Die Folge: Setzungsgeräusch samt
Rissbildung. Dies wurde vermehrt in flacherem und besonntem Gelände in einem
Höhenbereich zwischen etwa 2500m und 2800m beobachtet. Südliche Ötztaler Alpen;
14.11.2018 (© Hugo Reindl)
Bei einem Stabilitätstest im Bereich des Hintertuxer Gletschers löste sich
dieses oberflächennahe Schneepaket (Foto: 16.11.2018)
Ein Blick auf Wetterstationsgrafiken
hilft bei der Interpretation dieser oberflächennahen Schichtabfolge:
Drei Wetterstationsgrafiken unterschiedlicher Standorte: Jamtalhütte am
Alpenhauptkamm, Hochfilzen im Norden und Assling im Süden des Landes. Wir
konzentrieren uns primär auf die zwei obersten Grafiken der Jamtalhütte: Ein
Auf und Ab bei der Schneehöhe geht mit einem gegengleichen Verlauf der
Lufttemperatur einher. Regen am 27.10., dann Schneefall am 28.10., der wieder
in Regen übergeht (Schneehöhe nimmt ab). Dann am 29.10. und 30.10. neuerliche
Abfolge von Schneefall und Regen. Auffallend ist auch der Nord-Süd-Gradient bei
den Niederschlagsmengen (wobei zum Vergleich die unterschiedliche Skalierung
beachtet werden muss).
Erste Lawinenabgänge mit
Personenbeteiligung
Am Rettenbachferner in den Südlichen
Ötztaler Alpen wurden heuer die ersten Lawinenabgänge mit Personenbeteiligung
registriert. Zweimal (am 31.10. und am 03.11.) lösten Personen Lawinen aus,
wurden jedoch jeweils nicht mitgerissen.
Lawinenabgang Rettenbachferner vom 03.11.2018. Die Lawine ging bis aufs
Gletschereis ab. (Foto: 03.11.2018)
Schneeprofil zum Lawinenabgang Rettenbachferner vom 03.11.2018. Nordost,
2980m, 34°. Komplexe Schichtabfolge. (© Lukas Ruetz)
Wetterstationsgrafik Rettenbachferner: Bedeutsam für die Lawinenabgänge
waren auch die Schneefälle ab dem 27.10. (Zu erkennen auch die letzten
Neuschneefälle, die in der Höhe super Pulver brachten)
In Summe dennoch derzeit überwiegend
günstige Verhältnisse
Obwohl man in gewissen Höhen- und
Expositionsbereichen mögliche Schwachschichten für Schneebrettlawinen findet,
kann in Summe dennoch von einer recht günstigen Situation ausgegangen werden.
Dies hat zweierlei Gründe:
Die bodennahen Schwachschichten sind
häufig von kompakten Schichten überlagert, sodass eine Störung durch
Wintersportler unwahrscheinlich erscheint.
Bei den oberflächennahen Schichten spielt
hingegen die derzeit meist nur geringe Überlagerung von Schnee ein Rolle: Das
für das Schneebrett relevante „Brett“, also eine ausreichende Schneeauflage über
der Schwachschicht fehlt.
Hochalpin findet man häufig eine massiv vom Wind beeinflusste und dadurch
harte Schneedecke, so wie hier am Daunkoglferner in den Stubaier Alpen. (Foto: 14.11.2018)
Saharastaub
Wer in die Schneedecke gräbt wird
nicht selten auf eine gelbliche Schicht stoßen. Es handelt sich dabei um
Saharastaub, der sich um den 29.10. durch die Niederschläge massiv abgelagert
hat.
Saharastaub, der sich im Norden ausbreitete
Die gelbe Schicht am Pistenrand in Hochgurgl wurde durch Saharastaub
gefärbt. (Foto: 15.11.2018)
Schneekanonen
Die erste Novemberhälfte ist
neuerlich überdurchschnittlich warm ausgefallen. Erst mit dem Rückgang der
Temperatur ab dem 17.11. konnten deshalb in Tirol die Schneekanonen in Gang
gesetzt werden. Laut Medienberichten laufen beispielsweise in der Silvretta
Skiarena in Ischgl derzeit 1240 Schneekanonen, die bisher 800.000 m³ Schnee
produzierten und dafür 300.000 m³ Wasser benötigten. Heute am 22.11. beginnt
dort die Skisaison.
Schneekanonen laufen in Tirol auf Hochtouren. Blick vom Rofan in Richtung
Süden. (Foto: 18.11.2018)
Künstlicher Schnee auch im grenznahen Bayern (Foto: 21.11.2018) © foto-webcam.eu
Weitere Impressionen…
Start der Skitourensaison in Osttirol für all jene, die auch längeres
Skitragen bis etwa 2300m hinauf in Kauf nehmen (Foto: 14.11.2018)
Firngenuss im Frühwinter, Osttirol (Foto: 12.11.2018)
Pulver vom 19.11. in den Südlichen Ötztaler Alpen (Foto: 20.11.2018)
Kammnaher Oberflächenreif in einem Schattenhang oberhalb von Serfaus (Foto: 12.11.2018)
Nicht selten: Anraum auf Gipfelkreuzen entlang des Alpenhauptkammes (Foto:
08.11.2018)
Der Hauptgrund für den Anraum: Feuchte Witterung samt stürmischem Wind. Kein
Einzelfall, dass bei den Wetterstationen Böen um 150 km/h, zum Teil – wie bei
dieser Station in den Südlichen Ötztaler Alpen – bis knapp 200 km/h gemessen
wurden.
(Dieser Beitrag wurde unter Mithilfe
unseres Praktikanten Michael Reisecker erstellt.)