Samstag, 31. Januar 2015

Einige Lawinenabgänge...

Heute wurden wir von der Leitstelle Tirol über 7 Lawinenabgänge (Kapall, St.Anton; Wasserkar, Sölden; Stöttltörl, Mieming; Pirchkogel, Silz; Ochsenkar, Kaunertal; Granatspitze, Matrei in Osttirol; Wiesjoch, Heiterwang) informiert. Vermutlich dürfte niemand zu Schaden gekommen sein.
Die Lawine bei der Granatspitze wurde in der Abfahrt ausgelöst. Es handelte sich um eine  geführte, 6-köpfige Gruppe. 1 Person wurde erfasst und verschüttet, konnte jedoch rasch geborgen werden. Anrissbereich nach dzt. Infos auf ca. 2300m, Exposition West. Details folgen.

Freitag, 30. Januar 2015

Massiv vom Wind geprägte Schneedecke. Weiterhin auf kürzlichen Triebschnee sowie störanfälligen Altschnee achten. Kurze Unfallanalyse vom Hornköpfl in den Kitzbüheler Alpen

In Tirols herrscht zumindest vom Waldgrenzbereich aufwärts  erhebliche Lawinengefahr. Dabei ist unverändert auf Triebschnee, aber auch auf störanfälligen Altschnee zu achten.

 

Bodennahe störanfällige Schwachschichten findet man weiterhin v.a. in den Regionen südlich des Arlbergs, der Nordalpen und der Kitzbüheler Alpen. (schattseitig weiterhin im Höhenbereich zwischen ca. 2000m-2600m, in besonnten Hängen oberhalb etwa 2300m). 

 

Seit gestern im Zuge der Unfallanalyse am Hornköpfl in den Kitzbüheler Alpen wissen wir von einer neuen oberflächennahen Schwachschicht, zumindest in den Kitzbüheler Alpen.  Vergangene Woche hat sich dort aufgrund von Nebel- und Wärmeeinfluss schattseitig eine dünne Schmelzkruste gebildet. Durch die anschließenden kalten Temperaturen entwickelte sich unmittelbar unterhalb dieser Kruste eine sehr dünne Schicht aus kantigen Kristallen (Gefahrenmuster 4: kalt auf warm/warm auf kalt). Diese Schicht war die unmittelbare Ursache des Lawinenabgangs. Wir gehen derzeit von der Existenz dieser Schwachschicht zumindest in den Kitzbüheler Alpen schattseitig oberhalb etwa 1600m bis vermutlich etwa 1900m aus. Somit dort neben frischem Triebschnee um erhöhte Vorsicht!

 

Schneeprofil vom Hornköpfl vom 29.01.2015. Man erkennt die dünne Schmelzkruste bei 34cm samt dünnen kantigen Kristallen darunter. Profilort: Anrissbereich der Lawine

 

Oberhalb des Handschuhs erkennt man die sehr dünne Schmelzkruste, darunter war die ebenso sehr dünne kantige Schicht zu finden. Hornköpfl (Foto: 29.01.2015)

 

Weitere Schneedeckenuntersuchungen im Nahbereich von Lawinenabgängen vom 28.01. in besonnten Hängen zeigten eine zunehmende Verbindung jenes Triebschnee, der sich vom 27.01. auf den 28.01. gebildet hat mit dem darunter befindlichen, vormals sehr lockeren, kalten Neuschnee in einem Höhenbereich unterhalb von 2000m.

 

Frischer, seit 29.01. gebildeter Triebschnee ist jedoch weiterhin recht störanfällig. Hier eine dazu passende Kurzinfo von Paul Mair vom Arlberg vom 30.01.: „Auslösebereitschaft hoch, kleinräumige Fallen (Kuppen, Rücken und kleine Tälchen) waren in allen Höhenlagen und Expositionen auszulösen.“

 

Der Wind hat in weiten Teilen Tirols den tollen Pulverschnee zunichte gemacht und frische, auch harte Triebschneepakete gebildet. Tuxer Alpen (Foto: 30.01.2015)

 

Donnerstag, 29. Januar 2015

Lawinenunglück Hornköpfl, Lawinenunfall Hafelekar

Unterhalb des Hornköpfls im Nahbereich des Kitzbüheler Horns in den Kitzbüheler Alpen lösten am 28.01. Variantenfahrer ein Schneebrett aus. Eine Person musste reanimiert werden und ist laut neuesten Informationen der Alpinpolizei weiterhin in kritischem Zustand, die zweite Person kam glimpflich davon. Wir sind heute am Unfallort. Details folgen.

 

Lawinenunfall Hornköpfl, Suchmannschaften sind gerade vor Ort (Foto: 28.01.2015)

 

Lawinenunfall Hornköpfl mit einer der Verschüttungsstellen (Foto: 28.01.2015)

 

Zudem gerieten am 28.01. drei Variantenfahrer unterhalb des Hafelekars in der sogenannten Diretissima im freien Skigelände in zwei Schneebretter. Zwei Personen wurden primär von einem Schneebrett erfasst, mitgerissen und verschüttet. Eine Person, bei der die Hand aus dem Schnee ragte, konnte rasch geortet werden. Noch bevor die Person ausgegraben werden konnte, löste sich oberhalb der Variantenfahrer eine weitere Lawine, die dann alle drei Personen kurzzeitig erfasste. Jene Person, die vorher nicht verschüttet war, blieb wiederum nur teilverschüttet und konnte rasch wieder die Suche aufnehmen und die neuerlich verschüttete, zuvor schon geortete Person orten und aus einer Tiefe von 135cm ausgraben. Weitere Personen orteten und befreiteten die zweite verschüttete Person. Eine Person erlitte leichte Prellungen, die anderen blieben unverletzt. Hier noch rasch erste Infos der Alpinpolizei: Länge ca. 1km, Breite 300-350m, Anrisshöhen 0,15-1m, Steilheit im Anrissbereich 40 bis 45 Grad; Exposition S.

 

Lawinenabgang Diretissma, Hafelekar, Nordkette, Westliche Nordalpen (Foto: 28.01.2015)

 

Lawinenabgang Diretissma, Hafelekar, Nordkette, Westliche Nordalpen (Foto: 28.01.2015)

 

Blick auf die Nordkette vor dem Lawinenabgang am 28.01.2015 in der Früh

 

Heikle Lawinensituation v.a. in den neuschneereichen Regionen Nordtirols – einige Lawinenabgänge mit Personenbeteiligung und sehr gute Sprengerfolge

Neuerlich müssen wir in Tirol von einer für den Wintersportler angespannten Lawinensituation ausgehen. Dies betrifft vermehrt die neuschneereichen Regionen Arlberg-Außerfern, Nordalpen, Kitzbüheler, Zillertaler sowie Tuxer Alpen, wo es während der vergangenen Tage viel geschneit hat. Meist war es dort zwischen 30 und 50cm, lokal auch knapp 1m.
 
 
Viel Neuschnee in einigen Regionen Nordtirols, Tuxer Alpen (Foto: 28.01.2015)
 
Das derzeitige Hauptproblem geht von frischem Triebschnee aus. Dieser ist derzeit deshalb so leicht zu stören, weil unter dem Triebschnee sehr kalter, lockerer, zum Teil schon leicht aufbauend umgewandelter Neuschnee, mitunter auch Oberflächenreif, lagert. Schneebrettlawinen lösten sich während der vergangenen Tage großteils an der Schichtgrenze zwischen diesem lockeren Schnee und dem darüber befindlichen vom Wind verfrachteten Schnee, den wir Triebschnee nennen.
 
Teilweise etwas heimtückisch: Gegen Ende der Neuschneefälle vom 27.01. auf den 28.01. wehte oft nur mehr wenig, davor noch sehr starker Wind. An der Schneeoberfläche fand man deshalb häufig lockeren Pulverschnee, darunter jedoch Triebschnee, unter dem Triebschnee dann wieder lockeren Pulverschnee bzw. auch Oberflächenreif. Stabilitätstests zeigten dort eine schlechte Verbindung.
 
Kalte Temperaturen, Schneefall, Wind – eine ungute Kombination für die derzeitige Lawinensituation, Wildenkogel, Osttiroler Tauern (Foto: 27.01.2015)
 
Am 28.01. ein verbreitetes Bild: Meist kleine spontane Lawinen, Kleiner Gilfert, Tuxer Alpen (Foto: 28.01.2015)
 
Gesprengte Lawinen unterhalb des Kitzbüheler Horns, Kitzbüheler Alpen (Foto: 28.01.2015)
 
 
 
Spontane Lawine unterhalb der Wankspitze, Westliche Nordalpen (Foto: 28.01.2015)
 
In den Regionen südlich vom Arlberg, den Nordalpen und den Kitzbüheler Alpen gibt es zum Triebschnee- weiterhin ein Altschneeproblem.
 
Lawine, die im Altschnee vermutlich durch Fernauslösung von Skitourengehern ausgelöst worden ist, Naviser Kreuzjöchl, Tuxer Alpen (Foto: 28.01.2015)
 
Sehr gute Sprengerfolge. Stubaier Gletscher, Südliche Stubaier Alpen (Foto: 28.01.2015)
 
Einzig in windberuhigten Gebieten unterhalb etwa 2000m konnte man ziemlich ungefährdet den tollen Pulverschnee genießen.
 
Trotz Pulvertraum sollte man weiterhin möglichst defensiv unterwegs sein, Tuxer Alpen (Foto: 28.01.2015)
 
Wie geht es weiter: Es schneit wieder in weiten Teilen Tirols, am meisten soll es im Nordwesten werden. Auch der Wind hat wieder zugelegt. Neuerlich wird Triebschnee störanfällig werden.
 
Lockerer Pulver an der Schneeoberfläche „wartet" darauf, verfrachtet zu werden.
 
Der Wind legte bereits am 28.01. am späten Nachmittag wieder zu. (Foto: 28.01.2015)
 
Die Devise sollte somit weiterhin lauten: Möglichst defensiv unterwegs zu sein!
 
Mut zur Umkehr bzw. Verzichtsbereitschaft zur Unfallvermeidung (Foto: 28.01.2015)
 

Mittwoch, 28. Januar 2015

Einige Lawinenabgänge in den neuschneereichen Regionen Nordtirols

Heute am 28.01. lösten Wintersportler einige Lawinen v.a. in den neuschneereichen Regionen in Nordtirol aus. Es handelte sich unserem derzeitigen Informationsstand durchwegs um frischen Triebschnee, der mit darunter befindlichem, lockeren kalten Neuschnee bzw. Oberflächenreif schlecht verbunden und somit störanfällig war. Eine Person musste bei einem Lawinenabgang im Bereich des Kitzbüheler Horns reanimiert werden, weitere Lawinenabgänge gingen glimpflich aus. Details samt Bildmaterial folgen morgen.

Dienstag, 27. Januar 2015

Störanfälligen Triebschnee v.a. oberhalb der Waldgrenze, aber auch unverändert störanfällige Altschneedecke beachten.

Das Wichtigste voran: Die Kombination aus kalten Temperaturen, Wind und Schneefall haben neue Triebschneepakete gebildet, die durchwegs störanfällig sind. Rückmeldungen über meist noch kleine Schneebrettlawinen bestätigen dies. Die Verbreitung dieser Gefahrenstellen nimmt mit der Seehöhe zu.
 
Während der vergangenen Tage schneite es lockeren, kalten Pulverschnee, am vergangenen Wochenende beobachtete man häufig auch „Wildschnee“, einen besonders lockeren Neuschnee. Darüber abgelagerter Triebschnee verbindet sich schlecht mit diesem lockeren Neuschnee.
 
Mancherorts beobachtete man auch Oberflächenreif, der inzwischen eingeschneit wurde, Staller Sattel, Zentralosttirol (Foto: 24.01.2015)
 
Prägende Wetterelemente: Neuschnee, kalte Temperaturen und Wind
 
Neuschneezuwachs während der vergangenen Tage. Heute am 27.01. soll v.a. im Nordosten des Landes noch einiges an Schnee dazukommen.
 
Windeinfluss in Osttirol (Foto: 26.01.2015)
 
Ein typisches Bild: häufig noch kleine, allerdings inzwischen größer werdende störanfällige Triebschneepakete hinter Geländekanten, Zentralosttirol (Foto: 26.01.2015)
 
Oberflächenreif an Bachböschungen
 
Neben dem Triebschneeproblem sollte man unverändert auf die zum Teil schlecht aufgebaute Altschneedecke achten. Zwar erkennt man mancherorts (speziell dort, wo härtere, oberflächennahe Wind- bzw. Schmelzharschdeckel vorhanden sind) eine Verbesserung der Situation, allerdings wurde uns z.B. aus den Tuxer Alpen, aus Zentralosttirol sowie dem südlichen Osttirol weiterhin von vermehrten Setzungsgeräuschen und Rissbildungen berichtet.
 
Schneedeckenuntersuchungen im ganzen Land zeigen zumindest langsam leichte Tendenzen zur Verbesserung im Altschnee, Wankspitze, Nordalpen (Foto: 23.01.2015). Dennoch ist weiterhin Vorsicht v.a. in den im vorigen Blogeintrag erwähnten Höhen- und Expositionsbereichen geboten.
 
Die am 20.01. unterhalb des Tscheyeggs im freien Skigelände des Skigebietes Nauders ausgelöste Lawine wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit doch nicht – wie in einem früheren Blogeintrag erwähnt – im flachen Gelände, sondern durch eine Tourengeherin während der Abfahrt ausgelöst. Die Person erlitt leichte Knieverletzungen. Man erkennt den Sammelpunkt, die Spur des Bergführers, der im Randbereich der Lawine auf die nachfolgende Person wartete, welche die Lawine mit hoher Wahrscheinlichkeit auslöste.
 
Lawinenauslösung Spitzköfele, Südliches Osttirol, Süd, 2240m, 1 Person teilverschüttet, unverletzt am 24.01.2015.
 
Altschneeproblem Rotes Ginggele, Zentralosttirol, 2350m, SW, 0,3m Anrisshöhe, 30m breit, 100m lang, 30-35 Grad steil; Fernauslösung, keine Verschütteten (Foto: 23.01.2015)
 
Unbedingt auch einmal erwähnenswert: Auch bei sehr kalten Temperaturen ständig im Einsatz, um unsere Wetterstationen möglichst gut in Gang zu halten, ist unser Techniker Paul Kössler.
 
Anraum an einer der exponiertesten Wetterstationen, jener am Hochgasser, machte der Station u.a. den Garaus. Inzwischen wieder funktionstüchtig. Osttiroler Tauern am 26.01.2015
 

Donnerstag, 22. Januar 2015

Analyse der Lawinensituation in Tirol – im Norden deutlich günstiger als weiter im Süden, Altschnee bleibt unverändert störanfällig!

Generell gilt, dass die Verhältnisse im Außerfern, im Arlberggebiet, den Nordalpen und den Kitzbüheler Alpen deutlich günstiger sind als weiter im Süden. Dies hat einerseits mit der Ausaperung vor Weihnachten in besonnten Hängen sowie allgemein in tiefen und mittleren Höhenlagen zu tun. Dadurch fehlt die im übrigen Tirol häufig störanfällige Altschneedecke vom Herbst. Andererseits ist dies auf die massiven Regenfälle zwischen dem 09. und 11.01.2015 und der anschließenden Abkühlung zurückzuführen. Dadurch hat sich ein dicker, die Schneedecke stabilisierender Schmelzharschdeckel ausgebildet. Dies gilt v.a. für Höhenlagen unterhalb von 2500m. Darüber kann die Schneedecke derzeit v.a. im sehr steilen, schattigen Gelände insbesondere durch große Zusatzbelastung an schneearmen Stellen gestört werden. Zusätzlich ist im Norden derzeit auf kleinräumige, frische Triebschneepakete in großen Höhen zu achten.

 

Vergleichsweise günstige Situation in den Kitzbüheler Alpen (Foto: 18.01.2015)

 

Bei den weiteren Ausführungen konzentrieren wir uns auf die südlich vom Arlberg, dem Außerfern, den Nordalpen und den Kitzbüheler Alpen gelegenen Regionen. Richtung Süden nimmt nämlich die Anzahl der Gefahrenstellen im Gelände allgemein zu. Wir haben dabei auf zwei Probleme zu achten, das wichtigste ist die (unverändert) störanfällige Altschneedecke. Zudem handelt es sich um (kurzfristig) störanfälligen Triebschnee oberhalb etwa 2000m.

 

Das Problem innerhalb der Altschneedecke wurde u.a. auch durch die Neuschneefälle um den 17.01. augenscheinlich, als wir vermehrt spontane Lawinen beobachteten.

 

Am meisten schneite es in den Tuxer und Zillertaler Alpen mit lokal über 50cm

 

Spontane Lawine nördlich des Hohen Rifflers in den Zillertaler Alpen (Foto: 19.01.2015)

 

Die Besonderheit dieses Winters besteht darin, dass man innerhalb der Altschneedecke in allen Hangrichtungen bodennahe, lockere Schwachschichten findet, die zwischen Krusten (Regen-, Wind- bzw. Schmelzkrusten) eingelagert sind.

 

Ein häufiger Anblick: lockere, bindungslose Kristalle zwischen härteren Krusten in bodennahen Bereichen; Schmirntal, Tuxer Alpen (Foto: 18.01.2015)

 

In der Nähe unseres Profilstandortes am Weg zum Gaishörndl in Zentralosttirol lösten Wintersportler am 15.01. eine Schneebrettlawine aus. Zwei Teilverschüttete, unverletzt (Foto: 22.01.2015)

 

Durch starke Windtätigkeit sowie Wärmeeintrag (insbesondere während des Wochenendes 09.01.-11.01.2015) und anschließender Abkühlung haben sich inzwischen häufig oberflächennahe härtere Krusten gebildet, die von Neuschnee überlagert sind. Diese härteren Schichten üben eine gewisse stabilisierende Wirkung auf die Schneedecke (bei bodennah unverändert eher ungünstigem Aufbau) aus. Dies erklärt u.a. auch die inzwischen abnehmende Anzahl an Lawinenereignissen. Trotzdem lassen sich auch in diesen Bereichen, v.a. an schneeärmeren Stellen bzw. an Übergangsbereichen von wenig zu viel Schnee weiterhin Lawinen auslösen.

 

Die entscheidende Frage ist nun, wo es derzeit am gefährlichsten ist?

 

Betrachten wir dazu vorerst sonnenbeschienene Hänge:

 

Aufgrund unserer Beobachtungen, zahlreicher Tests und Rückmeldungen gehen wir von einer gewissen Entspannung unterhalb etwa 2300m aus. Darüber heißt es leider weiterhin aufzupassen! Heimtückisch dabei ist, dass die Schneedecke im flachen bzw. mäßig steilen Gelände zwischen etwa 2300m und 2600m leichter zu stören ist, als im sehr steilen, besonnten Gelände in diesem Höhenbereich. Dies klingt paradox, lässt sich aber leicht erklären. Im sehr steilen Gelände strahlt die Sonne direkter auf die Schneedecke. Mehr Energieeintrag bedeutet mehr Schmelzprozesse und Wassereintrag in die Schneedecke mit anschließendem Gefrieren in Form von Eissäulen. Diese Säulen verbinden die Krusten untereinander und wirken sich zumindest etwas stabilisierend aus.

 

Schneeprofil bei der Thurntaler Rast auf knapp 2000m in Zentralosttirol. Man erkennt unterhalb des Neuschnees eine Schmelzkruste. Abfließendes Wasser ist gefroren und bildet eine dicke Eissäule, die sich mit der nächsten harten Schichte am Boden verbindet. Dazwischen findet man Schwimmschnee. Je mehr solche Eissäulen vorhanden sind, je dicker diese sind, desto besser ist die Verbindung, desto schwerer lassen sich Lawinen dort auslösen.  (Foto: 22.01.2015)

 

Es gibt genügend Beispiele während der vergangenen Wochen, bei der Lawinen im mäßig steilen bzw. sogar flachen Gelände ausgelöst wurden: Tödlicher Lawinenunfall Valdafourkopfs am 16.01., Lawinenunfall Tscheyegg am 20.01. (Es handelte sich ebenfalls um eine geführte Gruppe. Die Lawine wurde ca. 2km Luftlinie von der Lawine am Valdafourkopf ausgelöst. Weitere Details von unserem Beobachter Florian Maas:  „Am 20.01. um ca 16:00 Uhr wurde westlich von der Tscheyegg Bergstation auf 2600m Seehöhe von einer fünfköpfigen Gruppe ein Schneebrett ausgelöst. Eine Frau wurde total verschüttet und dabei nur leicht verletzt. Die Gruppe löste das Brett auf 2480m im flachen Gelände aus. Anrisshöhe bis 120 cm, Breite im Anrissgebiet 90m und 35 Grad steil, Länge der Sturzbahn ca.550 m." Ebenso wurden wir kürzlich von einer Lawinenauslösung im Nahbereich der Amberger Hütte durch Fernauslösung im mäßig steilen Gelände informiert.

 

Höhenbereich 2350m, Nahbereich Amberger Hütte in den Nördlichen Stubaier Alpen (Foto: 18.01.2015). Lawinenabgang mit Personenbeteiligung. unverletzt.

 

Bei besonnten Hängen oberhalb etwa 2600m muss davon ausgegangen werden, dass dort die Schneedecke in allen Hangneigungen ähnlich zu stören sein wird, weil die erwähnten gefrorenen Wassersäulen weniger ausgeprägt sein sollten. Eine Störung ist wiederum vermehrt an schneeärmeren Stellen möglich.

 

Spontane Lawine am Simonykees in den Osttiroler Tauern. Störanfälliger Schwimmschnee zwischen Schmelzkrusten (Foto: 19.01.2015)

 

Betrachten wir nun schattiges Gelände:

 

Aufgrund neuer Informationen müssen wir von vermehrten Problemstellen in einem Höhenbereich zwischen etwa 2000m und 2600m (mit vereinzelten Ausreißern nach unten und oben) ausgehen. Dort findet man mehrere Regenkrusten, zwischen denen ebenso lockere Schichten aus kantigen Kristallen und Schwimmschnee eingebettet sind.

 

Ein häufiges Bild in den Tuxer Alpen. Spontane Lawinen im schattigen Gelände in einem Seehöhenbereich zwischen etwa 2000m und 2600m, Gammerspitze, Schmirntal (Foto: 21.01.2015)

 

Spontane Lawine im schattigen Steilgelände auf ca. 2300m in Zentralosttirol (Foto: 22.01.2015)

 

Fernauslösung vom Grat aus. Nahbereich des Glungezers, Tuxer Alpen (Foto: 20.01.2015)

 

Lawinenauslösung unterhalb der Vennspitze in den Tuxer Alpen (Foto: 18.01.2015), Personenbeteiligung, unverletzt

 

Lawinenauslösung Gaislachkogel-Hundskopf am Übergangsbereich von wenig zu viel Schnee (Foto: 18.01.2015)

 

Oberhalb etwa 2600m sollten man im schattigen Gelände außer im Arlberggebiet und Außerfern keine Regenkrusten mehr finden. Dort könnte sich einzig unter Windkrusten kantige Kristalle gebildet haben. Dabei handelt es sich dann allerdings um ein eher lokaleres  Problem, das wiederum vermehrt an schneearmen Stellen zu berücksichtigen ist. In Summe kann aber oberhalb etwa 2600m von einer eher recht gut aufgebauten Altschneedecke ausgegangen werden. [Noch kein Thema, aber generell im Auge zu behalten sind jene zwei Regenkrusten, die sich Anfang Jänner vom 03.01 auf den 04.01. (bis ca. 2300m) und zwischen dem 09.01. und 11.01. (bis meist 2600m) gebildet haben, weil sich in deren Nahbereich bereits mancherorts auch kantige Kristalle gebildet haben].

 

Außer Lawinenabgänge gibt es allerdings auch schönen Pulverschnee, den man durchaus genießen konnte, am besten unter Vermeidung oben erwähnter  besonders gefährdeter Bereiche…

 

Ziemlich gefahrlos: Pulvertraum im besonnten Gelände auf ca. 2000m (Foto: 18.01.2015)

 

Pulverschnee am Weg zu Schöntalspitze in den Nördlichen Stubaier Alpen (Foto: 19.01.2015)

 

Grünseehütte, Osttiroler Tauern (Foto: 18.01.2015)

 

Interessant ist derzeit auch die vermehrte Bildung von Oberflächenreif. Solange dieser nicht eingeschneit ist, gibt es keine Probleme, sobald dies der Fall ist, kann es rasch gefährlich werden.

 

Somit bleibt mir am Schluss nochmals an die Vernunft zu appellieren, weiterhin möglichst defensiv unterwegs zu sein. Der Winter 2014-2015 birgt aufgrund der vielerorts außergewöhnlich schlecht aufgebauten Altschneedecke seine Tücken!

 

Mittwoch, 21. Januar 2015

Details zum tödlichen Lawinenunfall Valluga Nord am 19.01.2015

Wir waren gestern am 19.01. gemeinsam mit einem Gerichtssachverständigen, der Alpinpolizei und einem Lawinenkommissionsmitglied an der Unfallstelle.
 
Die Valluga-Nordabfahrt ist für ihre extreme Steilheit und Exponiertheit bekannt. Es handelt sich dabei um freies Skigelände, das selbständig beurteilt werden muss.
 
Überblicksfoto der Schneebrettlawine Valluga-Nord kurz nach dem Lawinenabgang (Foto: 19.01.2015)
 
Weiteres Überblicksfoto vom Unfalltag
 
Die Schneebrettlawine wurde von einer 7-köpfigen geführten Gruppe während der Abfahrt ausgelöst. Zum Unfallzeitpunkt befand sich der Bergführer bereits bei einem Sammelpunkt, 5 weitere Personen in der Abfahrt, eine Person gerade noch beim letzten Sammelpunkt, wo unmittelbar unterhalb die Lawine brach. Einer der Personen gelang es, zum Standort des Bergführers zu fahren, der am Randbereich der Lawine war. Die restlichen 4 Personen wurden mitgerissen, eine blieb noch oberhalb des Felsabbruchs mit Prellungen liegen, 3 weitere Personen wurden über felsiges Gelände mitgerissen, wobei eine Person schwer verletzt und 2 getötet wurden.
 
Die Person steht auf dem Sattel, von wo die Personen weiter in den Hang einfuhren.
 
Um die Ursache des Lawinenabgangs herauszufinden, gruben wir an unterschiedlichsten Stellen im Hang mehrere Profile und führten Stabilitätsuntersuchungen durch. Die Ergebnisse waren recht unterschiedlich, von sehr ungünstigen Profilen bis sehr guten Profilen war alles vorhanden. Sämtliche Profile finden sich übrigens im Snowprofiler hier. Das Problem des Lawinenabgangs hatte mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer teilweise störanfälligen Altschneedecke an schneearmen Stellen zu tun. Dort entwickelten sich während des Winters unterhalb von Krusten ausgeprägte kantige Kristalle bzw. Schwimmschnee. Es dürfte sich somit um einen klassischen „hot spot“ gehandelt haben, von dem aus sich der Bruch auch in Bereiche weiter fortpflanzte, die man sonst vermutlich nicht so leicht auslösen hätte können. Die Verhältnisse erinnern übrigens stark an eine ähnliche Situation zu Weihnachten 2008, als dort ebenfalls ein tödlicher Lawinenunfall passierte.
 
Eine jener schneearmen Stellen in der Nähe des Lawinenanrisses, bei der man bodennah zwischen Krusten eingebettet lockeren Schwimmschnee bzw. kantige Kristalle findet.
 
Das Bild zeigt einen schneearmen Bereich mit massiver Schwimmschneeentwicklung in Bodennähe direkt am Lawinenanriss. Man erkennt auch einen leicht felsdurchsetzten Bereich innerhalb der Lawinenbahn. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dort ähnliche Verhältnisse wie am Fotostandort geherrscht hatten und die Lawine in jenem, vermutlich auch schneearmen Bereich, ausgelöst worden ist.
 
Blick Richtung Sturzbahn (Foto: 20.01.2015)
 
Am Lawinenkegel: Blick Richtung Valluga-Gipfel (Foto: 20.01.2015)
 
Bei weiteren Stabilitätsuntersuchungen fanden wir unterhalb von 2500m eine durchwegs kompakte Schneedecke.
 
Übrigens können die Verhältnisse im Arlberggebiet, Außerfern, den Nordalpen und den Kitzbüheler Alpen nicht mit jenen im übrigen Tirol verglichen werden. Die Schneedecke ist im Norden vergleichsweise stabiler aufgebaut als weiter im Süden.
 
Dies betrifft insbesondere besonntes Gelände, weil im Norden vor Weihnachten eine Schneedecke fehlte und sich somit die im Land weit verbreiteten Schwachschichten im Altschnee bisher noch nicht ausbilden konnten. Schattseitig sollte man im Norden des Landes v.a. schneearme Bereiche oberhalb etwa 2500m kritischer beurteilen
 
Weitere Details zur Gesamtsituation folgen voraussichtlich morgen abends.