Donnerstag, 25. April 2019

Unbeständiges Aprilwetter - zunehmende Lawinengefahr und Lawinenaktivität

Aktuelle Situation & Ausblick

Aprilwetter hält an:

Der derzeit unbeständige und für Skitouren eher unvorteilhafte Wettercharakter bleibt uns fürs erste auch in den nächsten Tagen erhalten. Allerdings vollzieht sich laut ZAMG Wetterdiensstelle bis zum kommenden Wochenende hin ein markanter Luftmassenwechsel: Die Südföhnlage bricht im Laufe vom Freitag, 26.04. allmählich zusammen. Dann erreicht uns eine Kaltfront, welche vom Westen her über ganz Tirol zieht. In Folge lässt der Wind deutlich nach, und es setzt Niederschlag ein. Dieser fällt zunächst bis gegen 2500m als Regen, bis zum Abend hin sinkt die Schneefallgrenze jedoch auf rund 1800m. Anschließend soll unbeständiges Aprilwetter bestimmend bleiben.

Bis Ostermontag perfekte Bedingungen. Ab 23.04. Wolkenstau im Süden samt stürmischer Verhältnissen. 

Ausgeprägte Südföhnlage

Auswirkungen der Südföhnlage auf die Schneedecke: Massives Abschmelzen neben Schneehöhenzugewinn in großen Höhen entlang des Alpenhauptkammes

Die Schneedecke wird nässer und störanfälliger:

Massiver Wärmeeintrag, diffuse Strahlung, feuchte Luftmassen - all das sind Zutaten, welche die Schneedecke immer nässer werden lässt. Interessant ist dies prinzipiell in allen Expositionen, insbesondere jedoch in Schattenhängen. Dort wurde die Schneedecke bisher meist nur bis mittlere Höhenlagen tiefgreifend nass. Nun wandert dieses Niveau in höhere Bereiche, wo im Gegensatz zu den Sonnenhängen ein ausgeprägter Nässeeintrag-Wiedergefrierzyklus fehlte, welcher die Schneedecke in Sonnenhängen träger werden ließ. Die Folge ist nun eine erhöhte Störanfälligkeit der Schneedecke insbesondere in Schattenhängen. Durch den prognostizierten Regeneintrag ab morgen Freitag, 26.04. wird dies noch verstärkt.

In tiefen und mittleren Höhenlagen wandelte sich die Schneedecke bereits in Richtung trägem "Sommerfirn" um. Allgäu. (Foto: 24.04.2019)

Immer häufiger zu beobachten: Eine wasserdurchtränkte Schneeoberfläche. ca. 2000m,  Nord, Alpenhauptkamm (Foto: 23.04.2019)

Schneeprofil an einem, den Winter über windexponierten, schattigen Standort. Nord. 2340m. Die Schneedecke ist isotherm. Unterhalb einer Kruste gebildeter Schwimmschnee samt kantiger Kristallen konnten bei Stabilitätsuntersuchungen gestört werden.

Zunehmende Lawinenaktivität:

Die erhöhte Störanfälligkeit der Schneedecke durch den fortschreitenden Nässeeintrag wirkt sich auf die Lawinengefahr aus, die gebietsweise auf die Gefahrenstufe 3 "erheblich" angestiegen ist. Wir beobachten nach einer sehr lawinenruhigen Phase nun vermehrt Lawinenabgänge: Zu den Lockerschnee- und Gleitschneelawinen gesellen sich langsam auch (vereinzelte spontane) Schneebrettlawinen dazu, dies v.a. in Schattenhängen.

Ein für uns unerwartet großes Ausmaß einer spontanen Schneebrettlawine in dieser Höhenlage (1900m). Nord-Nordwest. Bereich der Unteren Gamswaid in der Nähe von Bach im Außerfern. Im Hintergrund erkennt man Lockerschneelawinen als Auslöser eines (des gesamten?) Schneebretts. (Foto: 24.04.2019)

Ein Schneebrett, welches durch eine Lawinensprengung ausgelöst wurde, verlegte die Kaunertaler Gletscherstraße (Foto: 21.04.2019)

Relativ frische Lockerschneelawinen im schattigen Gelände. Höhenbereich um 2500m. Nord. Nördliche Stubaier Alpen (Foto: 24.04.2019)

Zu beachten ist derzeit v.a., dass kleine Impulse mitunter größere Auswirkungen haben können.

Dieser kleine Gleitschneerutsch riss in der Sturzbahn den durchnässten Schnee mit. Im folgenden Bild sieht man Sturzbahn und Lawinenablagerung. Silvretta (Foto: 23.04.2019)

Die zu oberem Bild passende Lawine... (Foto: 23.04.2019)

Eisbrocken eines gefrorenen Wasserfalls als Auslöser einer nassen Lockerschneelawine. Silvretta (Foto: 23.04.2019)

Ablagerung einer Gleitschneelawine unterhalb der Gorfenspitze im Paznauntal, abgegangen am 24.04.2019 gegen 15:00 Uhr.

Erhöhte Aktivität von Gleitschneelawinen auch im Zillertal (Foto: 24.04.2019)

Zum oberen Bild gehörende Lawinenablagerungen. Man erkennt: Lawinen können bis in bereits ergrünte Bereiche vorstoßen. Zillertaler Alpen  (Foto: 24.04.2019)

Sonst noch berichtenswert:

In Geländevertiefungen lagert Saharastaub. Silvretta. In den niederschlagsbeeinflussten Regionen entlang des Alpenhauptkammes und in Osttirol hat sich dieser flächig gleichmäßig abgelagert (Foto: 23.04.2019)

Schneefall in tiefen Lagen oder doch Pollenflug der Weiden durch Föhneinfluss? Inntal (Foto: 21.04.2019)

Mittwoch, 24. April 2019

Mittelmeertief sorgt für unbeständiges Wetter. Nass- und Gleitschneelawinen bleiben die Hauptgefahr.

Das sonnige und windberuhigte Wetter der vergangenen Osterfeiertage samt besten Tourenbedingungen auf den Bergen ist fürs erste passé.

Derzeit liegt Tirol in einer kräftigen Südströmung zwischen zwei Tiefdruckgebieten über dem westlichen Mittelmeer und Osteuropa. In der Folge stauen sich die Wolken entlang des Alpenhauptkammes und es fällt in den Bergen an der Grenze zu Südtirol sowie in Osttirol etwas Neuschnee. Die Mengen bleiben jedoch gering und erreichen in den typischen Südstaulagen in den Ötztaler sowie den Karnischen Alpen maximal 15cm bis 20cm. Es weht zudem starker Südföhn, welcher in Nordtirol am morgigen Mittwoch, 24.04. auch in die Tallagen durchgreifen wird.

Der starke Südföhn legt morgen Mittwoch, 24.04. nochmals an Stärke zu. Erst am Freitag kommt es mit Einzug einer Kaltfront zum Abklingen des stürmisch-böigen Windes.

Entlang des Alpenhauptkammes sowie in Osttirol fallen bis Mittwoch, 24.04. oberhalb von rund 2000m einige Zentimeter Neuschnee.

Die Südanströmung sorgt dabei nicht nur für teils stürmischen Föhn und etwas Niederschlag, sondern transportiert zudem in höheren Luftschichten Sandpartikel aus der Sahara mit in den Alpenraum.

Mit der Südströmung gelangt derzeit auch Saharastaub in die Tiroler Berge. Dieser trübt den Himmel milchig-grau und wird mit dem Niederschlag im Süden des Landes auch auf der Schneedecke abgelagert.

Wechselhaftes Wetter auch im Jamtal, Silvrettagruppe. Starke Bewölkung und Wind verhinderten am Dienstag, 23.04. einen starken Wärmeeintrag in die Schneedecke (23.04.2019).


Mit Neuschnee und Südwind entstehen in den Niederschlagsgebieten kleine Triebschneepakete, welche in steilen Schattenhängen über 2600m auf eine lockere Altschneeoberfläche abgelagert werden. Die Triebschneeansammlungen können dort mitunter leicht ausgelöst werden. Hier ist vor allem die Absturzgefahr zu beachten.

Die Hauptgefahr geht jedoch weiterhin von Nass- und Gleitschneelawinen aus. Die Gefahr ist dabei abhängig davon, ob die Schneedecke in der Nacht Wärme abstrahlen kann oder nicht. Dies ist wiederum vom Bewölkungsgrad abhängig.
In der Nacht auf Mittwoch, 24.04. ist der Himmel über Tirol meist bewölkt. Die Schneeoberfläche gefriert daher nur dünn und weicht am Vormittag rasch auf. Die Durchfeuchtung der Schneedecke schreitet so schneller voran und es sind in der Folge bereits am späten Vormittag nasse Lockerschneelawinen aus extremen Steilhängen möglich. Dies besonders unterhalb 2400m sowie bei Sonneneinstrahlung auch an Sonnenhängen unterhalb von rund 3000m.

Zudem scheinen auch nasse Schneebrettlawinen in steilen Schattenhängen möglich. Mit dem erstmaligen Eindringen von Wasser in bestehende persistente Schwachschichten (kantige Kristalle, Oberflächenreif oder Becherkristalle) im Altschnee, können diese kurzzeitig reaktiviert und mitunter bereits von einzelnen Wintersportlern gestört und als Lawine ausgelöst werden. Dies ist besonders im Zentralen und Südlichen Osttirol zwischen etwa 2000m und 2400m ein Thema, wo bodennah Schwachschichten im Altschneefundament vorhanden sind. Jedoch sind solche Schwachschichten sehr vereinzelt auch in Nordtirol zu finden. Der Gefahrenbereich findet sich hier tendenziell etwas höher, zwischen etwa 2400m und 2600m.

Schwachschichten aus kantigen Kristallen können bei erstmaliger Durchfeuchtung wieder aktiviert werden und zum Abgang von nassen Schneebrettlawinen führen. 2560m, 34°, NW; Pfannknecht, Silvretta (23.04.2019).

Donnerstag, 18. April 2019

Klassische Frühjahrssituation, auch während der Osterfeiertage

Ostergeschenk:

Man könnte es sich kaum besser wünschen: Eine überwiegend stabile Altschneedecke. Hochdruckeinfluss. Meist klare Nächte mit guter Ausstrahlung. Eher trockene Luftmasse.
All das sind Zutaten für sehr gute Frühjahrsverhältnisse, vorausgesetzt, man bricht zeitig in der Früh zu den Touren auf und befindet sich rechtzeitig wieder am Zielort. In großen Höhen gibt es noch etwas Zeitreserven dazu...

Die Lawinengefahr unterliegt - dem Frühjahr entsprechend - einem Tagesgang. Gestützt auf die aktuellen Wetterprognosen der ZAMG-Wetterdienststelle kann während der Osterfeiertage von ähnlich guten Verhältnissen ausgegangen werden, wie wir sie derzeit haben: Geringe Gefahr am Morgen sowie zumindest frühen Vormittag. Mäßige Gefahr am Nachmittag. Das Hauptproblem werden nasse Lockerschneelawinen bleiben, die derzeit überwiegend nur durch einen externen Impuls ausgelöst werden können. Ebenso wird man vereinzelt noch Gleitschneelawinen bzw. -rutsche beobachten können.

Besser als viele Worte sind wohl Bilder zur aktuellen Situation:

Schneequalität:

Die Schneedecke ist nach klaren Nächten meist tragfähig gefroren. Zillertaler Alpen (Foto: 18.04.2019)

Bruchharsch wird immer seltener. Am ehesten trifft man diesen noch in Schattenhängen in großen Höhen in den neulich niederschlagsreicheren Regionen an. Zillertaler Alpen (Foto: 18.04.2019)

Pulver im hochalpinen, schattigen Gelände. Zentrale Stubaier Alpen (Foto: 16.04.2019)

Bei rechtzeitiger Abfahrt wird man mit traumhaftem Firn belohnt (Foto: 18.04.2019)

Vielerorts in großen Höhen im kammnahen, schattigen Gelände beobachtet: Oberflächenreifkristalle (Nigg-Effekt). Derzeit stellen diese kein Problem dar. Wir verfolgen die weitere Entwicklung (Zerstörung durch Strahlungseinfluss oder aber Überlagerung durch Neu- bzw. Triebschnee). Zillertaler Alpen, 3090m, Nord (Foto: 18.04.2019)

Mögliche Gefahren:

Nasse Lockerschneelawinen bilden die Hauptgefahr. Zentrale Stubaier Alpen (Foto: 16.04.2019)

Das Eindringen feuchterer Luftmassen (v.a. im zentralen Teil Nordtirols) begünstigte am 17.04. den Abgang spontaner Lockerschneelawinen. Nördliche Stubaier Alpen (Foto: 17.04.2019)

Inzwischen am 18.04.2019 ist die Luft wieder deutlich trockener, die Wahrscheinlichkeit spontaner Lockerschneelawinen entsprechend reduziert. Die am Bild dargestellte Lockerschneelawine wurde am 18.04. durch den Impuls eines herabfallenden Steines ausgelöst.

Überall dort, wo wenig Schnee liegt, die Altschneedecke vollkommen durchnässt ist und sich über Nacht darüber ein tragfähiger Harschdeckel gebildet hat, kann der Harschdeckel (bei entsprechender Durchfeuchtung) kurzfristig und kleinräumig durch den Impuls von Wintersportlern brechen und als Rutsch abgehen. 2200m, West, Mittagszeit (Foto: 18.04.2019)

Das in den vorangegangenen Blogeinträgen beobachtete oberflächennahe Altschneeproblem hat sich inzwischen ins hochalpine Gelände verlagert. Schneebrettlawinen bis mittlerer Größe dürften dort nur mehr im extrem steilen schattigen Gelände durch große Belastung ganz vereinzelt auszulösen sein. Sämtliche Beobachtungen und Stabilitätsuntersuchungen zeugen von einer inzwischen überwiegend guten Verfestigung. Nördliche Stubaier Alpen (Foto: 16.04.2019)

Sonst noch aufzupassen: Wechten bzw. Ausrutschen auf harter Schneeoberfläche. Nauderer Berge (Foto: 28.03.2019) 

Nichts Neues diesen Winter: Gleitschneerutsche und vereinzelt Gleitschneelawinen auf steilen Wiesenhängen. Viele davon sind während des Winters bereits abgegangen.

Ebenso erwähnenswert: Einige Gletscher waren während des Winters aufgrund der häufigen NW-Wetterlagen blank gefegt. Mancherorts täuscht das tiefwinterliche Erscheinungsbild eine gute Spaltenüberdeckung vor.

Unaufhaltsam: Das Frühjahr...

Von unseren Vorfahren überliefert: Zeigt sich der Falkenjäger auf der Nordkette, ist das Frühjahr nicht mehr aufzuhalten. (Foto: 18.04.2019)

Gerade noch schneebedeckt, nun beginnt es schon zu blühen. (Foto: 18.04.2019)

Wir wünschen frohe und unfallfreie Ostern!

Dienstag, 16. April 2019

Kurzes update zu oberflächennahen Schwachschichten

Wir konnten wir unser Bild über die bereits erwähnten oberflächennahen Schwachschichten etwas schärfen. Diese waren am 15.04. für einige Lawinenabgänge mit Personenbeteiligung in den neuschneereichen Regionen (sh. letzter Blogeintrag) verantwortlich. Sämtliche Lawinenabgänge waren ohne Folgen für Wintersportler.

Schneebrettlawinen bzw. Setzungsgeräusche wurden uns aus folgenden Bereichen gemeldet: West zwischen 2400m und 2900m; Nordsektor zwischen 2400m und 3000m. Meist handelte es sich bei der Schwachschicht um kantige Kristalle aufgrund von gm.4 (kalt auf warm) unmittelbar angrenzend an Krusten (sowohl darüber, als auch darunter). Teilweise war auch eingeschneiter Oberflächenreif im Spiel, vermehrt im Bereich der Nebelgrenze, als auch im kammnahen, hochalpinen Gelände (Nigg-Effekt).

Diese Schwachschichten sind gebietsweise im sehr steilen Gelände für den Wintersportler bedeutsam. Wir gehen aufgrund der Wetterprognosen allerdings von einer relativ raschen Verbindung dieser oberflächennahen Schwachschichten in den kommenden Tagen aus. Im extrem steilen, schattigen Gelände wird dieser Prozess vergleichsweise am längsten dauern.

Weiters zu beachten: Nicht mehr in dieser Intensität, wie gestern am 15.04. beobachtet, werden mit der fortschreitenden Durchnässung der Schneedecke aus felsdurchsetztem Gelände  Lockerschneelawinen abgehen bzw. können diese durch den Impuls von Wintersportlern ausgelöst werden.

Für die kommenden Tage herrschen zunehmend klassische Frühlingsverhältnisse mit einem tageszeitlichen Anstieg der Lawinengefahr. Die Devise lautet: Früh aufstehen, rechtzeitig abfahren.

Hier noch ein paar Eindrücke der vergangenen zwei Tage:

Lawinenabgänge Stubaier Gletscher: rechtes Schneebrett von Wintersportler ausgelöst, linkes Schneebrett spontan abgegangen; Nord 2700m (Foto: 15.04.2019)

Lawinenauslösung Rosskarscharte, Nördliche Stubaier Alpen, Nord, 3000m (Foto: 15.04.2019)

Lawinenauslösung Oberstkogel, Nördliche Stubaier Alpen, Nord, 2700m (Foto: 15.04.2019)

Unterhalb der Zischgenscharte in den Nördlichen Stubaier Alpen auf ca. 3000m war eingeschneiter Oberflächenreif (Nigg-Effekt) die Schwachschicht (Foto: 15.04.2019)

Toller Pulverschnee in den Südlichen Ötztaler Alpen (Foto: 15.04.2019)

Gleitschneelawinen im Fimbatal, Silvretta (Foto: 14.04.2019)

Montag, 15. April 2019

NO-Stau bringt gebietsweise viel Neuschnee - erhöhte Lawinenaktivität mit Sonneneinstrahlung

Das Wetter der vergangenen Tage stand im Zeichen einer NO-Staulage. In den Stubaier, Ötztaler und teilweise den Zillertaler Alpen ist dabei lokal bis etwa 60cm Schnee gefallen. Der Gradient der Neuschneehöhe war z.T. beachtlich.


Wind war kaum im Spiel. Bereits gestern am 14.04. beobachtete man ab den Mittagsstunden zunehmende Lawinenaktivität. Meist handelte es sich um Lockerschneelawinen, in den neuschneereichen Regionen zudem um Schneebrettlawinen, dies in allen Expositionen. Das für Schneebrettlawinen notwendige Brett (gebundenes Schneepaket über einer Schwachschicht) entstand dabei durch zunehmenden Wärme- bzw. diffusen Strahlungseinfluss. Als Schwachschicht dürfte großteils wohl kalter, lockerer Pulverschnee gedient haben. In Nebelgrenzbereichen kann sich z.T. auch Oberflächenreif gebildet haben. Oberflächennah beobachteten wir kürzlich auch die Bildung kantiger Kristalle (Gefahrenmuster: kalt auf warm), welche ev. zum Tragen gekommen sind (sh. letzten Blogeintrag).

Kurz: Mit der zunehmenden Sonneneinstrahlung und Tageserwärmung erwarten wir auch heute einen lawinenaktiven Tag, dies insbesonderen in den neuschneereicheren Regionen. Vermehrt werden dabei Lockerschneelawinen zu beobachten sein. Spontane Schneebretter sind im hochalpinen Gelände noch denkbar, primär sollten diese heute am 15.04. jedoch eher nur mehr durch Zusatzbelastung, meist im sehr steilen bis extrem steilen Gelände auszulösen sein.

Samstag, 13. April 2019

Kleine Änderungen im Wettergeschehen können sich unmittelbar auf die Lawinengefahr auswirken...

Ergänzend zum vorangegangenen Blogeintrag hier noch ein paar Anmerkungen, die uns für die derzeitige Situation wichtig erscheinen.

Gerade im Frühjahr wirkt sich das Zusammenspiel aus den Wetterparametern Luftfeuchtigkeit, Globalstrahlung und Lufttemperatur entscheidend auf die Entwicklung der Lawinengefahr aus. Bereits kleine Änderungen im Wettergeschehen können sich recht markant auf die Lawinengefahr auswirken, dies sowohl in positiver, als auch in negativer Hinsicht.

Betrachten wir die derzeitige Situation mit häufig dichtem Nebel: In tieferen Lagen, dort wo eine dicke Nebeldecke die Sonneneinstrahlung massiv behindert, ist die diffuse Strahlung geringer als in den Nebelgrenzbereichen in größeren Höhen (derzeit am 12.04. häufig um 2800m). Bei (für die Jahreszeit) unterdurchschnittlichen Temperaturen beobachtet man deshalb in den Gebieten mit Neuschnee in mittleren Höhenlagen keine spontanen Lockerschneelawinen, was in den hoch gelegenen Nebelgrenzbereichen sehr wohl der Fall ist. Man spürt diesen vermehrten Wärmeeintrag in den Nebelgrenzbereichen unmittelbar, wenn man draußen im Gelände unterwegs ist. Ähnlich geht es der Schneedecke, die Wärmestrahlung perfekt aufnehmen kann. Entsprechend rasch erfolgt deshalb deren zumindest oberflächige Durchfeuchtung.

Eine zum Teil dichte Nebeldecke beherrschte während der vergangenen Tage das Wettergeschehen

Das zur obigen Wetterstation passende Bild. Lampsenspitze. Die Schneestation befindet sich unterhalb im dichten Nebel (Foto: 12.04.2019)

Aufgrund des für den 13.04. angekündigten aprilhaften Wettercharakters ist es schwierig, klar begrenzte Höhen- bzw. Expositionsbereiche anzugeben, wo eine vermehrte Durchfeuchtung stattfinden wird. Dies kann derzeit tatsächlich nur unmittelbar vor Ort treffsicher erfolgen.

Unterhalb der Schwarzen Schneid in den Ötztaler Alpen. (Foto: 12.04.2019)
Großteils geht es derzeit um vermehrtes Auftreten spontaner, meist eher kleiner Lockerschneelawinen. Zu beachten ist allerdings, dass Lockerschneelawinen in entsprechend langen, sehr steilen Sturzbahnen unterhalb etwa 2200m eine durchwegs bis zum Boden durchnässte Schneedecke mitschürfen und gebietsweise gefährlich groß werden können. Vermehrt betroffen ist derzeit der Sektor WNW über N bis ONO. (Im Südsektor gab es in diesem Höhenbereich bereits häufigere Durchfeuchtungs- und Wiedergefrierzyklen, die die Schneedecke kompakter und träger werden ließ.).

Frische, trockene, von Wintersportlern ausgelöste Lockerschneerutsche auf 3200m nordseitig (Foto: 12.04.2019)

Kürzlich abgegangene Lockerschneelawinen in den Ötztalern (12.04.2019) 

Eine große Schneekugel (wie in historischen Lawinendarstellungen sowie in Comics) im Bereich des Stallersattels in Osttirol (Foto: 11.04.2019)

Ein aufgrund deren Verbreitung geringes Gefahrenpotential geht in Nordtirol zudem von sehr vereinzelten Schneebrettlawinen aus. Vorstellbar sind solche v.a. in windexponierten, den Winter über schneearmen Bereichen, was v.a. den West- bzw. den Nordwestsektor betrifft. Sehr vereinzelt ist dies auch in sehr steilen Nordhängen vorstellbar. Am ehesten betroffen sind derzeit Höhenbereiche um 2300m, v.a. dann, wenn eine tiefgreifende Durchnässung bis zum Boden stattfindet.

Wir wurden kürzlich von einem diesbezüglichen Lawinenabgang am 06.04. in den Nördlichen Stubaier Alpen im Bereich des Sömen auf ca. 2350m informiert. Dort löste sich ein Schneebrett, als Wintersportler im sehr steilen W-exponierten Gelände abfuhren. Primär dürfte sich ein kleines, frisches Triebschneepaket gelöst haben, dann brach die Schneedecke bis in eine bodennahe Schwachschicht.

Ein derzeit seltenes Bild; Schneebrett "Auf den Sömen" in den Stubaier Alpen, ausgelöst am 06.04.2019 ohne Folgen.  
Am 08.02.2019 wurde dieses Profil in unmittelbarem Nahbereich dieser Lawine aufgenommen. Man erkennt mögliche, bodennahe Schwachschichten in einer (für die Jahreszeit) sehr unterdurchschnittlich hohen Schneedecke. Bei obiger Lawine dürfte die Schwachschicht durch Feuchtigkeitseintrag geschwächt worden sein.

Ähnliches ist v.a. im zentralen Teil Osttirols und im südlichen Osttirol vorstellbar, wo sich bis Anfang Februar vergleichsweise ausgeprägtere Schwachschichten vermehrt im Nordsektor vom Waldgrenzbereich aufwärts gebildet haben.

Die den Winter über ständig erwähnten Gleitschneelawinen bleiben ebenso beachtenswert.

Und ebenso erwähnenswert: In großen Höhen in den Regionen entlang des Alpenhauptkammes und südlich davon beobachten wir v.a. im hochalpinen Gelände (2900m und aufwärts) in oberflächennahen Schichten die Ausbildung kleiner kantiger Kristalle aufgrund des Gefahrenmusters gm.4 (kalt auf warm). Unsere Schneedeckenuntersuchungen geben derzeit keinen Hinweis darauf, dass die Schichten Probleme verursachen. Häufig fehlt darüber auch das für eine Schneebrettauslösung notwendige Brett. Dennoch eine Entwicklung, die vorerst im Auge behalten werden muss.

Kürzlich gebildete, kantige Kristalle in Oberflächennähe: 3310m, 30°, Nord; Schwarze Schneid, Ötztaler Alpen , (12.04.2019)