Samstag, 25. Februar 2017

Mögliche, neue Schwachschicht in besonnten Hängen in Höhenbereich zwischen etwa 2500m und 2800m beachten.

Das im letzten Blogeintrag bereits erwähnte, mögliche neue Altschneeproblem aufgrund des Gefahrenmusters 4 (kalt auf warm) bestätigte sich heute am 25.02. durch weitere Schneeprofile, Rückmeldungen, aber auch Lawinenabgänge.

Derzeit kristallisiert sich dafür ein Höhenbereich zwischen etwa 2500m und 2800m in sehr steilen besonnten Hängen heraus. Dies gilt v.a. dort, wo sich seit vergangener Woche auf den bestehenden, angefeuchteten Schmelzkrusten durch Schneefall bzw. Schneeverfrachtung ausreichend Schnee für die Bildung eines Schneebrettes abgelagert hat.

Zur Untermauerung hier ein paar Fakten:
Schneeprofil von Lukas Ruetz auf 2625m Süd im Bereich der Hagger Scharte in den Nördlichen Stubaier Alpen: sh. hier

Am Samerschlag in den Nördlichen Stubaier Alpen wurde am 24.02. in einem Höhe von 2650m in einem sehr steilen O-Hang ein Schneebrett ausgelöst. Es passierte nichts.

Im Nahbereich des Pleiskopfes (Hochimst) in der Region Arlberg-Außerfern löste ein Variantenfahrer kammnah O-seitig auf ca. 2500m ein Schneebrett aus. Gesichert ist eine kantige Schicht auf der Schmelzkruste von vergangener Woche. Darüber Triebschnee.

In der Nähe der Langkarlesschneit in den Ötztaler Alpen wurde O-seitig in einer Höhe von etwa 2800m im sehr steilen bis extrem steilen Gelände eine spontane Lawine gesichtet, die primär auch auf einer kürzlich entstandenen kantigen Schicht abgebrochen sein könnte.

Freitag, 24. Februar 2017

Triebschnee in größeren Höhen bildet die Hauptgefahr – Altschneeproblem vermehrt in Schattenhängen, möglicherweise auch in Sonnenhängen um 2700m

Unmittelbar nach dem letzten Blogeintrag (21.2.2017) regnete bzw. schneite es im Nordalpenbereich für einige Stunden teils noch recht kräftig, sodass oberhalb von etwa 2000 m nennenswerte Neuschneemengen in Form von oft recht feuchtem Schnee zusammenkamen:

Neuschnee nur in höheren Lagen, unterhalb von 2000 m teilweise und unterhalb von 1500 m durchwegs Regen.

Dazu weht seit Dienstag (21.02.) vor allem in großen Höhen, oft aber auch in mittleren Lagen und in den Tälern starker bis stürmischer Wind aus Nordwest bis Südwest. Von Donnerstag auf Freitag kam auch Südföhn dazu. Die Schneedecke wurde daher in großen Höhen oft hart und unregelmäßig. Unterhalb von rund 2300 m und sonnseitig teilweise bis 3000 m sorgten Regen bzw. Wärme für Durchfeuchtung und Bildung von Bruchharsch.

Exemplarischer Stationsverlauf: wenig Schnee, hohe Temperaturen und viel Wind.

Für starken Wind und stabile Luftschichtung typische Wolkenform, die das Herz von Fotografen und Meteorologen höher schlagen lässt: der Föhnfisch, genannt Altocumulus lenticularis.

Starke Setzung durch Regeneinfluss im Bereich der Waldgrenze (Foto vom 22.02.)

Starker Wind sowohl im Gleirschtal (Nördliche Stubaier Alpen, Foto vom 22.02.)…

… als auch im Jamtal (Foto vom 22.02.)

Der teils stürmische Wind aus westlichen Richtungen sorgte für starke Verfrachtungen und bildete mächtige Triebschneepakete, diese konnten sich aber aufgrund der hohen Temperaturen unterhalb von 2500 m rasch mit der Schneedecke verbinden und waren nur für kurze Zeit und nur durch große Zusatzbelastungen zu stören. Problematischer ist die Situation in größeren Höhen.
Zu meist kleinen Lockerschneelawinen bzw. Schneebrettlawinen sorgte auch die Durchfeuchtung der Schneedecke.

Der Spaßfaktor hält sich bei mangelhafter Schneequalität oft in Grenzen.

Kleine nasse Lockerschneelawine (Tuxer Alpen, Foto vom 22.02.)

Nichts geändert hat sich allerdings am Altschneeproblem aus dem Frühwinter, das vornehmlich in schattigen Steilhängen oberhalb von rund 2400 m vorhanden ist.
Zudem konnte in sonnigen Steilhängen mancherorts die Bildung einer Schwachschicht aufgrund von gm4 – kalt auf warm. Hier wird der kalte Neuschnee vom vergangenen Freitag auf der durch sonniges, mildes Wetter erwärmten und durchfeuchteten Altschneeoberfläche zum Problem.

Oberflächennahe Triebschneepakete können zwar gestört werden, neigen aber nicht zur Bruchfortpflanzung. In diesem Profil als heikel zu beurteilen ist die kantige Schicht auf der alten Schmelzharschkruste, gebildet im Neuschnee vom 17.02. .

Auch in tieferen Lagen finden sich noch potentielle Schwachschichten, die aber allesamt nicht mehr zur Bruchfortpflanzung neigen und damit nicht als kritisch zu beurteilen sind. Allerdings sollte man bedenken, dass eine Auslösung in etwas größerer Höhe und bei geringerer Überdeckung der Schwachschicht durchaus möglich ist.


Die Kaltfront heute Freitag sorgt meist nur für wenig Niederschlag, sodass sich an der oft schlechten Schneequalität nur wenig ändern wird. Am Arlberg und im Außerfern sind 20 bis 30 cm zu erwarten und am Zillertaler Hauptkamm sowie in den Osttiroler Dolomiten sind 10 bis 20 cm möglich. Sonst bleibt es oft bei Neuschneehöhen zwischen 5 und 10 cm.
In inneralpinen Regionen, die im Laufe der Woche wenig Niederschlag bekamen, werden am Wochenende in sonnigen Hängen erneut Firnverhältnisse zu finden sein.
Zu beachten gilt es erneut frische, aufgrund der vorübergehenden Kälte auch spröde Triebschneepakete, sowie die mögliche Bildung einer Schwachschicht im Grenzbereich zwischen der warmen Altschneedecke und dem aktuell fallenden, kalten Neuschnee. Die Temperaturen auf 2500 m gehen von +1 Grad am Donnerstag Nachmittag auf -12 Grad am Freitagabend zurück.

Dienstag, 21. Februar 2017

Anstieg der Lawinengefahr mit Regen, Schnee und Wind!

Mit dem schönen, lockeren Pulverschnee, welcher uns der Schneefall vom 17.02. auf den 18.02. in den meisten Teilen Tirols bescherte, scheint es vorerst vorbei zu sein.

Der Neuschnee von Freitag, 17.02. auf Samstag, 18,.02.

Eine Warmfront zieht nun am 21.02. über Tirol und bringt Regen bis maximal 2000m hinauf, darüber Schnee und stürmischen Wind.

Tagesniederschlag am 21.02. zwischen 07:00 und 19:00 Uhr. (Die Markierung bei Innsbruck entspricht nicht einem Niederschlagswert zwischen 30-60mm). Quelle: Hydrographie Tirol

Am meisten regnete es bisher in Kössen mit 56mm.(Stand: 21.02. 19:00 Uhr)

Die Warmfront bringt steigende Temperaturen, Niederschlag und Sturm. Wetterstation im Skigebiet Ischgl

Auf den Bergen wird es zunehmend stürmisch.

Dies hat Auswirkungen auf die Lawinengefahr, die allgemein ansteigt. Es ist mit spontanen Nassschneelawinen in den regenbeeinflussten Gebieten zu rechnen. Aufgrund der unterdurchschnittlichen Schneehöhen sollten diese Lawinen allerdings nicht allzu groß sein.

Beginnende, oberflächige Durchfeuchtung der Schneedecke um die Mittagszeit des 21.02. (kurz vor Regenbeginn) in den Nördlichen Stubaier Alpen, ca. 2000m (Foto: 21.02.2017)

Die Pfeile zeigen auf mögliche Schwachschichten für die folgenden Schneefälle. Oberflächennahe Schichten sind derzeit leichter zu stören, als tiefer liegende. NW, 2250m, Nördliche Stubaier Alpen (Foto: 21.02.2017)

Steigende Temperaturen, Schneefall und Wind begünstigen die Bildung von Schneebrettern. Als Schwachschicht kommt häufig aufbauend umgewandelter Schnee in Frage, welcher sich während der vergangenen Schönwetterperioden im Nahbereich der Schneeoberfläche gebildet hat. Bei entsprechender Niederschlagsintensität sind durchaus spontane Lawinen, vermehrt im schattigen Gelände zu erwarten.

Zusätzlich entwickelt sich ein frisches Triebschneeproblem, das mit zunehmender Seehöhe immer ausgeprägter wird und alle Expositionen betrifft.

Mit dem für Wochenmitte angekündigten nahezu frühlingshaften Wetter wird die Lawinengefahr voraussichtlich kurzfristig im besonnten Gelände ansteigen, um sich dann wieder zu bessern. Die Schneebrettgefahr im schattigen Gelände ab mittleren Höhenlagen (mit zunehmender Bedeutung bei zunehmender Seehöhe) wird hingegen aufrecht bleiben. Ab Freitag folgt laut ZAMG-Wetterdienststelle eine Kaltfront mit Schnee, die sich neuerlich auf die Lawinengefahr auswirken wird.

Fazit: Turbulentes Wetter bringt ein Auf und Ab der Lawinengefahr. Man benötigt im freien Gelände zunehmend gutes lawinenkundliches Wissen.

Mittwoch, 15. Februar 2017

Überblick über die derzeitige, zum Teil recht unterschiedliche Lawinensituation

Die Lawinengefahr in Tirol schwankt zurzeit zwischen einer – auch für den Profi – herausfordernden Situation bei erheblicher Gefahr und sehr günstigen Verhältnissen bei geringer Lawinengefahr.

Das Hauptproblem stellt derzeit ein zum Teil noch recht heimtückisches Altschneeproblem dar, wobei einer der „hot spots“ der Lawinengefahr derzeit die Region der Südlichen Ötztaler Alpen zu sein scheint. Dort sind während der vergangenen Zeit nicht nur die meisten Meldungen über Lawinenabgänge eingegangen, sondern zeigen Stabilitätstests im Vergleich zu anderen Regionen vermehrt noch instabilere Verhältnisse. Auch Fernauslösungen wurden hier noch beobachtet.


Das Altschneeproblem ist komplex und nicht nur von der Seehöhe, sondern auch von der Region und dem kürzlichen Süd-Föhneinfluss abhängig. Betroffen sind derzeit vorwiegend die Expositionen W über N bis O oberhalb etwa 2400m (südseitige Schwachschichten in höheren Lagen werden erst bei deren Durchnässung bedeutsam). In Osttirol konzentrieren sich die Problembereiche hingegen auf schattiges Gelände, beginnend von etwa 2000m aufwärts. Wichtig zu erwähnen ist dabei, dass die Anzahl an Setzungsgeräuschen und Rissbildungen in Osttirol während der vergangenen Tage deutlich abgenommen hat. Das über der Schwachschicht liegende, meist nicht allzu mächtige „Brett“, wurde offensichtlich während des Schönwetters, u.a. durch die nächtliche Ausstrahlung der Schneedecke lockerer.
Bei den meist geringen Schneemengen wirkt sich das lockere Fundament v.a. bei gleichmäßigem Untergrund (wie Grasflächen oder aber Almrosengebüsch) aus. Brunnalmgebiet im Defereggental (Foto: 11.02.2017)

Hier ein Profil von den Osttiroler Dolomiten. Man erkennt das sehr lockere Fundament in Bodennähe, aber auch die gering mächtige Überlagerung durch härtere Schichten. Das „Brett“ scheint hier inzwischen zu wenig ausgeprägt zu sein, um Probleme zu verursachen. Vorsicht ist jedoch überall dort geboten, wo während der vergangenen Zeit mehr Wind im Spiel war und dadurch das, die Schwachschicht überlagernde, „Brett“ mächtiger ist!

In ganz Tirol wurde während der vergangenen Woche viel Gelände verspurt. Die Anzahl an Lawinenereignissen ist vergleichsweise gering (mit Ausnahme der Südlichen Ötztaler Alpen). Bild von den Nördlichen Stubaier Alpen (Foto: 13.02.2017)

Auffallend bei den kürzlichen Lawinenereignissen war auch, dass sich die für die Lawinenauslösung bedeutsamen Schwachschichten erst im Jänner gebildet haben (häufig unter Wind- bzw. Schmelzkrusten). Nach dem Bruch in diesen Schichten kam es anschließend (durch enorme Zusatzbelastungen) zu Brüchen in tieferen Schwachschichten, welche im Frühwinter entstanden sind. Meist sind diese bodennahen Schichten bereits zusammengesintert (ältere Schmelzkrusten haben sich zum Teil völlig aufgelöst) und können deshalb nicht mehr so leicht durch Wintersportler gestört werden.

Der Impuls einer Lockerschneelawine führte zum Abgang einer Schneebrettlawine; Kraspesspitze in den Nördlichen Stubaier Alpen; (Foto: 12.02.2017)

Vorhin wurde auch erwähnt, dass der Süd-Föhneinfluss Auswirkungen auf die Lawinensituation hat. Dies gilt insbesondere für den Bereich der typischen Föhnschneisen in den Regionen entlang des Alpenhauptkammes, ganz besonders auch für Randbereiche der Tuxer, Zillertaler und Stubaier Alpen. Gerade in kammnahen, schattigen Steilhängen wurde während der vergangenen Woche doch einiges an Schnee verfrachtet. Dort, wo es sehr steil ist, können mitunter für den Wintersportler gefährlich große Lawinen ausgelöst werden. Solche kürzlich entstandenen Triebschneeansammlungen sollten allerdings vom erfahrenen Wintersportler recht gut zu lokalisieren und dadurch zu umgehen sein.

Bei der Wetterstation Gallreideschrofen in den Südlichen Stubaier erkennt man den kürzlichen Föhneinfluss. Ebenso interessant ist die gute nächtliche Ausstrahlung der Schneedecke (sh. Oberflächentemperatur). Dadurch bildete sich in steilen Südhängen zumindest unterhalb etwa 2300m ein tragfähiger Harschdeckel aus.

Das Altschneeproblem tritt übrigens in der Silvretta derzeit etwas weniger in Erscheinung, weil eine relativ mächtige Schneeauflage von Anfang Februar die Störanfälligkeit durch Wintersportler vermindert.

Winterliches Bild aus der Silvretta (Foto: 07.02.2017)

Neben dem Altschneeproblem hat sich die Erwärmung während des vergangenen Schönwetters etwas bemerkbar gemacht. Allerdings hielt sich durch die sehr trockene Luftmasse die Lawinenaktivität im besonnten, extrem steilen Gelände in Grenzen. Es wurden durchwegs kleine, nasse Lockerschneelawinen beobachtet. (Sollte die Schneedecke morgen am 16.02. in Höhenlagen um 2500m in schneearmen Bereichen tieferreichend nass werden, ist die Gefahr von Schneebrettlawinen allerdings nicht auszuschließen).

Die ersten feuchten Lockerschneelawinen wurden uns am 13.02.2017 gemeldet.

Was die Schneequalität anlangt so kann man es sich derzeit aussuchen:
Firn, Pulver oder Bruchharsch. Firn findet man (noch morgen am 16.02.) in steilen Südhängen zumindest unterhalb etwa 2300m, Pulver in windberuhigten Schattenhängen und Bruchharsch aufgrund von Sonneneinfluss in weniger geneigtem Gelände - oder aber aufgrund von Windeinfluss.

Firn bei der Abfahrt vom Kleinen Galtenberg in den Kitzbüheler Alpen (Foto: 14.02.2017)

Pulver bei der Abfahrt vom Almerhorn in Osttirol (Foto: 14.02.2017)

Details zu den vergangenen Lawinenunfällen vom 12.02. – Hohe Mut und Seebleskar

Hohe Mut (Südliche Ötztaler Alpen):

Ein Bergführer wollte mit drei Gästen von der Hohen Mut ins Rotmoostal abfahren. Nach einer ersten Hangquerung und einem ersten Standplatz fuhr der Bergführer in den oberen Hangbereich bis zu einem zweiten Standplatz ab. Die ihm folgende Person löste dann das Schneebrett aus, wurde mitgerissen, knapp 2m tief verschüttet und dabei lebensgefährlich verletzt. (Anmerkung vom 18.02.: Die Person verstarb inzwischen. Todesursache war Ersticken). Die Verschüttungstiefe wurde durch den Stau der Schneemassen im Bereich einer kleinen Seitenmoräne negativ beeinflusst.

Lawinenabgang Hohe Mut in den Südlichen Ötztaler Alpen am 12.02.2017. Der grüne Punkt zeigt den Einfahrtsbereich, der blaue Pfeil die Verschüttungsstelle.

Lawinenabgang Hohe Mut: Der rote Pfeil zeigt die Einfahrtsspur, der violette Kreis die Verschüttungsstelle. Im Hintergrund erkennt man eine durch den vorangegangen Föhneinfluss abgegangene, spontane Schneebrettlawine. (Foto: 13.02.2016)

Die Einfahrtsspuren am Lawinenanriss (Foto: 13.02.2017)

Die Lawine wurde an einer schneearmen Stelle im etwa 40 Grad geneigtem, westexponierten Gelände in einer Höhe von 2540m ausgelöst. Eine der Spuren stammt vom Bergführer, der am rechten Bildrand bei einem sicheren Standplatz seinen ersten Gast nachkommen ließ. Dieser löste dann die Lawine aus, von der dieser mitgerissen wurde. (Foto: 13.02.2017)

Blick von der Verschüttungsstelle zum Lawinenanriss. Der Verschüttete war knapp 2m tief begraben. (Foto: 13.02.2017)

Die für den Lawinenabgang relevante Schwachschicht bildete Schwimmschnee, der im Jänner unter einer dünnen Schmelzkruste entstanden ist. Die Schmelzkruste stammt übrigens von einer kurzen Wärmeperiode um den 10.01.. (Anmerkung vom 17.02.: Unsere Recherchen haben ergeben, dass die Kruste eher vom Regeneinfluss um den 25.12. entstanden sein muss.). Die darüber befindlichen kantigen Kristalle bildeten sich durch das Gefahrenmuster „kalt auf warm" und sind teilweise auch im südseitigen Gelände in ähnlichem Höhenbereich zu finden. Der Bergführer schaute sich bei der Einfahrt in den Hang die oberflächennahen Schichten an, entdeckte dadurch jedoch nicht das weiter unten liegende Problem.

Seebleskar (Außerfern):

Drei unabhängig voneinander aufsteigende Gruppen, zwei 2-er Gruppen und eine 3-er Gruppe befanden sich im oberen Bereich des schattseitig ausgerichteten, extrem steilen Seebleskars im Gemeindegebiet von Häselgehr im Außerfern in einem Höhenbereich um 2450m. Während eine der 2-Gruppen bereits den Sattel erreicht hat, löste die letzte, noch im Aufstieg befindliche Person bei einer Spitzkehre eine große Lawine aus. Die Person konnte sofort ihren Airbag ziehen und wurde dann mehrere 100 Meter über teils felsdurchsetztes Gelände mitgerissen und bis zum Kopf verschüttet. Es grenzt an ein Wunder, dass die Person dabei nur einen kleinen Kratzer davontrug.

Lawinenabgang Seebleskar: Die violette Umrandung zeigt den Unfallbereich.

Lawine Seebleskar im Überblick: Der rote Pfeil zeigt den Bereich der Lawinenauslösung, der rote Kreis die Verschüttungsstelle (Foto: 14.02.2017)

Das Foto wurde in etwa von jenem Bereich aufgenommen, wo die Lawine ausgelöst wurde. Der rote Kreis zeigt die Verschüttungsstelle (Foto: 14.02.2017)

Die ungefähre Stelle, an der die Lawine ausgelöst wurde. Es handelt sich um nordexponiertes Gelände in einer Seehöhe von 2450m (Foto: 14.02.2017)

Eindrucksvoll ist auch die seitliche Ausdehnung der Schneebrettlawine (Foto: 14.02.2017)

Unterhalb einer Regenkruste vom 25.12. bildete sich während des kalten Jänners eine ausgeprägte Schwachschicht aus kantigen Kristallen und Schwimmschnee. Die durchgeführten Stabilitätstests zeigten meist eine noch gute Bruchfortpflanzung bei eher größerer Belastung.

Nicht uninteressant ist das ca. 200m darunter aufgenommene Profil in derselben Hangausrichtung. Die Schwachschicht fehlt dort.

Sonntag, 12. Februar 2017

Kurzinfos zu den Lawinenabgängen Hohe Mut und Seebleskar am 12.02.2017

Heute am 12.02. wurden von der Leitstelle Tirol zwei Lawineneinsätze gemeldet:
10:42 Uhr: Hohe Mut in den Südlichen Ötztaler Alpen
11:52 Uhr: Großstein - Seebleskar im Außerfern

Bei der Hohen Mut wurde eine Schneebrettlawine in einem W-exponierten Hang in einer Seehöhe von etwa 2500m ausgelöst. Es handelte sich um eine geführte Gruppe. Eine der Personen wurde dabei 1,8m tief verschüttet. Sie konnte rasch geortet und ausgegraben werden, musste jedoch unter Reanimation ins Krankenhaus nach Innsbruck geflogen werden. Es dürfte sich um ein kombiniertes Trieb- und Altschneeproblem gehandelt haben. Nähere Details zur Lawinenursache werden morgen gemeinsam mit der Alpinpolizei erhoben.

Unfalllawine bei der Hohen Mut samt Verschüttungsstelle im Bereich einer kleinen Seitenmoräne. Das Foto stammt vom Einsatzleiter Ronald Ribis

Unterhalb des Großsteins im Seebleskar im Außerfern betraf es eine mehrköpfige Gruppe, die sich im extrem steilen, schattigen Gelände in einer Seehöhe um etwa 2400m im Aufstieg befand. Ersten Informationen zufolge handelte es sich dabei um eine "ziemlich" große Lawine, die bis zum Grund abging. Eine der Personen wurde ca. 500m über zum Teil fesldurchsetztes Gelände mitgerissen und dabei wie durch ein Wunder nur geringfügig verletzt. Voraussichtlich werden wir dazu am Dienstag gemeinsam mit der Alpinpolizei nähere Erhebungen durchführen. Details folgen somit noch.

Lawinenabgang im Seebleskar Richtung Großstein. Es handelte sich um extrem steiles Gelände im Nordsektor. 

Samstag, 11. Februar 2017

Kurzanalyse des tödlichen Lawinenunglücks unterhalb des Mittagskogels vom 08.02.2017

Vier Snowboarder wollten vom Mittagskogel in den Südlichen Ötztaler Alpen ins Taschachtal abfahren. Die Route führt über extrem steiles, felsdurchsetztes, NW-exponiertes Gelände, beginnend von etwa 3050m. Eine der Personen fuhr voraus, blieb stehen und gab dem Nächsten Zeichen, nachzukommen. Als sich dieser in der Abfahrt befand, löste sich eine anfangs wenige Meter breite Schneebrettlawine, welche die untere Person erfasste und über felsiges Gelände mitriss. Jene Person, welche die Lawine auslöste, konnte hingegen ausfahren.  Die restlichen Gruppenmitglieder befanden sich noch oberhalb und somit außerhalb des Lawinenbereichs.
Die von der Lawine erfasste Person erlitt während des Absturzes tödliche Verletzungen.

Der Anriss war im obersten Bereich zwischen 10 und 40cm hoch, weiter unten bis zu 80cm hoch. Die Lawinenlänge betrug ca. 900m. Die Ursache liegt in einem ausgeprägten Altschneeproblem. Unterhalb einer Windkruste bildete sich während des kalten Jänners eine Schicht aus lockerem Schwimmschnee, die als primäre Schwachschicht für das Schneebrett diente. In Folge brachen durch die große Belastung der abgehenden Schneemassen auch noch weitere, bodennahe Schwachschichten, sodass sich in Summe viel Schnee in Bewegung setzte.

Schneeprofile vom Unfallort findet man unter https://www.lawis.at/profile/ .


Anrissbereich der Lawine samt Lawinenkegel (Foto: LWD Tirol vom 09.02.2017)

Direkt am Lawinenanriss auf 3020m Seehöhe (Foto: LWD Tirol vom 09.02.2017)


Lawinenumrisse im felsigen Gelände (Foto: LWD Tirol vom 09.02.2017)

Durch die Wucht des Absturzes wurde einer der Flügel des von der verunfallten Person gezogenen Airbags abgerissen. (Foto: LWD Tirol vom 09.02.2017)

Kurze Zusatzinformation zum letzten Blogeintrag: Föhn führte während der vergangenen Tage in den typischen Föhnschneisen sowie in größeren Höhen zum Teil zu umfangreichen, neuen Verfrachtungen. Während der kommenden Tage ist deshalb besonders auch auf frischen Triebschnee, vermehrt im Sektor W über N bis O zu achten.

Donnerstag, 9. Februar 2017

In windbeeinflussten Gebieten Vorsicht vor weiterhin (zum Teil) sehr störanfälligem Triebschnee

Während der vergangenen Woche dominierte wechselhaftes Wetter. Endlich bekam auch das südliche Osttirol Schnee. Im Detail: Am vergangenen Wochenende (04.02 und 05.02.) wehte im Gebirge teils stürmischer Südföhn mit ersten Schneefällen im Süden. Ab Sonntagabend bis in die Nacht auf Dienstag, den 07.02., dominerte ein Mittelmeertief Tirol und brachte verbreitet Schneefall, meist bis in Tallagen. Am meisten schneite es dabei in Osttirol mit 30-50 cm sowie in den Tuxer und Zillertaler Alpen mit bis zu 30 cm, während es im übrigen Tirol häufig zwischen 10 und 20 cm waren. Der Dienstag verlief unter Zwischenhocheinfluss oft sonnig, bevor am Mittwoch eine schwache Front zu vielen Wolken und im Westen Tirols teils auch zu leichtem Schneefall führte. Wichtig zu erwähnen ist auch der am 06.02. und 07.02. im Süden lebhafte, föhnige Nordwind.

Wetterverlauf wie oben beschrieben: Wechselhaftes Wetter, anfangs Süd-, später Nordwind. Neuschnee ab 03.02.


Endlich Schnee im südlichen Osttirol: Hier am Beispiel der Dolomitenhütte. Die dicke Linie zeigt die aktuelle Schneehöhe, die dünne Linie das für die Jahreszeit übliche Mittel, die grauen Umrandungen jeweils die seit 1995 gemessenen Minima und Maxima.

Dort, wo es mehr schneite und zusätzlich der Wind im Spiel war, entwickelte sich eine zum Teil recht heikle Lawinensituation. (Gefahrenmuster: Schnee nach langer Kälteperiode).

Spontane Lawinenaktivität im Defereggental. Die geringe Anrissmächtigkeit und das nicht allzu steile Gelände deuten auf eine ausgeprägte Schwachschicht hin. Diese besteht häufig aus lockeren, kantigen Kristallen samt Schwimmschnee. (Foto: 07.02.2017)

Im Skigebiet Brunnalm lösten Variantenfahrer einige Schneebrettlawinen aus, wie auch jene auf diesem Bild. (Foto: 07.02.2017)

Eine Fernauslösung im Gipfelhang des Hohen Bösrings deutet auf einen ungünstigen Schneedeckenaufbau hin. Betroffen davon ist im südlichen Osttirol schattiges Gelände (Foto: 08.02.2017)

Unterhalb des Furglerjochs in der Region Silvretta-Samnaun lösten Skitourengeher dieses Schneebrett durch Fernauslösung aus. (Foto: 04.02.2017)

Die Lawinenabgänge lassen sich alle durch die während der langen Kälteperiode im Jänner entstandene, lockere Altschneeoberfläche erklären, die mancherorts von windbeeinflusstem Neuschnee überlagert ist. Es handelt sich dabei um eine zum Teil sehr störanfällige Schwachschicht. Diese findet man vermehrt in Schattenhängen oberhalb etwa 2000m, insbesondere dort, wo vor den Schneefällen wenig Wind im Spiel war. Dennoch: Auch in größeren Höhen haben sich unterhalb von Windkrusten während der langen Kältephase mitunter lockere, kantige Kristalle gebildet.

Zu beachten sind zudem auch noch die bodennahen Schwachschichten vom Frühwinter, dies insbesondere oberhalb etwa 2400m v.a. im Sektor W über N bis O. Es handelt sich dabei um ein heimtückisches, schwierig einzuschätzendes Altschneeproblem. Die letzten Schneefälle führten u.a. in den Südlichen Ötztaler Alpen zu spontanen, großflächigen Schneebrettlawinen aufgrund dieser Schwachschicht. Man erkennt daraus auch, dass es im Verhältnis nicht allzu viel Schneeauflast braucht, um die bodennahen Schwachschichten zu stören. Am kritischsten erscheinen diesbezüglich die Regionen entlang des Alpenhauptkammes östlich der Silvretta sowie die Tuxer Alpen und Nördlichen Stubaier Alpen zu sein.

Große, spontane Schneebrettlawine unterhalb des Granatenkogels in den Südlichen Ötztaler Alpen. Am linken Bildrand erkennt man noch den Anriss der Unfalllawine vom 26.11.2016 (Foto: 07.02.2017)

Spontane Schneebrettlawine auf ca. 3100m in einem sehr steilen O-Hang unterhalb des Schalfkogels in den Südlichen Ötztaler Alpen (Foto: 07.02.2017)

Die zwei Altschneeprobleme anhand eines Schneeprofils in den Nördlichen Stubaier Alpen. Der rote Pfeil zeigt auf eine an diesem Standort auf ca. 2200m Nord bereits recht gut verfestigte,  ehemalige Schwachschicht. Diese würde sich hier nur mehr durch sehr große Belastung stören lassen. Der violette, darüber befindliche Pfeil zeigt hingegen eine neue, während der langen Kälteperiode im Jänner entstandene Schwachschicht (unterhalb einer dünnen Regenkruste von Ende Jänner). Bei entsprechender Auflage durch gebundenen Schnee lassen sich hier Schneebrettlawinen auslösen. (Foto: 05.02.2017)

Abseits der windbeeinflussten, neuschneereicheren Gebiete gibt es jedoch in Summe relativ gute Bedingungen, dies insbesondere unterhalb etwa 2400m sowie allgemein weiter im Norden des Landes.

Am Aufstieg zum Bergerkogel im nördlichen Osttirol (Foto: 08.02.2017)

Abfahrt vom Naviser Kreuzjöchl in den Tuxer Alpen in nicht zu steilem Gelände (Foto: 07.02.2017)

Eine Person, die offensichtlich auf Nummer sicher gehen wollte: Gezogener Airbag im Aufstieg zum Rietzer Grießkogel in den Nördlichen Stubaier Alpen. (Foto: 04.02.2017)