Erstes Lawinenopfer dieser Wintersaison
Der Unfallhergang
Gestern am 25.01.2023 verstarb eine Person nach einem Lawinenabgang unterhalb des Widerschwings am Karnischen Kamm. Beim Lawinenabgang waren 4 Personen beteiligt, eine befreundete 3-er Gruppe und eine Einzelperson. Die Einzelperson folgte der 3-er Gruppe teilweise in einer eigenen Aufstiegsspur. Wenige Sekunden vor dem Lawinenabgang nahm die 3-er Gruppe ein Setzungsgeräusch wahr. Die Lawine erfasste eine Person der 3-er Gruppe sowie die Einzelperson. Beide Personen wurden total verschüttet. Sekundär löste sich orographisch rechts eine zweite Lawine. Dadurch vergrößerte sich nochmals die Verschüttungstiefe der beiden Personen. Durch rasche Kameradenrettung konnte die Person der 3-er Gruppe innerhalb kurzer Zeit ansprechbar aus eine Tiefe von ca. 2,5m geborgen werden. Die Einzelperson hatte keine Notfallausrüstung dabei und wurde ca. 4 Stunden nach dem Lawinenabgang durch einen Sondentreffer in einer Tiefe von etwa 2m aufgefunden. Unter Reanimation wurde die Person in die Innsbrucker Klinik transportiert wo sie noch am selben Tag verstarb.
Rechts neben dem Alpinpolizisten erkennt man die zwei Verschüttungsstellen im unmittelbaren Nahbereich. (Foto: 26.01.2023) |
Die Erhebungen seitens der Alpinpolizei und des Lawinenwarndienstes wurden mit Unterstützung des Landeshubschraubers durchgeführt. (Foto: 26.01.2023) |
Kurze Unfallanalyse
Gemeinsam mit der Alpinpolizei führten wir heute die Erhebungen durch. Die für den Lawinenabgang bedeutsame Schwachschicht bestand aus kantigen Kristallen. Die kantigen Kristalle waren zwischen zwei in Auflösung befindlichen Schmelzkrusten eingebettet, welche vom Weihnachtsregen stammten. Dieser "Krustensandwich" ist nur in einem schmalen Höhenband zwischen etwa 2200m und 2400m anzutreffen und v.a. in Schattenhängen zu beachten. Förderlich für den Lawinenabgang waren auf alle Fälle die vorangegangenen Schneefälle, die im Unfallgebiet um 50cm betrugen. Ebenso förderlich war der zum Teil kräftige Windeinfluss aus NO. Schneefall und Wind bildeten über der Schwachschicht ein Brett, welches die Bruchfortpflanzung innerhalb der Schwachschicht begünstigte.
Stabilitätsuntersuchungen am Lawinenanriss. Das Gelände ist dort bis zu 45° steil. (Foto: 26.01.2023) |
Eines, der bei der Unfalllawine aufgenommenen Schneeprofile. Die Schwachschicht befindet sich zwischen zwei Schmelzkrusten. Das Profil wurde orographisch links der Sekundärlawine auf 2350m aufgenommen. Die Steilheit betrug dort 33°, der Hang ist Richtung Westen ausgerichtet. Weitere Profile findet ihr auf lawis.at (Profil vom 26.01.2023) |
In weiten Teilen Tirols mäßige Lawinengefahr
Nach einer langen Periode mit erhebliche Lawinengefahr herrscht inzwischen in weiten Teilen Tirols oberhalb etwa 2200m mäßige Lawinengefahr, darunter ist diese gering. Die der Lawinengefahr zugrundeliegenden Lawinenprobleme sind unverändert ein Triebschneeproblem und ein Altschneeproblem. Das Triebschneeproblem sollte v.a. noch in kammnahen, schattigen Steilhängen beachtet werden.
Kammnahes, kleines Schneebrett in den Nördlichen Zillertaler Alpen (Foto: 22.01.2023) |
Das Altschneeproblem ist diffus verteilt. Gefahrenstellen sind aktuell nicht allzu verbreitet. Im Steilgelände, welches bisher wenig befahren wurde, scheint ein Höhenband zwischen etwa 2200m und 2400m in schattigen Hängen vermehrt betroffen zu sein. In West- und Ost-Hängen beobachten wir Problembereiche meist von 2500m aufwärts, in kammnahen, mit Triebschnee gefüllten, vornehmlich Westhängen mitunter auch schon von etwa 2300m aufwärts. Steile Südhänge sind oberhalb etwa 2800m davon betroffen.
Schneeprofil West, 2340m, 26° in der Glockturmgruppe. Es gibt mehrere potentielle Schwachschichten. Häufig fehlt aktuell ein ausgeprägtes Brett darüber. (Profil vom 26.01.2023) |
Schneebrettlawine in einem Südosthang auf ca. 2850m im Bereich der Schöntalspitze im Sellrain. Die Lawine löste sich am 25.01., als sich eine Person im Aufstieg befand. (Foto: 26.01.2023) |
Pulverschnee und für die Jahreszeit immer noch wenig Schnee
Die letzten zwei Niederschlagsereignisse brachten zwar gebietsweise etwas Schnee, doch für die Jahreszeit liegt vielerorts immer noch unterdurchschnittlich Schnee.
Zwischen dem 19. und 22.01. schneite es v.a. im Norden des Landes |
Zwischen dem 21. und 24.01. war hingegen der Süden vom Neuschnee begünstigt. |
In Mulden und mit etwas Glück gelingt eine Abfahrt ohne Steinkontakt. Bezeichnend für viele Bereiche Tirols (Foto: 26.01.2023) |
Die vergangene Woche war doch auch mancherorts von gutem Pulverschnee und wenig Steinkontakt geprägt. Östliche Tuxer Alpen (Foto: 22.01.2023) |
Am winterlichsten schaut es derzeit im südlichen Osttirol aus. (Foto: 24.01.2023) |
Wildschnee und Oberflächenreif
Aufgrund der kalten Temperaturen und der NO-Strömung fiel der Schnee, dort wo kein Wind wehte, als Wildschnee. Im extrem steilen, besonnten Gelände lösten sich in Folge vermehrt Lockerschneelawinen. Inzwischen hat sich zumindest in bestimmten Höhenbändern recht flächig Oberflächenreif ausgebildet. Besonders ausgeprägt ist dieser im Bereich der Nebelobergrenzen.
Oberflächenreif in den Östlichen Tuxer Alpen (Foto: 24.01.2023) |
Nebel über dem Inntal. Nebel fördert während klarer Nächte die Bildung von Oberflächenreif (Foto: 26.01.2023) |
Ausblick
Wetterbestimmend ist vorerst zumindest im Norden des Landes recht hartnäckiger Nebel, der bis etwa 2000m hinauf reichen kann. Es ist kalt, Wind weht mitunter etwas stärker. Ab Montag, 30.01.2023 stellt sich das Wetter markant um. Eine West bis Nordwest-Strömung bringt winterliche und stürmische Verhältnisse.