Sehr wechselhaft
Mit "sehr wechselhaft" lässt sich die aktuelle Wetter-, Schnee- und Lawinensituation wohl am besten beschreiben. Die vergangene Woche war geprägt von einer Abfolge von Warm- und Kaltfronten. Dabei schneite es immer wieder - am meisten in Summe im Westen des Landes sowie im nördlichen Osttirol. Maximal schneite es dort 50-75cm, meist waren es 30-50cm. Ständiger Begleiter war starker bis stürmischer Wind - anfangs aus südlicher, dann aus westlicher Richtung.
Der starke Wind verfrachtete in der Höhe einiges an Schnee. Entsprechend schaut auch das Gelände aus: Abgewehte Bereiche wechseln mit eingeblasenen Rinnen und Mulden. Der Gesamteindruck, dass vielerorts für die Jahreszeit zu wenig Schnee liegt, täuscht dabei nicht.
Sehr wechselhaft: Die Schneedecke
Stark windbeeinflusste Schneedecke in den Östlichen Lechtaler Alpen (Foto: 12.01.2023) |
Sturm oberhalb der Waldgrenze. Venedigergruppe (Foto: 10.01.2023) |
In den Kitzbüheler Alpen (Foto: 11.01.2023) |
Wechtenbildung im Kammbereich. Samnaungruppe (Foto: 10.01.2023) |
Sehr wechselhaft: Das Wetter
72h Schneehöhendifferenz zwischen 09.01. und 12.01.2023 |
Auf den Hohen Bergen wehte starker bis stürmischer Wind aus wechselnden Richtungen |
Sehr wechselhaft: Die Schneedecke
Bei Stabilitätsuntersuchungen dominiert inzwischen eine Schneedecke mit mittlerer Stabilität. Allerdings häuften sich während der vergangenen Tage Rückmeldungen über Setzungsgeräusche und Rissbildungen insbesondere in einem Höhenband zwischen etwa 2000m und 2400m. Als Schwachschicht stellte man häufig dünne, lockere, meist kantige Schichten oberhalb bzw. unterhalb von oberflächennahen, dünnen Schmelzkrusten fest. Darüber lagerten Neu- und Triebschnee der vergangenen Tage. Ansonsten findet man bodennahe, lockere Schichten. Diese sind am ehesten in windgeschützten Kesseln großflächiger und zusammenhängend anzutreffen. Immer wieder wurde auch über Graupeleinlagerungen innerhalb des Neu- und Triebschneepakets berichtet.
Profil im Bereich der Jöchelspitze in den Allgäuer Alpen: Man erkennt den kürzlichen Neuschnee, darunter eine Abfolge von Krusten, härteren und weicheren Schichten (Foto: 11.01.2023) |
Die Schneeoberfläche ist aktuell sehr unregelmäßig. Samnaungruppe (Foto: 10.01.2023) |
Sehr wechselhaft: Das Lawinengeschehen
Während der vergangenen Woche beobachtete man sämtliche Lawinenarten, seien es Lockerschnee-, Gleitschnee- oder Schneebrettlawinen. In Summe war die Anzahl der Lawinenabgänge überschaubar. Die Lockerschnee- und Gleitschneelawinen lösten sich v.a. nach den Schneefällen vom 09.01. auf den 10.01., als sich das Wetter besserte und die Temperatur stieg. Schneebrettlawinen waren meist mittelgroß. Ein interessanter Lawinenabgang wurde uns von der Saumspitze im Arlberggebiet gemeldet. Dort löste sich am frühen Nachmittag des 06.01.2023 im hochalpinen, schattigen Gelände eine große Schneebrettlawine spontan. Am Vortag wurde dort durch starken Westwind noch viel Triebschnee abgelagert. Zum Zeitpunkt des Lawinenabgangs hatte der Wind deutlich abgenommen, die Temperatur war aber gestiegen.
Große spontane Schneebrettlawine unterhalb der Saumspitze (Foto: 06.01.2023) |
Bei einem Lawinenabgang im Bereich der Stubaier Wildspitze am 10.01.2023 wurden 5 Personen von einer Schneebrettlawine verschüttet. Zwei Personen wurden dabei verletzt, eine Person war zudem unterkühlt. Die Erhebungen der Alpinpolizei ergaben, dass sich zum Unfallzeitpunkt 19 Personen im Bereich eines großen Windkolkes befanden, um dort Schneeunterkünfte zu graben. Dabei löste sich eine Schneebrettlawine mit einer Breite von ca. 30m und einer Länge von ca. 10m. Dank eines schnellen Rettungseinsatzes konnte Schlimmeres verhindert werden.
Schneebrettlawine Stubaier Wildspitze auf ca. 3150m. Die Kreise symbolisieren grob die Bereiche, wo die Schneeunterkünfte gegraben wurden. (Foto: 11.01.2023) |
Unsere Schneedeckenuntersuchungen vor Ort ergaben ein interessantes Bild: Während der kürzlichen Schneefälle lagerten sich im Neu- und Triebschneepaket immer wieder Graupelkörner ab. Wir hatten es vor Ort mit insgesamt bis zu 3 solcher Graupelschichten zu tun. Mit hoher Wahrscheinlichkeit scheint eine dieser Graupelschichten die ursächliche Schwachschicht für den Lawinenabgang gewesen zu sein. Die Muldenform begünstigte auf alle Fälle die Ablagerung einer dickeren Graupelschicht aufgrund des Herunterkollerns dieser Körner vom extrem steilen in den flacheren Bereich. Interessant war auch die Rückmeldung eines unserer Beobachter vor Ort. Bei 25 Lawinensprengungen im gesamten Gebiet hatten sie nur geringen Sprengerfolg.
Die kleine Ellipse im linken Bildbereich zeigt im Überblick die Unfallstelle (c) tiris |
Sehr wechselhaft: Gehts weiter...
So wie die Woche im Rückblick war, so gehts vorerst weiter: Sehr wechselhaft...