Freitag, 30. März 2018

Im Süden zunehmend heikle Lawinensituation für den Wintersportler – das Frühjahr macht sich immer mehr bemerkbar

Das Osterwochenende wird laut ZAMG-Wetterdienststelle von unbeständigem Wetter geprägt sein: Neben Schneefall und Wind gibt es auch Sonnenschein und ein Auf und Ab bei den Temperaturen. All dies hat Einfluss auf die Lawinengefahr.

Wesentlich erscheint vorerst der aufkommende Föhn. Dieser bringt im Norden anfangs warme Temperaturen und Sonnenschein, dann Niederschlag, im Süden unmittelbar zunehmenden Wolkenstau mit Niederschlag. Auf den Bergen weht starker bis stürmischer Südwind.

Von heute, den 30.03. auf morgen, den 31.03. können entlang des Alpenhauptkammes (von den Ötztaler Alpen ostwärts) sowie in Osttirol auf den Bergen bis zu 30cm Neuschnee fallen. Bis Ostersonntag, den 01.04. können es dort bis zu 50cm werden.

Dort, wo dies der Fall ist, müssen wir mit einer Verschärfung der Lawinensituation rechnen. Es ist dann mit einigen spontanen Schneebrettlawinen zu rechnen, die mittlere Größe erreichen können. Lawinen werden vermehrt in den bekannten, relativ oberflächennahen Schwachschichten aus Oberflächenreif und kantigen Kristallen brechen.

Schattseitig wird dies für Höhenlagen ab etwa 2100m vermehrt im kammnahen Gelände der Fall sein. West- und ostseitig kann es v.a. Steilhänge von etwa 2500m aufwärts betreffen. Südseitig sollte dies nur vereinzelt im hochalpinen Gelände (oberhalb etwa 3000m) zutreffen. Diese Angaben stützten sich auf unsere Schneedeckenuntersuchungen, aber auch auf Lawinenabgänge, die während des vergangenen Wochenendes gemeldet wurden. Hier zusätzliche Fotos (vgl. auch die letzten Blogeinträge).

Potentielle, oberflächennahe Schwachschichten, hier in der Venedigergruppe (Foto: 25.03.2018)

Lawinenauslösung Glockturm, Südliche Ötztaler Alpen, 3200m, O (Foto: 24.03.2018)

Lawinenauslösungen Zirmkogel. Südliche Ötztaler Alpen, 2500m, O (Foto: 24.03.2018)

Spontane Lawine Stubaier Gletscher, 3200m, W (Foto: 24.03.2018)

Lawinenauslösung Glockenkogel, Osttiroler Tauern, 2800m, SO (Foto: 24.03.2018)

Die weitere Lawinenaktivität am Osterwochenende hängt neben den Niederschlägen samt Verfrachtungen (v.a. im Süden) von möglichem Strahlungs- und Temperatureinfluss (anfangs vermehrt im Norden) ab. Je intensiver die Strahlung und je wärmer, desto mehr Lockerschneelawinen wird man aus extrem steilem Gelände beobachten können. Auch erhöht sich dann die Auslösewahrscheinlichkeit von Schneebrettlawinen. Kurzfristig betrifft dies frische Triebschneepakete in großen Höhen. Längerfristig können dann auch die oberflächennahen Schwachschichten durch Wassereintrag geschwächt werden und Lawinen dort abgehen. (Im Hinterkopf behalten sollte man neben den bereits erwähnten Schwachschichten auch eine etwas tiefer liegende, nämlich jene vom 04.01.2018 im schattigen Gelände zwischen etwa 2100m und 2300m.).

Während der vergangenen Tage vielfach zu beobachten und auch weiterhin ein Thema: Lockerschneelawinen. Am Weg zum Padasterjochhaus in den Nördlichen Stubaier Alpen (Foto: 28.03.2018)

Ein schwieriges Thema bleiben die Gleitschneelawinen. Wir beobachten wieder eine zunehmende Aktivität, was auch mit dem vermehrten Wassereintrag in die Schneedecke zu tun hat.

Gleitschneelawinen im Außerfern (Foto: 26.03.2018)

 Nicht immer einsehbar: Drohende Gleitschneelawinen oberhalb von Hütten- bzw. Talzustiegen. Südliches Osttirol  (Foto: 28.03.2018)

Zu beachten: Drohende Gleitschneelawinen oberhalb von Hütten- bzw. Talzustiegen. Nördliche Stubaier Alpen  (Foto: 25.03.2018)

Wir befinden uns also mitten im Frühjahr, während dem die Strahlung intensiver, die Temperatur und absolute Luftfeuchtigkeit höher und die Schneedecke somit immer feuchter wird. Innerhalb relativ kurzer Zeit kann die Lawinengefahr deshalb rasch ansteigen, was bei der Tourenplanung unbedingt berücksichtigt werden sollte.

Exemplarisch die Wetterstationsgrafik der Station Seegrube oberhalb von Innsbruck: Die Schneedecke wurde während der vergangenen Tage feucht (Schneeoberflächentemperatur erreichte Null Grad). Die Amplitude der Schneeoberflächentemperatur wird in dieser Höhenlage immer flacher. Nun kommt Föhn auf. Die Lufttemperatur steigt, der Wind hat auf Süd gedreht und nimmt deutlich an Stärke zu.

In Osttirol hat inzwischen bereits Niederschlag eingesetzt

Auf diesem Weg wünschen wir trotz des unbeständigen Wetters und der zum Teil heiklen Lawinensituation frohe Ostern!

Sonntag, 25. März 2018

Kammnaher Oberflächenreif (Nigg-Effekt) als Ursache des Lawinenunfalls auf der Hohen Warte im Navistal

Gemeinsam mit der Alpinpolizei waren wir heute am 25.03. bei der Unfallstelle des gestrigen Lawinenabgangs unterhalb der Hohen Warte im Navistal (Tuxer Alpen).

Der obere Pfeil zeigt die Einfahrtsspur der Gruppe, der untere jenen Lawinenkegel, bei dem zwei Personen verschüttet wurden. (Foto: 25.03.2018)

Unsere Schneedeckenuntersuchungen zeigten ein klares Bild: Kammnaher Oberflächenreif im schattigen Gelände bildete die Schwachschicht für das Schneebrett. Der Oberflächenreif konnte vom Kammbereich bis etwa 150 Höhenmeter unterhalb mit abnehmender Tendenz beobachtet werden. Das dahinterliegende Phänomen wird als Nigg-Effekt bezeichnet und ist typisch für das Frühjahr (wie für den Frühwinter): Wärmere Luftmassen steigen im besonnten Gelände auf und streichen über Bergkämme ins schattige Gelände. Dort ist die Schneeoberfläche häufig noch (sehr) kalt. Die Luftmasse kühlt sich ab. Die Luftfeuchtigkeit der wärmeren Luft lagert sich an der kalten Schneeoberfläche ab. Es bildet sich Oberflächenreif. Je weiter man vom Kamm weg kommt, desto mehr wurde die Luft verwirbelt. Der Effekt nimmt dadurch mit abnehmender Seehöhe vom Kamm ab.

Zwei von drei beobachteten Oberflächenreifschichten im Anrissbereich der Schneebrettlawine (Foto: 25.03.2018)

 Die Anrissmächtigkeit betrug zwischen 30 und 40cm, die Hangneigung bis etwa 35 Grad. (Foto: 25.03.2018)

Eines unserer Schneeprofile: Der Stabilitätstest führte zu einem glatten Bruch beim 11. Schlag mit der Hand (ECTP11) (Foto: 25.03.2018)

Die zwei Verschüttungsstellen am orographisch rechten Lawinenkegel (Foto: 25.03.2018)

Der Nigg-Effekt kann übrigens in ganz Tirol ein Thema sein und sollte entsprechend beachtet werden.

Samstag, 24. März 2018

Einige Lawinenabgänge mit Personenbeteiligung

Heute am 24.03. meldete die Leitstelle Tirol sieben Lawinenereignisse, bei denen Personen beteiligt waren. (Roßkirpl-Geigenkamm; Riffljoch-Glockturmgruppe; Grubachspitze-Allgäuer Alpen; Hohes Tor-Ridnaungruppe; Rauchkofel-Zillertaler Alpen; Pezinerspitze-Verwallgruppe; Möslalm-Tuxer Alpen).

Bei dem Lawinenabgang am Rauchkofel wurde eine Person total verschüttet, konnte jedoch rasch von seinen Kollegen ausgegraben werden und die Abfahrt selbständig fortführen. Die Lawine löste sich auf etwa 3100m im sehr steilen W-exponierten Gelände.

Bei dem Lawinenereignis oberhalb der Möslalm im Nahbereich der Hohen Warte im Navistal wurden zwei Personen während der Abfahrt total verschüttet. Es handelte sich um einen sehr steilen, nach NW-ausgerichteten Hang. Die Lawine löste sich in einer Seehöhe von etwa 2300m. Die Ablagerung war auf etwa 2100m. Die Anrissmächtigkeit betrug laut Angaben der Alpinpolizei knapp 40cm. Morgen am 24.03. werden wir gemeinsam mit der Alpinpolizei schneekundliche Erhebungen vor Ort durchführen. Die unten dargestellte Karte zeigt den Bereich des Lawinenabgangs. Details folgen.



Vorsicht vor oberflächennahen Schwachschichten

Der März war bisher viel zu kalt, das Wetter unbeständig. Die nächsten Tage (24.03. und 25.03.) sollen sehr sonnig und zudem milder werden, dann geht es laut Auskunft der ZAMG-Wetterdienststelle mit einer westlichen Höhenströmung wieder wechselhafter weiter.

 Die vergangene Woche im Überblick. Die letzten Tage war es in der Höhe meist windig.

Unverändert liegt in ganz Tirol für die Jahreszeit überdurchschnittlich viel Schnee.

Unterwegs im Villgratental (Foto: 22.03.2018)

Die Lawinengefahr ist derzeit (23.03.) überwiegend mäßig, gebietsweise erheblich. Problembereiche findet man fast ausschließlich in oberflächennahen Schichten. Wir haben es dort meist mit einem kombinierten Trieb- und Altschneeproblem zu tun

Das Triebschneeproblem beschränkt sich auf frisch verfrachteten Schnee, welcher auf lockerem Pulverschnee (als Schwachschicht) abgelagert wurde. Dies ist v.a. in größeren Höhen im kammnahen, vermehrt schattigen Gelände zu beachten. Während der kommenden Tage werden sich Triebschnee und lockerer Pulverschnee aufgrund der Wetterbesserung rasch verbinden.

Schneefahnen am Karnischen Kamm (Foto: 23.03.2018)

In größeren Höhen findet man inzwischen häufig eine vom Wind beeinflusste Schneedecke; Südliche Ötztaler Alpen (Foto: 21.03.2018)

Das oberflächennahe Altschneeproblem hat hingegen mit der Existenz von aufbauend umgewandelten Schwachschichten angrenzend an dünne Schmelzkrusten zu tun. Die allermeisten Lawinen, welche während der vergangenen Tage beobachtet wurden, sind aufgrund dieser Schwachschichten abgegangen. Auch Setzungsgeräusche im flacheren, meist besonnten Gelände von etwa 2300m aufwärts haben damit zu tun.

Entscheidend für die Lawinengefahr sind (unverändert) oberflächennahe Schwachschichten; Bärenbadkogel, Zillertaler Alpen 2400m, SW, 35 Grad

Die Verbreitung der aufbauend umgewandelten Schwachschicht hängt primär von der Existenz von Schmelzkrusten, sekundär dann von der Seehöhe, Hangneigung, als auch Exposition ab. Schattseitig dürfte es ein nur eng begrenztes Höhenband zwischen etwa 2100m-2300m betreffen. Mit zunehmender Seehöhe findet man diese Schwachschichten dann in anderen Expositionen und Höhenbändern. Anfangs sind es sehr steile Hänge, die Richtung NW und NO ausgerichtet sind, dann werden diese durch W- und O-Hänge abgelöst, hochalpin kommen dann auch S-Hänge dazu.

Vergleicht man den Schneedeckenaufbau auf etwa 2300m im flachen Gelände mit dem eines sehr steilen Südhanges derselben Seehöhe, so ist dieser unterschiedlich: Im flachen Gelände findet man häufig dünne Schmelzkrusten, angrenzend daran kantige, lockere Kristalle. Die Schneedecke kann störanfällig sein, was sich in Setzungsgeräuschen widerspiegelt. Im sehr steilen Südhang sind die Schmelzkrusten dicker, ehemals kantige Kristalle meist verkrustet bzw. ziehen gefrorene Wasserkanäle durch diese Schichten. Die Schneedecke ist dort bis zu einer neuerlichen Durchfeuchtung bzw. Durchnässung meist stabil.

Kürzliche Lawinenereignisse:

Lawinenabgang Hinterbergkofel vom 18.03.2018. im Bereich des Staller Sattels, wo eine Person ums Leben gekommen ist. Die Lawine löste sich während des Aufstiegs der Gruppe. Ein Teil der Gruppe befand sich im sehr steilen, bis extrem steilen Gelände. (Foto: 21.03.2018)

 Lawinenanriss Hinterbergkofel im Nahbereich von felsdurchsetztem Gelände; 2560m, Nordsektor (Foto: 21.03.2018)
Eines der Schneeprofile vom Hinterbergkofel: NW, 2550m; Die kantige Schicht unterhalb der Schmelzkruste bildete die Schwachschicht für das Schneebrett

 Lawinenabgang Reiterkarspitze am Karnischen Kamm vom 21.03.2018; O, 2400m; keine Verschütteten

 Lawinenabgang Reiterkarspitze: Kantige Schicht unterhalb einer Schmelzkruste (Foto: 21.03.2018)

 Lawinenabgang im Bereich der Vernagthütte, 2740m, O, Südliche Ötztaler Alpen (Foto: 19.03.2018)

 Schneebrett: 2150m, N, Außerfern (Foto: 21.03.2018)

 Lawinenabgang Gatterwand, Karnischer Kamm. Zusatzbelastung durch Verfrachtungen. (Foto: 23.03.2018)

Das in früheren Blogeinträgen erwähnte Gleitschneeproblem bleibt weiter aufrecht…

Risse in der Schneedecke deuten auf Gleitprozesse hin. Zentralosttirol (Foto: 22.03.2018)

 Mit vermehrter Sonneneinstrahlung werden Lockerschneelawinen zu beobachten sein. Zentralosttirol (Foto: 22.03.2018)

Wichtig zu erwähnen ist wohl auch, dass abgesehen von den möglichen Gefahrenbereichen durchaus recht gute Bedingungen anzutreffen sind. Vielfach wurde man während der vergangenen Tage auch noch mit tollem Pulverschnee belohnt.

Pulverschnee im flacheren, aber auch schattigen Gelände. Zentralosttirol (Foto: 22.03.2018)

Das sonnige Wochenende verspricht zudem in tiefen und mittleren Höhenlagen in sehr steilen besonnten Hängen rasch Firnverhältnisse.

Noch etwas: Im Gelände, das den gesamten Winter über ständig befahren wurde, konnten sich die oberflächennahen Schwachschichten nicht ausbilden. Dort ist die Schneedecke stabil.

Am Schluss noch: Wir befinden uns im Frühjahr: Tageszeitliche Durchfeuchtung der Schneedecke und möglichen Festigkeitsverlust beachten!