Freitag, 24. März 2023

Überwiegend ungünstige Verhältnisse - Nassschneelawinen sind zu erwarten - ab Montag winterlich

Kurz vorweg

Die vergangene Woche war von einer zunehmenden Durchnässung der Schneedecke bis in hohe Lagen geprägt. Zahlreiche Lawinenabgänge - vermehrt handelte es sich um nasse Lockerschnee- und Gleitschneelawinen - waren die Folge. Bei sehr wechselhaftem Wetter hatte man es häufig bereits während des Vormittags mit einer für Wintersportler bis in hohe Lagen hinauf ungünstigen Lawinensituation zu tun. Die Lawinengefahr ist aktuell unterhalb etwa 2800m als erheblich (Stufe 3) eingestuft.


Zunehmende Durchnässung

Wir befinden uns aktuell in einem klassischen Nassschneezyklus. Die für die Jahreszeit allgemein unterdurchschnittlich mächtige Schneedecke wurde inzwischen bis in große Höhen bis zum Boden durchnässt. In West- und Osthängen dürfte dies häufig bis etwa 2800m hinauf der Fall gewesen sein, in Südhängen auch höher. In Nordhängen pendeln wir aktuell zwischen etwa 2200m und 2400m.


Aktuell interessiert uns bei Schneeprofilen v.a. auch die rote Linie - das Temperaturprofil. Bei diesem Standort auf 2227m in einem 22° geneigten NO-Hang war die Schneedecke am 19.03.bereits isotherm (Schneetemperatur liegt bei 0°C)
Aktuell interessiert uns bei Schneeprofilen v.a. auch die rote Linie - das Temperaturprofil. Bei diesem Standort auf 2227m in einem 22° geneigten NO-Hang war die Schneedecke am 19.03.bereits isotherm (Schneetemperatur liegt bei 0°C)


Temperaturprofil in einem Nordhang auf 2500m. Hier gab es am 19.03.2023 noch Temperaturreserven.
Temperaturprofil in einem Nordhang auf 2500m. Hier gab es am 19.03.2023 noch Temperaturreserven.


Typischer Wetterverlauf der vergangenen Woche: Wechselhaft. Vom 19.03. auf den 20.03. fiel etwas Niederschlag, bei dieser Station in Form von Schnee. Spätestens dann, wenn der Taupunkt die 0° erreicht hat, hatten wir es mit einem massiven Feuchtigkeitseintrag in die Schneedecke zu tun. Aktuell ist dies bei dem Standort auch der Fall...
Typischer Wetterverlauf der vergangenen Woche: Wechselhaft. Vom 19.03. auf den 20.03. fiel etwas Niederschlag, bei dieser Station in Form von Schnee. Spätestens dann, wenn der Taupunkt die 0° erreicht hat, hatten wir es mit einem massiven Feuchtigkeitseintrag in die Schneedecke zu tun. Aktuell ist dies bei dem Standort auch der Fall...


Heute am 24.03. setzt im Laufe des Tages Niederschlag ein. Anfangs wird dieser unterhalb etwa 2400m in Form von Regen fallen. Dadurch dürften dann wohl auch die meisten Schattenhänge bis etwa 2400m bis zum Boden durchnässt worden sein. Vorsicht: Es ist in den regenbeeinflussten Gebieten durchaus auch mit spontanen Lawinenabgängen v.a. aus sehr steilen Nordhängen zu rechnen! Die Regengrenze soll allerdings eher kurzzeitig höher liegen. Laut Auskunft der GSA (Geosphere Austria) soll diese relativ rasch gegen etwa 1700m absinken. Es ist mit etwa 10-15mm Niederschlag zu rechnen, entlang des Alpenhauptkammes mitunter auch etwas mehr.


Neuschneeprognose von heute, 24.03. auf morgen 25.03.2023
Neuschneeprognose von heute, 24.03. auf morgen 25.03.2023

 
Auf dieser Karte erkennt man die eindringende kältere Luftmasse aus Nordwesten, die zu einem Absinken der Schneefallgrenze führen wird.
Auf dieser Karte erkennt man die eindringende kältere Luftmasse aus Nordwesten, die zu einem Absinken der Schneefallgrenze führen wird.


Lawinentätigkeit während der vergangenen Woche

Die Lawinenaktivität nahm während der vergangenen Woche erwartungsgemäß stetig zu. Wie bekannt, führen gerade im Frühjahr kleine Änderungen des Wettergeschehens zu großen Änderungen bei der Lawinengefahr. Restbewölkung an den Hängen samt (diffuser) Strahlung und warmen Temperaturen können z.B. auch kleinräumig zu einer sehr raschen Durchnässung der Schneedecke führen. Kurz: Wir hatten es immer wieder mit einem "Waschkuchlwetter" zu tun, bei dem massiver Energieeintrag in die Schneedecke gegeben war und die Schneedecke entsprechend massiv geschwächt wurde.


Am 18.03. hielt sich die Lawinenaktivität noch in Grenzen. Typisch: Nasse Lockerschneelawinen aus extrem steilem Gelände. Serleskamm
Am 18.03. hielt sich die Lawinenaktivität noch in Grenzen. Typisch: Nasse Lockerschneelawinen aus extrem steilem Gelände. Serleskamm

   
"Waschkuchlwetter" begünstigte dann zunehmend die Durchnässung der Schneedecke. Man erkennt am Bild einige spontane Lockerschneelawinen. Alpeiner Berge (Foto: 20.03.2023)
"Waschkuchlwetter" begünstigte dann zunehmend die Durchnässung der Schneedecke. Man erkennt am Bild einige spontane Lockerschneelawinen. Alpeiner Berge (Foto: 20.03.2023)


Nasse Lockerschneelawinen in der Silvretta vom 19.03.2023 um die Mittagszeit (Foto: 20.03.2023)
Nasse Lockerschneelawinen in der Silvretta vom 19.03.2023 um die Mittagszeit (Foto: 20.03.2023)


Ähnliches Bild in Kühtai. Spontane und gesprengte nasse Lockerschneelawinen. (Foto: 22.03.2023)
Ähnliches Bild in Kühtai. Spontane und gesprengte nasse Lockerschneelawinen. (Foto: 22.03.2023)


Lawinen konnten bewusst durch kleine Impulse ausgelöst werden. Die Schneedecke war hier durchnässt und locker. (Foto: 22.03.2023)
Lawinen konnten bewusst durch kleine Impulse ausgelöst werden. Die Schneedecke war hier durchnässt und locker. (Foto: 22.03.2023)



Mieminger Gebirge. Lawinenkegel von kürzlich abgegangenen, nassen Lockerschneelawinen (Foto: 23.03.2024)
Mieminger Gebirge. Lawinenkegel von kürzlich abgegangenen, nassen Lockerschneelawinen (Foto: 23.03.2024)


Besonderheit zur aktuellen Situation - viel befahrenes Gelände kann gefährlicher sein

Wie schon erwähnt, lösten sich vermehrt nasse Lockerschneelawinen. Dies hat v.a. auch mit der geringen Schneemächtigkeit zu tun. Eindringendes Wasser durchnässte rasch auch oberflächennahe, meist gering mächtige, härtere Schichten. Das "Brett", eine der Voraussetzungen für Schneebrettlawinen, wurde dadurch zerstört. In Gelände, welches den Winter über viel befahren wurde (und wo vom Frühwinter noch bodennahe Schwachschichten erhalten blieben), ist dieses "Brett" besser ausgebildet. Bei Durchnässung ist deshalb in viel befahrenem Gelände eher mit Schneebrettlawinen zu rechnen. Es handelt sich da quasi um das Paradoxon, dass viel befahrenes Gelände aktuell gefährlicher sein kann, als wenig befahrenes Gelände. 


Trockene Schneebrettlawinen in großen Höhen noch möglich

Neben den Nassschneelawinen haben wir weiterhin Potential für trockene Schneebrettlawinen. Vermehrt betroffen sind sehr steile O- und Westhänge oberhalb etwa 2800m. Insbesondere in oberflächennahen Schichten können insbesondere durch große Zusatzbelastung dort noch Schneebrettlawinen ausgelöst werden. Als Schwachschicht findet man bevorzugt kantige Kristalle unter einer dünnen Schmelzharschkruste (von der langen Schönwetterphase im Februar und Anfang März). Schattseitig oberhalb etwa 2500m sind es vereinzelte Bereiche, vornehmlich an Übergängen von wenig zu viel Schnee im extrem steilen Gelände, wo bei "Schwimmschneenestern" Lawinenauslösungen denkbar sind. Überschneiter Oberflächenreif von Anfang des Monats sollte wohl kaum mehr anzusprechen sein.


Wie gehts weiter?

Nach den bereits erwähnten Niederschlägen, die heute am 24.03. über Tirol ziehen werden, kündigt sich für morgen Samstag, 25.03. ein Apriltag mit diffuser Strahlung bei einer kräftigen Westströmung an. Der frische Neuschnee wird sich im extrem steilen Gelände häufig als kleine Lockerschneelawinen lösen. Überall ist auf die durch diffuse Strahlung begünstigte weitere Durchnässung zu achten. Besondere Vorsicht auch in Schattenhängen in einem Höhenband um 2200m-2400m, lokal auch höher? Kurz: Die Verhältnisse bleiben sowohl von der Lawinengefahr aus gesehen, als auch von der Schneequalität aus gesehen, ungünstig.

Ab Sonntag, 26.03. wird es dann zunehmend winterlich. Bereits am Vormittag soll es gebietsweise bis etwa 1600m schneien. In der 2.Nachthälfte von Sonntag, auf Montag, 27.03. erwartet uns laut GSA-Wetterdienststelle in der Höhe dann Sturm und zudem einiges an Schnee bis in tiefe Lagen. Alles Weitere muss dann kurzfristig beobachtet und beurteilt werden.

Freitag, 17. März 2023

Kürzliche Lawinenabgänge vermehrt im Sektor NO über O bis SO oberhalb etwa 2500m (Altschneeproblem!) - Tagesgang der Lawinengefahr beachten

Kurz vorweg

Während der vergangenen Tage sind einige Lawinen durch WintersportlerInnen ausgelöst worden. Vermehrt betroffen waren sehr steile Hänge oberhalb etwa 2500m in den Sektoren NO über O bis SO. Die erhöhte Störanfälligkeit schwacher Schichten innerhalb der Schneedecke war Folge des kürzlich gut ausgebildeten Bretts (sh. letzten Blogeintrag). Meist lösten sich die Lawinen aufgrund eines Altschneeproblems (langlebige, schwer erkennbare Schwachschicht innerhalb der Schneedecke), teilweise auch aufgrund eines Triebschneeproblems (gut erkennbare, frische Triebschneepakete). Bei einem Lawinenunfall im Bereich der Scheid in der Samnaungruppe verstarb heute am 17.03. eine Wintersportlerin im freien Skiraum. Bei weiteren Lawinenunfällen der vergangenen Tage wurden Personen teilweise verletzt.

Wie immer im Frühjahr: Kleine Änderungen im Wettergeschehen können große und rasche Auswirkungen auf die Lawinengefahr haben. Wesentliche Einflussfaktoren sind neben der Lufttemperatur und der (diffusen) Strahlung insbesondere die Luftfeuchtigkeit. Wichtig auch immer, ob die Nacht klar war und sich die Schneedecke während der Nacht gut verfestigen konnte oder die Ausstrahlung durch Wolkenbildung beeinträchtigt war. Achtet im Gelände also bitte auf die zu erwartende Durchfeuchtung bzw. Durchnässung der Schneedecke. Diese führt zu einem Festigkeitsverlust der Schneedecke und zu einem mitunter recht raschen Anstieg der Lawinengefahr.


Tödlicher Lawinenunfall Scheid in der Samnaungruppe

Heute am 17.03.2023 ist eine WintersportlerIn im freien Skigelände im Nahbereich des Oberen Scheidliftes (Skigebiet Serfaus, Fiss, Ladis) bei einem Lawinenabgang ums Leben gekommen. Die Schneebrettlawine löste sich, als die Wintersportlerin im freien Skigelände einen extrem steilen, Richtung NO ausgerichteten Hang abfuhr. Der Anrissbereich befindet sich auf einer Seehöhe von etwa 2550m. Die Wintersportlerin wurde von der Lawine erfasst und total verschüttet. Sie hatte kein LVS-Gerät. Nach einer aufwändigen Suche, u.a. mit Lawinenhunden, konnte sie nur mehr tot geborgen werden. Das dem Lawinenabgang zugrundeliegende Problem war ein Altschneeproblem. Morgen am 18.03. werden wir gemeinsam mit der Alpinpolizei eine detaillierte Schneedecken- und Unfallanalyse durchführen (Schneeprofile werden zeitnah auf Lawis publiziert werden.)


Lawinenunfall Scheid vom 17.03.2023. Der Pfeil zeigt die Einfahrtsspur, der Kreis die Verschüttungsstelle.
Lawinenunfall Scheid vom 17.03.2023. Der Pfeil zeigt die Einfahrtsspur, der Kreis die Verschüttungsstelle. (Foto: 17.03.2023)


Die Ellipse zeigt in etwa den Bereich des Lawinenabgangs. Es handelt sich um extrem steiles Gelände. In violett: Lifte des Skigebietes Serfaus, Fiss, Ladis
Die Ellipse zeigt in etwa den Bereich des Lawinenabgangs. Es handelt sich um extrem steiles Gelände. In violett: Lifte des Skigebietes Serfaus, Fiss, Ladis


Einfahrtsbereich samt einem Teil des Lawinenanrisses (Foto: 17.03.2023)
Einfahrtsbereich samt einem Teil des Lawinenanrisses (Foto: 17.03.2023)


Weitere, von der Leitstelle Tirol gemeldete Lawinenereignisse der vergangenen Woche

Während der vergangenen Woche sind einige Lawinenabgänge von der Leitstelle Tirol gemeldet worden. Auffallend (und deshalb bitte bei der Tourenplanung beachten) ist, dass die meisten davon im Sektor NO über O bis SO oberhalb etwa 2500m abgegangen sind. Hier eine Auflistung:

09.03.2023: Pflerscher Pinggl, Zentr. Stubaier Alpen: keine Verschütteten
11.03.2023: Hoher Seeblaskogel, Sellrain, Alpeiner B.: keine Verschütteten
12.03.2023: Litnisschrofen, Allgäuer Alpen: keine Verschütteten
12.03.2023: Galtenberg, Westl. Kitzbüheler Alpen: keine Verschütteten 
12.03.2023: Breite Scharte, Sellrain, Alpeiner Berge: NO, 2500m (Altschneeproblem), 1 Person total verschüttet, veletzt
12.03.2023: Hoher Burgstall, Sellrain, Alpeiner Berge: NO, 2500m (Altschneeproblem), 1 Person mitgerissen, nicht verschüttet
13.03.2023: Murkarspitze, Sellrain, Alpeiner Berge: keine Verschütteten 
13.03.2023: Hintere Neder, Nördl. Zillertaler Alpen: keine Verschütteten
13.03.2023: Walfeskar, Sellrain, Alpeiner Berge: SO, 2750m (Altschneeproblem), 1 Person teilverschüttet, verletzt
13.03.2023: Zwölferkopf, Samnaungruppe; NW, 2500m: keine Verschütteten 
15.03.2023: Alblittköpfe, Östliche Verwallgruppe: NO 2500m (Altschneeproblem), 1 Person verschüttet, verletzt
15.03.2023: Eisgrat, Zentrale Stubaier Alpen: SO, 2860m (Triebschneeproblem), keine Verschütteten
15.03.2023: Hinteres Rendl, Westl. Verwallgruppe: keine Verschütteten
15.03.2023: Mitterkarspitze, Westliche Verwallgruppe: keine Verschütteten 
15.03.2023: Grawa, Zentrale Stubaier Alpen: keine Verschütteten
16.03.2023: Riefenkopf, Samnaungruppe: NO, 2600m, (Altschneeproblem) 2 Personen unverletzt
16.03.2023: Rostocker Eck, Venedigergruppe: keine Verschütteten
16.03.2023: Weißseejoch, Glockturmgruppe: N, 2500m, keine Verschütteten
17.03.2023: Scheid, Samnaungruppe: NO, 2550m (Altschneeproblem), 1 Person verstorben
17.03.2023: Riffljoch, Glockturmgruppe: keine Verschütteten
17.03.2023: Tiefenbachferner, Weißkugelgruppe: SO, 3000m (Triebschneeproblem), keine Verschütteten
17.03.2023: Gaiskogel, Kühtai-Geigenkamm: NW, 2580m, keine Verschütteten

Und hier einige Bilder von ausgewählten Lawinenereignissen:


Lawinenabgang Breite Scharte mit Verschüttungsstelle. Eine 5-köpfige Gruppe befand sich im Aufstieg. 1 Person wurde total verschüttet, konnte mit LVS-Gerät geortet und aus 1,5m ausgegraben werden. Person war bei Bergung bewusstlos, atmete nach Bergung wieder. (Der Lawinenanriss konnte aufgrund nachfolgenden Schneefalls und Windeinfluss nicht mehr exakt nachvollzogen werden.) (Foto: 15.03.2023)
Lawinenabgang Breite Scharte mit Verschüttungsstelle. Eine 5-köpfige Gruppe befand sich im Aufstieg. 1 Person wurde total verschüttet, konnte mit LVS-Gerät geortet und aus 1,5m ausgegraben werden. Person war bei Bergung bewusstlos, atmete nach Bergung wieder. (Der Lawinenanriss konnte aufgrund nachfolgenden Schneefalls und Windeinfluss nicht mehr exakt nachvollzogen werden.) (Foto: 15.03.2023)


Lawinenabgang Walfeskar (im Nahbereich der Lawine Breite Scharte). Eine 6-köpfige Gruppe befand sich bei der Abfahrt vom Zwieselbacher Rosskogel über das Walfeskar in Richtung Pforzheimer Hütte. Eine Person wurde von der Lawine erfasst, mitgerissen, teilverschüttet und verletzt. (Foto: 15.03.2023)
Lawinenabgang Walfeskar (im Nahbereich der Lawine Breite Scharte). Eine 6-köpfige Gruppe befand sich bei der Abfahrt vom Zwieselbacher Rosskogel über das Walfeskar in Richtung Pforzheimer Hütte. Eine Person wurde von der Lawine erfasst, mitgerissen, teilverschüttet und verletzt. (Foto: 15.03.2023)


Lawinenabgang Alblittköpfe mit Einfahrtsspur und Verschüttungsstelle. Die verschüttete und verletzte Person gehörte einer Gruppe der "Dutch Freeride Championsship" an. Diese Gruppe fuhr während des Tages bereits einige Linien im freien Skiraum des Skigebietes Kappl. (Foto: 15.03.2023)
Lawinenabgang Alblittköpfe mit Einfahrtsspur und Verschüttungsstelle. Die verschüttete und verletzte Person gehörte einer Gruppe der "Dutch Freeride Championsship" an. Diese Gruppe fuhr während des Tages bereits einige Linien im freien Skiraum des Skigebietes Kappl. (Foto: 15.03.2023)



Im Nahbereich des Tiefenbachgletschers: Kürzlich gebildeter Triebschnee, der sich bei der Abfahrt eines Wintersportlers löste. Die Schneeoberfläche war auf 3000m in dem SO-Hang bereits angefeuchtet. (Foto: 17.03.2023)
Im Nahbereich des Tiefenbachgletschers: Kürzlich gebildeter Triebschnee, der sich bei der Abfahrt eines Wintersportlers löste. Die Schneeoberfläche war auf 3000m in dem SO-Hang bereits angefeuchtet. (Foto: 17.03.2023)


Während der vergangenen Woche lösten v.a. während der Schneefälle v.a. im Westen Nordtirols einige spontane Schneebrettlawinen. Westliche Verwallgruppe (Foto: 15.03.2023)
Während der vergangenen Woche lösten v.a. während der Schneefälle v.a. im Westen Nordtirols einige spontane Schneebrettlawinen. Westliche Verwallgruppe (Foto: 15.03.2023)  


Immer wieder Niederschläge und ein Auf und Ab bei den Temperaturen förderten die Störanfälligkeit der Schneedecke
Immer wieder Niederschläge und ein Auf und Ab bei den Temperaturen förderten die Störanfälligkeit der Schneedecke


Das Frühjahr lässt (langsam) grüßen - Tageszeitliche Abhängigkeit der Lawinengefahr beachten

Ergänzend zum letzten Blogeintrag möchten wir hier noch kurz auf die voraussichtliche, weitere Entwicklung eingehen. Am morgigen Samstag, den 18.03. haben wir es mit einer etwas komplexen Wettersituation zu tun. Die Lufttemperatur soll im Vergleich zu heute (17.03.) etwas zurückgehen. Die Luft soll gleichzeitig etwas feuchter werden. Saharastaub kann den Himmel etwas trüben. In steilen Westhängen kann es sich am Nachmittag dennoch ausgehen, dass freies Wasser bis in tiefere Schichten eindringt. Kantige (häufig verkrustete) Schwachschichten könnten dadurch geschwächt und die Schneedecke störanfälliger werden.


Unser Schneedeckenmodell "Snowpack" zeigt, dass Wasser in einem simulierten 38° geneigten Westhang bei der Station Falkaunsalpe im Kaunertal morgen am 18.03. bis in bodennahe Schichten eindringt.
Unser Schneedeckenmodell "Snowpack" zeigt, dass Wasser in einem simulierten 38° geneigten Westhang bei der Station Falkaunsalpe im Kaunertal morgen am 18.03. bis in bodennahe Schichten eindringt. 


Bei der höher gelegenen Station Sonnbergalm in der Gurgler Gruppe dauert der Wassereintrag bis zum Boden in einem simulierten 38° steilen Hang noch etwas länger.
Bei der höher gelegenen Station Sonnbergalm in der Gurgler Gruppe dauert der Wassereintrag bis zum Boden in einem simulierten 38° steilen Hang noch etwas länger.

 
Durch den Impuls einer spontanen nassen Lockerschneelawine löste sich heute am 17.03. um 11:30 Uhr eine Schneebrettlawine. Steintalspitze, Kühtai
Durch den Impuls einer spontanen nassen Lockerschneelawine löste sich heute am 17.03. um 11:30 Uhr eine Schneebrettlawine. Osthang, 2750m. Steintalspitze, Kühtai


Am Sonntag spricht aufgrund der jetzigen Wetterprognose Vieles dafür, dass das Frühjahr eine kurze Pause einlegt. Mit einer kleinen Störung soll die 0°-Grenze auf 2000m sinken. Die Sonne soll eher abgeschattet sein. Nächste Woche geht es dann wieder mild weiter.


Temperaturverlauf der kommenden Tage. Heute am 17.03. war es vergleichsweise am wärmsten.
Temperaturverlauf der kommenden Tage. Heute am 17.03. war es vergleichsweise am wärmsten.


Das Wettergeschehen kann insbesondere im Frühjahr einen kurzfristig sehr massiven Einfluss auf die Schneedecke und die Lawinengefahr haben. Eine gute Lawinenprognose ist deshalb besonders herausfordernd. "König bei der Beurteilung der Lawinengefahr ist man deshalb nur direkt vor Ort" (Foto: 15.03.2023)
Das Wettergeschehen kann insbesondere im Frühjahr einen kurzfristig sehr massiven Einfluss auf die Schneedecke und die Lawinengefahr haben. Eine gute Lawinenprognose ist deshalb besonders herausfordernd. "König bei der Beurteilung der Lawinengefahr ist man deshalb nur direkt vor Ort" (Foto: 15.03.2023)


Eine sehr wechselhafte Woche mit Temperatursprüngen, immer wieder Niederschlag (Schnee und Regen) samt z.T. viel Wind geht zu Ende.
Eine sehr wechselhafte Woche mit Temperatursprüngen, immer wieder Niederschlag (Schnee und Regen) samt z.T. viel Wind geht zu Ende.


Nicht zu vergessen: Die vergangene Woche bot den WintersportlerInnen auch viel guten Pulverschnee. 


Pulverschnee in weiten Teilen Tirols. Dieser wird durch (diffusen) Strahlungseinfluss von Tag zu Tag rarer. (Foto: 15.03.2023, (c) Lukas Ruetz)
Pulverschnee in weiten Teilen Tirols. Dieser wird durch (diffusen) Strahlungseinfluss von Tag zu Tag rarer. (Foto: 15.03.2023, (c) Lukas Ruetz)

 
Fazit

Beobachtet aufmerksam die Durchfeuchtung der Schneedecke. Achtet auf das schwer einschätzbare und dadurch tückische Altschneeproblem. Dieses beginnt von etwa 2200m aufwärts (schattig). Oberhalb etwa 2400m sind dann zunehmend auch Ost- und Westhänge betroffen (insbesondere in den neuschneereichen Regionen). Vorsicht v.a. im bisher wenig befahrenen, sehr steilen Gelände.


Schneedeckenuntersuchungen als Basis unserer Arbeit. (Foto: 15.03.2023, (c) Lukas Ruetz)

Mittwoch, 15. März 2023

Zunehmende Durchfeuchtung schwächt die Schneedecke - Vermehrter Tagesgang der Lawinengefahr

Kurz vorweg

Mildes Wetter führt während der kommenden Tage zu einem zunehmenden Nassschneeproblem. Nässeeintrag schwächt die Schneedecke. Lawinen können dadurch leichter von WintersportlerInnen ausgelöst werden. Auch spontane Lawinenabgänge werden dadurch wahrscheinlicher. Entscheidend sind wieder einmal eine gute Tourenplanung, eine vernünftige Zeiteinteilung, eine entsprechende Ausrüstung sowie Erfahrung in der Beurteilung der Lawinengefahr.

Es entwickelte sich ein gut ausgebildetes Brett

Für Schneebrettlawinen benötigt man bekanntlich mehrere Zutaten: Zumindest eine Schwachschicht innerhalb der Schneedecke. Darüber das "Brett", also ein gebundenes Schneepaket. Zusätzlich muss das Gelände steil genug sein, dass ein Schneebrett überhaupt abgehen kann. Typisch liegt diese Neigung bei 30°. Das wechselhafte Wetter der vergangenen Zeit brachte immer wieder Neuschnee. Starker Wind verfrachtete den Neuschnee und bildete umfangreiche Triebschneepakete. Triebschnee und Neuschnee wurden zusätzlich durch diffusen Strahlungseinfluss sowie Wärmeeintrag gebunden. Das heißt, es bildete sich in Summe ein gut ausgebildetes Brett.


48h-Schneedifferenz 13.03.-14.03.
48h-Schneedifferenz 13.03.-14.03.


Diffuse Strahlung, hohe Luftfeuchtigkeit fördern die Bildung eines "Bretts". (Foto: 11.03.2023)
Diffuse Strahlung, hohe Luftfeuchtigkeit fördern die Bildung eines "Bretts". (Foto: 11.03.2023)

Schwachschichten werden zusätzlich durch Nässeeintrag geschwächt

Schwachschichten innerhalb der Schneedecke sind aktuell (15.03.) am ehesten sowohl in Schattenhängen  in einem Höhenband zwischen etwa 2000m und 2400m, als auch in W- und Osthängen oberhalb etwa 2400m zu stören. Ost/Nordosthänge oberhalb etwa 2500m scheinen dabei am vergleichsweise ungünstigsten zu sein. "Schuld" daran haben aufbauend umgewandelte Schwachschichten innerhalb der Schneedecke (kantige Kristalle, Schwimmschnee). In  den besagten Schattenhängen beobachten wir gerade einen stetig zunehmenden Wassereintrag bis in bodennahe Schichten. In Sonnenhängen wurde die Schneedecke während des zu milden Winters schon häufiger durchfeuchtet bzw. durchnässt. Bodennahe Schwachschichten wurden deshalb in Südhängen bis in große Höhen, aber auch in West- und Osthängen bis etwa 2400m "aktiviert". Deshalb konzentrieren sind für uns aktuell auf die erstmalige Durchnässung in West- und Osthängen oberhalb etwa 2400m. Ost/Nordosthänge sind aktuell auch deshalb kritischer einzustufen, weil dort vermehrt oberflächennahe kantige Schwachschichten unterhalb einer - je nach Höhe und Steilheit unterschiedlich ausgeprägten - Schmelzkruste vorhanden sind.


Die rote Linie zeigt die Schneetemperatur. Auf 2140m Nord sind die Temperaturreserven nur mehr gering ausgrägt. D.h. bei weiterem Wärmeeintrag wird es zu einer raschen Durchnässung bis zum Boden kommen.
Die rote Linie zeigt die Schneetemperatur. Auf 2140m Nord sind die Temperaturreserven nur mehr gering ausgrägt. D.h. bei weiterem Wärmeeintrag wird es zu einer raschen Durchnässung bis zum Boden kommen.


Vermehrte Lawinenaktivität

Nach Schneefällen und folgender Sonneneinstrahlung muss um diese Jahreszeit immer mit zahlreichen Lockerschneelawinen aus extrem steilem Gelände gerechnet werden. Zusätzlich ist in den neuschneereichen Regionen mit vermehrten Gleitschneerutschen bzw. -lawinen auf steilen Wiesenhängen zu rechnen. UND GANZ WICHTIG: Schneebrettlawinen lassen sich durch Wintersportler immer leichter auslösen. Auch werden spontane Lawinen gegen das Wochenende hin wahrscheinlicher. Morgen am 16.03. wird der nächste Blogeintrag erscheinen. Da wird u.a. auch auf die kürzlichen Lawinenereignisse im Nahbereich der Pforzheimer Hütte (jeweils O / NO-Hänge von 2500m aufwärts) eingegangen.



Nasse Lockerschneelawine in den Deferegger Alpen (Foto: 14.03.2023)
Nasse Lockerschneelawine in den Deferegger Alpen (Foto: 14.03.2023)

Freitag, 10. März 2023

Wechselhaftes Wetter - wechselhafte Schneedecke

Kurz vorweg

Das Frühjahr ist u.a. auch für rasche Änderungen der Lawinengefahr bekannt. So kann durch diffuse Strahlung, erhöhte Luftfeuchtigkeit und warme Temperaturen die Schneedecke innerhalb sehr kurzer Zeiträume zumindest oberflächennah durchfeuchtet werden. Dies ändert die Eigenschaft des Bretts. Oder aber Wasser dringt bis in eine bestehende Schwachschicht und erhöht deren Störanfälligkeit. Umgekehrt können einfließende trockene und zudem kalte Luftmassen eine feuchte Schneedecke rasch stabilisieren. Was wollen wir damit sagen: Im Frühjahr ist es besonders wichtig, das Wetter und dessen Einfluss auf die Schneedecke sehr gut im Auge zu behalten und entsprechend zu reagieren.


Großteils immer noch recht günstige Lawinenverhältnisse - Lawinenauslösungen dennoch möglich

Während der vergangenen 10 Tage herrschte in Tirol mäßige bzw. geringe Lawinengefahr, was aktuell (am 10.03.2023) auch so ist. Die Schneedecke ist sehr unregelmäßig und häufig recht stabil.


Während der vergangenen Wochen wurde häufig auch extrem steiles Gelände begangen bzw. befahren. Osttirol (Foto: 09.03.2023)
Während der vergangenen Wochen wurde häufig auch extrem steiles Gelände begangen bzw. befahren. Osttirol (Foto: 09.03.2023)


Immer wieder findet man dennoch Schwachschichten, die von Wintersportlern gestört werden können. Betroffen ist meist schattiges Gelände oberhalb etwa 2200m, vermehrt auch ostseitiges, v.a. kammnahes Gelände in größeren Höhen. Lawinenauslösungen der jüngeren Vergangenheit hatten v.a. mit dem bekannten Altschneeproblem (mit bodennahe Schwachschichten) zu tun. Der im vergangenen Blogeintrag thematisierte Prozess des Gefahrenmusters kalt auf warm (gm.4) konnte im Gelände immer wieder beobachtet werden. Bösartig dürfte sich die Schwachschicht nur sehr vereinzelt entwickelt haben, wenn dann am ehesten im schattigen Gelände zwischen etwa 2100m und 2400m.


Lawinenauslösung Blankenstein bei Innervillgraten in den Östlichen Deferegger Alpen. 04.03.2023 2400m, NO, 40°. Eine Person verletzte sich am Knie.
Lawinenauslösung Blankenstein bei Innervillgraten in den Östlichen Deferegger Alpen. 04.03.2023 2400m, NO, 40°. Eine Person verletzte sich am Knie.



Die herausmodellierte Schwachschicht (unterhalb einer dünnen Schmelzkruste) entstand durch gm.4 2340m, NW, 36°. Östliche Lechtaler Alpen (Foto: 03.03.2023)
Die herausmodellierte Schwachschicht (unterhalb einer dünnen Schmelzkruste) entstand durch gm.4 2340m, NW, 36°. Östliche Lechtaler Alpen (Foto: 03.03.2023)



Profil zu obigem Foto. Stabilitätstests mit vollständigen Brüchen (03.03.2023)
Profil zu obigem Foto. Stabilitätstests mit vollständigen Brüchen (03.03.2023)


Diffuse Strahlung

Heute am 09.03.2023 haben wir beobachtet, wie durch diffuse Strahlung oberflächennahe Schichten im schattigen Gelände um 2200m angefeuchtet und dadurch dichter wurden. Eine bis dato recht spannungsarme Schneedecke mit einem lockeren Fundament kann dadurch die Voraussetzungen für die Ausbildung eines Schneebretts entwickeln (Brett und Schwachschicht). Kleinräumig kann entsprechend die Gefahr von Schneebrettlawinen (etwas) ansteigen.


Durch diffuse Strahlung wird viel Energie von der Schneedecke aufgenommen. Silvretta  (Foto: 08.03.2023)
Durch diffuse Strahlung wird viel Energie von der Schneedecke aufgenommen. Silvretta  (Foto: 08.03.2023)



Bei diesem Profil ist die Schneedecke noch trocken. Feuchtigkeitseintrag durch diffuse Strahlung kann die oberflächennahen Schichten verdichten. Schneebrettauslösungen können möglich werden. (Profil vom 05.03.2023)
Bei diesem Profil ist die Schneedecke noch trocken. Feuchtigkeitseintrag durch diffuse Strahlung kann die oberflächennahen Schichten verdichten. Schneebrettauslösungen können möglich werden. (Profil vom 05.03.2023)


Diffuse Strahlung kann aber auch oberflächennahe Schwachschichten zerstören. Dies ist insofern wichtig, weil sich kürzlich zum Teil recht massiv Oberflächenreif gebildet hat. Häufig hatte das mit dem zum Teil recht hartnäckigen Nebel inkl. nächtlicher Ausstrahlung zu tun. Teilweise entwickelte sich der Oberflächenreif auch aufgrund des Nigg-Effekts.


Die bei uns während der vergangenen 10 Tagen eingelangten Meldungen über Oberflächenreif (inkl. 09.03.2023)
Die bei uns während der vergangenen 10 Tagen eingelangten Meldungen über Oberflächenreif (inkl. 09.03.2023)


Oberflächenreif in den Nördlichen Zillertaler Alpen (Foto: 04.03.2023)
Oberflächenreif in den Nördlichen Zillertaler Alpen (Foto: 04.03.2023)


Kammnaher Oberflächenreif aufgrund des Nigg-Effekts. Kaunergrat (Foto: 04.03.2023)
Kammnaher Oberflächenreif aufgrund des Nigg-Effekts. Kaunergrat (Foto: 04.03.2023) 


Der Oberflächenreif hatte es insofern schwer, weil einerseits kräftiger Westwind, andererseits diffuse Strahlung am 08.03. und 09.03. diesen vielerorts zerstört haben dürfte - allerdings sicherlich nicht überall...


Am 08.03. stieg die Luftfeuchtigkeit markant an. Im Westen des Landes schneite es vergleichsweise am meisten. Meist waren es 5-10cm. Die Voraussetzungen für diffuse Strahlung waren sowohl am 08.03. als auch am 09.03. gegeben. Bezeichnend war auch der vielerorts starke Wind.
Am 08.03. stieg die Luftfeuchtigkeit markant an. Im Westen des Landes schneite es vergleichsweise am meisten. Meist waren es 5-10cm. Die Voraussetzungen für diffuse Strahlung waren sowohl am 08.03. als auch am 09.03. gegeben. Bezeichnend war auch der vielerorts starke Wind.


Wie gehts weiter?

Mitteleuropa liegt laut Geosphere Austria in einer kräftigen Westströmung. Damit werden immer wieder Frontensysteme nach Österreich transportiert. Von Freitag, 10.03. auf  Samstag 11.03. fällt etwas Schnee, am meisten soll es im Westen schneien - etwa 20cm, lokal auch mehr. Die Schneefallgrenze soll bis in tiefe Lagen sinken. Danach gehts wechselhaft mit Wind und wieder milderen Temperaturen weiter.

72h Neuschnee zwischen 10.03. und 12.03. für Tirol
72h Neuschnee zwischen 10.03. und 12.03. für Tirol


Hinsichtlich der Lawinengefahr wird sich vorab wenig ändern. Nach den Schneefällen vom 10.03. auf den 12.03. erwarten wir vermehrte Lockerschneelawinen-Aktivität.



Frische Lockerschneelawinen in der Silvretta vom 09.03.2023
Frische Lockerschneelawinen in der Silvretta vom 09.03.2023


In den neuschneereicheren Gebieten kann unmittelbar nach Schneefällen wohl kurzfristig Pulverschnee genossen werden. (Foto: 09.03.2023)
In den neuschneereicheren Gebieten kann unmittelbar nach Schneefällen wohl kurzfristig Pulverschnee genossen werden. (Foto: 09.03.2023) 


Freitag, 3. März 2023

Meist günstige Lawinenverhältnisse - vielerorts wenig Schnee - Gefahrenmuster "kalt auf warm" mancherorts in Entwicklung

Kurz vorweg

Seit gestern, 01.03.2023 haben wir in Tirol die Lawinengefahr als gering eingestuft. Wir gehen nur mehr von wenigen Gefahrenstellen aus, wo Lawinen ausgelöst werden können. Am ehesten sind Schattenhänge in größeren Höhen davon betroffen. Dennoch, wir beobachten gerade die Entwicklung einer möglichen Schwachschicht aufgrund des Gefahrenmustern "kalt auf warm" (gm.4). Vereinzelt könnte diese während der kommenden Tage doch auch zu einem Problem werden. Wir sind ganz fest am Graben und Recherchieren, wo Problembereiche auftreten könnten. In diesem Blogbeitrag findet sich u.a. auch unser letztgültiger Wissensstand über gm.4.


Endlich Schnee - v.a. im Norden und Osten des Landes

Die vergangene Woche war geprägt von anfänglichen Schneefällen. Betroffen waren v.a. der Norden und der Osten des Landes, wo es meist zwischen 30-50cm schneite. Richtung Süden nahm die Neuschneemenge deutlich ab. Aufgrund der tiefen Temperatur war der Schnee recht locker. Wind führte zu entsprechenden Schneeverfrachtungen. Wir hatten es verbreitet mit einem Neuschneeproblem zu tun (Die Gefahrenstellen waren von außen oftmals nicht zu erkennen). In den niederschlagsärmeren Regionen überwog hingegen ein Triebschneeproblem  (Triebschneepakete konnten im Gelände erkannt und diesen ausgewichen werden.). Während der vergangenen Tage dominierte dann im Norden schönes Wetter, während der Süden eher wolkenverhangen war. Etwas Schnee fiel im Süden vom 01.03. auf den 02.03.2023. Meist waren es dort zwischen 5-10cm.


72h-Neuschneesumme zwischen Freitag, den 24.02. Montag, den 27.02.2023
72h-Neuschneesumme zwischen Freitag, den 24.02. Montag, den 27.02.2023



Etwas Schnee im Süden: 24h-Neuschneesumme zwischen 01.03. und 02.03.2023
Etwas Schnee im Süden: 24h-Neuschneesumme zwischen 01.03. und 02.03.2023


Eine schöne Winterlandschaft nach den Schneefällen ab dem 24.02.2023. Dennoch: Bei der Abfahrt muss man immer noch auf möglichen Steinkontakt achten - Zentrale Lechtaler Alpen (Foto: 28.02.2023)
Eine schöne Winterlandschaft nach den Schneefällen ab dem 24.02.2023. Dennoch: Bei der Abfahrt muss man immer noch auf möglichen Steinkontakt achten - Zentrale Lechtaler Alpen (Foto: 28.02.2023)



Toller Pulverschnee in den Westlichen Kitzbüheler Alpen (Foto: 28.02.2023)
Toller Pulverschnee in den Westlichen Kitzbüheler Alpen (Foto: 28.02.2023)


Nach den Schneefällen beobachtete man vermehrt Lockerschneelawinen aus extrem steilem Gelände. Schneebrettlawinen waren meist klein und brachen innerhalb des Neuschnees (kalter, lockerer Schnee , der von frischem Triebschnee überlagert war). Zudem kam der Schnee auf steilen Wiesenhängen mancherorts zum Rutschen.


Lockerschneelawinen in den Westlichen Lechtaler Alpen (Foto: 01.03.2023)
Lockerschneelawinen in den Westlichen Lechtaler Alpen (Foto: 01.03.2023)


Kleine spontane Schneebrettlawine, vermutlich vom 26.02. in der Grieskogelgruppe (Foto: 02.03.2023)
Kleine spontane Schneebrettlawine, vermutlich vom 26.02. in der Grieskogelgruppe (Foto: 02.03.2023)



Gleitschneerutsche in den Östlichen Lechtaler Alpen (Foto: 28.02.2023)
Gleitschneerutsche in den Östlichen Lechtaler Alpen (Foto: 28.02.2023)


Gefahrenmuster "kalt auf warm" (gm.4)

Das Gefahrenmuster "kalt auf warm" kann immer dann auftreten, wenn eine anfänglich feuchte bzw. nasse Schneeoberfläche von kaltem Schnee überlagert wird. Durch den großen Temperaturunterschied auf kleinem Raum kann sich verzögert eine kantig aufgebaute Schwachschicht ausbilden. Aktuell sehen  wir, dass mancherorts diese Entwicklung im Gange ist. Bedeutsam ist dieser Prozess aktuell nur in den kürzlich neuschneereichen Regionen im Norden und Osten des Landes. Dort ist zusätzlich zu einer möglicherweise ausgebildeten Schwachschicht auch ein entsprechendes Brett vorhanden. Heute am 02.03. langten bei uns zwei Meldungen über Setzungsgeräusche ein, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf diesen Prozess zurückzuführen sind (Regionen Kalkkögel und Sellrainer Berge). Gm.4 kann auch auf einen Lawinenabgang in den Kalkkögeln, vermutlich vom 28.02. nachmittags oder 01.03. vormittags zutreffen.


Voraussetzungen für "kalt auf warm": Ellipse: Feuchte Schneeoberfläche. Danach Schneefall und fallende Temperaturen
Voraussetzungen für "kalt auf warm": Ellipse: Feuchte Schneeoberfläche. Danach Schneefall und fallende Temperaturen


Aktuelle Abschätzung für eine Eingrenzung von "kalt auf warm"

Aktuell gibt es vergleichsweise zur Befahrung des Geländes nur sehr wenige Rückmeldungen über ein mögliches Problem mit "kalt auf warm". Wir stützen uns neben den bei uns eingelangten Rückmeldungen auch auf eigene Geländeerkundungen sowie die uns zur Verfügung stehenden Schneeprofile.

Die Ausbildung einer möglicherweise bösartigen Schwachschicht könnte unseres Erachtens aktuell am ehesten in folgenden Bereichen stattgefunden haben bzw. noch stattfinden: 
  • Nord zwischen etwa 2100m-2300m
  • Ost / Nordost sowie West und Nordwest: 2100m-2500m
  • Süd 2500m aufwärts

Wir bitten um eure Mithilfe

Wir haben schon sämtliche unserer Beobachter damit beauftragt, während der kommenden Tage auf diese Entwicklung innerhalb der Schneedecke zu achten und uns entsprechend zu informieren. Je umfassender diese Informationen sind, desto klarer unser Bild. Deshalb wenden wir uns an all jene von euch, die gerne mal einen Blick in die Schneedecke werden. Uns interessiert, ob sich im Bereich jener Schmelzkruste, die vergangene Woche entstanden ist, kantige Kristalle gebildet haben. Noch besser sind natürlich Ergebnisse von Stabilitätstests, wie z.B. vom relativ rasch durchzuführenden ECT. Wir freuen uns über entsprechende Rückmeldungen via mail an lawine@tirol.gv.at 


Ein Blick in die Schneedecke hilft, die Entwicklung von gm.4 besser einzuschätzen - Venedigergruppe (Foto: 01.03.2023)
Ein Blick in die Schneedecke hilft, die Entwicklung von gm.4 besser einzuschätzen - Venedigergruppe (Foto: 01.03.2023)


Schneebrettlawine mit einer Einfahrtsspur eines Snowboarders (oberer Anrissbereich zwischen den Felsen) auf 2300m Nord. (Foto: 01.03.2023)
Schneebrettlawine mit einer Einfahrtsspur eines Snowboarders (im oberer Anrissbereich zwischen den Felsen) auf 2300m Nord. (Foto: 01.03.2023)


Vergleichsfoto zu obigem Foto: Am 28.02. nachmittags war an dieser Stelle nur eine querende Spur zu sehen. Die Lawine war noch nicht abgegangen. (Foto: 28.02.2023)
Vergleichsfoto zu obigem Foto: Am 28.02. nachmittags war an dieser Stelle nur eine querende Spur zu sehen. Die Lawine war noch nicht abgegangen. (Foto: 28.02.2023)


Der Pfeil zeigt auf eine dünne kantige Schicht unterhalb einer dünnen Schmelzkruste. Der Stabilitätstest zeigte hier stabile Verhältnisse. Dies kann allerdings auch mit der lockeren Schneeauflage zu tun haben. Nord, 1940m
Der Pfeil zeigt auf eine dünne kantige Schicht unterhalb einer dünnen Schmelzkruste. Der Stabilitätstest zeigte hier stabile Verhältnisse. Dies kann allerdings auch mit der lockeren Schneeauflage zu tun haben. Nord, 1940m


Auf 2720m NW in der Venedigergruppe findet man zwar auch kantige Kristalle unter einer dünnen Schmelzkruste, allerdings dürfte diese nichts mit gm.4 zu tun haben. Vielmehr dürfte es sich hier um vormaligen "Noppenpulver" handeln.
Auf 2720m NW in der Venedigergruppe findet man zwar auch kantige Kristalle unter einer dünnen Schmelzkruste, allerdings dürfte diese nichts mit gm.4 zu tun haben. Vielmehr dürfte es sich hier um vormaligen "Noppenpulver" handeln.



An diesem schneearmen Bereich dürften sich die kantigen Kristalle schon länger zurück gebildet haben. Zusätzlicher Effekt von gm.4 nicht ausgeschlossen. Dennoch: Nur Teilbrüche, allerdings auch kein gutes Brett darüber.
An diesem schneearmen Bereich dürften sich die kantigen Kristalle schon länger zurück gebildet haben. Zusätzlicher Effekt von gm.4 nicht ausgeschlossen. Dennoch: Nur Teilbrüche, allerdings auch kein gutes Brett darüber.



Teilbrüche unterhalb der oberflächennahen Schmelzkruste. West, ca. 1750m
Teilbrüche unterhalb der oberflächennahen Schmelzkruste. West, ca. 1750m


Sonstiges

Es gibt noch weitere interessante Beobachtungen. Während der vergangenen Tage hatten wir recht gute Voraussetzungen für die Bildung von Oberflächenreif - einerseits aufgrund von Nebel (vermehrt im Süden), andererseits durch thermische Luftströmungen ("Nigg"-Effekt).


Wärmere Luft steigt auf. Wolken streifen über die Gipfel. Gute Voraussetzungen für den "Nigg"-Effekt. Venedigergruppe (Foto: 01.03.2023)
Wärmere Luft steigt auf. Wolken streifen über die Gipfel. Gute Voraussetzungen für den "Nigg"-Effekt. Venedigergruppe (Foto: 01.03.2023)


Kammnaher Oberflächenreif in der Samnaungruppe auf ca. 2500m (Foto: 02.03.2023)
Kammnaher Oberflächenreif ("Nigg"-Effekt) in der Samnaungruppe auf ca. 2500m (Foto: 02.03.2023)


Weiterhin wenig Schnee

Die GeoSphere-Wetterdienststelle (vormals ZAMG) meldet in einer Aussendung, dass der heurige Winter sehr mild war. Im Tiefland handelte es sich um den sechstwärmsten Winter der Messgeschichte, auf den Bergen liegt er auf Platz 12. Der Westen Österreichs war zudem um 15-60% trockener als im Durchschnitt. Beides - das sehr milde Wetter und die geringen Niederschlagssummen - sind für die unterdurchschnittlichen Schneemengen verantwortlich.

Keine Seltenheit bei Skitouren im heurigen Winter: Zumindest während kurzer Passagen müssen die Skier getragen werden. (Foto: 02.03.2023)
Keine Seltenheit bei Skitouren im heurigen Winter: Zumindest während kurzer Passagen müssen die Skier getragen werden. (Foto: 02.03.2023)


Untypisch für diese Jahreszeit: Schneelage in den Zentralen Stubaier Alpen (Foto: 24.02.2023)
Untypisch für diese Jahreszeit: Schneelage in den Zentralen Stubaier Alpen (Foto: 24.02.2023)


Wie geht es weiter?

Wir behalten primär gm.4 im Auge. Dies kann unter Umständen zu einem Anstieg der Lawinengefahr in den unlängst neuschneereicheren Regionen führen.