Donnerstag, 28. Februar 2019

Etwas Neuschnee, Wind und vorübergehender Temperaturrückgang. Vorsicht vor Gleitschnee!

Ausblick

In der Nacht auf morgen, Freitag 01.03. erreicht uns eine Kaltfront, welche mit starkem Nordwestwind gegen die Alpennordseite gedrängt wird und den zuletzt frühlingshaften Bedingungen vorübergehend ein Ende setzt. Schon heute Donnerstag, 28.02. zeichnet sich die für morgen angekündigte Kaltfront mit auflebendem Nordwestwind und einem leichten Temperaturrückgang in mittleren und hohen Lagen an.

Insbesondere in den Nordweststaulagen entlang der Grenze zu Vorarlberg und im Karwendel sind bis Samstag, 02. März 20cm bis 30cm Neuschnee zu erwarten. Die Schneefallgrenze liegt laut ZAMG-Wetterdienststelle zu Beginn der Niederschläge bei etwa 1700m, sinkt aber in Folge bis gegen 1000m herab. Die Kaltfront wird von mäßigem bis starkem Wind aus nordwestlichen Richtungen begleitet.




Der Niederschlag, welcher gerade zu Beginn in mittleren Lagen noch als Regen fallen wird, führt am morgigen Freitag, 01.03. zu einem Anstieg der Gefahr von Gleitschneelawinen unter etwa 2000m. In den westlichen Teilen Nordtirols wird dadurch bedingt die Gefahrenstufe 3, "erheblich" erreicht. Dort ziehen bereits am späten Abend des 28.02. die ersten Wolkenfelder auf und beeinträchtigen die Wärmeabstrahlung der vor allem südseitig durchnässten Schneeoberfläche. Der Regeneinfluss führt somit zu einem weiteren Feuchtigkeitseintrag und begünstigt ein Abgleiten der Schneedecke auf steilen Wiesenhängen.

Weiter im Osten Nordtirols kann die Schneedecke meist bis gegen Mitternacht abstrahlen. Zudem wird es dort weniger regnen. Entsprechend sollte dort im Vergleich zu den westlichen Regionen die Wahrscheinlichkeit von Gleitschneelawinen etwas geringer sein.

Offene Gleitschneemäuler und eine kürzlich abgegangene Gleitschneelawine zeugen von intensivem Schneegleiten der Schneedecke auf steilen Wiesenhängen, Nordkette (Foto: 26.02.2019).

In hohen Lagen und im Hochgebirge werden Neuschnee und Wind zur Bildung von kleinen Triebschneepaketen führen, welche vor allem kammnah sowie in Mulden und Rinnen anzutreffen sein werden. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang die Beschaffenheit der Schneeoberfläche, welche aktuell recht unregelmäßig ist. Dies ist positiv zu werten (siehe Rückblick). Die frischen Triebschneeansammlungen sollten deshalb nur sehr vereinzelt gestört und als Lawine ausgelöst werden können. Am ehesten wird dies in sehr steilen, schattseitigen, bisher windberuhigten Hängen möglich sein. Dort besteht die Altschneeoberfläche stellenweise aus lockeren, kantig aufgebauten Kristallen.

In Osttirol, abseits des Alpenhauptkammes, bleibt die Lawinensituation mehrheitlich günstig. Dort verfestigt sich die Schneeoberfläche durch die nächtliche Abstrahlung sehr gut. Niederschlag gibt es kaum. Tief in der Schneedecke sind dort jedoch vereinzelt noch störanfällige Schwachschichten vorhanden, welche in sehr steilen Schattenhängen zwischen 2000m und 2600m mit meist großer Zusatzbelastung potenziell noch störbar sind. Die Gefahrenstellen sind allerdings sehr selten, leider aber nicht zu erkennen. Schneearme Bereiche im extrem steilen Gelände scheinen am ehesten gefährdet zu sein.

Neben einer möglichen (meist überschaubaren) Lawinengefahr sollte man andere alpine Gefahren nicht außer Acht lassen. Dort, wo die Schneedecke über Nacht gefrieren konnte, besteht insbesondere in den Morgenstunden in sehr steilen Sonnenhängen auf der harten Schneeoberfläche Absturzgefahr. Dies wurde einem Skitourengeher an der Reichenspitze an der Grenze zwischen Tirol und Salzburg gestern 27.02. zum Verhängnis. Er stürzte auf dem Weg vom Gipfel zum Skidepot mehrere hundert Meter eine Rinne hinab und kam dabei ums Leben. Aufpassen sollte man auch auf die zum Teil weit ausladenden Wechten, die (ähnlich wie Gleitschneelawinen) eine unberechenbare Gefahr darstellen.

Bereiche unter großen Wechten sollten  kritisch beurteilt werden. Totenfeldscharte, Silvretta (Foto: 27.02.2019).

Zum Wochenende hin bessert sich laut ZAMG-Wetterdiensstelle das Wetter. Der Wind dreht auf Südwest und es wird föhnig und milder. Die Lawinengefahr ändert sich nur unwesentlich. Die Triebschneepakete in der Höhe sollten kaum mehr störanfällig sein. Die Gleitschneeaktivität nimmt nach der Niederschlagsperiode wieder etwas ab. Mit den warmen Temperaturen und der Sonneneintrahlung wird die Lawinengefahr neuerlich im Laufe des Tages etwas ansteigen. In den neuschneereicheren Gebieten wird man insbesondere aus extrem steilen Sonnenhängen zahlreiche eher kleine Lockerschneelawinen beobachten können.

Zu Beginn der nächsten Woche zeichnet sich wechselhaftes und unbeständiges Wetter ab. Die Temperaturen fallen erneut und es kommt etwas Neuschnee dazu.

Ab Wochenbeginn wird es wechselhaft. Die Temperatur sinkt.  (©meteoblue).
 
Rückblick 

Nach dem Niederschlag von vergangenem Freitag, 22.02. wurde es wieder frühlingshaft mit milden Temperaturen und viel Sonne. Die Nullgradgrenze stieg auf rund 3000m. Die Lawinensituation war verbreitet günstig und folgte einem tageszeitlichen Gang.

Die günstigen Tourenbedingungen in den vergangenen Tagen waren Anreiz für viele, dem Büro vorübergehend den Rücken zu kehren. Sonnblick, Hohe Tauern (Foto: 27.02.2019).

Die Schnee- und Lawinensituation lies auch Steilabfahrten möglich werden. Haagspitze, Silvretta (Foto: 27.02.2019).
 
Erste Schmetterlinge sind bereits aus der Winterstarre erwacht und wurden mit dem Wind in die Höhe getragen. Dieses schöne Exemplar wurde auf ca. 2900m an der Schnapfenspitze in der Silvretta beobachtet (Foto: 26.02.2019).

Aufgrund der starken Sonneneinstrahlung wurde die Schneedecke in sehr steilen Südhängen bereits bis auf etwa 3000m hinauf durchfeuchtet. Nordseitig hingegen blieb die Schneedecke bis auf 2000m hinunter weitestgehend trocken.

Sonnseitig und sehr steil ist die Schneedecke bis auf 3000m bereits annähernd isotherm. In Zonen geringerer Schneemächtigkeit reicht die Durchfeuchtung bis zum Boden. S; 2980m; 37 Grad (©LWD Tirol).

Bei Stabilitätstests können derzeit - wenn überhaupt - nur Teilbrüche erzeugt werden. Die Schneedecke ist verbreitet gut verfestigt und stabil (Foto: 26.02.2019).

Aufgrund der überaus trockenen und klaren Atmosphäre konnte die Schneedecke in der Nacht meist gut abstrahlen. Die nasse Schneeoberfläche gefror in den Nachtstunden wieder tragfähig. In Sonnenhängen weichte die Schneeoberfläche während des Tages wieder auf. Guter Firn war vielerorts die Folge. Erst am späten Nachmittag waren oberflächennahe Schichten etwas tiefergehend durchfeuchtet. Die Durchfeuchtung der Schneedecke verlief allgemein vergleichsweise langsam. Dies hatte mit der sehr trockenen, eher warmen Luftmasse zu tun, welche der Schneedecke viel Feuchtigkeit entzog. Dadurch verlor die Schneedecke auch an Masse, weil das in den Eiskristallen gebundene Wasser als Wasserdampf von der Luft quasi "aufgesogen" wurde.

Firnverhältnisse in weiten Teilen Tirols, so wie hier am Freihut in den Nördlichen Stubaier Alpen (Foto: 26.02.2019).

Die Gleitschneeaktivität folgte meist auch einem tageszeitlichen Gang. Gleitschneelawinen wurden vermehrt am späten Nachmittag sowie den Abend- und Nachtstunden beobachtet. Dies hat mit hoher Wahrscheinlichkeit mit dem etwas zeitverzögerten Eindringen von Wasser bis hin zur Bodenoberfläche tun.

Gleitschneerisse und eine gewölbte Schneeoberfläche sind Anzeichen für Schneegleiten. Grieskopf, Westl. Verwallgruppe (Foto: 27.02.2019).
 
Anrissgebiet einer Gleitschneelawine am Malgrübler, Westl. Tuxer Alpen (Foto: 24.02.2019).

Ablagerung einer Gleitschneelawine in der Silvretta (Foto: 27.02.2019).

Sonneneinstrahlung, Windeinfluss, nasse Lockerschneelawinen aus felsigem Steilgelände sowie auch Mensch und Tier haben die derzeitige Schneeoberfläche stark geprägt. Diese ist auf kleinstem Raum sehr unregelmäßig und inhomogen. Die Schneeoberfläche ist dadurch für kommende Schneefälle sehr günstig beschaffen: Frische Triebschneepakete werden deshalb - wenn überhaupt - nur an relativ kleinen Flächen zu stören sein.

Eine v.a stark vom Wind geprägte Schneeoberfläche am Großen Wilden in den Allgäuer Alpen (Foto: 24.02.2019).

Durch Windeinfluss herausgearbeitete Skispuren im Kühtai (Foto: 24.02.2019).

Vielerorts konnte in den vergangenen Tagen auch ein ausgeprägter Firnspiegel beobachtet werden. Jamtal, Silvretta (Foto: 26.02.2019).

Sonntag, 24. Februar 2019

Lawinenabgänge Zwölferkogel und Ammerwald

Lawine Zwölferkogel

Überblicksfoto Lawine Zwölferkogel vom 23.02.2019. Die Lawine reichte bis zum Finstertaler Stausee (ca. 2300m Seehöhe) (Foto: 24.02.2019)

Wir waren heute am 24.02. im Nahbereich der Unfalllawine unterhalb des Zwölferkogels in Kühtai, wo gestern eine Person ums Leben kam. Wie schon im vorigen Blogeintrag erwähnt, handelte es sich bei dieser Lawine um ein kleines Schneebrett. Die Ursache war ein kurzfristiges Triebschneeproblem. Durch den sehr starken, z.T. sogar stürmischen Wind bildete sich an der Schneeoberfläche ein harter Winddeckel, der auf weicheren Schichten lagerte. Die Lawine löste sich, als ein Alpinist den durchschnittlich 35° steilen NO-Hang querte. Die Lawine war etwa 15m breit und 70m lang. Die Anrissmächtigkeit wird auf 20-30cm geschätzt. Die Person wurde 1m tief verschüttet und von einem Lawinenhund aufgefunden.

Nahaufnahme der Lawine. Teile der Lawinengleitfläche wurden vom Wind wieder zugeweht. Die im mittleren Bildteil und darunter ersichtlichen Schollen sind zum Großteil Eisschollen und markieren diverse Staustufen des Stausees. (Foto: 24.02.2019)

Bei unseren, im Nahbereich durchgeführten Stabilitätstests konnte zwar ein Bruch unterhalb des Winddeckels erzeugt werden, eine Bruchfortpflanzung war aber nicht (mehr) möglich. Diese Beobachtung passt mit heutigen Rückmeldungen zusammen, dass frische Triebschneepakete nicht gestört werden konnten. Vereinzelt dürfte dies allerdings noch in großen Höhen im schattigen, sehr steilen Gelände weiterhin möglich sein.

Profilstandort etwas nördlich versetzt der Unfallstelle auf 2370m, Nord, 26°. Der zuoberst befindliche harte Winddeckel samt der unteren weicheren, kantigen Schicht bildeten eine der Voraussetzungen für den Schneebrettabgang. Unsere Stabilitätstests zeigten nur mehr Teilbrüche. (Profil vom 24.02.2019)
Lawine Ammerwald

Wie sich gestern noch herausstellte, befindet sich diese Lawine in Bayern und wird deshalb von unseren deutschen Kollegen näher untersucht. Fest steht, dass es sich um eine Gleitschneelawine handelt, die sich in einer Waldlichtung spontan löste und in drei Lawinenarme aufteilte. Die Suche nach einer noch vermissten Person wurde heute fortgesetzt, blieb aber ergebnislos.

Bild der Gleitschneelawine im Ammerwald. (Foto: 23.02.2019)

Samstag, 23. Februar 2019

Kurzinformation zu Lawinenabgängen in Tirol

Heute am 23.02.2019 wurden wir von der Leitstelle Tirol über drei Lawinenabgänge mit Personenbeteiligung informiert:

Ammerwald im Nahbereich des Plansees

Lawinenabgang Ammerwald

Es handelte sich um eine Gleitschneelawine. Nach derzeitigem Stand verstarb eine Person, eine wurde verletzt, eine ist noch vermisst. Die Suche wurde vorläufig unterbrochen und wird morgen fortgesetzt. Weitere Details folgen.

Zwölferkogel beim Finstertaler Stausee in Kühtai

Lawinenabgang Zwölferkogel. Exakte Örtlichkeit noch nicht bekannt, jedoch grob im Bereich der Ellipse.
Es handelte sich um ein kleines, frisches Triebschneepaket, welches im extrem steilen Gelände abgegangen ist. Die Lawine erreichte den Stausee. Eine Person wurde getötet. Nähere Details folgen. 

Kleegrube im Nahbereich des Hintertuxer Gletschers

Lawinenabgang Kleegrube

Ein kleines, frisches Triebschneepaket löste sich, als sich eine Person im extrem steilen Gelände oberhalb des Spannagelhauses im Aufstieg Richtung Hoher Riffler befand. Die Person blieb unverletzt, verlor jedoch seine Skier und wurde mit dem Hubschrauber abtransportiert.

Alle Lawinenabgänge passen in das derzeitige Gesamtbild der Lawinensituation: Die Hauptgefahr stellen (die unberechenbaren) Gleitschneelawinen auf steilen Wiesenhängen dar. Kleinräumig und relativ kurzfristig ein Thema sind die durch den starken Wind entstandenen, frischen Triebschneepakete, speziell im Nordsektor in größeren Höhen.

Der Wind blies seit gestern, dem 22.02. stark bis stürmisch aus nördlichen Richtungen.

Donnerstag, 21. Februar 2019

Neuschnee und starker Wind führen zu einem Anstieg der Lawinengefahr

Ausblick

Zwischen einem Hoch mit Zentrum über Südskandinavien und einem Tief über Russland gelangt Tirol am morgigen Freitag, 22.02. in eine starke Nordostströmung. Stark bis stürmischer Wind in den Bergen sowie etwas Niederschlag - insbesondere im Osten des Landes - sind die Folge.

 

Der Neuschnee sowie teilweise lockerer Altschnee werden vom starkem Wind verfrachtet und es bilden sich Triebschneepakete, insbesondere in Rinnen, Mulden und Kammlagen. Dieser Triebschnee wird schattseitig auf eine eher lockere Altschneeoberfläche, bestehend aus filzigen und kantigen Kristallen und z.T. Oberflächenreif (Nigg- Effekt) in Kammnähe abgelagert und ist mitunter durch geringe Belastung zu stören.

Die Schneeoberfläche besteht schattseitig häufig aus gesetztem, leicht aufbauend umgewandelten Pulverschnee ("Noppenpulver"). Dieser Schnee kann kurzfristig eine mögliche Schwachschicht für darüber gelagerten Triebschnee bilden. (Foto: 21.02.2019)

Im Vodergrund erkennt man etwas Oberflächenreif, welcher sich schattseitig in Kammnähe gebildet hat (Nigg-Effekt). Vermutlich wird der starke Wind aus nördlicher Richtung diesen häufig verblasen, sodass dieser eher selten als Schwachschicht in Erscheinung treten dürfte. Gilfert in den Tuxer Alpen (Foto: 21.02.2019)

Im Hochgebirge, besonders entlang des Alpenhauptkammes, sind die Gefahrenstellen häufiger anzutreffen, dies v.a. im neuschneereicheren Osten des Landes. Frische Triebschneeansammlungen sind dort neben schattigem Gelände vermehrt auch im kammnahen, sehr steilen Gelände aller Expositionen zu stören. Die Lawinengefahr steigt verbreitet an, in den Zillertaler Alpen, der Venedigergruppe sowie der Glocknergruppe wird die Gefahrenstufe 3 (erheblich) erreicht.

Neuschnee und starker Wind führen zu einem verbreiteten Anstieg der Lawinengefahr.

Weiterhin ein Thema bleiben die Gleitschneelawinen. Diese können besonders in den schneereichen Gebieten auch groß, vereinzelt sogar sehr groß werden und sollten bei der Tourenplanung immer auch im Auge behalten werden.

Eine beliebte Aufstiegsroute Richtung Kellerjoch in den Tuxer Alpen. Viele Tourengeher sind sich vermutlich nicht der durch Gleitschneelawinen lauernden Gefahr bewusst... (Foto: 21.02.2019)

Selbst eine Rast bei einer Almhütte könnte unangenehme Folgen haben. (Foto: 21.02.2019)

In Osttirol können Lawinen stellenweise noch im schwachen Altschneefundament ausgelöst werden und mittlere Größe erreichen. Am heikelsten bleibt hier der Nordsektor zwischen etwa 2000m und 2600m. Die Gefahrenstellen sind selten und für den Wintersportler meist nicht zu erkennen. Schneearme Bereiche sowie Übergänge von viel zu wenig Schnee sind bevorzugte Auslösebereiche.

Zum Wochenende beruhigt sich das Wetter. Dann dehnt sich das Hoch über Skandinavien wieder verstärkt in unsere Richtung aus. Laut ZAMG-Wetterdienststelle erwartet uns erneut ruhiges und für die Jahreszeit deutlich zu mildes Wetter mit trockener Luft und viel Sonnenschein.

Rückblick

Die überdurchschnittlich warmen Temperaturen seit Anfang letzter Woche haben der Schneedecke insbesondere sonnseitig sowie allgemein in tiefen Lagen stark zugesetzt.

Die Grafik zeigt die bisher gemessenen Maxima, Minima, den Mittelwert (graue Linie) und die aktuellen Schneehöhen (magenta) unserer Beobachterstation in Obertilliach. Wir befinden uns derzeit knapp unterhalb des Mittelwertes.

Die Gämsen freuen sich über die zunehmende Ausaperung und die warmen Temperaturen. Nockspitze. Nördliche Stubaier Alpen (19.02.2019).

Durch die zunehmende Durchfeuchtung der Schneedecke sowie dem vermehrten Eindringen von Wasser bis zum Boden wurden weiterhin Gleitschneelawinen beobachtet. Vereinzelt verschütteten diese auch exponierte Straßen. Abgenommen hat hingegen die Anzahl an nassen Lockerschneelawinen aus extrem steilem Gelände.

Eine Almhütte am Roßkogel (Stubaier Alpen) stemmt sich gegen die abgleitenden Schneemassen (Foto: 19.02.2019).

In Seduk bei Neustift im Stubaital drangen die Ablagerungen einer Gleitschneelawine bis in den Nahbereich der Häuser vor. (Foto: 20.02.2019).
Eine Gleitschneelawine hat in der Nacht auf Donnerstag, 21.02. die Planseestraße bei Breitenwang (Bezirk Reutte) auf einer Länge von rund 20 Metern verlegt (Foto: 21.02.2019).

Eine "Gleitschneefamilie": Von links nach rechts: Ein Gleitschneeriss, daneben eine frische Gleitschneelawine (man erkennt noch Schnee im Anrissgebiet), daneben eine bereits ältere Gleitschneelawine, wo liegengebliebener Schnee bereits geschmolzen ist, daneben eine weitere Gleitschneelawine die vor letzterer abgegangen ist. (Foto: 21.02.2019).


Die Lawinenbahn einer Gleitschneelawine an der Bschlaber Landesstraße (Foto: 18.02.2019).

Aus der Sicht des Wintersportlers hätten die Bedingungen in den vergangenen Tagen nicht besser sein können: Das sonnige, warme und winberuhigte Wetter bescherte beste Tourenbedingungen. Die Lawinengefahr war in ganz Tirol - abgesehen von der Gefahr von Gleitschneelawinen - gering.

Trotz der für die Jahreszeit überdurchschnittlichen Temperaturen konnte schattseitig noch toller Pulverschnee genossen werden. Die Schneedecke konnte sonnenabgewandt aufgrund des meist wolkenlosen Himmels Wärme unbehindert abstrahlen und blieb so von der warmen Lufttemperatur unbeeinträchtigt. Die starke Abstrahlung bedingte auch, dass der Neu- und Triebschnee vom Montag, 11.02., zusehends in kantige Formen umgewandelt und weitgehend bindungslos wurde. Das für Schneebrettlawinen notwendige Brett war somit meistens nicht mehr vorhanden. Der Schnee büßte von seiner skifahrerischen Qualität nur wenig ein.

Wolkenloser Himmel und feinster Noppenpulver im Schmirntal (Foto: 21.02.2019).

Sonnenexponierte Hänge waren hingegen nicht im Stande, die durch kurzwellige Sonneneintrahlung zugeführte Wärme wieder abzugeben: die Schneeoberfläche wurde zusehends feucht. Nach einigen Zyklen des Wiedergefrierens konnte in den vergangenen Tagen steil und südseitig bereits der erste Firn genossen werden. In Ost- und Westhängen war die Sonne meist noch nicht stark genug, um einen tragfähigen Schmelzharschdeckel entstehen zu lassen - Bruchharsch war die Folge.

In steilen Südhängen konnten z.T. bereits Firnverhältnisse angetroffen werden. Nockspitze, Stubaier Alpen (Foto: 19.02.2019).

Sonntag, 17. Februar 2019

Vorsicht vor Gleitschnlawinen! Sie können ein großes Ausmaß annehmen! Tageszeitlicher Anstieg der Lawinengefahr.

Wie schon erwartet beobachten wir derzeit eine Häufung von Gleitschneelawinen auf steilen Wiesenhängen. Dies hat mit den warmen Temperaturen, der intensiven Sonneneinstrahlung und der damit einhergehenden, zunehmenden Durchfeuchtung der Schneedecke zu tun. Das Schmelzwasser dringt bis zur Basis der Schneedecke am Grasboden und vermindert dort deren Reibung.

Vermehrt betroffen ist besonntes Gelände bis etwa 2600m hinauf. Aber auch im schattigen Gelände bis in mittlere Höhenlagen beobachtet man immer wieder diese Lawinenart.

Aufgrund der großen Schneemächtigkeit können Gleitschneelawinen großes bis sogar sehr großes Ausmaß mit zum Teil beachtlichen Auslauflängen annehmen. So verschüttete am 15.02. eine Gleitschneelawine einen Teil des Parkplatzes bei der Eisgratbahn im Stubaital. Einige Autos wurden dabei beschädigt. Personen kamen nicht zu Schaden.

Gleitschneemaul unterhalb einer Lawinenverbauung im Paznauntal (Foto: 16.02.2019)

Wenig später löste sich in diesem Bereich eine Gleitschneelawine (Foto: 16.02.2019)

Sonst war es mit einer Ausnahme ruhig in Bezug auf Lawinenabgänge. Von der Alpinpolizei wurden wir über einen Lawinenunfall unterhalb des Tschadinhorns in der Schobergruppe informiert. Dort löste sich kurz nach 11 Uhr eine Schneebrettlawine, als sich eine Gruppe von Skitourengehern in der Gipfelflanke im Aufstieg befand. Die Lawine war ca. 70m breit und 270m lang. Die Anrisshöhe betrug zwischen 40 und 80cm. Der Anriss lag auf 2965m. Das Gelände war zwischen 36 und 43° steil und nach Südwest ausgerichtet. Zwei Personen wurden mitgerissen und verletzt. Die Schwachschicht bestand aus kantigen Kristallen oberhalb einer Schmelzkruste. Darüber lagerte gebundener Schnee.

Lawinenunfall Tschadinhorn in der Schobergruppe. (Foto: 16.02ö.2019)

Samstag, 16. Februar 2019

Schattseitig in eng begrenztem Höhenband Bildung einer (möglichen) Schwachschicht beobachtet

Wir haben es derzeit in einem eng begrenzten Höhenband gebietsweise mit dem Gefahrenmuster 4 (kalt auf warm) zu tun.

Der Hintergrund: Am Sonntag, den 10.02. hat es in Tirol zwischen etwa 1600m und 2200m hinauf geregnet bzw. nass geschneit. Danach fiel die Temperatur in den Keller. Der Regen ging in Schneefall über. Anschließend blieb es kalt. Nun ist das Wetter von einem deutlichen tageszeitlichen Temperaturgang geprägt. Während klarer Nächte kühl(t)en die oberflächennahen Schneeschichten deutlich aus. Durch den markanten Temperaturunterschied zwischen der vormals feuchten Schneeoberfläche und dem darüber gelagerten kalten Schnee bildete sich an dieser Grenzfläche eine Schmelzkruste, darüber bzw. darunter findet man zum Teil kantige Kristalle. Aus dem Außerfern bekamen wir eine Rückmeldung von einer deutlich ausgeprägten Schwachschicht aus kantigen Kristallen in einem Nordhang auf 2150m (Fallesinspitze).

Markiert: Anfangs warme Temperaturen, beginnender  Niederschlag, anfangs Regen, dann Schnee. Deutlicher Temperaturabfall - Voraussetzung für Gefahrenmuster kalt auf warm (gm.4)

Wir gehen derzeit davon aus, dass es sich um vereinzelte Gefahrenbereiche handelt. Betroffen sind derzeit sehr steile Schattenhänge, dies in einem eng begrenzten Höhenband. (Den Höhenbereich können wir derzeit noch schwer eingrenzen, gehen aber davon aus, dass dieser zwischen etwa 1800m und 2200m liegen dürfte). Bedeutsam ist die Schwachschicht wiederum nur dort, wo genügend gebundener Schnee darüber lagert. Dies trifft für die neuschneereichen Regionen, dem Arlbergregion, dem Außerfern, den Nordalpen und dem Kaisergebirge zu. Durch das anhaltend schöne Wetter wird der über der Schwachschicht abgelagerte Schnee (vorausgesetzt der Wind verfrachtet keinen neuen Schnee) zunehmend an Spannung verlieren.

Fazit: Ein vermutlich nur vereinzeltes und kleinräumiges Problem in sehr steilen Schattenhängen, das kurzfristig beachtet werden sollte, und möglicherweise bald wieder vorbei ist.


Donnerstag, 14. Februar 2019

Aktuelle Situation / Mehr Schnee = mehr Lawinen?

Dieser Blogeintrag ist in zwei Teile untergliedert:

  • Kurz und bündig eine Beschreibung der derzeitigen Situation.
  • Ein Exkurs zu "Mehr Schnee = mehr Lawinen?"

Aktuelle Situation

In weiten Teilen Tirols herrschen derzeit verbreitet recht günstige Verhältnisse. Die Lawinengefahr ist am Vormittag meist von der Seehöhe abhängig: Oberhalb etwa 2400m herrscht geringe, darunter aufgrund der Gleitschneeproblematik mäßige Lawinengefahr. Während des Tages steigt die Lawinengefahr dann mit der Sonneneinstrahlung und Erwärmung etwas an und wird allgemein mäßig.

Wir haben es derzeit im Wesentlichen mit zwei Gefahrenmomenten zu tun: Gleitschneeproblem auf steilen Wiesenhängen (auch auf Hausdächern!) sowie Lockerschneelawinen aus extrem steilen, besonnten Hängen ab den Nachmittagsstunden.


Typisches Bild der derzeitigen Situation: Magenta Pfeile: Lockerschneelawinen aus extrem steilem Gelände; rote Ellipsen: Gleitschneemäuler auf steilen Wiesenhängen. Nordkette. (Foto: 13.02.2019)

 Die Hauptgefahr bilden eindeutig Gleitschneelawinen, die aufgrund der großen Schneehöhen gefährlich groß werden können. Bei einer gewissenhaften Tourenplanung sollte man derzeit immer auch die (mitunter nicht einsehbaren) Einzugsgebiete dahingehend beurteilen, ob dort Gleitschneelawinen abgehen könnten und solche Bereiche möglichst meiden. Zu beachten ist aber auch die Gefahr eines Sturzes in offene Gleitschneemäuler, dies besonders in Variantengebieten in den schneereichen Regionen Tirols.

Gleitschneelawine in den Tuxer Alpen am 06.02.2019. Im Hintergrund Lockerschneelawinen.

Heute am 14.02.2019 um 15:55 Uhr wurden wir von der Leitstelle Tirol über einen Lawinenunfall beim Bodenbachfall im Kaunertal informiert. Eine Person wurde dabei laut unserem Informationsstand schwer verletzt. Wir kennen die näheren Hintergründe noch nicht. Fest steht, dass auch verhältnismäßig kleine (Lockerschnee-?)Lawinen in dem engen Bachbett gefährlich für Eiskletterer sein können.

Lawinenunfall beim Bodenbachfall im Kaunertal. Rechts im Bild die Legende zur Hangneigung 
Nur mehr ein Randthema sind derzeit frische Triebschneepakete im hochalpinen, schattigen, kammnahen und sehr steilen Gelände, die ganz vereinzelt noch gestört werden können.

Die Verhältnisse erinnern an das Frühjahr: Während sternenklarer Nächte kühlt die Schneedecke aus. An besonnten Hängen bildet sich dadurch während der Nachtstunden ein Harschdeckel. Dieser ist derzeit meist noch brüchig. In wenigen Tagen allerdings kann man aufgrund der aktuellen Wetterprognosen der ZAMG-Wetterdienststelle davon ausgehen, dass sich zumindest in tiefen und mittleren Höhenlagen in sehr steilen bis extrem steilen Hängen ein tragfähiger Harschdeckel bilden wird. Im Tagesverlauf wird dieser Deckel wieder aufgeweicht. Wer rechtzeitig unterwegs ist, wird mit tollem Firn belohnt werden.

Im zentralen und südlichen Teil Osttirols (jenen Regionen, wo wir es noch mit einem Altschneeproblem zu tun haben) hat sich die Situation zwar gegenüber Anfang Februar deutlich gebessert, dennoch bleibt das Altschneeproblem ein Thema: Dort sollte man insbesondere im schattigen Gelände noch defensiver unterwegs sein. Im besonnten Gelände muss v.a. auf die erhöhte Störanfälligkeit der bodennahen Schwachschichten bei fortschreitender Durchnässung der Schneedecke geachtet werden.


Mehr Schnee = mehr Lawinen?

In weiten Teilen Tirols liegt derzeit bis in Tallagen außerordentlich viel Schnee. Doch wie beinflusst der viele Schnee den Winterverlauf im Hinblick auf die Schneedeckenstabilität und die Lawinengefahr?

Ein kurzer Exkurs: Lawinenarten

Wir unterscheiden nach dem Auslösemechanismus drei wesentliche Arten von Lawinen:
  • Schneebrettlawinen,
  • Lockerschneelawinen &
  • Gleitschneelawinen
Schneebrettlawinen stellen die typischen Skifahrerlawinen dar und sind für mehr als 90% aller Unfälle verantwortlich. Hier braucht es zum Abgang der Lawine 4 Zutaten: Einen mindestens 30° steilen Hang, ein gebundenes Schneebrett, eine darunter befindliche Schwachschicht mit entsprechender Tendenz zur Bruchfortpflanzung sowie einen Auslöser.

Anriss einer Schneebrettlawine: Steiles Gelände, Schneebrett auf einer Schwachschicht

Lockerschneelawinen
brauchen - wie der Name schon sagt - lockeren, ungebundenen Schnee. In der Regel handelt es sich dabei um trockenen Pulverschnee oder durchnässten Schnee. Ein sich hangabwärts bewegendes Schneekristall reißt im extrem steilen Gelände (>40°) auf seinem Weg nach unten weitere Schneekristalle mit sich. Die abgehende Lawine nimmt so ständig an Volumen zu. Typisch für die Lockerschneelawine ist die birnenförmige Lawinenbahn.

Nasse Lockerschneelawine aus felsigem Gelände

Gleitschneelawinen verhalten sich wiederum anders als Schneebrettlawinen oder Lockerschneelawinen. Hier handelt es sich um einen reinen Gleitprozess. Die gesamte Schneedecke rutscht aufgrund von Schmelzprozessen an der Grenze zwischen Schneedecke und gewachsenem Boden hangabwärts. Je feuchter der Untergrund, desto geringer die Reibung, desto wahrscheinlicher eine Gleitschneelawine. Wesentlich ist hierbei ein möglichst regelmäßiger, glatter Untergrund (z.B. Felsplatten, Wiesen, Hausdächer). Gleitschneelawinen können - im Gegensatz zu Lockerschnee- oder Schneebrettlawinen - auch auf Hängen unter 30° abgehen.

Zahlreiche Gleitschneelawinen in den Zillertaler Alpen (Foto: 22.01.2019)

Schneereiche Winter

Wie verhält es sich nun mit den Lawinen in besonders schneereichen Wintern?

Trockene Lockerschneelawinen treten aufgrund vermehrter und intensiverer Schneefälle häufiger auf als in schneearmen Wintern.

Schneebrettlawinen beobachtet man gehäuft während der intensiven Schneefallperioden. Danach stabilisiert sich die Schneedecke meist recht rasch. Vorteilhaft ist auch, dass durch die großen Schneemengen der Temperaturunterschied innerhalb der Schneedecke eher niedrig ist. Dadurch können nicht so leicht schwache, lockere Schichten entstehen, wie dies während schneeärmerer Winter der Fall ist. In Nordtirol baute sich die Schneedecke zu Winterbeginn stetig auf, sodass die gesamte Schneedecke meist recht stabil aufgebaut ist.
Im zentralen und südlichen Teil Osttirols hingegen dauerte es bis Ende Jänner, als die großen Schneefälle kamen. Bis dahin bildeten sich in der gering mächtigen Schneedecke bodennah ausgeprägte Schwachschichten, die Anfang Jänner sehr leicht gestört werden konnten. Dort bleibt vorerst ein latentes Altschneeproblem bestehen.

Schneereiche Winter sind "Gleitschneelawinen-Winter". Gleitschneelawinen kündigen sich häufig bereits einige Zeit vor dem tatsächlichen Lawinenabgang in Form von Gleitschneerissen, sogenannten "Gleitschnee- oder Fischmäulern" an.

Gleitschneerisse auf der Saile. Blick ins Inntal (Foto: 20.01.2019)

Diese Zugrisse entstehen bei stärkerem Schneegleiten an Orten, wo die Schneedecke unterhalb schneller gleitet als oberhalb. Ein Gleitschneeriss, der sich über Tage bis mehrere Wochen ausbreitet, kann plötzlich beschleunigen und als Gleitschneelawine abgehen. Das Aufteten eines Gleitschneerisses ist aber nicht zwingend notwendig. Gleitschneelawinen können also auch abrupt - ohne einen Riss - abgehen.

Eine mächtige Schneedecke begünstigt das vermehrte Auftreten von Gleitschneelawinen in zweierlei Hinsicht:
  • Die größere Schneeauflast bedingt eine größere hangabwärts gerichtete Kraft
  • Schnee isoliert gut. Dadurch hat Schnee in Bodennähe meist um 0°C, sprich dieser ist feucht - eine Voraussetzung für Gleitschneelawinen.
Die Gleitschneeproblematik wird uns noch den restlichen Winter über begleiten. Vermehrt werden diese bei zunehmender Durchfeuchtung der Schneedecke auftreten, können aber genauso am kältesten Tag des Jahres mitten in der Nacht abgehen. Ein weiterer Nachteil bei den Gleitschneelawinen - abgesehen von der schwierigen Einschätzbarkeit des Abgangszeitpunktes ist jener, dass diese nicht durch künstliche Zusatzbelastung (z.B. Sprengung) ausgelöst werden können.

Es gibt aber auch eine Spezies, die sich über Gleitschneelawinen freut:

Gämsen finden Äsung, wo Gleitschneelawinen abgegangen sind (Foto: 17.01.2019)

Dachlawinen: Während der vergangenen Tage beobachtete man in Tirol vermehrt Dachlawinen. Dabei handelt es sich vom Prinzip um Gleitschneelawinen: Wasser an der Grenzfläche zwischen Dach und Schnee vermindert die Reibung und erhöht die Gefahr einer Dachlawine.

Schnee gleitet auf glatten Dächern ab (Foto: 10.02.2019)

Hier erkennt man auf einem Blechdach eine Eisschicht, ein Indiz für freies Wasser, welches an der Grenzfläche zwischen Dach und Schneedecke vorhanden ist. (Foto: 10.02.2019)