Dienstag, 15. Mai 2018

Hochalpin kurzfristig auf frischen Triebschnee achten

Ein Tiefdruckkomplex bringt Tirol derzeit markanten Neuschneezuwachs mit einer um 2000m schwankenden Schneefallgrenze. Begleitet werden die Niederschläge von auflebendem Wind aus nördlicher Richtung. In hochalpinen Lagen gilt es damit kurzfristig, auf kammnahen, frischen Triebschnee zu achten und diesem auszuweichen.

Durch die intensive, meist diffuse Strahlung erwarten wir in weiterer Folge aus extrem steilen Hängen zahlreiche feuchte Lockerschneelawinen. Hier ist besonders auch auf eine mögliche Mitreiß- und Absturzgefahr zu achten. Die Schneedecke wird sich rasch stabilisieren.

Während der vergangenen 24 Stunden regnete bzw. schneite es vor allem in der nördlichen Hälfte Tirols intensiv.


Auf den höheren Bergen gab es bereits markanten Neuschneezuwachs.

Noch ein kurzer Rückblick auf die erste Mai-Hälfte:

Die Schneedecke zog sich bei anhaltend milden Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit stetig zurück. Die Schneegrenze liegt inzwischen schattseitig im gesamten Land oberhalb der Waldgrenze, sonnseitig etwa 500m höher – bei einer teils für die Jahreszeit unterdurchschnittlichen Mächtigkeit.

Die Schneedecke beginnt inzwischen schattseitig oberhalb der Waldgrenze. Silvretta-Samnaun. Foto: 08.05.2018

Brüche in der Altschneedecke wurden nur mehr sehr vereinzelt beobachtet. Sie besteht inzwischen zumeist aus Sommerfirn mit seiner charakteristisch buckligen Struktur. Schneebrettlawinen, für die durch einen Bruch in einer Schwachschicht ausgelöst werden, sind bei Sommerfirn nicht mehr zu erwarten. Gleitschneelawinen treten bei Sommerfirn jedoch genau so auf.

Stabiler Sommerfirn mit seiner charakteristischen Oberflächenstruktur im Jamtal, Silvretta-Samnaun. Foto: 09.05.2018

Hochalpin findet man noch genug Schnee für Skitouren. Jamtal, Silvretta-Samnaun. Foto: 08.05.2018

Bei guter Zeiteinteilung konnte man vor allem in hoch gelegenen Schattenhängen noch guten Firn fahren.

Perfekte Firnbedingungen bei entsprechend zeitiger Abfahrt von der Liebener Spitze im hinteren Ötztal. Foto: 06.05.2018

Daneben sind Schneefelder durch Lawinenablagerungen bis deutlich unter 2000m noch häufig anzutreffen.

Lawinenablagerungen mit viel mitgerissenem Material findet man heuer besonders häufig. Abfahrt vom Zwieselbacher Rosskogel, Nördliche Stubaier Alpen. Foto: 11.05.2018

Ausblick für den Sommer:

Schneebrettlawinen:
Brüche in bodennahen Schwachschichten sind bei massiver Durchnässung der Schneedecke noch im hochalpinen, vergletscherten, extrem steilen Gelände denkbar, allerdings unwahrscheinlich.
Bei Neuschneefällen während kalter Temperaturen unter Windeinfluss gilt es vor allem auch im Sommer kurzfristig auf kammnahen, frischen Triebschnee im hochalpinen Gelände zu achten.

Lockerschneelawinen:
Stellen ebenfalls vor allem nach Neuschnee im extremen Steilgelände eine Gefahrenquelle dar.

Gleitschneelawinen:
Erwarten wir vereinzelt noch auf schneebedeckten Grashängen, in hohen Lagen auf glatten Felsplatten wie man sie typischerweise im Gletschervorfeld findet (Gletscherschliff).
Frische Gleitschneelawine sowie Gleitschneerisse auf Felsplatten durch Gletscherschliff. Foto: 12.05.2018

Donnerstag, 3. Mai 2018

Häufig trifft man auf stabilen Sommerfirn. Gefahrenstellen am ehesten noch im hochalpinen Gelände.

Laut ZAMG-Wetterdienststelle lag der April 2018 um 4,6 Grad über dem Mittel und zählte damit zum zweit wärmsten April der 251-jährigen Messgeschichte. Dies wirkte sich einerseits auf einen rapiden Schneehöhenschwund, andererseits in einer überdurchschnittlich raschen Umwandlung des Schnees zu stabilem Sommerfirn aus.

Je nach Tourenziel ist zum Teil längeres Skitragen angesagt. Stubaital (Foto: 27.04.2018)

Stabiler Sommerfirn im Südlichen Osttirol  (Foto: 29.04.2018)

Sommerfirn samt Saharastaub bei der Abfahrt von der Weißkugel in den Südlichen Ötztaler Alpen (Foto: 28.04.2018)

Derzeit liegt die Höhengrenze für Sommerfirn im schattigen Gelände bei etwa 2500m, im besonnten Gelände reicht diese bis über die 3000m-Grenze hinauf.

Dadurch hat auch die Anzahl an Gefahrenstellen weiter abgenommen, die in Summe nur mehr vereinzelt anzutreffen sind.

Dazu zählen:

1) Gleitschneelawinen…
…auf Wiesenhängen oder Felsplatten (auch dort, wo die Schneedecke aus stabilem Sommerfirn besteht).

Frischer Gleitschneerutsch am Stripsenkopf in den Kitzbüheler Alpen (Foto: 29.04.2018)

Frischer Gleitschneerutsch in der Silvretta (Foto: 28.04.2018)

2) Nasse Lockerschneelawinen…
… im extrem steilen Gelände, insbesondere nach Neuschneefällen.

3) Schneebrettlawinen:

Szenario 1:
Am wahrscheinlichsten sind kleinräumige, kammnahe Triebschneepakete im hochalpinen, kammnahen, sehr steilen Gelände unmittelbar nach Neuschneefällen samt Windeinfluss bei kühleren Temperaturen.

Dieses Szenario wurde am 01.05. drei Skitourengeher knapp unterhalb des ca. 3500m hohen Großen Möselers in den Zillertaler Alpen zum Verhängnis. Als sie mit Steigeisen über die extrem steile NW-Wand aufsteigen wollten, löste sich im obersten Bereich ein kleines Schneebrett. Das Schneebrett war ca. 30m breit bei einer Anrissmächtigkeit zwischen 10 und 30cm. Alle Personen wurden in Folge über den Eisbruch in die Tiefe gerissen und blieben unverschüttet, jedoch verletzt (eine Person schwer) am Furtschaglkees liegen. Maßgeblich für den Unfall waren die Niederschläge vom 29.04. auf den 30.04. in Kombination mit dem Südföhneinfluss. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Rückmeldung unseres Beobachters und Bergführers Stefan Wierer, der uns am 01.05. westlich des Unfallgebietes von einer großflächig eisverkrusteten Schneeoberfläche (samt darauf befindlichem Triebschnee) berichtet hat. Es ist fraglich, ob diese Eiskruste im Unfallgebiet in diesem Höhenbereich noch anzutreffen war. Angenommen, dies sei der Fall gewesen, müsste als Voraussetzung für das Schneebrett zwischen Eiskruste und Triebschnee eine Schwachschicht vorhanden gewesen sein. Diese ist uns nicht bekannt, da wir nicht vor Ort waren. Am wahrscheinlichsten sind Graupel, eventuell auch lockerer, überwehter Neuschnee.

Lawinenunfall Großer Möseler am 01.05.2018 in den Zillertaler Alpen. Eingezeichnet ist die ungefähre Aufstiegsspur samt dem Schneebrett. Die Personen wurden über den Eisbruch mitgerissen und blieben im flacheren Gelände darunter zu liegen. (Foto: 01.05.2018)

Bei der Wetterstation Schlegeis wurden vom 29.04. auf den 30.04. knapp über 10mm Niederschlag gemessen. Dies entspricht in großen Höhen um 10cm Neuschnee. Beachtenswert ist der aus südlicher Richtung wehende Wind.

Am Weg zum Hohen Riffler in den Zillertaler Alpen. Markant ist die großflächig, eisverkrustete Schneeoberfläche (Foto: 01.05.2018)

Am Stubaier Gletscher wurde am 29.04. Schneeregen bis 3000m hinauf beobachtet.

Szenario 2:
Insbesondere im sehr steilen, schattigen Gelände oberhalb etwa 2500m, dort wo die Schneedecke den Winter über schneearm war, sind kleinräumige Schneebrettauslösungen denkbar. Meist sollte es dazu großer Zusatzbelastung bedürfen.
Szenario 3:
Eine unmittelbar oberhalb des Gletschereises befindliche Schwachschicht könnte bei massiver Durchnässung noch aktiviert werden. Dies scheint jedoch unwahrscheinlich zu sein. (Die letzte uns bekannte Aktivierung war in den Südlichen Ötztaler Alpen während der Starkschneefälle um den 22.01.2018 im schattigen, sehr steilen Gelände unterhalb der Großen Geige).

Wechten- und Seracbrüche…
…ähnlich wie Gleitschneelawinen vom Abgangszeitpunkt praktisch nicht vorhersehbar. Deren Zusatzbelastung kann vereinzelt als Auslöser für Lawinen dienen.

Das Frühjahr ist nicht mehr aufzuhalten! Südliche Ötztaler Alpen (Foto: 28.04.2018)