Mittwoch, 15. Februar 2017

Überblick über die derzeitige, zum Teil recht unterschiedliche Lawinensituation

Die Lawinengefahr in Tirol schwankt zurzeit zwischen einer – auch für den Profi – herausfordernden Situation bei erheblicher Gefahr und sehr günstigen Verhältnissen bei geringer Lawinengefahr.

Das Hauptproblem stellt derzeit ein zum Teil noch recht heimtückisches Altschneeproblem dar, wobei einer der „hot spots“ der Lawinengefahr derzeit die Region der Südlichen Ötztaler Alpen zu sein scheint. Dort sind während der vergangenen Zeit nicht nur die meisten Meldungen über Lawinenabgänge eingegangen, sondern zeigen Stabilitätstests im Vergleich zu anderen Regionen vermehrt noch instabilere Verhältnisse. Auch Fernauslösungen wurden hier noch beobachtet.


Das Altschneeproblem ist komplex und nicht nur von der Seehöhe, sondern auch von der Region und dem kürzlichen Süd-Föhneinfluss abhängig. Betroffen sind derzeit vorwiegend die Expositionen W über N bis O oberhalb etwa 2400m (südseitige Schwachschichten in höheren Lagen werden erst bei deren Durchnässung bedeutsam). In Osttirol konzentrieren sich die Problembereiche hingegen auf schattiges Gelände, beginnend von etwa 2000m aufwärts. Wichtig zu erwähnen ist dabei, dass die Anzahl an Setzungsgeräuschen und Rissbildungen in Osttirol während der vergangenen Tage deutlich abgenommen hat. Das über der Schwachschicht liegende, meist nicht allzu mächtige „Brett“, wurde offensichtlich während des Schönwetters, u.a. durch die nächtliche Ausstrahlung der Schneedecke lockerer.
Bei den meist geringen Schneemengen wirkt sich das lockere Fundament v.a. bei gleichmäßigem Untergrund (wie Grasflächen oder aber Almrosengebüsch) aus. Brunnalmgebiet im Defereggental (Foto: 11.02.2017)

Hier ein Profil von den Osttiroler Dolomiten. Man erkennt das sehr lockere Fundament in Bodennähe, aber auch die gering mächtige Überlagerung durch härtere Schichten. Das „Brett“ scheint hier inzwischen zu wenig ausgeprägt zu sein, um Probleme zu verursachen. Vorsicht ist jedoch überall dort geboten, wo während der vergangenen Zeit mehr Wind im Spiel war und dadurch das, die Schwachschicht überlagernde, „Brett“ mächtiger ist!

In ganz Tirol wurde während der vergangenen Woche viel Gelände verspurt. Die Anzahl an Lawinenereignissen ist vergleichsweise gering (mit Ausnahme der Südlichen Ötztaler Alpen). Bild von den Nördlichen Stubaier Alpen (Foto: 13.02.2017)

Auffallend bei den kürzlichen Lawinenereignissen war auch, dass sich die für die Lawinenauslösung bedeutsamen Schwachschichten erst im Jänner gebildet haben (häufig unter Wind- bzw. Schmelzkrusten). Nach dem Bruch in diesen Schichten kam es anschließend (durch enorme Zusatzbelastungen) zu Brüchen in tieferen Schwachschichten, welche im Frühwinter entstanden sind. Meist sind diese bodennahen Schichten bereits zusammengesintert (ältere Schmelzkrusten haben sich zum Teil völlig aufgelöst) und können deshalb nicht mehr so leicht durch Wintersportler gestört werden.

Der Impuls einer Lockerschneelawine führte zum Abgang einer Schneebrettlawine; Kraspesspitze in den Nördlichen Stubaier Alpen; (Foto: 12.02.2017)

Vorhin wurde auch erwähnt, dass der Süd-Föhneinfluss Auswirkungen auf die Lawinensituation hat. Dies gilt insbesondere für den Bereich der typischen Föhnschneisen in den Regionen entlang des Alpenhauptkammes, ganz besonders auch für Randbereiche der Tuxer, Zillertaler und Stubaier Alpen. Gerade in kammnahen, schattigen Steilhängen wurde während der vergangenen Woche doch einiges an Schnee verfrachtet. Dort, wo es sehr steil ist, können mitunter für den Wintersportler gefährlich große Lawinen ausgelöst werden. Solche kürzlich entstandenen Triebschneeansammlungen sollten allerdings vom erfahrenen Wintersportler recht gut zu lokalisieren und dadurch zu umgehen sein.

Bei der Wetterstation Gallreideschrofen in den Südlichen Stubaier erkennt man den kürzlichen Föhneinfluss. Ebenso interessant ist die gute nächtliche Ausstrahlung der Schneedecke (sh. Oberflächentemperatur). Dadurch bildete sich in steilen Südhängen zumindest unterhalb etwa 2300m ein tragfähiger Harschdeckel aus.

Das Altschneeproblem tritt übrigens in der Silvretta derzeit etwas weniger in Erscheinung, weil eine relativ mächtige Schneeauflage von Anfang Februar die Störanfälligkeit durch Wintersportler vermindert.

Winterliches Bild aus der Silvretta (Foto: 07.02.2017)

Neben dem Altschneeproblem hat sich die Erwärmung während des vergangenen Schönwetters etwas bemerkbar gemacht. Allerdings hielt sich durch die sehr trockene Luftmasse die Lawinenaktivität im besonnten, extrem steilen Gelände in Grenzen. Es wurden durchwegs kleine, nasse Lockerschneelawinen beobachtet. (Sollte die Schneedecke morgen am 16.02. in Höhenlagen um 2500m in schneearmen Bereichen tieferreichend nass werden, ist die Gefahr von Schneebrettlawinen allerdings nicht auszuschließen).

Die ersten feuchten Lockerschneelawinen wurden uns am 13.02.2017 gemeldet.

Was die Schneequalität anlangt so kann man es sich derzeit aussuchen:
Firn, Pulver oder Bruchharsch. Firn findet man (noch morgen am 16.02.) in steilen Südhängen zumindest unterhalb etwa 2300m, Pulver in windberuhigten Schattenhängen und Bruchharsch aufgrund von Sonneneinfluss in weniger geneigtem Gelände - oder aber aufgrund von Windeinfluss.

Firn bei der Abfahrt vom Kleinen Galtenberg in den Kitzbüheler Alpen (Foto: 14.02.2017)

Pulver bei der Abfahrt vom Almerhorn in Osttirol (Foto: 14.02.2017)