Lang anhaltende Kälteperioden, wie wir sie gerade erleben, haben sowohl positive als auch negative Auswirkungen, die negativen dominieren.
Einerseits beobachtet man fortschreitende aufbauende Umwandlung und dadurch einen langsamen Spannungsabbau. Besonders gut zu erkennen ist dies derzeit in den schneeärmeren Regionen und Bereichen. Dort bricht man beim Skifahren zunehmend bis zum Boden durch. In der Altschneedecke befindliche Krusten werden dünner, dazwischen vorhandene kantige Kristalle bzw. Schwimmschnee ausgeprägter. Setzungsgeräusche werden in windberuhigten Bereichen nicht mehr beobachtet. Lawinenauslösungen sind dort unwahrscheinlich.
Die Kälte setzt der Schneedecke zu. Man erkennt oben Pulverschnee, dann folgen dünne Krusten, dazwischen aufbauend umgewandelte Kristalle. Glorerhütte, Osttiroler Tauern (Foto: 04.02.2015)
Aufbauend umgewandelt wird zusätzlich auch die Schneeoberfläche. Das heißt, man findet dort neben kaltem Pulverschnee immer öfters auch kantige Kristalle. Zusätzlich wurde uns während der vergangenen Woche auch von Oberflächenreif, einer der kritischsten Schwachschichten in der Schnee- und Lawinenkunde, berichtet.
Gefährlich wird es überall dort, wo der zunehmende Höhenwind zu neuen Verfrachtungen führt. Triebschnee verbindet sich derzeit sehr schlecht mit dieser Altschneeoberfläche.
Wind verfrachtet lockeren Pulverschnee. Vorsicht vor Triebschnee in windabgewandten Steilhängen! Goisele, Zentralosttirol (Foto: 02.02.2015)
Abgesehen von oben erwähnten Gefahren durch frischen Triebschnee muss man heuer besonderes Augenmerk auch auf die Beschaffenheit der Altschneedecke richten. Dort, wo mehr Schnee liegt, können die Spannungen innerhalb der Schneedecke unverändert ausreichen, dass Lawinen im Bereich von Schwachschichten in der Altschneedecke ausgelöst werden können. Leider beobachtet man während dieses Winters eine außergewöhnliche Verbreitung möglicher Schwachschichten - auch in besonnten Hängen. Es handelt sich durchwegs um kantige Kristalle bzw. Schwimmschnee, welche zwischen Krusten eingelagert sind. Jene Schwachschichten, die in Bodennähe vorhanden sind, sollten eher nur mehr an Übergangsbereichen von wenig zu viel Schnee zu stören sein.
Man erkennt die bodennahe Schwimmschneeschicht. Stabilitätstests weisen immer noch auf eine vielerorts schlechte Verbindung hin. Dies vermehrt im schattigen, schneereicheren Steilgelände oberhalb der Waldgrenze sowie in besonnten Hängen oberhalb etwa 2300m. Im extrem steilen besonnten Gelände unterhalb etwa 2700m sollten gefrorene Wasserkanäle, die vertikal innerhalb der Schwachschichten verlaufen, zu einer beträchtlichen Stabilisierung beitragen. Somit sind beispielsweise 35° steile Südhänge mitunter leichter zu stören als 40° steile Südhänge. Zentralosttirol (Foto: 02.02.2015)
In hochalpinen Bereichen (oberhalb von etwa 3000m) sind häufig derart ausgeprägte Winddeckel in der Schneedecke eingelagert, dass Lawinenauslösungen in bodennahen Schwachschichten eher die Ausnahme darstellen sollten.
Zusätzlich zu diesen bodennahen Schwachschichten haben sich inzwischen im unmittelbaren Bereich der Regenkrusten, die sich vom 03.01. auf den 04.01. bzw. um den 10.01. gebildet haben (letztere bis meist 2600m, im Arlberggebiet bis teilweise 2800m hinauf) ebenso ausgeprägte kantige Schwachschichten gebildet, die es zudem zu beachten gilt.
Spontane Lawinen im Außerfern. Als Schwachschicht kommen mit hoher Wahrscheinlichkeit kantige Kristalle im Bereich der Regenkrusten von Anfang Jänner in Frage. (Foto: 03.02.2015)
Trotz deutlicher Abnahme von Setzungsgeräuschen und Rissbildungen während der vergangenen Zeit, die auf eine langsame Besserung der Situation hinweisen, muss ich gestehen, dass ich unverändert gerne defensiv unterwegs bin, mag heißen, Pulverschnee in nicht zu steilem, gut strukturierten Gelände zu genießen…
Defensive Routenwahl als Antwort auf den derzeitigen Schneedeckenaufbau, Goisele, Zentralosttirol (Foto: 02.02.2015)
Etwas weiter „Hinauslehnen" darf man sich derzeit wohl auch in jenem Gelände, das den gesamten Winter über ständig befahren bzw. begangen wurde. Interessant in diesem Zusammenhang z.B. auch ein Lawinenabgang letzte Woche im Gipfelniveau des Gilfert in den Tuxer Alpen. Ein Skitourengeher löste in einem sehr steilen Westhang etwas versetzt der Standardroute ein Schneebrett aus. Er konnte ausfahren und blieb unverletzt.
Hier noch ein paar Impressionen der vergangenen Woche:
Lawinenauslösung am Hinteren Grieskogel in den Nördlichen Stubaier Alpen. Die Personen entkamen der Lawine, meldeten dies aber nicht bei der Leitstelle. Der Einsatz des C1-Teams war somit umsonst. Die Lawine wurde offensichtlich in einer bodennahen Schwachschicht ausgelöst. Rechts versetzt dieser Lawine wurde Anfang der Wintersaison eine Person von einer Lawine erfasst und schwer verletzt (Foto: 31.01.2015).
Spontane Lawinen im Rofan, ev. auf Oberflächenreif? (Foto: 31.01.2015)
Ziemlich keck: Wankspitze, Westliche Nordalpen; Im Vordergrund erkennt man den Anriss einer spontanen, frischen Schneebrettlawine. Ein Bergführer, der gerade auf dem Gipfel war, riet den 3 Personen angesichts dieses offensichtlichen Gefahrenzeichens von ihrer geplanten Befahrung in Richtung Stöttlreisen dringend ab. Sie hielten an ihrem Ziel fest, lösten dann die nächste Lawine aus und hatten erst dann Einsehen. Hier war mit hoher Wahrscheinlichkeit eingeschneiter Oberflächenreif im Spiel. (Foto: 31.01.2015). Ähnliches hat sich Anfang Jänner an derselben Stelle zugetragen.
Lawinenauslösung am Kleinen Galtenberg in den Kitzbüheler Alpen. Ein Skitourengeher wurde erfasst, über felsiges Gelände mitgerissen und zog sich dabei Verletzungen zu. (Foto: 01.02.2015)
Lawinenauslösung am Kleinen Galtenberg in den Kitzbüheler Alpen. Aufstiegsspur samt Lawinenanriss (Foto: 01.02.2015)
Kammnahes Triebschneepaket, das bewusst im Bereich der Aleitenspitze ausgelöst wurde (Foto: 01.02.2015)
Ausgezeichnete Sprengerfolge im Arlberggebiet (Foto: 03.02.2015)
Wie geht es weiter: Wir nähern uns dem Gefahrenmuster „Schnee nach langer Kälteperiode" (gm.5). Dies bedeutet, dass wir mit den vorhergesagten Schneefällen samt dem folgenden Temperaturanstieg und Schönwetter kurzfristig mit erhöhter Lawinenaktivität rechnen müssen, v.a. in den niederschlagsreicheren Regionen im Osten des Landes.
Entscheidend ist dabei die tatsächliche Neuschneemenge samt der Niederschlagsintensität in Kombination mit dem vorhergesagten, zum Teil stürmischen Nordwind. Lawinen können in allen Expositionen auftreten. Vermehrt rechnen wir am Montag mit spontanen Lawinenabgängen im derzeit schneeärmeren, schattseitigen Waldgrenzbereich aufwärts sowie im kammnahen südexponierten Gelände, am Dienstag im besonnten Steilgelände.
Im südlichen Osttirol, wie hier im Bereich der Dolomitenhütte schneite es vom 05.02 auf den 06.02. bereits ca. 20cm.
Gelände, in dem bei entsprechenden Neuschneefällen v.a. im Osten des Landes vermehrt mit spontanen Lawinen zu rechnen ist: vom schattigen, sehr steilen Waldgrenzbereich aufwärts.