Dienstag, 13. Oktober 2020

Im Hochgebirge zum Teil winterliche Verhältnisse - gerade bekannt geworden: erstes Lawinenopfer der Saison

Zu kühl, niederschlagsreich und Schnee auf den Bergen

Nach einem überdurchschnittlich regenreichen August (mit ersten Schneefälle bis knapp 2000m am 04.08.2020) folgte zunächst ein überwiegend warmer September.


Sehr frühes und naturgemäß nur kurzes "Wintervergnügen" am 05.08. am Stubaier Gletscher (Foto: 05.08.2020)

Ab dem 22.09.2020 wurde es wieder feucht und am 26.09.2020 gab es einen massiven Wintereinbruch mit Schnee bis in tiefe Lagen.


Für die Jahreszeit sehr viel Neuschnee in weiten Teilen Tirols
70cm Neuschnee auf der Innsbrucker Hütte in den Stubaier Alpen (Foto: 26.09.2020)
Eindeutig zu kalt für diese Jahreszeit. Rettenbachtal (Foto: 27.09.2020)

Durch eine stürmische Föhnlage und Regen bis in hohe Lagen am 02. und 03.10. schmolz ein Großteil des liegengebliebenen Schnees binnen kurzer Zeit.


Die Ellipsen markieren den Niederschlag sowie die stürmische Südströmung. Rechteckig umrahmt: Starke Schneefälle samt Temperatursturz 25./26.09.2020

Dies brachte in einigen Tälern die Bäche an ihre Grenzen. So z.B. beim Gschnitzbach im Wipptal, wo ein hundertjähriges Hochwasserereignis nur um wenige Zentimeter verfehlt wurde.


Pegel Gschnitzbach (c) hydro online
Gschnitzbach (Foto: 03.10.2020)

Die ersten beiden Oktoberwochen gestalteten sich großteils kühl und wechselhaft, mit mehreren Schneefallereignissen, zum Teil bis in tiefe Lagen. Zudem wehte auf den Bergen mitunter kräftiger Wind.


Winterlich im Hochgebirge


Das unbeständige Wetter seit Ende September führte im Hochgebirge somit häufig bereits zu recht winterlichen Verhältnissen. Erfreut sind die Gletscherskigebiete. Dort findet man bereits gute Pistenverhältnisse vor.


Skibetrieb am Stubaier Gletscher (Foto: 08.10.2020)

Auch Skitourengeher kamen zumindest kurzfristig bereits auf ihre Rechnung, dies u.a. nach den intensiven Schneefällen am 26.09.2020. Zu den damals doch nicht alltäglichen Schneefällen und zum Thema Skitouren im Herbst hat unser Beobachter Lukas Ruetz intensiv recherchiert: Lesenswert!

Ebenso bekamen wir am 12.10. eine Rückmeldung unseres Beobachters Thomas Mariacher über eine (kurzfristig mögliche) Skitour auf das Figerhorn in Osttirol.


Skitour bei ca. 20cm Schnee Dank des grasigen Untergrundes: Figerhorn (Foto: 12.10.2020)


Gebietsweise Lawinengefährdung bereits im Herbst - erstes Lawinenopfer der Saison


Gerade während des Verfassens dieses Blogeintrages ereilte uns die Meldung des ersten Lawinenopfers der Saison. Ein seit Samstag, den 10.10. vermisster Tourengeher am Großvenediger konnte heute am 13.10. nur mehr tot geborgen werden. Er wurde kurz unterhalb des Gipfels von einem Schneebrett mitgerissen und stürzte in Folge über felsdurchsetztes Gelände ab.


Bild vom Großen Geiger Richtung Großvenediger. Der Pfeil zeigt auf den ungefähren Bereich, wo am 10.10. eine Person von einer Schneebrettlawine mitgerissen wurde. (Foto: 09.10.2020) 

Ein Foto auf tirol.orf.at zeigt zudem einen Anriss unterhalb der Felsflanke. Dabei muss es sich um einen Sekundäranriss aufgrund der Zusatzbelastung der abstürzenden Schneemassen handeln. Beim Sekundäranriss sieht man das Gletschereis herausschauen - ein Indiz für eine tiefer liegende Schwachschicht innerhalb der Schneedecke. Zwar haben wir bis dato noch keine gesicherten Informationen über die Hintergründe des Lawinenabganges. Vieles spricht aber dafür, dass auch beim primären Anriss unterhalb des Gipfels eine in der Altschneedecke vorhandene Schwachschicht die Auslöse-Ursache gewesen sein dürfte. (Erstinformationen zufolge ist von einer Anrisshöhe von ca. 75cm auszugehen.) Dies deckt sich mit einem Lawinenabgang unterhalb der Königsspitze in Südtirol am 27.09.2020, wo zwei Alpinisten betroffen waren. Details dazu im Blog der Südtiroler Kollegen. Maßgeblich dürfte somit eine zuvor feuchte Schneeoberfläche sowie der folgende massive Temperatursturz samt anschließendem Schneefall um den 26.09. gewesen sein. Wir gehen davon aus, dass sich infolgedessen in sehr kurzer Zeit eine persistente (lang anhaltende) Schwachschicht aufgrund des Gefahrenmusters 4 (kalt auf warm) ausgebildet haben dürfte. Betroffen waren in beiden Fällen ähnliche Höhenbereiche. Das Unfallgebiet ist Richtung SW ausgerichtet und liegt auf ca. 3600m.

Gleitschneerutsche / -lawinen

Ein wiederkehrendes Muster stellen auch die im Frühwinter nach intensiveren Schneefällen zu beobachtenden Gleitschneerutsche bzw. -lawinen dar. Auf dem noch relativ warmen Grasboden kann der Neuschnee im Steilgelände abgleiten und mitunter Personen gefährden. Insbesondere Vorsicht auch bei Wanderungen unterhalb von Grashängen kurz nach Schneefällen.

Zahlreiche Gleitschneerutsche im Außerfern am 27.09.2020
Pfeile markieren Anrissbereiche von Gleitschneerutschen oberhalb von St. Veit im Defereggen (Foto: Vitus Monitzer, 12.10.2020)

Lockerschneerutsche / -lawinen

Ebenso immer wiederkehrend: Lockerschneerutsche bzw. -lawinen, die sich unmittelbar nach Schneefällen aus extrem steilem Gelände lösen. Die im Frühwinter noch intensive Strahlung kann die Schneeoberfläche rasch aufweichen und dadurch destabilisieren. Es handelt sich um eine Lawinenart, die verhältnismäßig leicht vorherzusagen ist. Insbesondere dann, wenn die Schneemassen feucht sind, können Personen vermehrt gefährdet sein.

Pfeile zeigen auf Lockerschneerutsche unterhalb des Großglockners aufgrund der Sonneneinstrahlung (c) foto-webcam.eu

Nachsatz: Sobald wir nähere Informationen zum Schneedeckenaufbau im hochalpinen Gelände, insbesondere auch zum erwähnten Lawinenunfall haben, wird ein neuer Blog veröffentlicht werden.