Kurz vorweg
Der April macht seinem Namen gerade alle Ehre und macht wettermäßig, was er will. Das wirkt sich kurzfristig auch deutlich auf die Lawinengefahr aus. Mit der zu erwartenden massiven Erwärmung am morgigen Samstag, 22.04., wird die Lawinengefahr im Tagesverlauf ansteigen. Es ist dann auch mit vermehrter spontaner Lawinenaktivität zu rechnen. Eine gute Tourenplanung und Zurückhaltung sind entscheidend!
Nach Schneefällen zunehmende Durchfeuchtung und Schwächung der Schneedecke
Nach dem ausgeprägten Frühjahrszyklus Ende März und der anschließend kühlen Wetterphase richten wir unseren Fokus neuerlich auf die Durchfeuchtung bzw. Durchnässung der Schneedecke. Aktuelle Schneedeckenuntersuchungen zeigen, dass die Temperaturreserven innerhalb der Schneedecke nun auch in Schattenhängen unterhalb etwa 2700m nahezu aufgebraucht sind. D.h. die Schneetemperatur beträgt bereits 0°C oder liegt nahe dran. Warme Temperaturen, hohe Luftfeuchtigkeit (Quellwolkenbildung im Tagesverlauf) und (diffuse) Sonneneinstrahlung führen nun zu einer raschen Durchnässung der Schneedecke. Eindringendes Wasser schwächt die Schneedecke. Es steigt dann sowohl die Auslösewahrscheinlichkeit von Schneebrettlawinen durch WintersportlerInnen, als auch die Wahrscheinlichkeit spontaner Lawinen (Schneebrett-, Lockerschnee- und Gleitschneelawinen) an.
Bei dem gestern, am 20.04. aufgenommenen Profil auf 2120m in einem 35° steilen Nordhang in den Nördlichen Zillertaler Alpen ist die Schneedecke durchgehend isotherm. |
Erhöhte Lawinenaktivität - kurzfristig große Lawinenabgänge möglich
Wie schon erwähnt, rechnen wir aktuell mit einer erhöhten Lawinenaktivität. In den neuschneereicheren Regionen, welche sich grenznah zu Südtirol im Bereich des Alpenhauptkammes befinden, wird man bereits heute am 21.04. mit zahlreichen Lockerschneelawinen rechnen müssen. Durch die Zusatzbelastung von Lockerschneelawinen können in Folge wiederum Schneebrettlawinen im Bereich von langlebigen Schwachschichten (im Mittelteil der Schneedecke, aber auch in Bodennähe) ausgelöst werden. Lawinen können dadurch auch groß werden.
48h Neuschneeprognose vom 20.04.2023 |
24h-Niederschlagsverteilung (Stand: 21.04.2023 07:20 Uhr) |
Impressionen der vergangenen Woche
Blick vom Hochstein oberhalb von Lienz ins Lienzer Becken (Foto: 14.04.2023) |
Schneebrettauslösung von Wintersportlern im Bereich des Flimjochs, Grenzgebiet Samnaungruppe / Schweiz; Nord 2700m 35° (Foto: 18.04.2023) |
Graupel - ein in letzter Zeit häufiger Begleiter von Schneefällen (Foto: 19.04.2023) |
Am Bild erkennt man rechts seitlich der Personen kürzlich abgegangene Lockerschneelawinen. Gurgler Gruppe (Foto: 19.04.2023) |
Wie gehts weiter?
Am Sonntag, 23.04. bringt eine Kaltfront neuerlich Niederschlag. Das Wetter bleibt unbeständig. Die Prognosen sind unsicher. Niederschläge werden immer wieder schauerartig sein. D.h. wir haben wiederum erhöhtes Potential von Graupeleinlagerungen im Neuschnee. Dort, wo es intensiver schneit, kann Graupel deshalb kurzfristig auch eine mögliche Schwachschicht für Schneebrettlawinen bilden. Die Situation bedarf einer besonders gründlichen Tourenplanung. Neben der häufig schlechten Schneequalität sollte man sich im freien Gelände über das erhöhte Lawinenrisiko bewusst sein. Einzig in sehr großen Höhen, dort wo die Wärme weniger wirkt, sind die Verhältnisse tendenziell etwas besser.