Mittwoch, 3. April 2013

Detailanalyse eines Lawinenabgangs unterhalb des Silleskogels in den Zillertaler Alpen

Am 01.04. löste ein einheimischer Skitourengeher am Gipfelhang des Silleskogels in den Zillertaler Alpen ein Schneebrett mittlerer Größe aus. Seine Partnerin wartete zu diesem Zeitpunkt bereits im flachen Gelände und konnte durch Schussflucht in den Randbereich der Lawine entfliehen. Er selbst löste seinen Airbag aus, wurde bis zum Kopf verschüttet und zog sich nur leichte Prellungen zu. Glücklicherweise befanden sich sonst keine weiteren Personen im Gefahrenbereich.
 
Wir schauten uns den Unfall am 02.04. im Detail an. Hier die wichtigsten Erkenntnisse.
 
Am 01.04. waren viele Skitourengeher am Silleskogel. Hier ein Foto vor dem Lawinenabgang. Der Kreis zeigt noch unverspurtes Gelände unterhalb des Gipfels
 
…und hier ein Foto kurz nach dem Lawinenabgang
 
Die Lawine hatte beachtliches Ausmaß und wurde im 40° steilen, schattigen Gelände ausgelöst.
 
Etwas links versetzt der Person am Foto wurde der Skitourengeher verschüttet (Foto vom 02.04.2013)
 
Wir nahmen einige Schneeprofile auf und führten entsprechende Stabilitätstests durch. Anfangs wunderten wir uns, dass auf einer dünnen, nicht allzu ausgeprägten kantigen Schicht, die vor ca. 1 Woche entstanden ist (gm.4: Gefahrenmuster kalt auf warm, warm auf kalt), das Schneebrett ausgelöst werden konnte.
 
Mehrmals schauten wir in die Schneedecke nach der Ursache der Schneebrettauslösung
 
Hier das dazu passende Schneeprofil:
 
Am Profil erkennt man mehrere dünnere kantige Schichten, die allerdings meist gut mit den umliegenden Schichten verbunden waren.
 
Als wir am obersten Anriss waren und dort die Einfahrtsspur sahen, war uns die Ursache der Lawinenauslösung klar: Es handelte sich um eine schneearme Stelle, an der in Bodennähe massiv Schwimmschnee vorhanden war. An einigen Stellen war die darüber liegende Schneedecke recht gut, an einigen schlecht verbunden. In letzterem Bereich löste der Skitourengeher - wie er uns mitteilte - war es sein erster Schwung in den Hang das Schneebrett aus. Durch die sehr große Zusatzbelastung der abgehenden Schneemassen riss das Schneebrett dann folglich auch entlang der dünnen kantigen Schicht und erreichte deshalb diese Ausmaße.
 
Eine schneearme Stelle im obersten, häufig windexponierten Anrissbereich. Der Pfeil zeigt den Einfahrtsbereich
 
Man erkennt am unteren Foto deutlich die ausgeprägte Schwimmschneeschicht in Bodennähe.
 
Geringe Schneeauflage auf einer kleinräumig vorhandenen, störanfälligen Schwimmschneeschicht
 
Hier das dazu passende Schneeprofil:
 
 
Am unteren Foto sieht man nochmals den Einfahrtsbereich (Pfeil) samt der Auslösestelle (Kreis). An der linken Spur im Vordergrund, die ebenso in die Lawine führt, fehlte bereits die weiter oben vorhandene Schwimmschneeschicht. Dies war mit ein Grund, dass dort zuvor das Schneebrett nicht ausgelöst werden konnte.
 
 
Zum Schluss noch ein Überblicksfoto mit dem Auslösebereich.
 
 
Der Unfall erinnert an ein ähnliches Ereignis am 25.03.2012 im benachbarten Schmirntal im Bereich der Hohen Warte. Bei einer in Summe recht stabilen Schneedecke lösten damals Skitourengeher ebenso an einer schneearmen Stelle ein Schneebrett aus, von dem jedoch niemand erfasst wurde.
 
Die Lehre daraus: Es dürfte sich wohl um die einzig mögliche Stelle in diesem Hang gehandelt haben, wo eine Lawinenauslösung möglich war. Somit war auf alle Fälle Pech im Spiel. Dennoch: Wenn man etwas daraus lernen kann, dann die Tatsache, dass man trotz eines allgemein guten Schneedeckenaufbaus im sehr steilen Gelände (in diesem Fall handelte es sich sogar um extrem steiles Gelände) insbesondere an schneearmen Stellen eher Schneebrettlawinen auslösen kann als an schneereichen. Somit sollte man schneearme Bereiche, (dieser wäre im Einfahrtsbereich übrigens gut zu erkennen gewesen), eher meiden.