Montag, 22. Dezember 2014

(Lawinenunfall-)Analysen…

Leider zeigt sich, dass die Schneedecke vielerorts zunehmend störanfälliger wird. Dies hängt unmittelbar mit der vermehrten aufbauenden Umwandlung der Schneedecke bei den über längere Zeiträume bereits unterdurchschnittlichen Schneehöhen zusammen.

Man findet somit leider immer öfters lockere, kantige Zwischenschichten innerhalb der Schneedecke (meist eingeschlossen zwischen bzw. angrenzend an Schmelzharsch- bzw. Windkrusten).

Zusätzlich führte der zum Teil stürmische Wind der vergangenen Tage zu umfangreichen Verfrachtungen, welche die Spannungen innerhalb der Schneedecke erhöhten.

 

Unsere gestern am 21.12. durchgeführte Unfallanalyse am Hinteren Grieskogel in den Nördlichen Stubaier Alpen bestätigte die vermutete Schwachschicht aus kantigen Kristallen als unmittelbare Unfallursache. Zwei in der Abfahrt befindliche Personen dürften das Schneebrett via Bruchfortpflanzung ausgelöst haben. Eine im Aufstieg befindliche Person wurde von diesem Schneebrett erfasst, wobei ein am Rucksack aufgeschnalltes Snowboard als zusätzlicher Anker gedient haben dürfte. Dies dürfte mitverantwortlich für die große Verschüttungstiefe von 2m gewesen sein. Die Person wurde nach ca. 30 minütiger Verschüttungszeit (bei perfekter Kameradenhilfe) unter Reanimationsmaßnahmen ins Spital geflogen.

 

Die Unfalllawine vom 20.12. unterhalb des Hinteren Grieskogels (Hintergrund: Pirchkogel) in den Nördlichen Stubaier Alpen. Die Verschüttungsstelle ist am Foto nicht ersichtlich. (Foto: 21.12.2014)

 

Blick vom Anrissbereich (bereits von Neu- und Triebschnee überlagert) Richtung Verschüttungsstelle (kleiner roter Kreis).

 

Blick von der Verschüttungsstelle Richtung Anrissbereich (Foto: 21.12.2014)

 

Eines der gemeinsam mit unserem Beobachter Lukas Ruetz aufgenommenen Profile. Man erkennt gut die Gleitfläche. Der Bruch konnte recht leicht initiiert werden. (Foto: 21.12.)

 

Und hier das weitere Profil, welches im Anrissbereich aufgenommen wurde. Profile finden sich übrigens auf unserer Homepage hier.

 

Das Profil zeigt sehr gut die markante Schwachschicht aus kantigen, lockeren Kristallen

 

Im Nahbereich dieser Lawine beobachteten wir gestern einen weiteren Lawinenabgang, wo nichts passierte.

 

Lawinenauslösung bei der Abfahrt vom Vorderen Grieskogel in den Nördlichen Stubaier Alpen (Foto: 21.12.2014)

 

Bei einigen Schneebrettauslösungen vom Wochenende hat aber primär auch die Schichtgrenze zwischen lockerem Pulverschnee und frischem Triebschnee als Schwachschicht gedient, wie z.B. beim Lawinenabgang am Linken Fernerkogel oder im Königstal. Bei ersterem wurden drei Personen verschüttet, die sich selbst befreien konnten, bei letzterem wurden niemand erfasst.

 

Lawinenabgang am 21.12. unterhalb des Linken Fernerkogels (Foto:22.12.)

 

Lawinenabgang am 21.12. im Königstal (Foto:21.12.)

 

Was sich leider seit diesem Wochenende immer mehr bestätigt sind zunehmend Lawinenabgänge in besonnten Hängen oberhalb etwa 2800m. Dort bildeten sich während der Warmwetterperioden immer wieder Harschkrusten, die über längere Zeit gut untereinander verbunden waren. Aufbauende Umwandlung führte inzwischen auch dort zu einem Festigkeitsverlust. Vermehrte Lawinenauslösungen in schneeärmeren Bereichen sind leider die Folge.

 

Selbstauslösung im südausgerichteten extrem steilen Gelände unterhalb des Rostizkogels in den Südlichen Ötztaler Alpen (Foto: 21.12.2014)

 

Lawinenabgang Daunjoch in den Südlichen Stubaier Alpen (Foto: 20.12.2014)

 

Lawinenabgang Stubaier Wildspitze: Personen konnten sich selbst befreien (Foto: 20.12.2014)

 

Heute wurde auch bekannt, dass ein Tourengeher unterhalb des Kreuzjochkogels in den Nördlichen Stubaier Alpen ebenso im besonnten Gelände ein Schneebrett auslöste. Es passierte nichts.

 

Was bleibt ist unser Rat zu erhöhter Zurückhaltung im sehr steilen Gelände. Problembereiche konzentrieren sich grob auf schattseitige, sehr steile Hänge in den schneearmen Regionen in Höhenbereichen zwischen etwa 2300m und zumindest 2600m hinauf sowie in besonnten Steilhängen vorerst vermehrt oberhalb etwa 2800m. Kürzlich gebildeter Triebschnee dürfte inzwischen nur mehr oberhalb etwa 3000m an der Schichtgrenze zum darunter befindlichen lockeren Pulverschnee auszulösen sein. Warme Temperaturen begünstigen hier zumindest den Stabilisierungsprozess, während die ausgeprägten Schwachschichten aus kantigen Kristallen erhalten bleiben.