Donnerstag, 19. März 2020

Der Blog wird weiterhin regelmäßig veröffentlicht, ...

...um die Gefahren für Infrastruktur und Siedlungsraum zum Schutz der Bewohner besser bewerten zu können. Bitte derzeit keine Ski- und Bergtouren unternehmen! (sh. FAQ zur Quarantäneverordnung) Jeder Unfall ist eine unnötige Belastung für das Rettungs- und Gesundheitssystem.

Vorerst noch Frühjahrsverhältnisse

Die vergangene Woche stand meist im Zeichen klassischer Frühjahrsverhältnisse mit einem leichten tageszeitlichen Gang der Lawinengefahr. Am Vormittag herrschte überwiegend geringe, am Nachmittag mäßige Gefahr.

Kurze Eintrübungen nur am 13.03. und 14.03. (gebietsweise auch am 18.03. während der Nacht). Ansonsten strahlender Sonnenschein samt meist recht trockener Luftmasse. Bezeichnend derzeit auch der Tagesgang der Schneeoberflächentemperatur.

Wetterbesserung am Freitag, 13.03. nachmittags. Nördliche Stubaier Alpen

Sternenklare Nächte und trockene Luft stabilisieren eine vom Vortag (oberflächig) aufgeweichte Schneedecke

Die Lawinenaktivität hielt sich in Grenzen. Die Hauptgefahr ging von vereinzelten Gleitschneelawinen auf steilen Wiesenhängen aus.

Gleitschneelawinen zu sehen via foto-webcam.eu

Gleitschneelawine und Gleitschneemaul in den Nördlichen Stubaier Alpen (Foto: 15.03.2020)

Unverändert zu beachten bleiben Wechtenbrüche...

...wie hier bei Boden im Außerfern (Foto: Klaus Friedl, 18.03.2020)

Entscheidend: Weitere Durchfeuchtung bzw. Durchnässung der Schneedecke

Derzeit können wir uns für die Beurteilung der Lawinengefahr nur auf einige wenige Schneeprofile stützen. Entscheidend ist dabei u.a. die Schneetemperatur.

Isotherme Schneedecke SO-seitig auf 2020m 26° Neigung am 14.03.2020 in den Nördlichen Stubaier Alpen

Temperaturreserve NO-seitig auf 2540m, 36° Neigung in der Gurgler Gruppe am 15.03.2020 

Bezeichnend derzeit u.a. eine häufige Abfolge von Schmelzkrusten in besonnten Hängen. Innerhalb der Schneedecke findet man dort häufig (geforene) Schmelzkanäle

Parallel hilft uns auch ein Schneedeckensimulationsprogramm namens SNOWPACK. Damit können wir die Durchfeuchtung bzw. den Festigkeitsverlust der Schneedecke besser einschätzen. 

Die Grafik zeigt den modellierten Wassereintrag für einen fiktiven, 38° steilen Südhang, in der Nähe der Wetterstation Nachtweide im Skigebiet von Ischgl über die bisherige Saison. Mit der Kombination aus dem Schneedeckenmodell SNOWPACK und den an der Wetterstation gemessenen Parametern lässt sich berechnen, wieviel Wasser wie tief in die Schneedecke eindringt. Häufig hängt die erste tiefe Durchfeuchtung mit einer erhöhten Aktivität von Nass- und Gleitschneelawinen zusammen. Allerdings ist die Schneedecke in den Lagen unterhalb von 2200 m bzw. in Sonnenhängen unterhalb von 2800m schon häufiger in der Saison durch Regen oder Wärme beeinflusst worden und somit hat der tiefere Wassereintrag der letzten Tage derzeit kaum Auswirkungen auf die nasse Schneedeckenstabilität. Anders sieht es für Schattenhänge und höhere Lagen aus. Dort erwarten wir, dass die erste Durchfeuchtung in tieferen, kantig aufgebauten Schichten durchaus zu einer erhöhten Aktivität von nassen Schneebrettlawinen führen kann. Das wird allerdings noch etwas dauern.

Die Verlaufsgrafik zeigt die Stabilität der nassen Schneedecke, berechnet mit dem Schneedeckenmodel SNOWPACK. Rote Signaturen deuten auf eine instabile, nasse Schneedecke hin. Blaue Signaturen zeigen an wie tief die Schneedecke über Nacht wieder gefriert und gibt ein Indiz über die Dicke des Schmelzharschdeckels.

Quintessenz: Derzeit erwarten wir insbesondere auch aufgrund der während des Winters bereits mehrmals stattgefundenen tiefergreifenden Durchfeuchtung der Schneedecke noch keinen ausgeprägten Nassschnee-Lawinenzyklus. 

Kaltfront bringt ab 21.03. Abkühlung und beendet vorerst die Frühjahrsverhältnisse

Am Samstag (21.03.) bringt eine eher schwache Kaltfront etwas Schnee. Die Temperaturen bleiben anschließend gedämpft. Nassschneelawinen sind somit vorerst kein Thema mehr. Der Jahreszeit entsprechend muss dann v.a. in den Gebieten mit Neuschnee bei folgendem (diffusen) Strahlungseinfluss v.a. auf Lockerschneelawinen geachtet werden. Zudem können weiterhin (vereinzelt) Gleitschneelawinen abgehen.