Donnerstag, 12. März 2020

Zunehmend Frühjahrsverhältnisse

Nach einer kurzfristig heiklen Situation für Wintersportler nun meist recht günstige Verhältnisse

Die vergangene Woche stand sowohl im Zeichen von traumhaftem Pulverschnee bei günstigen Verhältnissen, als auch im Zeichen einer kurzfristig heiklen Lawinensituation für den Wintersportler. Dies war der Fall, als vom Dienstag, 10.03. auf Mittwoch, 11.03. eine Warmfront über Tirol zog und zu zahlreichen spontanen Lawinenabgängen führte. Spontane Lawinen konnten auch noch am Vormittag des 11.03. beobachtet werden, als (diffuser) Strahlungseinfluss die Schneedecke noch schwächte. Mit dem anschließenden Einfließen trockener Luftmassen samt sternenklarem Himmel von Mittwoch, 11.03. auf Donnerstag 12.03. besserte sich die Situation markant. Der Donnerstag stand dann im Zeichen klassischer Frühjahrsverhältnisse mit einem tageszeitlichen Gang der Lawinengefahr.

Markant: Sonniger 08.03.; Warmfront am 10.03., anfangs Anstieg der Schneehöhe, dann mit Regen und Sonne massive Setzung; nasse Schneedecke strahlt vom 11.03. auf den 12.03. aus. Es bildet sich ein Harschdeckel, der zum Teil tragfähig war. Schneeoberfläche weicht in Folge wieder auf.

Nun folgen bis 14.03. zwei schwache Kaltfronten. Lawinentechnisch ist vorerst v.a. auf mögliche Gleitschneelawinen auf steilen Wiesenhängen sowie auf Lockerschneelawinen zu achten. Ganz vereinzelt gibt es noch kürzlich gebildete Triebschneepakete, die gestört werden können, dies v.a. schattseitig oberhalb etwa 2800m. Zusätzlich bilden sich mit den erwähnten Fronten kleine, frische Triebschneepakete. Etwas Vorsicht am ehesten in großen Höhen im kammnahen Gelände in den westlichen (vergleichsweise niederschlagsreicheren) Regionen Nordtirols.

Impressionen der vergangenen Woche

Ein Traumtag mit sehr hoher SkitourengeherInnen-Frequenz in ganz Tirol - Sonntag, der 08.03.2020. Defereggental

Pulver gab es in Ost- wie in Nordtirol. Hier Abfahrt vom Kleinen Kaserer in den Tuxer Alpen (Foto: 08.03.2020)

Es wurde vielfach sehr steiles Gelände begangen bzw. befahren. Rosskogel, Stubaier Alpen (Foto: 08.03.2020)

Feinster Wildschnee in den Tuxer Alpen. Man konnte ein interessantes, für diese Jahreszeit typisches Phänomen beobachten: Die Felle stollten mitunter auf, während die Schneeoberfläche noch trocken war. Dies gibt es nur, wenn der Schnee extrem locker, die Luft sehr trocken und die Strahlung bereits intensiv ist. In Folge könnte sich aufgrund sehr hoher Temperaturunterschiede in oberflächennahen Schichten mitunter eine Schwachschicht ("radiation recrystallisation") bilden. Voraussetzung dafür war aber aufgrund der weiteren Wetterentwicklung nicht gegeben. 

Lawinenabgänge gab es angesichts der zahllosen Wintersportler, die im freien Gelände unterwegs waren, nur wenige. Die Lawinen waren meist klein. Mitunter bestand die Gefahr, mitgerissen zu werden. Dies passierte einem Kletterer im Wilden Kaiser, der verletzt wurde.

Lawinenabgang Mädelegabel im Außerfern. (Hier wurde - wohl äußerst kurzfristig gebildeter - Oberflächenreif als Schwachschicht festgestellt). (Foto: 08.03.2020)

Lawinenabgang Goinger Törl (Foto: 08.03.2020) Nicht ganz klar ist die dortige Schwachschicht. Ev. lokales und kurzfristig relevantes gm.4 (kalt auf warm?) kammnah, schattseitig

Im Nahbereich der oberen Lawine am Kleinen Törl. Gering mächtiges Schneebrett kammnah (Foto: 08.03.2020)

Die Warmfront vom 10.03. auf den 11.03.

Siehe dazu auch den Blogeintrag vom 10.03.
Die Warmfront führte auch deshalb zu so einem markanten Anstieg der Lawinengefahr bzw. zu einer (recht) hohen spontanen Lawinenaktivität, weil es zu Beginn der Front anfangs noch schneite und der Schnee dann sukzessive bis etwa 2400m in Regen überging. Somit war flächig eine perfekte Schwachschicht in Form von vergleichsweise kälterem Pulverschnee bzw. filzigen Kristallen gegeben. Das Brett bildete sich durch den Wärmeeintrag, aber auch durch Wind in größeren Höhen.

Niederschlag bereits am 09.03., dann mit Warmfront am 10.03. - von Schnee in Regen übergehend

Regengrenzen in Tirol am Ende der Warmfront

Im Steilgelände konnten während des Niederschlags relativ rasch gering mächtige Anrisse provoziert werden. Dies zeugt von hoher Störanfälligkeit. (Foto: 10.03.2020)

Im Westen des Landes war der Niederschlag intensiver als erwartet. Dort wurde deshalb auch der Lawinenreport aktualisiert und für den 11.03. kurzfristig große Gefahr ausgegeben. Große Gefahr ("Skitouren-Groß") wäre nachträglich auch in angrenzenden Regionen gerechtfertigt gewesen, dort wo es vergleichsweise mehr schneite. Gegen Osten mit abnehmender Niederschlagsmenge wurden die Lawinen immer kleiner. Generell handelte es sich bei fast allen Lawinenabgängen - wie vorhergesagt - um oberflächige Schneebrettlawinen bzw. Lockerschneelawinen.

Lawinenabgänge in der Silvretta (Foto: 11.03.2020)

...einige davon erreichten auch Hüttenzustiege (Foto: 11.03.2020)

Lawinenabgänge im Sellraintal (Foto: 11.03.2020)

Lawinenablagerung im Zillertal (Foto: 11.03.2020)

Kleine Lockerschneelawinen in den Tuxer Alpen (Foto: 11.03.2020)

Sprengerfolge waren meist (sehr) gut. Ötztal (Foto: 11.03.2020)

Ebenso eine durch Sprengung ausgelöste Lawine im Pitztal (Foto: 11.03.2020)

Das zentrale Osttirol sowie das südliche Osttirol waren von der Warmfront kaum betroffen.

Viel Glück hatte ein Variantenfahrer im Wasserkar (Ötztal), der von einer Schneebrettlawine mitgerissen und verschüttet wurde. Nach 10 Minunten konnte er unverletzt ausgegraben werden. (Foto: 11.03.2020)

Mit Wetterbesserung rasche Stabilisierung

Wenn lockerer Pulverschnee eine Schwachschicht bildet, dann gibt es den großen Vorteil gegenüber persistenter Schwachschichten, dass sich der Pulverschnee mit dem darüber gelagerten Triebschnee recht rasch verbindet. Dies ist umso eher der Fall, je intensiver die Strahlung bzw. höher die Temperatur ist. Beides ist derzeit gegeben. Deshalb stabilisierte sich die Schneedecke sehr rasch. Die Lawinengefahr ging entsprechend zurück, stieg allerdings im Tagesverlauf heute am 12.03. aufgrund der Strahlung und der relativ hohen Temperaturen wieder an. In die Schneedecke eindringendes Wasser schwächt diese zur Zeit oberflächennah.

Eindrucksvolle Darstellung von Wasserstauzonen mittels Bildbearbeitung von Lukas Ruetz (Foto: 11.03.2020)

Ein derzeit recht typisches Profil im besonnten Steilgelände. Abfolge von Krusten. Isotherme Schneedecke. Keine Bruchfortpflanzung.

Das Frühjahr kommt - Tageszeitlichen Gang der Lawinengefahr beachten

Laut ZAMG-Wetterdienststelle folgt nach den kurzen, schwachen Kaltfronten ab Sonntag 15.03. eine anhaltend warme Schönwetterphase. Für den Wintersportler bedeutet dies: Wer früh unterwegs ist, wird doppelt belohnt: Die Lawinenverhältnisse sind günstiger als später während des Tages, zudem gibts bei guter Planung super Firn!

Die Lawinengefahr wird somit recht gut einschätzbar sein. Achten sollte man u.a. auch auf die teilweise recht großen Wechten in größeren Höhen.