Etwas Neuschnee und stürmische Verhältnisse lassen die Lawinengefahr nun wieder ansteigen
Nach einigen Tagen mit günstigen Lawinenverhältnissen bei überwiegend geringer Lawinengefahr steigt die Gefahr während der kommenden Tage etwas an.
Gefahrenstufenkarte für heute, 27.01.2022. In weiten Teilen der Alpen überwiegt geringe Lawinengefahr. Ab morgen, 28.01. steigt die Gefahr langsam, aber stetig an. |
Hauptgefahr frischer Triebschnee, vermehrt in Schattenhängen sowie in Kammlagen
Bis zum Wochenende hin werden Schneefall und stürmischer Wind aus Nordwesten neue Triebschneeansammlungen bilden. Diese sind v.a. in den neuschneereicheren Regionen im Nordosten des Landes, wo es morgen am 28.01. zwischen etwa 5cm und 15cm schneien soll etwas umfangreicher.
48h Neuschneeprognose bis Samstag, 29.01.2022 Früh |
Bei der Station Nachtweide in der Silvretta Skiarena erkennt man bereits den inzwischen starken bis stürmischen Wind in der Höhe. |
Speziell in steilen Schattenhängen erwarten wir eine erhöhte Störanfälligkeit dieser frischen Triebschneepakete. Dies hat v.a. auch mit der Beschaffenheit der Schneeoberfläche zu tun. Diese besteht dort häufig aus lockerem, aufbauend umgewandelten Schnee, gebietsweise auch aus (verkrustetem) Oberflächenreif. (Mehr dazu weiter unten...). Vermehrte Vorsicht erscheint aber auch in Kammlagen sowie hinter Geländekanten in den übrigen Hangausrichtungen angebracht. Mitunter können schlechte Sichtverhältnisse die Gefahreneinschätzung erschweren.
Rückblick auf die vergangene Woche
Nach dem letzten Blogeintrag, als wir vor unfallträchtigen Tagen gewarnt hatten, gab es tatsächlich vermehrte Rückmeldungen über Lawinenereignisse mit Personenbeteiligung. Es handelte sich dabei meist um kleine bis mittelgroße Schneebrettlawinen, gehäuft naturgemäß im neuschneereichen Osten des Landes. Personen kamen nicht zu Schaden. Erfreulich war auch, dass diese Lawinenereignisse häufig der Leitstelle Tirol gemeldet wurden, sodass keine unnötigen Lawineneinsätze erforderlich geworden sind.
Lawinenabgänge mit Personenbeteiligung
Einige der bekannt gewordenen Lawinenabgänge samt Details finden sich hier:
Kleines Schneebrett in den Tuxer Alpen (Foto: 23.01.2022) |
Schneebrettabgang Hüttenkogel im Zillertal. Bei einem ähnlichen Abgang wurden Personen im Nahbereich im Staubereich der Stahlschneebrücke verschüttet, blieben jedoch unverletzt. (Foto: 23.01.2022) |
Im Osten viel Neuschnee, dann setzte sich Schönwetter durch. Die Lawinengefahr ging rasch zurück.
Hotspots des vergangenen Neuschneezuwachses zwischen dem 21.01. und 23.01. waren Teilbereiche des Karwendels sowie die Region Wilder Kaiser / Waidringer Alpen und die Östlichen Kitzbüheler Alpen.
Anfangs Neuschnee und Wind, dann zunehmend Schönwetter bei warmen Temperaturen. Mitunter windig. |
Unverkennbar sowohl im Vordergrund, als auch im Hintergrund: Windeinfluss auf den Bergen. Osttiroler Tauern (Foto: 23.01.2022) |
Nebel förderte die Bildung von (verkrustetem) Oberflächenreif
Ein interessantes Phänomen konnten wir gegen Ende des Niederschlages ab Samstag, 22.01. abends beobachten. Im Bereich von Nebelbänken bzw. abziehenden Nebelbänken bildete sich verbreitet Oberflächenreif. Unterkühlte Wassertröpfchen froren zudem an der Schneeoberfläche an, sodass in Folge häufig verkrusteter Oberflächenreif, zum Teil auch Eislamellen zu beobachten waren. Das nachfolgende Schönwetter mit perfekten Strahlungsnächten förderte zudem die aufbauende Umwandlung unterhalb dieser Krusten. Dies ist wiederum für die kommenden Schneefälle bedeutsam, weil dort von einer schlechten Verbindung zwischen Neu- bzw. Triebschnee ausgegangen werden muss.
Nebelbänke im Außerfern (Foto: 23.01.2022) |
Im Hintergrund erkennt man abziehenden Nebel, im Vordergrund den aufgrund des Nebels gebildeten Oberflächenreif. Nördliche Stubaier Alpen (Foto: 23.01.2022) |
Oberflächenreif im Bereich der Ahornspitze in den Zillertaler Alpen (Foto: 26.01.2022) |
Dank unserer zahlreicher, engagierter Beobachter, eigenen Geländeerkundungen sowie Rückmeldungen von WintersportlerInnen konnten wir uns einen recht guten Überblick über die Verbreitung dieses Phänomens machen. Typisch ist ein gewisses Höhenband innerhalb dessen der (verkrustete) Oberflächenreif vermehrt beobachtet werden konnte. Die Kruste ist unterschiedlich ausgeprägt, tendenziell dicker im Norden des Landes als weiter im Süden (Nordtirols). Mitunter findet man "nur" Oberflächenreif.
Verkrusteter Oberflächenreif im Tannheimertal (Foto: 23.01.2022) |
Grobe Verbreitung des (verkrusteten) Oberflächenreifs. Man findet diesen im Nordsektor! |
Unterdurchschnittliche Schneehöhen
An der für die Jahreszeit (stark) unterdurchschnittlichen Schneemächtigkeit hat sich vorerst nichts geändert.
Aktuelle Gesamtschneehöhe (magenta) bei der Station Steeg im Außerfern. Die dunkle Linie zeigt im Vergleich dazu das langjährige Mittel an. Zudem werden bisherige Maxima und Minima dargestellt. |
Im Navistal: Sonnseitig erinnert die Ausaperung bereits an das Frühjahr (Foto: 26.01.2022) |
Blick vom Ausgang des Ötztals in Richtung Norden. (Foto: 25.01.2022) |
Ausblick
Das ab nun bereits zunehmend wechselhafte Wetter soll ab Sonntag, 30.01. immer turbulenter werden. Stürmischer Wind, dann eine Abfolge von Kalt- und Warmfronten lassen sowohl den Winter zurückkehren, als auch die Lawinengefahr (deutlich) ansteigen. Der Schwerpunkt der Niederschläge wird laut Auskunft der ZAMG-Wetterdienststelle im Westen bzw. Nordwesten des Landes erwartet.
Windprognose für Sonntag, 30.01.2022. Stürmisch! |
Wichtig für uns Lawinenprognostiker ist vor solchen Schneefällen immer eine möglichst genaue Analyse des aktuellen Schneedeckenaufbaus. Problematisch sind aktuell v.a. oberflächennahe Schichten, wie die oben erwähnten verkrusteten Oberflächenreifschichten samt kantiger Kristalle darunter. Oder aber eine abseits von windbeeinflussten Gebieten häufig zu beobachtende aufbauend umgewandelte Schneeoberfläche aus filzigen und kantigen Kristallen bzw. "Noppenpulver".
"Noppenpulver" im Jamtal (Foto: 25.01.2022) |
Aufgrund der zunehmend stürmischen Verhältnisse auf den Bergen kann die Schneeoberfläche noch unregelmäßiger und in Summe variabler werden, was prinzipiell von Vorteil wäre. Großflächigere Lawinenabgänge im Bereich der jetzigen Schneeoberfläche würden dadurch unwahrscheinlicher werden. Beruhigend ist zudem, dass die Altschneedecke recht stabil ist. Dies trifft insbesondere für steile Sonnenhängen, aber auch für Schattenhängen zu. In letzteren neigen mögliche Schwachschichten nämlich nicht zu Bruchfortpflanzungen. Auch konnte im Bereich von eingelagerten Schmelzkrusten keine bösartigen Entwicklungen hinsichtlich gm.4 (kalt auf warm) beobachtet werden.
Näherer Details zur weiteren Entwicklung samt der neuesten Prognosen werden in einem gesonderten Blog, spätestens am Montag, 31.01.2022 behandelt werden.