Montag, 31. Januar 2022

Verbreitet große Lawinengefahr!

Viel Neuschnee und Sturm lassen die Lawinengefahr auf "groß" ansteigen

Die von der ZAMG-Wetterdienststelle vorhergesagte Kaltfront ist heute am 31.01. während der Mittagsstunden eingetroffen und lässt es inzwischen in weiten Teilen Nordtirols intensiv schneien. Zudem weht auf den Bergen starker bis stürmischer Wind aus Nordwest. Bis inklusive Mittwoch sind laut aktueller Prognose verbreitet 80 bis 130cm Neuschnee zu erwarten. Am stärksten betroffen sind laut ZAMG-Wetterdienststelle die Silvretta-Arlbergregion und die Lechtaler Alpen bis zum Karwendel. Hier sind 130 bis lokal 180cm Neuschnee möglich. Am wenigsten Neuschnee bekommt hingegen das südliche Osttirol mit etwa 20cm ab.


72h-Neuschneeprognose ab Montag, 31.01.2022
72h-Neuschneeprognose ab Montag, 31.01.2022


Der Niederschlag fällt im Wesentlichen in zwei Staffeln, einmal in Form einer Kaltfront von Montag auf Dienstag mit einer kurzen Wetterberuhigung am Dienstag Nachmittag. Den zweiten Schub bringt eine warmaktive Front ab Dienstag abends bis inklusive Mittwoch.


Niederschlags- und Windprognose für eine der niederschlagsreichsten Regionen Tirols, der Silvretta.
Niederschlags- und Windprognose für eine der niederschlagsreichsten Regionen Tirols, der Silvretta.


Gut zu sehen: Einzug der Kaltfront ab den Mittagsstunden des 31.01. mit beginnendem Schneefall samt starkem bis stürmischem Wind
Gut zu sehen: Einzug der Kaltfront ab den Mittagsstunden des 31.01. mit beginnendem Schneefall samt starkem bis stürmischem Wind


Für Dienstag, den 01.02.2022 rechnen wir vorerst mit einer heiklen bis gefährlichen Situation für den Wintersportler ("Wintersportler-Groß" oberhalb des Waldgrenzbereichs). Ab Mittwoch ist die große Gefahr dann vermehrt in Zusammenhang mit großen spontanen Lawinenabgängen zu sehen. In den besonders schneereichen Regionen muss man dann im Tagesverlauf bei steigenden Temperaturen auch mit (vereinzelten) sehr großen Lawinenabgängen rechnen. 


Ein Blick in die Schneedecke

Wie schon im letzten Blogeintrag erwähnt, ist eine genaue Analyse des aktuellen Schneedeckenaufbaus vor solchen Schneefällen essentiell für eine bessere Abschätzung der Lawinengefahr, insbesondere auch der zu erwartenden Lawinenarten bzw. Lawinengrößen.

Wir haben das Glück, einerseits auf eine große Anzahl hochqualitativer Schneeprofile zurückgreifen zu können (lawis.at). Andererseits konnten wir uns während unserer Außendiensttage, u.a. auch mit Unterstützung des Landeshubschraubers selbst ein sehr gutes Bild über den Aufbau und die Stabilität der Schneedecke in ganz Tirol verschaffen.


Schneedeckenuntersuchungen als Basis einer guten Lawinenprognose. Westliche Verwallgruppe (Foto: 25.01.2022)
Schneedeckenuntersuchungen als Basis einer guten Lawinenprognose. Westliche Verwallgruppe (Foto: 25.01.2022)


Analyse von Schneeprofilen

Bezeichnend ist aktuell eine meist recht stabile Altschneedecke mit möglichen Schwachschichten am ehesten in oberflächennahen Bereichen unterhalb dünner Schmelzkrusten.


Schneeprofil in der Grießkogelgruppe vom 29.01.2022, NO, 2485m, 33°, NO. Stabilitätstests führten nur zu einem oberflächennahen Teilbruch.
Schneeprofil in der Grießkogelgruppe vom 29.01.2022, NO, 2485m, 33°. Stabilitätstests führten nur zu einem oberflächennahen Teilbruch.


Schneeprofil in der Westlichen Verwallgruppe vom 28.01.2022; O, 2610m, 38°. Teilbruch unterhalb einer dünnen, oberflächennahen Schmelzkruste.
Schneeprofil in der Westlichen Verwallgruppe vom 28.01.2022; O, 2610m, 38°. Teilbruch unterhalb einer dünnen, oberflächennahen Schmelzkruste.


Schneeprofil in der Glockturmgruppe vom 25.01.2022, N, 2280m, 32°. Das Profil besteht v.a. aus kantigen Kristallen. Bei sehr große Auflast könnte es trotz aktuell geringer Tendenz zur Bruchausbreitung zum Bruch an der Basis kommen. Dies v.a. im Bereich so genannter "Schwimmschneenester", bevorzugt an schneearmen Stellen.
Schneeprofil in der Glockturmgruppe vom 25.01.2022, N, 2280m, 32°. Das Profil besteht v.a. aus kantigen Kristallen. Bei sehr große Auflast kann es trotz aktuell geringer Tendenz zur Bruchausbreitung zum Bruch an der Basis kommen. Dies v.a. im Bereich so genannter "Schwimmschneenester", bevorzugt an schneearmen Stellen.


Hohe Variabilität der Schneeoberfläche aufgrund starken bis stürmischen Windes

Vor diesen Schneefällen wehte bereits vielerorts starker bis stürmischer Wind, der die Schneeoberfläche massiv bearbeitete. Diese ist häufig sehr inhomogen und variabel. Entsprechend unterschiedlich ist auch die Schneeverteilung. Dies ist positiv zu werten, weil große Bruchfortpflanzungen im Altschnee dadurch unwahrscheinlich werden.


Die vergangenen Tage waren von starkem bis stürmischem Wind auf den Bergen geprägt. Grießkogelgruppe, (Foto: 29.01.2022)
Die vergangenen Tage waren von starkem bis stürmischem Wind auf den Bergen geprägt. Grießkogelgruppe, (Foto: 29.01.2022)


Pimigspitze in den Westlichen Lechtaler Alpen. Der nach Norden ausgerichtete Hang ist und war unlängst massiv dem Wind ausgesetzt. (Foto: 28.01.2022)
Pimigspitze in den Westlichen Lechtaler Alpen. Der nach Norden ausgerichtete Hang ist und war unlängst massiv dem Wind ausgesetzt. (Foto: 28.01.2022)


Windberuhigte Bereiche mit einer ungestörten Schneeoberfläche (als mögliche Schwachschichten für Schneebrettlawinen) sind entsprechend rar. Am ehesten ist dies in schattigen Karen oder in nach (Süd-)Osten ausgerichteten Hängen bzw. Karen der Fall. Dort findet man eine lockere Altschneeoberfläche, nicht selten versehen mit massiven Graupeleinlagerungen der vergangenen Tage. Ebenso konnten sich dort wohl am ehesten der  (im vorigen Blogeintrag) erwähnte verkrustete Oberflächenreif (mit beginnender aufbauender Umwandlung darunter) halten.


Schwachschichten für Schneebrettlawinen

Somit ergeben sich folgende realistische Möglichkeiten, wo Schneebrettlawinen brechen können:
  • Aufbauend umgewandelte Schneeoberfläche in windberuhigten Bereichen
  • Lockerer Neuschnee der vergangenen Tage in windberuhigten Bereichen (u.a. im nördlichen Osttirol)
  • Kantige Schicht unterhalb oberflächennaher Schmelzkrusten
  • Lockere, aufbauend umgewandelte Basis der Schneedecke (am häufigsten beobachtet wohl in der Glockturmgruppe)
  • Schwachschichten, die sich ab heute, 31.01. Mittag im Neuschneepaket bilden. Das können massive Graupeleinlagerungen sein. Dies kann aber auch kalter Neuschnee sein, der kurzfristig unter wenig Windeinfluss fällt und dann von Triebschnee bzw. wärmerem Neuschnee aufgrund der warmaktiven Front am Mittwoch überlagert wird.

Ausblick

Nach Ende der intensiven Neuschneefälle am Mittwoch, 02.02. nachts wird auch der Donnerstag, 03.02. voraussichtlich ein gefährlicher Lawinentag werden. Dies primär aufgrund des bis dann sehr gut ausgebildeten Bretts, welches sich v.a. am Mittwoch mit steigenden Temperaturen bei immer noch starkem bis stürmischem Wind ausgebildet haben wird. Aber auch am Donnerstag selbst können deutlich steigende Temperaturen zu einer kurzfristig erhöhten Auslösebereitschaft führen. In den Skigebieten wird es sich voraussichtlich um einen Tag mit sehr guten Sprengerfolgen handeln. Ab Freitag wird die Lawinengefahr bei sinkenden Temperaturen recht rasch zurückgehen.


Das Gebot der Stunde für WintersportlerInnen

Unerfahrene Personen sollten während der kommenden Tage auf den gesicherten Pisten bleiben. Die Tourenmöglichkeiten sind stark eingeschränkt. Große Zurückhaltung uns sehr gutes lawinenkundliches Wissen erscheinen in den neuschneereichen Regionen angebracht!