Freitag, 13. Januar 2017

Triebschnee- und teils massives Altschneeproblem! Anstieg der Lawinengefahr mit Neuschnee und Wind!

Kurz vorab: Die vorhergesagten Schneefälle samt Wind lassen die Lawinengefahr zum Teil deutlich ansteigen. Es kristallisiert sich ein sehr ernst zu nehmendes Altschneeproblem ganz besonders in Schattenhängen oberhalb etwa 1900m-2000m heraus! Details sh. unten…

Ein kurzer Wetterrückblick der vergangenen Woche hilft, die derzeitige Situation besser einzuschätzen.

Nach einem – bis auf wenige kurze Unterbrechungen – durchwegs hochdruckdominierten Frühwinter stellte sich die Großwetterlage ab dem 4.1.2017 mit einer markanten Kaltfront aus Nord-Nordwest um. Die Temperaturen gingen deutlich zurück. Insbesondere im Norden schneite es kräftig. Am Dreikönigstag war es dann bei arktischer Kälte sehr schön. Bereits am folgenden Tag erreichte uns die nächste Front aus Norden und sorgte erneut für größere Neuschneemengen auch in vielen Tälern Nordtirols. In Osttirol blieb es abseits des Alpenhauptkammes bei teils stürmischem Nordföhn meist trocken.

Die folgenden Tage (9. bis 11.1.) brachten anhaltend winterliches Wetter mit teils schwachen Schneefällen, bevor am 12.1. eine Warmfront – erneut aus Nordwesten – für Neuschnee, Erwärmung und vorübergehenden Anstieg der Schneefallgrenze bis auf etwa 1200 m sorgte. Nach einem zwar nur kurzen, aber umso kräftigeren Südföhneinschub in der Nacht auf Freitag, den 13.1., überquerte in den Morgenstunden die Kaltfront des Orkantiefs EGON mit viel Wind im Gepäck die Ostalpen.

Exemplarischer Stationsverlauf einer Station am Arlberg. Gut zu sehen ist die erste Kaltfront am 4.1. mit Sturm, Temperaturrückgang und Neuschnee. Die zweite Front am 8.1. brachte hier nicht so große Neuschneemengen wie weiter im Osten. Danach vorübergehend Wetterberuhigung, bevor in der Nacht auf 12.1. eine Warmfront Sturm, Erwärmung und Neuschnee brachte. Anschließend Föhn (Winddrehung auf Süd!) und am 13.1. die zweite Kaltfront mit Temperatursturz, erneut Sturm und Neuschnee.

Neuschneesummen des ersten Schneefallereignisses vom 4./5.1. mit Schwerpunkt in den Nordalpen und im Unterland.

Neuschneesummen des zweiten großen Schneefallereignisses am 8.1. mit Schwerpunkt Karwendel und (süd)östlich davon.

Einen eher kleinräumigen, in oberer Karte nicht dargestellten „Ausreißer“ des Neuschnees vom 08.01. gab es in den Südlichen Ötztaler Alpen. Ein Bild vom Tiefenbachferner (Foto: 08.01.2017)

Auch die Kitzbüheler Alpen bekamen einiges an Neuschnee. Frischer Triebschnee, der auf kaltem, lockeren Neuschnee abgelagert wurde, war kurzfristig sehr leicht zu stören. (Foto: 08.01.2017)

Die Kombination aus Neuschnee samt Wind führte zu entsprechenden Verfrachtungen. Diese Triebschneepakete bildeten die für Schneebrettlawinen notwendigen „Bretter“. Als Schwachschichten kamen einerseits der sehr kalte lockere Neuschnee oder aber aufbauend umgewandelte Kristalle im Altschnee in Frage. Wir hatten es also sowohl mit einem Triebschnee-, als auch mit einem Altschneeproblem zu tun. Zahleiche Rückmeldungen über Setzungsgeräusche, Rissbildungen, teilweise auch Fernauslösungen, aber auch von Wintersportlern ausgelöste Lawinen bestätigten die zum Teil hohe Störanfälligkeit der Schneedecke in windbeeinflussten Bereichen.

Unsere Schneedeckenuntersuchungen zeigten während der folgenden Tage (einschließlich dem 12.01.2017), dass sich das Triebschneeproblem deutlich besserte (Ausnahme hohe Lagen aufgrund neuer Verfrachtungen). Konkret: Der lockere, kalte Neuschnee konnte sich meist gut mit den Triebschneepaketen verbinden. Bruchfortpflanzungen waren nur mehr ansatzweise festzustellen.

Hingegen bleibt uns das Altschneeproblem nicht nur erhalten, sondern verschärft sich mit den ab heute (13.01.) folgenden Schneefällen weiter. Die auf den Schwachschichten lagernden Bretter werden zusammenhängender, Schneebrettlawinen entsprechend größer und für den Wintersportler gefährlicher.

Das Altschneeproblem ist in ganz Tirol verbreitet: Schattseitig beginnt dieses ab etwa 1900m-2000m aufwärts.

Schneebrettauslösung unterhalb des Drei-Seen-Liftes in Kühtai in den Nördlichen Stubaier Alpen; ca. 2350m, NW (Foto: 10.01.2017)

Schneebrettauslösungen auf der Nordseite des Hafelekars im Karwendel; Fernauslösung auf ca. 2000m, Anriss ca. 2200m, Nord (Foto: 10.01.2017)

Fernauslösung im Bereich der Wanglspitze in den Tuxer Alpen; ca. 2300m, Nord (Foto: 09.01.2017)

Eine von Skifahrern ausgelöste Lawine im Bereich des Hoarbergjochs in den Tuxer Alpen (Foto: 11.01.2017)

Unterhalb des Schwarzkogels in den Kitzbüheler Alpen. Kleinräumig konnte sich der Altschnee in schattigen Mulden bis zu den Schneefällen ab dem 04.01. halten. Unsere Schneedeckenuntersuchungen zeigen ab etwa 1900m aufwärts eine beginnende Störanfälligkeit von lockeren Schichten im Altschnee. (Foto: 12.01.2017)

Zum Vergleich hier ein Bild vom 02.01. mit Blick ins Kaisergebirge via Webcam. Schattseitig erkennt man kleinräumig Schneereste.

In besonnten Hängen gehen wir aufgrund unserer Schneedeckenuntersuchungen von einem Altschneeproblem oberhalb etwa 2300m-2400m aus. Dort, wo massiv der Wind im Spiel war, überlagern mitunter dickere Krusten mögliche Schwachschichten. Die Schneedecke lässt sich dann durch Wintersportler eher nur an schneearmen Stellen und tendenziell eher nur im sehr steilen Gelände stören. Problematisch kann jedoch auch die zu erwartende große Schneeauflast in einigen Teilen Tirols werden.

Das Schneeprofil wurde im Nahbereich jener Lawine aufgenommen, die am 06.01. von Wintersportlern bei den Schinderhängen am Arlberg ausgelöst wurde. Westhang, 2460m; Entgegen der im damaligen Blogeintrag vermuteten Schwachschicht (lockerer Neuschnee), handelte es sich doch um aufbauend umgewandelte, kantige Kristalle unter einer dünnen Schmelzkruste. Sehr große Schneeauflast kann zum Bruch der Schwachschicht führen.

Die bisherigen Ausführungen beschränkten sich v.a. auf das schneereichere Nordtirol. In Osttirol sind die Tourenmöglichkeiten aufgrund von Schneearmut und massivem Windeinfluss weiterhin stark eingeschränkt, umso mehr, je weiter man Richtung Süden kommt.

Staller Sattel in Zentralosttirol vom (Foto: 11.01.2017)

Ein Ausblick auf das Wochenende:

Die Aussichten versprechen Neuschnee mit Schwerpunkt im Norden des Landes. Absoluter Hotspot werden diesmal die Arlbergregion und teils auch das Außerfern sein. Die oben schon angesprochene Kaltfront in der Früh des 13.1. brachte abgesehen von markantem Temperaturrückgang und Sturm in diesen Regionen rund 20 cm, sonst meist um oder knapp über 10 cm und in Osttirol auch deutlich weniger. Bis zum Samstagnacht (14.01.) strömt immer kältere und in mehreren Staffeln auch feuchte Luft von Nordwesten gegen die Alpen. Somit sind in den inneralpinen Regionen bis Sonntag zusätzlich meist 20 – 30 cm, in den meisten Teilen der Nordalpen sowie in den Zillertaler Alpen und der Tauernregion 30 – 60 cm zu erwarten. Am Arlberg fallen voraussichtlich weitere 50 – 80 cm Schnee. Die Temperaturen gehen wieder auf hochwinterliches Niveau zurück und verbleiben dort auch in der kommenden Woche. Ergiebige Schneefälle kündigen sich dann aber nicht mehr an.

72h-Prognose der Neuschneehöhen über das Wochenende. (von http://www.wetterzentrale.de )

Zusätzlich zu dem ausführlich beschriebenen Altschneeproblem wird sich dann auch wieder ein neues Triebschneeproblem (mit einer möglichen Schwachschicht aus lockerem Neuschnee) v.a. oberhalb der Waldgrenze ausbilden.

Fazit: Wer am Wochenende auf Skitouren oder im Variantengelände unterwegs sein will, sollte sich sehr gut auskennen. Relativ sichere Verhältnisse findet man derzeit nur unterhalb etwa 1900m in weniger vom Wind beeinflussten Gebieten vor. In den neuschneereichen Regionen muss dort allerdings auf ein mögliches  Abgleiten des Schnees auf steilen Wiesenhängen geachtet werden (Gleitschneeproblem).

Achtung: In den neuschneereichen Regionen erwarten wir während der Schneefälle auch spontane Lawinenabgänge. Die Gefahr wird voraussichtlich regional auf groß ansteigen!

(...unter Mitarbeit unseres Praktikanten Alexander Radlherr)