Wieder liegt ein ereignisreicher Tag hinter uns…
Ereignisreich, weil wir notwendige Wetterstationsreparaturen in Westtirol dazu nützten, an unterschiedlichsten Stellen in die Schneedecke zu graben und unser Bild über den Schneedeckenaufbau vor den kommenden Niederschlägen zu schärfen.
Ereignisreich, weil sich heute am 08.03. die Serie von Lawinenauslösungen durch Wintersportler fortsetzte (Vordere Jamspitze, Gampberg, Seegrube, Innerrodelgungge, Pleisen, Neunerkogel, Stiergschwez). Teilweise war enormes Glück im Spiel, dass in Summe (unserem derzeitigen Wissensstand zufolge) nur eine Person leicht verletzt wurde.
Gewaltiges Ausmaß nahmen Schneebrettlawinen im hinteren Jamtal in der Silvretta an, die gegen 10:00 Uhr mit höchster Wahrscheinlichkeit von Skitourengehern ausgelöst wurden. Zum Unfallzeitpunkt befanden sich im hinteren Talkessel (unterschiedlich verteilt) ca. 100 Personen.
Die Kreise symbolisieren die abgegangenen Schneebrettlawinen am Jamtalferner in der Silvretta. Zuerst löste sich die kleine Lawine links, dann folgten (laut Augenzeugen in ca. 10-Sekunden-Abständen) von links nach rechts die weiteren Lawinenabgänge. © tiris
Drei der insgesamt vier Schneebrettlawinen im hinteren Jamtal (Foto: 08.03.2017)
Auf diesem Bild der Alpinpolizei erkennt man auch noch die vierte Lawine unterhalb der Gamsspitze (Foto: 08.03.2017) Maximale Anrissmächtigkeiten wohl gut 2m.
Es stellt sich die Frage, wie die Lawinen ausgelöst werden konnten? Dazu gibt es verschiedene Erklärungsversuche: Fest steht, dass sich seit dem Föhneinfluss vom vergangenen Wochenende samt den nachfolgenden, in der Region recht ergiebigen Neuschneefällen ein perfektes und großflächig gleichmäßiges Brett entwickelte. (Die Situation erinnert u.a. an den 06.02.2016 sowie den 26.11.2016 – sh. entsprechende Blogeinträge). Fest steht auch, dass schlussendlich die bodennahe Schwachschicht vom Frühwinter gebrochen ist und sich der Riss über mehrere Kilometer Länge fortsetzte. Fest steht zudem, dass sich die bodennahe Schwachschicht während der vergangenen Zeit nicht zum Negativen entwickelte. Entscheidend war somit ein „perfektes", sprödes Brett, das eine „perfekte" Bruchausbreitung ermöglichte. Wichtig dazu ist wohl auch ein Impuls durch Wintersportler, der durch die im Aufstieg befindlichen Gruppen gegeben war. Möglich ist, dass sich eine Gruppe im Aufstieg (nahe beieinander gehend) doch auch im Bereich einer schneearmen Stelle befand und dadurch die Bruchinitiierung erleichterte. Möglich ist auch, dass sich im Neuschneepaket (wie derzeit oft beobachtet) eine markante überschneite Graupelschicht befand. Von dort könnte sich ein primärer Bruch entwickelt haben und in Folge ein zusätzlicher Impuls auf die Schneedecke ausgeübt worden sein. Zumindest etwas begünstigend dafür könnte auch ein am Vormittag festgestellter, doch recht deutlicher Temperaturanstieg gewesen sein (der sich allerdings auf 2600m - im vermutlichen Auslösebereich – jedoch eher nicht allzu markant ausgewirkt haben dürfte.)
Wetterstation Jamtal mit deutlichem Temperaturanstieg.
Das Profil wurde von uns am 22.02. nördlich versetzt der auf der Karte noch ersichtlichen Gamsspitze aufgenommen. Auch im SW-exponierten Gelände gibt es die bodennahe, weichere Schicht, die aufgrund des sehr großen Impulses der schon ausgelösten Lawinen gebrochen ist.
Graupel im Neuschneepaket. Heberjoch im Außerfern (Foto: 08.03.2017)
Webcambild vom 07.03. mit spontan abgegangener Schneebrettlawine (Kreis) und Riss in der Schneedecke (Pfeil). Dokumentierte intensive Graupelschauer stellten mit hoher Wahrscheinlichkeit die Schwachschicht dieses Schneebretts dar. Es gab zudem auch sehr gute Sprengerfolge!
Nicht unwesentlich für die kommenden Niederschläge: Meist findet man guten Pulverschnee (der, sobald überschneit, als mögliche, primäre Schwachschicht dienen kann.) In Folge ist dann ein Bruch bis in bodennahe Schichten möglich. Planskopf – Serfaus (Foto: 08.03.2017)
Bodennahe Schwachschichten (rechts der Schaufel) können derzeit meist nur durch große Belastung gestört werden. (Details dazu bei den Schneeprofilen auf unserer Homepage.) Hinteres Ötztal: (Foto: 08.03.2017)
Lawinenabgang Gampberg, Arlberggebiet (Foto: 08.03.2017)
Lawinenabgang Innerrodelgungge, Staller Sattel, Osttirol (Foto: 08.03.2017)
Weitere Eindrücke der derzeitigen Situation:
Große spontane Lawine Schrammacher, Zillertaler Alpen (Foto: 08.03.2017)
Windeinfluss im Außerfern (Foto: 08.03.2017)
Meist immer noch unterdurchschnittliche Schneehöhen (Ventertal) (Foto: 08.03.2017)
Nun kommen viel Schnee und gebietsweise große Gefahr auf uns zu.