Montag, 14. März 2022

Tageszeitliche Abhängigkeit der Lawinengefahr sowie kleinräumige Triebschneepakete in Föhnschneisen beachten

Schneedecke wird durch Wassereintrag zunehmend geschwächt

Mit den nahezu perfekten Bedingungen bei geringer Lawinengefahr ist es vorerst vorbei. Das Frühjahr setzt sich zunehmend durch. Das heißt, die Schneedecke wird aufgrund der steigenden Temperaturen, der zunehmenden Luftfeuchtigkeit sowie der (teilweise diffusen) Strahlung von Tag zu Tag feuchter. Dieser Prozess ist aktuell noch stark von der Hangausrichtung, Höhenlage und Steilheit abhängig. Bezeichnend ist jedoch, dass kleine Änderungen beim Wettergeschehen große Auswirkungen auf die Lawinengefahr haben können. So gehen wir laut Prognose der ZAMG-Wetterdienststelle davon aus, dass sich morgen, Dienstag, 15.03. sowie übermorgen, Mittwoch, 16.03. (anfangs noch) eine mittelhohe bzw. hohe Schichtbewölkung über Tirol legt. Diese verringert die nächtliche Ausstrahlung, bringt zudem mehr Luftfeuchtigkeit und führt in Folge auch zu vermehrter langwelliger Gegenstrahlung. Kurz: Die Schneedecke kann mitunter recht rasch (unter Umständen auch schattig bis in mittlere Höhenlagen) (oberflächig) feucht und dadurch geschwächt werden. Richtig gut lässt sich dies allerdings nur im Gelände vor Ort einschätzen. Hilfreich sind natürlich Wetterstationsdaten, insbesondere ein Blick auf die Oberflächentemperatur sowie den Taupunkt.


Es wird vorerst von Tag zu Tag wärmer. Temperaturverlauf in verschiedenen Höhenniveaus von Sonntag, 13.03. bis Donnerstag 17.03.2022
Es wird vorerst von Tag zu Tag wärmer. Temperaturverlauf in verschiedenen Höhenniveaus von Sonntag, 13.03. bis Donnerstag 17.03.2022


Erschwerend hinzu kommt der ab den Nachtstunden vom 14.03. auf den 15.03. vorhergesagte Saharastaub, der die Gegenstrahlung erhöhen wird.


Saharastaub zieht von Süden Richtung Norden


Die Belastung von Saharastaub in der Atmosphäre nimmt im Tagesverlauf weiter zu.
Die Belastung von Saharastaub in der Atmosphäre nimmt im Tagesverlauf weiter zu.


Die wichtigsten Parameter für die kommenden Tage finden sich in der 2.Grafik von oben: Lufttemperatur (rot), Oberflächentemperatur (grau), Taupunkt-ein Feuchtemaß (blau). Darunter in grün die Globalstrahlung in W/m². Zu beachten: Diese Parameter werden im Flachen gemessen. In steilen Sonnenhängen geht die Durchfeuchtung und Durchnässung klarerweise rascher vor sich.
Die wichtigsten Parameter für die kommenden Tage finden sich in der 2.Grafik von oben: Lufttemperatur (rot), Oberflächentemperatur (grau), Taupunkt-ein Feuchtemaß (blau). Darunter in grün die Globalstrahlung in W/m². Zu beachten: Diese Parameter werden im Flachen gemessen. In steilen Sonnenhängen geht die Durchfeuchtung und Durchnässung klarerweise rascher vor sich.


Simulation des Schneedeckenaufbaus mit Hilfe des Schneedeckenmodells SNOWPACK. Selber Standort wie bei der oberen Wetterstationsgrafik (Sonnbergalm oberhalb von Obergurgl). Großer Unterschied: Schneedecke wurde für einen 38° steilen Südhang simuliert. Links: Schnitt durch die Schneedecke vom 22.02. bis 12.03.2022: Rote Schichten repräsentieren Schmelzformen. Rechts: Härteprofil der Schneedecke vom 12.03.2022 12:00 Uhr. Die Schneedecke ist bereits isotherm, d.h. bis zum Boden 0°C!
Simulation des Schneedeckenaufbaus mit Hilfe des Schneedeckenmodells SNOWPACK. Selber Standort wie bei der oberen Wetterstationsgrafik (Sonnbergalm oberhalb von Obergurgl). Großer Unterschied: Schneedecke wurde für einen 38° steilen Südhang simuliert. Links: Schnitt durch die Schneedecke vom 22.02. bis 12.03.2022: Rote Schichten repräsentieren Schmelzformen. Rechts: Härteprofil der Schneedecke vom 12.03.2022 12:00 Uhr. Die Schneedecke ist bereits isotherm, d.h. die Schneetemperatur beträgt bis zum Boden 0°C!


In tieferen Höhenlagen nähert sich die Schneetemperatur nun auch im flachen Gelände zunehmend der 0°C an. Bei oberen Profil sprechen wir von geringer Temperaturreserve. D.h. ein weiterer Feuchtigkeitseintrag kann rasch zur Durchnässung bis zum Boden und somit zu weiterem Festigkeitsverlust führen.
In tieferen Höhenlagen nähert sich die Schneetemperatur nun auch im flachen Gelände zunehmend der 0°C an. Bei oberen Profil sprechen wir von geringer Temperaturreserve. D.h. ein weiterer Feuchtigkeitseintrag kann rasch zur Durchnässung bis zum Boden und somit zu weiterem Festigkeitsverlust führen.


Beginnende Aktivität von Nassschneelawinen

Seit dem Wochenende gingen bei uns vereinzelte Meldungen über Nassschneelawinen ein. Es handelte sich fast ausschließlich um kleine Lawinen. Meist waren es Lockerschneelawinen, zum Teil auch Schneebrett- und Gleitschneelawinen. Heute am 14.03. löste sich während der Abfahrt von 3 Wintersportlern vom Skigebiet Sölden in Richtung Winterstall (Ventertal) im freien Skigelände eine kleine Schneebrettlawine, die sich in Folge zu einer gefährlich großen Nassschneelawine entwickelte - kleine Ursache - große Wirkung -> Dies sollte auch für die kommenden Tage beachtet werden!
 

Lawinenabgang Winterstall vom 14.03.2022. Geringmächtige Schneedecke, die bei einer geringen Schneemächtigkeit bis zum Boden abging. SO, ca. 35°
Lawinenabgang Winterstall vom 14.03.2022. Geringmächtige Schneedecke, die bei einer geringen Schneemächtigkeit bis zum Boden abging. SO, ca. 35°


Eine Person fuhr am 13.03. orographisch links in den Hang ein. Man erkennt dort einen schneeärmeren Bereich. Die Person wurde von dem Schneebrett mitgerissen und wurde leicht verletzt. Schafkar, 2300m, SO, 35-40°.
Eine Person fuhr am 13.03. orographisch links in den Hang ein. Man erkennt dort einen schneeärmeren Bereich. Die Person wurde von dem Schneebrett mitgerissen und wurde leicht verletzt. Schafkar, 2300m, SO, 35-40°. 


Kleine feuchte/nasse Schneebrettlawinen Rifflsee / Pitztal (Foto: 12.03.2022)
Kleine feuchte/nasse Schneebrettlawinen Rifflsee / Pitztal (Foto: 12.03.2022)


Kleine Schneebrettlawine vom 14.03. Lampsenspitze, Nördliche Stubaier Alpen. Man erkennt eine Einfahrtsspur.
Kleine Schneebrettlawine vom 14.03. Lampsenspitze, Nördliche Stubaier Alpen. Man erkennt eine Einfahrtsspur.


Kleinräumige Triebschneepakete in Schattenhängen v.a. in den bekannten Föhnschneisen beachten

Während der vergangenen Tage wehte zum Teil recht starker Südföhn. Besonders betroffen waren wieder einmal die typischen Föhnschneisen, wie z.B. die an das Wipptal angrenzenden Regionen. Der in Schattenhängen aufbauend umgewandelte, lockere Schnee wurde dort zum Teil verfrachtet und im Windschatten genau auf dieser lockeren Schicht wieder abgelagert. Es bildeten sich meist kleinräumige, jedoch sehr störanfällige Triebschneepakete. Die Absturzgefahr überwog dabei meist der Verschüttungsgefahr. Dennoch: Solche Gefahrenstellen bleiben vorerst störanfällig, sind jedoch mit etwas Erfahrung gut zu erkennen.


Kleinräumige Triebschneepakete im Wattental in den Tuxer Alpen (Foto: 11.03.2022)
Kleinräumige Triebschneepakete im Wattental in den Tuxer Alpen (Foto: 11.03.2022)


Bei Südföhn einer der windanfälligsten Standorte Tirols - der Patscherkofel
Bei Südföhn einer der windanfälligsten Standorte Tirols - der Patscherkofel


Appell am Schluss: Tageszeitliche Abhängigkeit der Lawinengefahr sowie nächtliche Ausstrahlung der Schneedecke beachten

Wichtig erscheint, wieder das Verständnis für die tageszeitliche Abhängigkeit der Lawinengefahr zu wecken: Je klarer der Himmel, je kühler die Temperatur und je trockener die Luftmasse, desto günstiger ist die Situation in den Morgenstunden. Umgekehrt, und das trifft für die kommenden Tage zu - je wärmer die Temperatur, je feuchter die Luft (somit je mehr Wolkenbedeckung während der Nacht), desto ungünstiger sind die Bedingungen während der Morgenstunden. Die Lawinengefahr steigt dann im Tagesverlauf umso rascher an. Eine gute Tourenplanung und Zeiteinteilung erscheinen somit das Gebot der Stunde bzw. der kommenden Tage zu sein!