Donnerstag, 2. Februar 2023

Große Lawinengefahr - Unfallträchtige Lawinensituation! Bitte um große Zurückhaltung und defensives Verhalten!

Zunehmend gefährliche und unfallträchtige Lawinensituation, insbesondere für Wintersportler!


Vorab: Während der kommenden Tage stellt sich zumindest für WintersportlerInnen gebietsweise eine sehr ernst zu nehmende und gefährliche Lawinensituation ein. Ab morgen, Freitag, 02.02. herrscht im Osten Tirols oberhalb der Waldgrenze bereits große Lawinengefahr. Es ist mit spontanen Lawinen zu rechnen. Diese sind anfangs meist mittelgroß. Lawinen können am Freitag während der späten Abendstunden vermehrt auch groß (Lawinengröße 3) werden. Im freien Gelände ist - beginnend vom Waldgrenzbereich aufwärts - die Wahrscheinlichkeit hoch, dass WintersportlerInnen in Steilhängen Schneebrettlawinen auslösen können. Vorsicht auch in Lichtungen im Waldbereich. Selbst Fernauslösungen aus flachen Bereichen sind möglich. Während der kommenden Tage nimmt die Wahrscheinlichkeit von Fernauslösungen tendenziell zu.



Lawinengefahrenstufenkarte für Freitag, den 03.02.2023. Im Osten des Landes vielfach große Lawinengefahr
Lawinengefahrenstufenkarte für Freitag, den 03.02.2023. Im Osten des Landes vielfach große Lawinengefahr



Viel Neuschnee und stürmische Verhältnisse


Wir haben es mit einer spannenden Nordwest-Wetterlage zu tun. Drei Niederschlagsstaffeln bringen ab heute, Donnerstag, 02.02.2023 bis Montag, 06.02.2023 bei stürmischem Wind gebietsweise über 100cm Neuschnee auf den Bergen. Die Hauptniederschlagsgebiete konzentrieren sich auf den Norden und den Osten des Landes. Kleinräumig kann es mitunter recht große Unterschiede bei den Neuschneemengen geben.



72h-Neuschneeprognose 02.02.-05.02. 01:00 Uhr
72h-Neuschneeprognose 02.02.-05.02. 01:00 Uhr



Der Niederschlag fällt in drei Staffeln. Morgen, Freitag 03.02. bessert sich kurzfristig das Wetter, bevor gegen Abend die nächste Staffel reinzieht. Sonntag gegen Abend kommt dann die dritte Staffel rein. Durchwegs starker bis stürmischer Wind. Temperatur steigt am Freitag an und sinkt am Samstag wieder ab.
Der Niederschlag fällt in drei Staffeln. Morgen, Freitag 03.02. bessert sich kurzfristig das Wetter, bevor gegen Abend die nächste Staffel reinzieht. Sonntag gegen Abend kommt dann die dritte Staffel rein. Durchwegs starker bis stürmischer Wind. Die Lufttemperatur steigt am Freitag an und sinkt am Samstag wieder ab.



Am Freitag, 03.02. abends, dann wenn die nächste Niederschlagsstaffel reinzieht, wird der Wind voraussichtlich am kräftigsten sein (Sturm!).
Am Freitag, 03.02. abends, dann wenn die nächste Niederschlagsstaffel reinzieht, wird der Wind voraussichtlich am kräftigsten sein (Sturm!).



Schwache Schneedecke


Die Schneedecke besteht häufig aus vielen Schichten mit großen Härteunterschieden. Krusten innerhalb der Altschneedecke wurden während der vergangenen Wochen zunehmend "aufgefressen" bzw. wurden dünner, das Gesamtgefüge dadurch häufig lockerer. Schwachschichten wiederum bestehen hauptsächlich aus aufbauend umgewandelten Kristallen. Im Nahbereich der Schneeoberfläche findet man zudem in windgeschützten Bereichen zum Teil noch Oberflächenreif, vereinzelt Wildschnee und ganz aktuell: viel Graupel. Schauen wir uns exemplarisch ein paar Schneeprofile an:



Schneeprofil vom 02.02.2023 am Gaislachkogel in der Weißkugelgruppe: 2190m, 38°, Ost. An der Schneeoberfläche hat sich Graupel abgelagert. Darunter kürzlich gefallener und teilweise windbeeinflusster Schnee. Darunter eine Abfolge von Schmelzkrusten und aufbauend umgewandelten Kristallen. Aktuell fehlt hier noch das "Brett", welches zeitnah mit Schneefall und starkem Wind gebildet wird.
Schneeprofil vom 02.02.2023 am Gaislachkogel in der Weißkugelgruppe: 2190m, 38°, Ost. An der Schneeoberfläche hat sich Graupel abgelagert. Darunter kürzlich gefallener und teilweise windbeeinflusster Schnee. Darunter eine Abfolge von Schmelzkrusten und aufbauend umgewandelten Kristallen. Aktuell fehlt hier noch das "Brett", welches zeitnah mit Schneefall und starkem Wind gebildet wird. (c) Holzknecht, Wieser



Schneeprofil vom 27.01.2023 im Steinkar in den Östlichen Lechtaler Alpen: 2060m, 32°, West. Auch hier gibts einige mögliche Schwachschichten, angefangen von Oberflächenreif, zu kantigen Kristallen  (einerseits unterhalb der obersten, dünnen Kruste - andererseits im Mittelteil), möglich auch die Basis aus Schwimmschnee. (c) Zangerl
Schneeprofil vom 27.01.2023 im Steinkar in den Östlichen Lechtaler Alpen: 2060m, 32°, West. Auch hier gibts einige mögliche Schwachschichten, angefangen von Oberflächenreif, zu kantigen Kristallen  (einerseits unterhalb der obersten, dünnen Kruste - andererseits im Mittelteil), möglich auch die Basis aus Schwimmschnee. (c) Zangerl



Schneeprofil vom 28.01.2023 unterhalb des Kauschkahorns in der Lasörlinggruppe: 2690m, 35°, Ost. Bei diesem Profil pflanzten sich Brüche bei zwei Schwachschichten im unteren Drittel der Schneedecke gut fort - eine Voraussetzung für den Abgang von Schneebrettlawinen. (c) Niederwanger



Hier noch ein paar Impressionen zu den oberflächennahen Schwachschichten: Der während der vergangenen zwei Wochen vermehrt beobachtete Oberflächenreif ist zwar vielerorts bereits durch den starken Wind der vergangenen Tage zerstört worden. Dennoch, es gibt weiterhin Bereiche, wo dies nicht der Fall war - vermehrt wohl in schattigen Lichtungen innerhalb von Wäldern oder beispielsweise in geschützten, windabgewandten, schattigen Karen.



Oberflächenreif am Gleinser Berg am Serleskamm. Foto: 30.01.2023
Oberflächenreif am Gleinser Berg am Serleskamm. Foto: 30.01.2023



Die Kreise auf der Karte symbolisieren Rückmeldungen über Oberflächenreif während der vergangenen 2 Wochen
Die Kreise auf der Karte symbolisieren Rückmeldungen über Oberflächenreif während der vergangenen 2 Wochen



Die Bildung von Oberflächenreif wurde u.a. auch durch Nebel gefördert, der zwischen dem 26.01. und dem 29.01. vermehrt und großräumiger aufgetreten ist. Die Nebelgrenze lag häufig zwischen 1700m und 1900m, mancherorts (z.B. Samnaungruppe, Zillertaler Alpen) reichte der Nebel jedoch auch zeitweise bis 2700m hinauf.



Zäher Hochnebel über dem Inntal am 26.01.2023.
Zäher Hochnebel über dem Inntal am 26.01.2023.



Wildschnee, ein besonders lockerer Neuschnee, hat sich seit Mitte Jänner öfters abgelagert. Kürzlich  fiel Wildschnee auch aus den Nebeldecken. Im Hintergrund erkennt man Schneefahnen aufgrund des zunehmenden Windeinflusses. Östliche Lechtaler Alpen (Foto: 30.01.2023)
Wildschnee, ein besonders lockerer Neuschnee, hat sich seit Mitte Jänner öfters abgelagert. Kürzlich  fiel Wildschnee auch aus den Nebeldecken. Im Hintergrund erkennt man Schneefahnen aufgrund des zunehmenden Windeinflusses. Östliche Lechtaler Alpen (Foto: 30.01.2023)



Aus dem ganzen Land gingen heute am 02.02. zahlreiche Meldungen über Graupel ein. Massivere Graupeleinlagerungen können ebenso Schwachschichten für Schneebrettlawinen bilden. Weißkugelgruppe
Aus dem ganzen Land gingen heute am 02.02. zahlreiche Meldungen über Graupel ein. Massivere Graupeleinlagerungen können ebenso Schwachschichten für Schneebrettlawinen bilden. Weißkugelgruppe



Triebschnee auf Wildschnee lässt sich kurzfristig sehr leicht stören. Glocknergruppe (Foto: 29.01.2023)
Triebschnee auf Wildschnee lässt sich kurzfristig sehr leicht stören. Glocknergruppe (Foto: 29.01.2023)



Rissbildungen beim Einfahren in frischen Triebschnee. Aufgrund der geringen Hangneigung ging das Schneebrett nicht ab. Weißkugelgruppe (Foto: 31.01.2023)
Rissbildungen beim Einfahren in frischen Triebschnee. Aufgrund der geringen Hangneigung ging das Schneebrett nicht ab. Weißkugelgruppe (Foto: 31.01.2023)



Kürzliche Lawinenabgänge


Während der vergangenen Tage mehrten sich aufgrund des zunehmenden Windeinflusses Meldungen über kleine bis mittelgroße Lawinenabgänge - bereits eine erste Bestätigung der zum Teil recht störanfälligen Schneedecke.



Das kammnahe Schneebrett beim Feldernjöchl im Mieminger Gebirge löste sich, als eine 3-er Gruppe im Aufstieg war (Pfeil). 2 Personen wurden verschüttet, eine total (Kreis). Verletzt wurde niemand. Die Anrissmächtigkeit betrug um 20cm. Der Lawinenabgang ereignete sich am 30.01.2023 (Foto: 31.01.2023)
Das kammnahe Schneebrett beim Feldernjöchl im Mieminger Gebirge löste sich, als eine 3-er Gruppe im Aufstieg war (Pfeil). 2 Personen wurden verschüttet, eine total (Kreis). Verletzt wurde niemand. Die Anrissmächtigkeit betrug um 20cm. Der Lawinenabgang ereignete sich am 30.01.2023 (Foto: 31.01.2023)



Kleines, kammnahes Schneebrett unterhalb des Mugkogels im Kühtai (Foto: 31.01.2023)
Kleines, kammnahes Schneebrett unterhalb des Mugkogels im Kühtai (Foto: 31.01.2023)



Lawinenauslösung durch eine Gämse (Die Pfeile zeigen die Spur in die Lawine und jene aus der Lawine) Sellrain (Foto: 01.02.2023)



Spontanes Schneebrett auf 2500m SSW in der Gurgler Gruppe. Frischer Triebschnee als Zusatzbelastung. (Foto: 01.02.2023)
Spontanes Schneebrett auf 2500m SSW in der Gurgler Gruppe. Frischer Triebschnee als Zusatzbelastung. (Foto: 01.02.2023)


Wie gehts weiter? Gefährlich für den Wintersportler - Sehr exponierte Straßen können gefährdet sein


Wie schon anfangs erwähnt, haben wir sämtliche Voraussetzungen für eine zumindest für den Wintersportler gefährlichen Lawinensituation während der kommenden Tage: Eine schwache Schneedecke, Schneefall samt starkem bis stürmischem Wind, zudem am morgigen Freitag, den 03.02.2023 kurzfristige Wetterbesserung mit Sonneneinstrahlung und einem moderaten Temperaturanstieg. Letztere Einflussfaktoren fördern die Brettbildung, was wiederum die Störanfälligkeit erhöht. ACHTUNG: Die morgige kurzfristige Schönwetterphase nach Neuschnee- und starkem Wind ist bereits sehr unfallträchtig!

Mit der weiteren Niederschlagsstaffel ab Freitag abends erwarten wir in den niederschlagsreichen Regionen während der späten Abendstunden vermehrt auch große spontane Lawinenabgänge. In tiefen und mittleren Lagen werden dann zunehmend auch Gleitschneelawinen auf steilen Wiesenhängen wahrscheinlicher. Gleitschneelawinen können in weiterer Folge wiederum einzelne Zufahrtswege zu Häusern gefährden. Vorsicht auch im Bereich besonders exponierter Einzugsgebiete aufgrund möglicher spontaner Schneebrettabgänge.

Wichtig anzumerken ist, dass aufgrund des bisher sehr schneearmen Winters, spontane Lawinen in ihrer Sturzbahn nur wenig Schnee mitreißen. Deshalb hält sich deren Ausmaß auch in Grenzen.



Schneefall und Sturm lassen die Lawinengefahr gebietsweise auf groß ansteigen. Station Sonntagsköpfl in den Östlichen Tuxer Alpen
Schneefall und Sturm lassen die Lawinengefahr gebietsweise auf groß ansteigen. Station Sonntagsköpfl in den Östlichen Tuxer Alpen