Mittwoch, 1. April 2015

Eindrücke vom Sturm „Niklas“, der Schneedecke und der Lawinenaktivität auf Tirols Bergen

Als Zusatz zum vorigen Blogeintrag möchten wir die vergangenen Tage, insbesondere jedoch den gestrigen 31.03., als der Sturm „Niklas" über Tirol hinwegfegte, Revue passieren lassen. Der Sturm führte nicht nur auf den Bergen zu massiven Schneeumlagerungen und teilweise Lawinenabgängen, sondern auch zu eingeschränktem Liftbetrieb, Baumwürfen, Stromausfällen und Schäden an Häusern.
 
Auszug aus den Winddaten der Station Nachtweide in der Silvretta-Skiarena. Es wurden Böen um 150 km/h gemessen!)
 
Mehr als unwirtlich war es in großen Höhen, wie hier am Rettenbachgletscher in den Südlichen Ötztaler Alpen (Foto: 31.01.2015)
 
Als ob ein Riese mit einem überdimensionalen Besen den Schnee weggefegt hätte; Kühtai, Nördliche Stubaier Alpen (Foto: 31.03.2015)
 
In Summe kamen bereits bis heute, dem 01.04. zumindest oberhalb von etwa 2000m beachtliche Schneemengen zusammen.
 
 
Die Kombination aus Neuschnee (anfangs Regen bis meist 2000m, inzwischen verbreitet Schneefall bis in tiefe Lagen) hatte auch Auswirkungen auf die Lawinentätigkeit.
 
Spontane Lawinenabgänge im Ötztal (Foto: 31.03.2015)
 
Eine durch anfängliche Erwärmung und Regen bedingte nasse Lockerschneelawinen löste in Folge ein Schneebrett aus; Nördliche Ötztaler Alpen (Foto: 31.03.2015)
 
Gestern am 31.01. gingen spontane Lawinen fast ausschließlich in größeren Höhen ab. Dies hatte mit der zumindest unterhalb etwa 2500m fortschreitenden Setzung der häufig schon angefeuchteten Schneedecke und der kurzfristigen Wetterbesserung zu tun. Unsere gestern durchgeführten Stabilitätsuntersuchungen zeigten eine derzeit kaum mehr störanfällige Altschneedecke unterhalb etwa 2500m (am ehesten noch schattseitig, sehr steil um 2300m).
 
Gemeinsam mit der Lawinenkommission aus Sölden führten wir gestern am 31.03. Stabilitätsuntersuchungen durch. Als Hauptproblem kristallisierten sich inzwischen Schichtgrenzen im Neuschnee heraus.
 
In größeren Höhen war es kälter, der Triebschnee dadurch störanfälliger. Als Gleitfläche dürfte in den meisten Fällen eine Schichtgrenze im Neuschnee, oberhalb etwa 2700m vereinzelt auch die im vorigen Blogeintrag erwähnte dünne oberflächennahe Schicht aus kantigen Kristalle unterhalb einer dünnen Harschkruste gedient haben. (Bei einem am 31.03. auf ca. 2500m aufgenommenen Schneeprofil konnte diese Schicht zwar beobachtet werden, eine Bruchfortpflanzung wäre aufgrund der fortschreitenden Durchfeuchtung in dieser Höhenlage jedoch nicht mehr möglich gewesen).
 
Sprengerfolge waren unterschiedlich. Von mäßigen Erfolgen bis guten Erfolgen reichten die Rückmeldungen.
 
Mäßige Sprengerfolge im neuschneereichen Arlberggebiet (Foto: 31.03.2015)
 
Frischer Triebschnee wurde kammnah abgesprengt; Kühtai; Nördliche Stubaier Alpen (Foto: 31.03.2015)
 
Auch für die kommenden Tage gilt, dass das Hauptproblem von frischem, weiterhin umfangreich gebildetem Triebschnee ausgeht. Durch die inzwischen gesunkenen Temperaturen lässt sich dieser kurzfristig bis in mittlere Lagen hinunter stören. Wir rechnen aufgrund der Niederschlagsvorhersagen mit einer Spitze der Lawinenaktivität am morgigen Donnerstag, dem 02.04. abends bzw. während der Nachtstunden. Betroffen werden v.a. windabgewandte, sehr steile Hänge, tendenziell eher in größeren Höhen in den neuschneereichen Regionen Tirols sein. Schneebretter, die dort brechen, können in Folge die darunter befindliche, meist schon etwas durchfeuchtete Altschneedecke mitreißen.
 
In den neuschneereichen Regionen wird man zudem auf steilen Wiesenhängen vermehrt Gleitschneelawinen beobachten können.
 
Generell gilt im Frühjahr, dass sich kurzfristige Wetteränderungen recht massiv auf die Schneedecke auswirken können. Ein rascher Temperaturanstieg ist allgemein als ungünstig anzusehen. Kurzfristige Aufhellungen mit mäßiger diffuser Strahlung (wie sie auch heute am 01.04. wieder stattgefunden haben) wirken sich hingegen positiv auf die Schneedecke aus.
 
Ein Szenario insbesondere für morgen abends bzw. Nacht: Kammnaher Triebschnee löst sich spontan und reißt in Folge die Altschneedecke mit. Nördliche Ötztaler Alpen (Foto:31.03.2015)
 
Es folgt ein neuschneereicher 02.04. samt starkem Wind auf den Bergen. Seegrube, Nordalpen (Foto: 01.04.2015)
 
Ab Freitag werden Niederschläge und Wind abnehmen. Entsprechend sollte dann auch die Lawinengefahr zurückgehen.
 
Wichtiger Nachsatz: Im südlichen Osttirol sind die Verhältnisse aufgrund der geringen Niederschlagsmengen günstiger. Triebschnee in höheren Lagen sollten jedoch auch dort entsprechend beachtet werden.
 
Das südliche Osttirol ist derzeit begünstigt, Staller Sattel (Foto: 31.03.2015)