Montag, 30. März 2015

Mit Neuschnee, Regen und Sturm kritische Lawinensituation! Während der kommenden Tage ist mit zahlreichen spontanen Lawinen zu rechnen! In den neuschneereichen Gebieten vielfach große Lawinengefahr!

Die Prognosen der ZAMG-Wetterdienststelle sprechen von einer sehr wechselhaften, niederschlagsreichen und stürmischen Zeit während der Karwoche. Dies wirkt sich auch auf die Lawinengefahr aus, die in den neuschneereichen Regionen zumindest zeitweise auf groß ansteigen wird!
 
Die bereits intensiven Niederschläge (mit Regen bis derzeit ca. 2000m hinauf) samt Sturm haben im Westen des Landes die Gefahr bereits heute am 30.03. auf groß ansteigen lassen.
 
Deutlicher Anstieg der Schneehöhe samt stürmischem Wind an der Station Ulmerhütte im Arlberggebiet.
 
Verantwortlich dafür ist eine großräumige West- bis Nordwestströmung über Europa, die feuchte Luftmassen an die Nordseite der Alpen schaufelt. Im Arlberggebiet und Außerfern erwartet die ZAMG bis vorerst einmal Freitag, den 03.04. oberhalb etwa 2000m zumindest einen Meter Neuschnee (in der NW-Ecke Nordtirols sind bis zu 150cm möglich). In den Nordalpen werden zwischen 70cm und 100cm, südlich des Inns zwischen 30 und 50cm und in den Zillertaler Alpen und Osttiroler Tauern um 70cm erwartet. Im Osttirol wird die Neuschneehöhe gegen Süden deutlich abnehmen.
 
 
Durch den ständigen Wechsel von kalten und warmen Luftmassen wird die Schneefallgrenze in den nächsten Tagen variieren. Liegt diese heute am 30.03. noch meist um 1700m, teilweise auch 2000m, kann sie mit Eintreffen einer Warmfront kommende Nacht verbreitet um 2000m ansteigen. Nach deren Abzug soll es morgen am 31.03. zumindest inneralpin kurzfristig etwas aufhellen. Mit der nächsten Kaltfront setzen allerdings erneut ergiebige Schneefälle ein, die bis zum Mittwoch, den 01.04. auch bis in einige Täler herunter reichen werden. Die nächste Auflockerung wird es wohl frühestens am Samstag geben. Nach derzeitigen Modellvorhersagen bessert sich das Wetter auch am Osterwochenende kaum, eine neuerliche Kaltfront aus Nordwesten dürfte am Sonntag für starke Bewölkung und Niederschlag sorgen.
 
Die Prognose der ZAMG zeigt stetigen Neuschneezuwachs (mit nur kurzen Unterbrechungen) sowie stürmischen Wind, hier am Beispiel eines Gitterpunktes in den Tuxer Alpen
 
Derzeit am 30.03. ist es auf Tirols Bergen bereits vielfach stürmisch.
 
Blick von der Fellhorn-Gipfelstation Richtung Außerfern (Quelle: foto-webcam.eu)
 
Der stürmische Wind weht anfangs hauptsächlich aus West und wird dann auf Nordwest drehen und allgemein für sehr umfangreiche Schneeverfrachtungen sorgen.
 
Betrachten wir die Schneedecke, so sind Lawinenabgänge in allen Hangrichtungen vorstellbar.
 
Am schnellsten sollten Schattenhänge unterhalb etwa 2300m durch die fortschreitende Zusatzbelastung des Neuschnees ansprechen. Dort findet man vielfach ein durchfeuchtetes bzw. durchnässtes Fundament aus ehemals kantigen Kristallen bzw. Schwimmschnee, teilweise eingelagert unter Krusten bzw. unterhalb eines kürzlich gebildeten Schmelzharschdeckels. Ähnlich wie während der intensiven Schneefälle vom 25.03. auf den 26.03. im südlichen Osttirol wird es in den neuschneereichen Gebieten dort häufig zu einem Kollaps der Schneedecke und dadurch zu spontanen Lawinen kommen. Zwischen etwa 2300m und 2600m ist in den neuschneereichen Regionen ausgehend von bodennahen Schwimmschneenestern an ehemals schneearmen Bereichen eine Bruchauslösung und –fortpflanzung möglich, darüber nimmt die Wahrscheinlichkeit der Störung der Altschneedecke ab.
 
Spontane Lawinenabgänge von den Neuschneefällen vom 25.03. auf den 26.03. im südlichen Osttirol, hier am Beispiel von Innervillgraten (Foto: 28.03.2015)
 
Erhöhte spontane Lawinenaktivität ist aus schattigem Gelände zu erwarten - Nördliche Stubaier Alpen; (Foto: 28.03.2015)
 
Weiters ist in den regenbeeinflussten Gebieten aus steilen Wiesenhängen aller Hangrichtungen vermehrt auf spontane Gleitschneelawinen und überdies aus extrem steilem Gelände auf nasse Lockerschneelawinen zu achten.
 
Ähnlich wie in Osttirol ab dem 26.03. werden nun auch in Nordtirol vermehrt Nassschneelawinen in regenbeeinflussten Gebieten abgehen (Foto: 28.03.2015)
 
In einem Höhenbereich zwischen etwa 2500m und 2900m wurde uns zudem von teilweise aufbauender Umwandlung in den Expositionen ONO über S bis WNW unterhalb dünner Schmelzkrusten (die sich ab dem 26.03. gebildet haben) berichtet. Dies ist vermehrt in den Regionen entlang des Alpenhauptkammes der Fall. Unter diesen Krusten findet man teilweise noch filzige und somit etwas lockerere Kristalle. Durch eine sehr große Schneeauflast sind Lawinenabgänge unterhalb dieser Krusten denkbar.
 
Das am 28.03. aufgenommene Foto aus Hochfügen zeigt unterhalb des Neuschnees eine Schmelzkruste. In höheren Bereichen ist diese Kruste dünn, darunter befindet sich mitunter etwas lockererer Schnee, der als Gleitfläche für Schneebrettlawinen in Frage kommen kann.
 
Ansonsten werden sich allein durch Temperatur- und Windschwankungen innerhalb des Neuschneepaketes Schichtgrenzen zwischen etwas härteren und weicheren Schichten bilden. Dies ist in höheren Lagen in allen Hangrichtungen möglich und somit auch dort Abgänge von Schneebrettlawinen vorstellbar.
 
Unterhalb des Roßhufes in der Venedigergruppe lösten zwei Skitourengeher am 29.03. auf ca. 3100m in einem extrem steilen O-Hang ein Schneebrett aus. Als Gleitfläche diente die Schichtgrenze zwischen lockerem Pulver- und frischem Triebschnee. Eine Person wurde dabei schwer verletzt. Weitere, ähnliche Lawinenabgänge sind uns aus ähnlichen Höhenbereichen bekannt (u.a. Untersulzbachtörl, Glockturm, Breiter Grießkogel) (Foto: 29.03.2015)
 
Summa summarum: Es erwartet uns eine Zeit, bei der Wintersportler in den neuschneereichen Gebieten extrem defensiv unterwegs und über sehr gutes lawinenkundliches Wissen verfügen sollten. Unerfahrenen Personen raten wir in den neuschneereichen Regionen möglichst auf den  gesicherten Pisten zu bleiben. Ansonsten ist auch mit Sperren innerhalb von Skigebieten sowie von exponierten Straßenverbindungen zu rechnen.