Freitag, 6. März 2015

Analyse der tödlichen Lawinenunfälle am Hinteren Rendl und unterhalb der Breiten Scharte

Am 04.03. waren wir gemeinsam mit Tilo Lorenz von der Lawinenkommission Rendl bei der Lawine am Hinteren Rendl im Arlberggebiet, am 05.03. mit unserem Beobachter Lukas Ruetz bei der Lawine unterhalb der Breiten Scharte in den Nördlichen Stubaier Alpen.
 
Im Zuge unserer Schneedeckenuntersuchungen zeigte sich, dass bei beiden Lawinen nicht nur frischer Triebschnee, sondern zusätzlich auch noch Schwachschichten in der Altschneedecke eine wesentliche Rolle spielten.
 
Betrachten wir anfangs die Lawine im Bereich des Hinteren Rendl:
 
Der rote Kreis symbolisiert den betroffenen Bereich. Einfahrt der Personen knapp unterhalb des Gampbergs in extrem steiles Gelände (rot).
 
Vier australische Snowboarder, alle ohne Notfallausrüstung, fuhren von der Bergstation des Gampbergliftes in den Variantenbereich des Hinteren Rendl ein. Laut Informationen der Alpinpolizei dürften sie dabei eher unbeabsichtigt zu weit rechts von der Normalroute namens Schimmeleck abgekommen sein. Dadurch gelangten sie in extrem steiles, NO-exponiertes Gelände, wo sie etwas versetzt voneinander standen, als sich die Schneebrettlawine knapp oberhalb von ihnen löste. Alle vier Personen wurden von der Lawine erfasst und über felsiges Gelände mitgerissen. Sie waren beim Stillstand der Lawine nicht verschüttet. Eine Person zog sich durch den Absturz tödliche Verletzungen zu, eine weitere wurde schwer verletzt, die zwei restlichen Personen blieben unverletzt.
 
Lawinenabgang am Hinteren Rend. Die Auslösung erfolgte im obersten Bereich des Anrisses. Der untere Kreis symbolisiert die Verschüttungsstelle der getöteten Person, der oberhalb befindliche Kreis jene der verletzten Person. Die unverletzten Personen lagen einerseits zwischen den beiden Kreisen bzw. in einem flacheren Bereich unterhalb der Felsen. (Foto: 03.03.2015)
 
Man erkennt die Einfahrtsspuren links versetzt der Licht-Schattengrenze. Alle vier Personen befanden sich zum Lawinenabgang knapp unterhalb des Anrisses und wurden über felsiges Gelände mitgerissen. (Foto: 03.03.2015)
 
Schaut man sich das Wetter der vorangegangenen Tage an, so fällt die beachtliche Neuschneemenge von ca. 50cm, die sinkenden Temperaturen sowie der stürmische Wind auf – zusammen klare Indizien für eine für den Wintersportler kritische Lawinensituation.
 
Daten der nahegelegenen Wetterstation Äußere Rendlalpe. Am Unfalltag begann es nach der Schlechtwetterphase aufzureißen.
 
Die Schneedeckenuntersuchung wurde etwas oberhalb des Anrisses durchgeführt. Markant war dort der Wechsel von Krusten und kantigen Kristallen innerhalb der Altschneedecke. Darüber lagerte kürzlich abgelagerter Triebschnee. Unser Stabilitätstest zeigte ein inzwischen bekanntes Bild: Der Bruch innerhalb der Schwachschicht pflanzte sich nicht vollständig bis zum Ende des Schneeblocks fort. Die Lawinenauslösung erfolgte somit offensichtlich im Bereich eines Schwimmschneenestes im schneearmen, extrem steilen Gelände. Von dort konnte sich der Bruch dann innerhalb der Schicht aus kantigen Kristallen großflächig fortpflanzen.
 
 
Der Bruch erfolgte im Bereich von kantigen Kristallen oberhalb einer dünnen Kruste. Während des Lawinenabgangs brachen in Folge auch noch tiefere Schichten.
 
Betrachten wir nun den Lawinenabgang unterhalb der Breiten Scharte in den Sellrainer Bergen, der schneetechnisch ähnlich gelagert war:
 
Der Kreis symbolisiert den Lawinenhang
 
Der aus der Slowakei stammende Koch der Pforzheimer Hütte brach gegen 13:30 Uhr von der Hütte zu einer Tour vermutlich Richtung Breiter Scharte, Samerschlag auf. Nachdem die Person nicht zum vereinbarten Zeitpunkt zurückkehrte wurde eine Suchaktion gestartet. Signale seines LVS-Gerätes führten die Bergretter nach längerer Suche zu dem inzwischen verstorbenen Verschütteten.
 
Man erkennt die Pforzheimer Hütte sowie die Unglückslawine unweit der Hütte.Oberhalb der Lawine geht es zur Breiten Scharte bzw. zum Gipfel des Samerschlag. (Foto: 04.03.2015)
 
Die Lawine wurde im Aufstieg ausgelöst. Der Hang weist eine Neigung von ca. 35 Grad auf. Unsere Schneedeckenuntersuchungen lassen zwei Schlüsse zu. Entweder erfolgte der Bruch primär innerhalb des frischen Triebschnees und erst sekundär innerhalb der Altschneedecke oder aber sofort im Altschnee in einem Übergangbereich von wenig zu viel Schnee.
 
Das Foto entstand im Anrissbereich: Frischer Triebschnee ließ sich dort noch stören. Der Riss pflanzte sich allerdings nicht mehr gut fort. Am Vortag war dies sicherlich noch deutlich leichter möglich. (Foto: 04.03.2015)
 
Das Foto zeigt die größte Anrissmächtigkeit im orographisch linken Teil der Lawine. Dort wäre eine Störung der Altschneedecke nicht denkbar gewesen. Dazu bedurfte es eines schneearmen, vermutlich sehr steilen Bereiches (Foto: 04.03.2015)
 
Rechts neben der Person erkennt man die Verschüttungsstelle. Mit hoher Wahrscheinlichkeit dürfte der Slowake seine Aufstiegsspur im Bereich des leicht ausgeprägten, schneearmen Rückens gelegt haben, wo die Lawine ausgelöst wurde.
 
Die nahe gelegenen Wetterstationen zeigten ein sehr ähnliches Bild wie die bereits gezeigte Wetterstation mit dem Unterschied, dass die Neuschneemenge ca. 30cm betragen hatte.
 
Dieses Profil wurde im orographisch rechten Teil des Lawinenanrisses aufgenommen. Man erkennt mögliche Gleitflächen innerhalb der Altschneedecke.