Heute am 22.02. führten wir die Unfallanalyse unterhalb der Hochkarspitze in der Arlbergregion durch, wo gestern am 21.02. eine Person einer 3-er Gruppe total verschüttet wurde. Es bestätigte sich das in den vergangenen Blogeinträgen erwähnte, oberflächennahe Altschneeproblem in besonnten Hängen.
Schneebrettlawine unterhalb der Hochkarspitze, Die roten Pfeile zeigen Spitzkehren vom Aufstieg. (Foto: 22.02.2018)
Der Lawinenanriss befindet sich auf ca. 2750m. Die Anrissmächtigkeit variiert zwischen etwa 10 und 40cm. Das Gelände ist meist um 35 Grad, stellenweise bis 40 Grad steil und Richtung SW ausgerichtet. Die Lawine löste sich während des Aufstiegs der Personen.
Interessant erscheint die zum Teil hohe Störanfälligkeit der Schneedecke, die unmittelbar mit der Existenz von kantigen Kristallen angrenzend an Schmelzkrusten zusammenhängt. Am leichtesten lässt sich die Schneedecke überall dort stören, wo sich zwischen zwei dünnen Schmelzkrusten kantige, lockere Kristalle ausgebildet haben. Dies scheint unverändert am ehesten im W- und O-exponierten Gelände zwischen etwa 2200m und 2400m sowie im Südsektor von etwa 2400m aufwärts der Fall zu sein. (sh. auch vorletzten Blogeintrag: hier).
Das Profil wurde im Nahbereich des Lawinenanrisses aufgenommen. Es handelt sich dabei um einen windexponierten Standort. Die Schneehöhe ist dort unterdurchschnittlich. Entscheidend sind die kantigen Kristalle zwischen den oberflächennahen Krusten. Ein Bruch konnte an diesem Standort sehr leicht initiiert werden. SW, 2750m, 33°, Profil vom 22.02.2018 (Details sh. hier:)
Im oberen Teil der Unfalllawine: Am seitlichen Lawinenanriss erkennt man Krusten, dazwischen findet man lockere Kristalle. (Foto: 22.02.2018)
An der orographisch (also in Fließrichtung gesehen) linken Seite der Lawine, dort wo der Hang weniger sonnenexponiert ist, wurde ein weiteres Profil erstellt. Hier fanden wir nur mehr eine Schmelzkruste (jene von Ende Jänner). Kantige Kristalle waren dort weniger ausgebildet, die Schneedecke deutlich stabiler.
Sehr eindrucksvoll war auch die hohe Dichte an Lawinenereignissen im unmittelbaren Nahbereich der Unfalllawine.
Überblicksfoto von Lawinenabgängen bei der Hochkarspitze: Magenta: Unfalllawine vom 21.02.2018; Bei den weiteren, eingezeichneten Lawinen kamen keine Personen zu Schaden: Grau: Lawinenabgang mit Personenbeteiligung vom 21.02.2018. Die Lawine löste sich während des Aufstiegs von Personen, als sich diese im Boden oberhalb der blauen Lawine befanden. Blau und Rot: Lawinenabgang mit Personenbeteiligung vom 19.02.2018. Türkis: Lawine, die während unserer Erhebungen am 22.02.2018 ausgelöst wurde.
Oberflächennahe Schwachschichten im besonnten Gelände haben sich in weiten Teilen Tirols ausgebildet. Allerdings stellen diese nur dort ein mögliches Problem dar, wo sie von ausreichend gebundenem Schnee (dem Brett) überlagert sind. Entscheidend dafür sind u.a. die Schneefälle vom 15.02. auf den 16.02. (im Westen des Landes schneite es damals mit bis zu 30cm am meisten), aber auch die kürzlichen Schneefälle bei kalten Temperaturen (tirolweit meist um 10cm) samt Windeinfluss.
Kammnahes Schneebrett unterhalb des Kellerjochs vom 18.02.2018 Eine im Aufstieg befindliche Person stieß zu dem Lawinenabgang. Da nicht sicher war, ob Personen verschüttet waren, wurde bei widrigen Wetterverhältnissen eine Suchaktion gestartet, die ohne Ergebnis abgebrochen werden konnte. (Foto: 19.02.2018)
Lawinenanriss Kellerjoch, Tuxer Alpen: Krusten und kantige Kristalle beim Anriss. 2085m, SW (Foto: 19.02.2018)
Lawinenabgang mit Personenbeteiligung am 18.02.2018 unterhalb des Längentaljochs in den Nördlichen Stubaier Alpen; 2960m, SO (Foto: 18.02.2018)
Spontane Lawinenabgänge (vom 16.02. oder 17.02.) am Weg zur Pfannknechtscharte in der Silvretta 2700m, SW (Foto: 21.02.2018)
Neben diesem oberflächennahen Altschneeproblem sollte man sich zunehmend auf ein Triebschneeproblem konzentrieren. Der lockere Pulverschnee (vielerorts handelt es sich sogar um Wildschnee) kann bei den kalten Temperaturen, die während der kommenden Tage noch kälter werden, leicht verfrachtet werden. Vielfach bildet dann der überwehte, lockere Pulverschnee die Schwachschicht. Zum Teil kann es auch Oberflächenreif sein, welcher während der vergangenen Tage vermehrt beobachtet wurde.
Im gesamten Land findet man inzwischen verbreitet Wildschnee, wie hier am Beispiel des Sellraintals (Foto: 21.02.2018)
Der Wind legt mancherorts zu und weht deutlich über Verfrachtungsstärke. Lockerer Pulverschnee, der bei kalten Temperaturen verfrachtet wird, bildet zum Teil sehr störanfälligen Triebschnee
Einhergehend mit der kalten Lufttemperatur wird auch die Schneeoberflächentemperatur sehr kalt.
Der Pfeil symbolisiert die derzeitige Hauptwindrichtung aus dem Sektor Ost. Frischer Triebschnee wurde im Steilhang abgelagert. Es handelte sich um einen Lawinenabgang mit Personenbeteiligung im Bereich des Hochwanners in den Nördlichen Stubaier Alpen (Foto: 22.02.2018)
Lockerschneelawinen können im extrem steilen Gelände dort auftreten, wo der Wind nicht im Spiel war. (Foto: 21.02.2018)
Wichtig zu erwähnen: Abseits der oben erwähnten Problembereiche herrschen vielerorts weiterhin recht gute Bedingungen. Häufig wird man noch mit gutem Pulverschnee belohnt.
Ein Pulvertraum in der Silvretta (Foto: 21.02.2018)