Donnerstag, 12. Dezember 2019

Gebietsweise winterlich – Hauptgefahr: frischer Triebschnee oberhalb der Waldgrenze

Die allgemein günstigen Verhältnisse haben sich vergangene Woche mit Schneefall und Windeinfluss zum Teil verschlechtert. Gebietsweise gab es erhebliche Lawinengefahr. In Osttirol überwogen weiterhin günstige Verhältnisse, die nun mit Wind und etwas Neuschnee auch etwas schlechter werden.

Wetterrückblick

Wechselhaft: So lässt sich das Wetter der vergangenen Woche wohl am besten charakterisieren. Nordtirol, und hier im Speziellen der Westen sowie der Norden, bekam einiges an Neuschnee ab. Das ergiebigste Niederschlagsereignis war jenes vom 09.12. auf den 10.12., als es dort verbreitet zwischen 20 und 40cm, lokal bis zu 50cm schneite. Entlang des Alpenhauptkammes waren es bis etwa 15cm, in Osttirol meist nur Spuren.


Gebietsweise wehte oberhalb der Waldgrenze kräftiger, mitunter stürmischer Wind bei allgemein wechselnder Windrichtung.


Wetterstation Galzig: Bezeichnend für die neuschneereichen Gebiete im Westen und Norden Nordtirols. Oberste Grafik: Niederschlag und Neuschnee. Darunter: Annäherung und Auseinandertriften von Lufttemperatur und Taupunkt zeugen von wechselhaftem Wettercharakter. Windig. 

Wetterstation Kals: Markant in Osttirol v.a. der am 10.12. starke Wind

Schneedeckenentwicklung

Bekanntlich beeinflusst das Wetter unmittelbar die Schneedecke und letztere die Lawinengefahr. Wichtig für die derzeitige Situation war das bis zum Wochenende wetterbestimmende Hoch. Bei kalten Temperaturen sowie während klarer Nächte wandelten sich oberflächennahe Schneekristalle in windberuhigten Lagen zu lockeren, meist filzig-kantigen Kristallen um. Es handelt sich dabei um eine ernst zu nehmende Schwachschicht für darüber gelagerten Triebschnee. Die erhöhte Störanfälligkeit der Schneedecke in diesen Bereichen wurde durch vermehrte Rissbildungen, aber auch, meist kleine, Lawinenabgänge bestätigt.

Rissbildung zeugt von erhöhter Störanfälligkeit der Schneedecke. Hochzillertal (Foto: 07.12.2019) 

In besonnten Hängen hingegen beobachtete man von etwa 1900m aufwärts (vermehrt oberhalb etwa 2200m) unterhalb von oberflächennahen Schmelzkrusten eine beginnende, aufbauende Umwandlung von Schneekristallen. Stabilitätstests zeigen derzeit meist noch keine allzu ausgeprägte Bruchfortpflanzung. In jedem Fall handelt es sich um einen Prozess, den es aufmerksam zu verfolgen gilt.

Hier ein Video von der Arlbergregion, aufgenommen am 10.12.2019. Bei einem Stabilitätstest wird eine unterhalb einer Schmelzkruste befindliche Schwachschicht bewusst gestört und die Bruchfortpflanzungstendenz beobachtet.

Auch bezeichnend: In größeren Höhen (vor den Neuschneefällen) bzw. in den niederschlagsärmeren Regionen: Eine deutlich vom Wind geprägte Altschneeoberfläche. Stubaier Alpen (Foto;: 07.12.2019)
Inzwischen auch ein winterliches Bild: Kitzbüheler Alpen. Aber Vorsicht. Unter der gering mächtigen Schneedecke lauern Steine... (Foto: 11.12.2019)

Entwicklung der Lawinengefahr und Lawinenaktivität

Die längere Periode mit geringer Lawinengefahr ist vorerst mal vorbei.

In Osttirol herrschten über Wochen überwiegend (sehr) günstige Verhältnisse für Wintersportler. Karlskopf (Foto: 07.12.2019 
Nun ließen Neuschnee und Wind die Lawinengefahr dort, wo es mehr schneite, gebietsweise oberhalb der Waldgrenze auf erheblich ansteigen. Das Hauptproblem stellte frischer Triebschnee dar. Vermehrt betroffen war v.a. schattiges sowie allgemein kammnahes Steilgelände. Triebschneeansammlungen konnten mitunter recht leicht gestört werden. Zum Teil beobachtete man auch kleine spontane Schneebrettlawinen bzw. wurde uns von Fernauslösungen berichtet.

Frisches Schneebrett, kammnah am Geigenkamm (Foto: 10.12.2019)

Weiterhin ist die Gleitschneeaktivität gering. Im zunehmend schneereicheren Westen des Landes kann diese mit weiteren Schneefällen wieder etwas zunehmen.

Ellipse: Frisches Gleitschneelawine. Pfeile: Ältere Gleitschneelawinen bzw. Gleitschneeriss, Tuxer Alpen (Foto: 12.12.2019)

Eingekreist: Kürzlich abgegangene Gleitschneelawinen (Foto:  08.12.2019)

Während der vergangenen Woche sind uns drei Lawinenabgänge mit Personenbeteiligung gemeldet worden. Am 06.12. verletzte sich eine Person, als sie im kammnahen, schattigen Gelände bei der Abfahrt vom Nederkogel in den Ötztaler Alpen von einem kleinen Schneebrett mitgerissen wurde. Auf der Seegrube oberhalb von Innsbruck lösten sich zwei Schneebrettlawinen, als WintersportlerInnen im O-gerichteten, kammnahen, sehr steilen Gelände abfuhren.

Eine von einem Pistengerät fern ausgelöste Schneebrettlawine auf der Nordkette (Foto: 10.12.2019)

Wie geht es weiter?

Laut ZAMG-Wetterdienststelle dreht der S-Wind morgen am 13.12. auf West und wird stark bis stürmisch. In den westlichen Regionen schneit es 10-15cm, lokal bis zu 20cm, Richtung Osten abnehmend zwischen 5 und 10cm. Am 14.12. zieht eine Warmfront über Tirol. Auf den Bergen bleibt es stürmisch. Hauptwindrichtung ist West. Oberhalb etwa 1500m schneit es etwa 20cm.

Die stürmischen Verhältnisse lassen die Lawinengefahr etwas ansteigen. Die Gebiete mit erheblicher Lawinengefahr werden verbreiteter anzutreffen sein. Regen in tieferen Lagen hat v.a. in den kürzlich mit Neuschnee gesegneten Regionen eine destabilisierende Wirkung auf die Schneedecke. Bei höherer Intensität sind mitunter kleine feuchte Lockerschneerutsche denkbar. In windberuhigten und vom Regen nicht beeinflussten Gebieten sind die Verhältnisse allgemein günstiger.

Die Hauptgefahr geht weiterhin von frischen und zum Teil etwas älteren Triebschneeansammlungen aus. Vorsicht v.a. im kammnahen Steilgelände, in Rinnen und Mulden sowie allgemein hinter Geländekanten. WintersportlerInnen sollten etwas Erfahrung in der Lawinenbeurteilung mitbringen.