Donnerstag, 26. Dezember 2019

Höhepunkt der Lawinengefahr ist überschritten - Triebschnee in großen Höhen sowie Gleitschnee unterhalb etwa 2600m bilden die Hauptgefahr

Ein Zwischenhoch am Stefanitag beendete die von der ZAMG-Wetterdienststelle vorhergesagte stürmische Schneefallperiode. Der Höhepunkt der Lawinengefahr ist inzwischen überschritten. Während der kommenden Tage wird die Lawinengefahr kontinuierlich zurückgehen. Die Hauptprobleme bilden dann einerseits frische und z.T. auch ältere Triebschneepakete in größeren Höhen, andererseits die auf steilen Wiesenhängen abgleitenden Schneemassen. Das warme, sonnige Wetter ab dem 28.12. wird das Abgleiten von Schnee noch etwas fördern.

Überblick über die Niederschlagsmengen

Die Prognosen der ZAMG-Wetterdienststelle sind eingetroffen. Am meisten Schnee ist ganz im Westen sowie in den nördlichen Regionen des Landes gefallen. Spitzenreiter bei den Messstationen war die Schneestation Seegrube oberhalb von Innsbruck.

Seit dem 21.12. stieg die Gesamtschneehöhe der Station Seegrube über 150cm an.

72h-Neuschneeprognose für den Zeitraum 23.12.2019-26.12.2019 für Tirol und angrenzende Gebiete.

Tief winterlich auf der Alplhütte im Mieminger Gebirge auf 1540m (Foto: 25.12.2019)

Pistengeräte hatten am Tiefenbachgletscher am 25.12. mit 60cm Neuschnee zu kämpfen.

Bezeichnend für den Großteil Osttirols war hingegen der meist stürmische Wind. Niederschlag fiel dort v.a. am 21.12. (je weiter südlich, desto mehr).

Bezeichnend für Osttirol: Station St. Veit Zischke im Defereggental.

Etwas Neuschnee, aber v.a. auch viel Schnee-Reserven von Mitte November: Am Weg zum Gaishörndl im Villgratental (Foto: 22.12.2012)

Die Schneedecke

Das Auf und Ab bei den Temperaturen während der vergangenen Niederschlagsperiode führte zu Schwankungen bei der Regen- bzw. Schneefallgrenze. Kurzfristig lag diese am 24.12. meist um 1800m, bevor sie sich am 25.12. häufig um 1000m einpendelte. Aufgrund der vorangegangenen warmen Witterung kann man deshalb von einer bis etwa 2000m hinauf (leicht) feuchten bzw. isothermen Schneedecke ausgehen. Zudem beobachteten wir innerhalb des Neuschneepakets viele Graupelkörner, jedoch keine einheitliche, ausgeprägte Schicht, die etwa als Schwachschicht für Schneebrettlawinen dienen hätte können. Dennoch können lokale, für Schneebrettlawinen bedeutsame Graupelnester prinzipiell nicht ausgeschlossen werden (vermehrt kann dies z.B. unter Felsabbrüchen der Fall sein).

Isotherme Schneedecke mit Graupel in der oberen Hälfte. Mieminger Gebirge (Profil vom 25.12.)

In Lech, nahe der Grenze zu Tirol ein sehr ähnliches Bild, wie bei obigem Profil. Ausbildung einer dünnen Schmelzkruste in Oberflächennähe aus einer zuvor vom Regen beeinflussten Schicht

Bedeutsam erscheinen derzeit jedoch nicht so sehr die Graupeleinlagerungen, sondern mehr die im letzten Blogeintrag erwähnten kantigen Schichten im Bereich von Schmelzkrusten in besonnten Hängen von etwa 2400m aufwärts (S-seitig scheint diese Grenze etwas höher zu liegen, vermutlich von etwa 2600m aufwärts). Lawinen können dann v.a. an Übergängen von wenig zu viel Schnee im sehr steilen Gelände ausgelöst werden. Häufig wird dazu große Belastung notwendig sein.

Eine mögliche Schwachschicht für Schneebrettlawinen kann sonst v.a. noch aus frischem, überwehten Pulverschnee bestehen.

Frischer Triebschnee sollte v.a. kammnah, dann vermehrt in Schattenhängen beachtet werden (Foto: 26.12.2019)

Bezüglich des ebenso im letzten Blogeintrag erwähnten Gefahrenmusters gm.4 scheint sich noch keine bedeutsame Schwachschicht ausgebildet zu haben. Der prognostizierte Temperaturverlauf dürfte diesen Prozess eher unterbinden.

Ebenso recht verbreitet: Anraum. Rietzer Grießkogel (Foto: 26.12.2019)

Die Schneedecke ist häufig massiv vom Wind geprägt, Zillertaler Alpen (Foto: 26.12.2019)

Lawinenabgänge

Zahlreiche Rückmeldungen, die bei uns am 26.12. eingegangen sind zeigten folgendes Bild: Spontane Lawinen dürften vermehrt am 24.12. ab der zweiten Tageshälfte abgegangen sein. Aus dem hinteren Kaunertal wurde uns z.B. von einem spontanen Lawinenabgang bis in die Talsohle berichtet. Auch aus dem hinteren Ötztal bekamen wir Rückmeldungen über spontane, bereits wieder etwas überschneite  Lawinenabgänge. In Summe dürfte die Anzahl an spontanen Lawinenabgängen (über das Land gesehen) überschaubar gewesen sein.

Lawinenabgang im Ferwalltal (Anrissgebiet ca. 2800m, Nord) (Foto: 26.12.2019)

Auch bei Sprengungen waren die Ergebnisse recht unterschiedlich: Zum Teil gab es sehr gute Sprengerfolge, zum Teil lösten sich keine Lawinen.

Durch Sprengung ausgelöste Lawinen im Skigebiet Sölden, kammnah, NO, 3200m (Foto: 26.12.2019)
Ebenso eine durch Sprengung ausgelöste Schneebrettlawine - Wilde Grube, Stubaier Gletscher (Foto: 26.12.2019)

Lawinenabgänge mit Personenbeteiligung

Die Leitstelle Tirol meldete uns am 26.12. mehrere Lawinenabgänge, bei denen Personen beteiligt waren. Sämtliche Lawinenabgänge sind glimpflich verlaufen.
Hier eine Zusammenstellung:

- Pürgleslenke in Innervillgraten
- Schleinitzmulde in der Schobergruppe
- Wasserkar - Gaislachkogel im Skigebiet Sölden, Süd, 2900m
- Schwarzkogel im Skigebiet Sölden
- Bereich Rote Piste 38 Ischgl - Silvretta Skiarena

Lawinenabgang Schwarzkogel, OSO, 2850m, Person wurde gegen die Galerie (im Bild nicht sichtbar) gedrückt. (Foto: 26.12.2019)

Ebenso wurden wir über eine Lawinenauslösung durch eine Pistenraupe im Paznauntal informiert. Auch hier kam niemand zu Schaden.

Lawinenabgänge der vergangenen Tage finden sich u.a. auch hier: 

Lawinenabgang vom 24.12. auf der Diritissima am Hafelekar oberhalb von Innsbruck, Süd, 2200m

Vermehrt ein Thema: Gleitschneelawinen

Gleitschneelawinen werden während der kommenden Tage wieder etwas häufiger auftreten. Dies hat mit den zu erwartenden warmen Temperaturen und der zunehmenden Durchfeuchtung der Schneedecke zu tun.

Gleitschneemaul im Vordergrund, Gleitschneelawine im Hintergrund, Paznauntal (Foto: 26.12.2019)

Lawinen auf der Nordkette: Der rote Linie zeigt einen offenen Riss einer Gleitschneelawine. Bei den Pfeilen sind Lockerschneelawinen abgegangen. In magenta eine z.T. überschneite Schneebrettlawine (Foto: 26.12.2019)

Ein latentes Problem: Gleitschnee im südlichen Osttirol (Foto: 26.12.2019)

Gleitschnee auch schattig v.a. unterhalb etwa 2000m immer wieder zu beobachten: Außerfern (Foto: 20.12.2019)

Wie geht es weiter?

Am 27.12. bleibt es in Nordtirol und im nördlichen Osttirol dicht bewölkt mit etwas Schnee, unterhalb von etwa 600m -1000m Regen. In der Höhe weht meist lebhafter Nordwestwind. Anschließend etabliert sich laut ZAMG-Wetterdienststelle ein kräftiges Hochdruckgebiet. Es wird wärmer, anfangs weht besonders in Osttirol noch kräftiger Nordwind, der nachlässt.

Das Wetter wird sich überwiegend positiv auf die Lawinengefahr auswirken. Allerdings wird die Gefahr von Gleitschneelawinen zumindest während der kommenden Tage tendenziell etwas zunehmen.

Freude im Pulverschnee, Niltal, Osttirol (Foto: 24.12.2019)

Ab dem 28.12. wird sich ähnlich schönes Wetter wie hier im Bereich der Langschneid im Defereggental einstellen (Foto: 26.12.2019)