Donnerstag, 2. Januar 2020

Anstieg der Lawinengefahr mit Wind und Schneefall

Nach einer von Hochdruckeinfluss und meist recht günstigen Verhältnissen dominierten Woche muss sich der Wintersportler nun umstellen! Wind und Schneefall werden zu einem anfangs lokalen, ab 04.01. flächigen und zudem recht raschen Anstieg der Lawinengefahr führen. Frischer Triebschnee im Sektor W über N bis O wird v.a. in bisher windberuhigten Gebieten leicht von Wintersportlern zu stören sein.

Das Wetter der vergangenen Woche

Überwiegend Hochdruckeinfluss

Während der vergangenen Woche und somit auch über den Jahreswechsel hinaus dominierte Hochdruckeinfluss. Aus Nordwesten wurde vor allem in der Höhe für die Jahreszeit sehr milde und trockene Luft herangeführt. In bodennahen Schichten lagerte sich hingegen kalte Luft ein, wodurch sich größere Temperaturunterschiede zwischen Berg und Tal einstellten (Temperaturinversion).

Meist tolles Wintersportwetter. Unterwegs im Virgental (Foto: 31.12.2019)

Am 27.12. stauten sich feuchte Luftmassen an den Alpen. Danach drang (sehr) trockene und milde Luft ein. In der Höhe war  und ist es zum Teil recht windig. Station Gallreideschrofen im Gschnitztal.

Ähnliches Bild in Osttirol. Speziell am 28.12.wehte dort verbreitet starker Wind in der Höhe.

In der Höhe zum Teil recht windig

Die vergangene Woche stand zumindest in großen Höhen tendenziell eher im Süden des Landes im Zeichen von immer wieder stärkerem Windeinfluss. Nun am 02.01. legt der Wind in der Höhe zumindest in den typischen Föhngebieten sowie am Alpenhauptkamm neuerlich zu. Am 03.01. lässt der Hochdruckeinfluss nach, die Höhenströmung dreht von Süd auf West und wird langsam feuchter.

Starker Windeinfluss (Foto: 28.12.2019)

Typisches Bild am 28.12. von Osttirol. Große Schneefahnen auf den Bergen
Blick von den Tuxer Alpen Richtung Alpenhauptkamm. Dort erkennt man Schneefahnen (Foto: 28.12.2019)

Die Entwicklung der Schneedecke

Windbeeinflusste Schneeoberfläche v.a. in großen Höhen

Aufgrund des Windeinflusses ist die Schneeoberfläche zumindest in höheren Lagen sehr unregelmäßig beschaffen. Zudem wechseln häufig schneearme und schneereiche Bereiche ab. Kammnah wurde der Schnee zum Teil auch völlig weggeblasen.

Unregelmäßige Schneeoberfläche im nördlichen Osttirol (Foto: 29.12.2019)

Große Windgangeln oberhalb von Nauders (Foto: 29-12-2019)

Durchfeuchtung v.a. in sonnenbeschienenen Hängen

Die warmen Temperaturen und die Sonneneinstrahlung führten dazu, dass zumindest oberflächennahe Schichten v.a. in O- über S- bis W-Hängen feucht wurden. Dies führte auch zu einer Schwächung des Schnees. Aus extrem steilem Gelände beobachtete man deshalb vermehrt feuchte Lockerschneelawinen.

Frühjahrsähnliche Verhältnisse in besonnten Hängen. Zentrale Lechtaler Alpen (Foto: 01.01.2020)

Aufbauende Umwandlung in Kaltluftseen sowie im schattigen Gelände

Während sternenklarer Nächte kühlte die Schneedecke massiv aus. Dies förderte die Bildung lockerer Kristalle im Nahbereich der Schneeoberfläche. Häufig handelte es sich dabei um filzige und kantige Kristalle, zum Teil auch um Oberflächenreif.

Oberflächenreif auf 1200m im Mieminger Gebirge (Foto: 29.12.2019) 

Am Neujahrstag waren viele Täler östlich von Innsbruck in Nebel gehüllt. An der Nebelgrenze bildet sich bevorzugt Oberflächenreif, der aber nur schattseitig erhalten blieb. 

"Noppenpulver" wird der am Foto abgebildete Schnee zum Teil genannt. Gut zum Skifahren, aber bereits etwas aufbauend umgewandelt. Zu beachten ist dies v.a. für die kommenden Schneefälle! Unterwegs im Sellrain, Fotscher Windegg (Foto: 29.12.2019)

Eine lockere Schneedecke, bei der man mit den Skiern bis zum Boden durchbricht. Schlechter Aufbau für kommende Schneefälle. Es handelt sich um einen windberuhigten Schattenhang auf 2090m.

Häufig gute Schneequalität

Toller Pulver in den Nördlichen Stubaier Alpen (Foto: 01.01.2020)

Traumabfahrt in den Lechtaler Alpen (Foto: 29.12.2020)

Schneedeckenuntersuchungen

Bei unseren Schneedeckenuntersuchungen konzentrierten wir uns neben der Beschaffenheit der Schneeoberfläche v.a. auf oberflächennahe Prozesse innerhalb der Schneedecke, konkret auf die Ausbildung möglicher Schwachschichten aufgrund des Gefahrenmusters 4 (gm.4 kalt auf warm) sowohl ab dem 21.12. als auch ab dem 24.12.2019. Damals wurden jeweils feuchtere bzw. relativ wärmere von kälteren Schichten überlagert. Unser bisheriges Fazit: Gebietsweise haben sich an der Grenzfläche dieser Schichten kantige Kristalle ausgebildet. Diese dürften jedoch nur in seltenen Fällen eine bedeutsame Schwachschicht für darüber gelagerte Triebschneepakete darstellen. Am ehesten kommt derzeit ein schmales Höhenband zwischen etwa 2100m und 2300m in schattigen, sehr steilen Hängen in Frage.

Der Pfeil zeigt eine feuchte Schicht vom 24.12.

Unmittelbarer Nahbereich zu vorigem Profilstandort: Aus der feuchten Schicht entwickelte sich eine Schmelzkruste. Daran angrenzend keine Ausbildung kantiger Kristalle.

Südseitig auf 2000m bildete sich in der wärmeren Schicht vom 24.12. eine dünne Schwachschicht aus. Weiterer Wärmeeinfluss wirkte sich dort inzwischen günstig aus.

Wie der Lawinenunfall auf der Gamskarspitze vom 31.12.2019 gezeigt hat, findet man derzeit in stark windexponierten Bereichen, v.a. an schneearmen Stellen lockere Schichten unterhalb von Windkrusten, dies vermehrt an schneearmen Stellen. Es handelt sich dabei um vereinzelte Gefahrenbereiche, v.a. in größeren Höhen.

Der Pfeil zeigt auf eine mögliche Schwachschicht für Schneebrettlawinen unterhalb einer harten, windbeeinflussten Schicht. Es musste sehr große Belastung aufgebracht werden, um die Schicht zu stören.

Vereinzelt findet man unterhalb alter Schmelzkrusten ebenso kantige Kristalle, die mitunter gestört werden könnten. (W- und O-seitig oberhalb etwa 2500m, S-seitig ev. noch von 2800m aufwärts; schattseitig handelt es sich um eine Regenkruste von Mitte November am ehesten in einem engen Höhenband zwischen etwa 2100m und maximal 2400m hinauf). Eine Störung erscheint derzeit allerdings zu einem ganz überwiegenden Teil nur durch (sehr) große Belastung möglich zu sein.

Bruch bei kantigen Kristallen unterhalb einer Schmelzkruste, schattig auf 2300m in den Südichen Ötztaler Alpen (Foto: 01.01.2020) 

Lawinenereignisse

Während der vergangenen Woche waren sehr viele Wintersportler unterwegs. Im Verhältnis dazu lösten nur wenige Personen Lawinen aus - ein Zeichen für eine bis dato großteils recht gut aufgebauten Schneedecke. Eine Übersicht findet man hier: Tödlich ausgegangen ist ein Lawinenabgang auf der Gamskarspitze in der Westlichen Verwallgruppe. Sh. vorigen Blogeintrag.

Lawinenabgang Scheibenspitze im Navistal (Foto: 31.12.2019). Es scheinen ähnliche Voraussetzungen vorgelegen zu haben, wie beim Lawinenunfall Gamskarspitze: Schneearmer Bereich, windbeeinflusst, extrem steil, schattig, 2400m

Lawinenabgang Kesselspitze. Triebschneepaket löste sich beim Sprung eines Skifahrers in den Hang. Pfeile: Skispuren von zwei Skifahrern, die aus der Lawine ausfuhren. Kreise: Zwei weitere Personen bei der Abfahrt. (Foto: 29.12.2019)

Lawinenabgang Huilahner Kogel vom 29.12., Südliches Osttirol (Foto: 31.12.2019)

Vermehrte Aktivität von Gleitschneelawinen

Die bereits vor dem 21.12. zum Teil recht feuchte Schneedecke wurde nun mit den warmen Temperaturen in Sonnenhängen weiter durchfeuchtet. Dies förderte wieder das Abgleiten von Schnee auf steilen Wiesenhängen. Gleitschneelawinen wurden sowohl in Nord-, als auch in Osttirol beobachtet.

"Hot spots" der Gleitschneelawinen waren das Arlberggebiet und Außerfern sowie die Tuxer Alpen. Foto: Arlberggebiet am 01.01.2020

Gleitschneelawinen bei Berwang im Außerfern (Foto: 29.12.2019)

Eine durchwegs ernst zu nehmende Gefahr während Skitouren. Außerfern (Foto: 28.12.2019)

Gleitschneelawinen wurden zum Teil recht groß. Tuxer Alpen (Foto: 31.12.2019)

Wie geht es weiter?

Wie schon anfangs erwähnt, steigt die Lawinengefahr nun stetig und in windbeeinflussten Bereichen rasch an. Insbesondere betroffen ist jenes Gelände, wo die Schneeoberfläche derzeit aus lockeren Kristallen besteht. Dies trifft v.a. für schattiges Gelände zu.

Wenn am 04.01. in rascher Abfolge zwei Frontensysteme an die Alpennordseite geführt werden und dabei Neuschnee fällt werden in den niederschlagsreicheren Gebieten vermehrt auch tiefere Höhenlagen, u.a. lichte Waldbereiche betroffen sein. Dies v.a. dort, wo der Neuschnee auf Oberflächenreif abgelagert wird.

Bildunterschrift hinzufügen

Die Gefahr wird erheblich werden. Wintersportler sollten sich nach der recht günstigen Situation unbedingt an die geänderten Verhältnisse anpassen und frischen Triebschneepaketen im Steilgelände konsequent ausweichen. Für Unternehmungen im freien Gelände ist zunehmend gutes lawinenkundliches Wissen erforderlich.

Nachtrag: Am 02.01. um 17:17 meldete die Leitstelle einen Lawinenabgang unterhalb der Nürnberger Hütte in den Stubaier Alpen. Man geht von eventuell einer verschütteten Person aus. Vor Ort weht zur Zeit starker Wind.