Freitag, 12. Februar 2021

Frischer Triebschnee, Lockerschneelawinen und gebietsweise noch schwacher Altschnee

Frischer, störanfälliger Triebschnee

Die Kombination aus kalten Temperaturen, lockerem Neuschnee (Wildschnee) und Wind fördert die Bildung zum Teil sehr störanfälliger Triebschneepakete. Am umfangreichsten sind diese derzeit in Osttirol sowie in den südlichen Ötztaler Alpen, wo es letzthin am meisten geschneit hat. Mit etwas Erfahrung in der Lawinenbeurteilung lassen sich solche Gefahrenstellen allerdings leicht erkennen und entsprechend umgehen. Überall dort, wo Wildschnee von frischem Triebschnee überlagert wird, sind vermehrt auch oberflächennahe spontane (meist kleine bis mittelgroße) Schneebretter denkbar. Wildschnee bildet nämlich eine besonders reaktionsfreudige Schwachschicht.


Wir starten in die kälteste Phase dieses Winters (11.02.2021)


Wildschnee, also sehr lockerer Pulverschnee, liegt vielerorts an der Schneeoberfläche. Sellraintal (Foto: 11.02.2021)


Schnee vom 10.02. auf den 11.02. fiel verbreitet als sehr lockerer Wildschnee


Am meisten Schnee kam vergangene Woche (wieder einmal) im Süden zusammen. Schnee vom 06.02.-08.02.2021)



Schneefahnen in Zentralosttirol (Foto: 11.02.2021)


Unbedingt erwähnenswert: Abseits des Windeinflusses kann man guten Pulverschnee genießen. 


Pulverschneeabfahrt in den Westlichen Kitzbüheler Alpen (Foto: 11.02.2021)


Kurzfristig zu beachten: Lockerschneelawinen aus extrem steilem Gelände


Der Strahlungseinfluss ist Mitte Februar bereits recht intensiv und führt trotz der kalten Temperaturen dazu, dass Neuschneekristalle recht rasch abbauend umgewandelt werden. Dadurch können im extrem steilen Gelände Schneekristalle aus dem Gleichgewicht geraten. Deren Impulse werden an benachbarte Kristalle weitergegeben usw. - der Start einer Lockerschneelawine. Meist sind die Lockerschneelawinen klein, in der Gurgler Gruppe (Neuschnee vom 10.02. auf den 11.02. von ca. 40cm) und in Osttirol können diese etwas größer werden. 



Mit Intensivierung der Strahlung: Start von kIeinen Lockerschneelawinen aus extrem steilem Gelände. Westliche Kitzbüheler Alpen (Foto: 11.02.2021)


Weiterhin ein Thema: Gebietsweise schwacher Altschnee


Vergleicht man die Anzahl an Meldungen über Lawinenereignisse mit Personenbeteiligung pro Woche seit Mitte Jänner, so geht diese langsam, aber stetig zurück - dies ist auch ein Indiz für eine vergleichsweise geringere Störanfälligkeit der Schneedecke. Nichtsdestotrotz lösen sich weiterhin Schneebrettlawinen im schwachen Altschnee, insbesondere dann, wenn Steilhänge durch das Gewicht von Wintersportler*innen belastet werden. Meist erfolgt die Auslösung an schneearmen Stellen. In der Regel handelt es sich um die uns bekannte Schwachschicht, die sich während der Kältephase bis Mitte Jänner gebildet hat in Kombination mit einer kurz vor Weihnachten entstandenen Schmelzharschkruste. Vermehrt davon betroffen scheinen derzeit noch West- und Osthänge, vereinzelt auch Nordhänge in einem schmalen Höhenband zwischen etwa 2000m und 2400m zu sein.



Ein Durchscheinprofil nahe der Idalpe in der Silvretta auf 2250m. Im oberen Teil erkennt man eine leicht bräunlich gefärbte Schicht - kürzlich abgelagerter Saharastaub. Bodennah eine grobkörnige,  mögliche Schwachschicht für Lawinen.

Lawinenabgang Kahorn, Defereggen; Die Lawine dürfte von einer Gruppe knapp oberhalb des Anrisses fernausgelöst worden sein. Es wurde niemand verschüttet. 2300m, Ost  (Foto: 06.02.2021) 


 
Lawinenabgang Sattelgrat südlich von St.Anton am Arlberg. Man erkennt 4 Personen. Niemand kam zu Schaden. WNW, ca. 2200m (Foto: 11.02.2021) 



Lawinenabgang in Richtung Kemater Alm, W, ca. 2300m, Stubaier Alpen (Foto: 08.02.2021)



Gefahrenmuster kalt auf warm (gm.4) - gebietsweise neue oberflächennahe Schwachschicht(en)


Nach einer milden, sonnigen und föhnigen Wetterphase bis zum 07.02. wurde die Schneeoberfläche in sehr steilen Sonnenhängen bis in den 3000m-Bereich angefeuchtet. Regen am 07.02. führte zudem in tiefen und mittleren Höhenlagen in allen Expositionen zu einer zumindest oberflächennahen Durchfeuchtung bzw. Durchnässung.


Gemeldete Regengrenzen in Tirol am 07.02.2021


Als am 07.02. abends eine Kaltfront aus Nordwesten übers Land zog, kühlte es deutlich ab. Zudem schneite es. Die Voraussetzungen für das Gefahrenmuster gm.4 (kalt auf warm) waren dadurch gegeben. 



Der Pfeil zeigt den Beginn für die Ausbildung einer möglichen Schwachschicht aufgrund von gm.4


Entsprechend sind wir vermehrt auf der Suche nach möglichen, neuen Schwachschichten in Oberflächennähe. Unser diesbezüglich neuester Stand: Wir gehen aktuell davon aus, dass sich eine dünne kantige bzw. filzig-kantige Schwachschicht vermehrt im Nordsektor zwischen etwa 1800m und etwa 2300 gebildet haben könnte. Eine Rückmeldung bekamen wir zudem über einen Bereich auf ca. 2200m, OSO. In Nordtirol fehlt über dieser möglichen Schwachschicht aktuell jedoch häufig das "Schneebrett", sodass eine Lawinenauslösung eher unwahrscheinlich ist bzw. die Schneebretter bei geringen Anrissmächtigkeiten klein bleiben. In Osttirol und in der Gurgler Gruppe könnten diese Schwachschichten aufgrund der größeren Überdeckung durchaus relevant sein.


Schneeprofil Schlick: Der Pfeil zeigt auf eine kürzlich gebildete Schwachschicht aufgrund von gm.4. Bei Überlagerung durch gebundenen Schnee sind Schneebretter durchaus denkbar. Weitere Profile - wie immer auf lawis.at



Geringmächtiger Lawinenanriss, möglicherweise aufgrund von gm.4 Westliche Tuxer Alpen. ca. 2200m, OSO (Foto: 08.02.2021)


Neben dieser Beobachtung über die stellenweise Ausbildung von gm.4 gab es ab Ende Jänner noch zweimal, nämlich um den 30.01. und den 04.02. Potential für die Ausbildung einer Schwachschicht aufgrund von gm.4. Unsere diesbezüglichen Stabilitätstests zeigten bisher in diesen Bereichen unvollständige Brüche.

Fakt ist: Oberflächennahe Schwachschichten aus einem Mix von filzigen und kantigen Kristallen können (neben der oben erwähnten Schwachschicht des Wildschnees bzw. lockeren, kalten Pulverschnees) eine zusätzliche Rolle für Schneebrettlawinen spielen.



Saharastaub

Besonders eindrucksvoll war vergangene Woche der in der Luft vorhandene Saharastaub. Der Himmel war mancherorts richtig dunkel. Mit den nachfolgenden Niederschlägen wurde der Saharastaub abgelagert. Nun sieht man diesen vielerorts als dünne Schicht innerhalb der Schneedecke.


Keine Fotomontage: Saharastaub im Arlberggebiet (Foto: 06.02.2021)



Saharastaub über den Stubaier und Ötztaler Alpen (Foto: 05.02.2021)





Saharastaub vom Satelliten aus beobachtet (Foto: 07.02.2021)



Beim Schneeprofil erkennt oberhalb der Bruchfläche die Saharastaubschicht (die aber nichts mit dem Bruch zu tun hatte) (Foto: 09.02.2021)