Donnerstag, 25. Februar 2021

Gleitschneelawinen bilden die Hauptgefahr - Tageszeitlichen Gang der Lawinengefahr beachten

Zahlreiche spontane Lawinenabgänge


Während der vergangenen Woche sind in Tirol zahlreiche Lawinen von selbst abgegangen. Betroffen waren vor allem, steile, von der Sonne beschienene Hänge bis in Höhenlagen von etwa 2700m hinauf. Gehäuft wurden Nass- und Gleitschneelawinen unterhalb etwa 2400m beobachtet.



Ablagerungen frischer Nassschneelawinen am Fließer Berg, Süd, 2100m (Foto: 23.02.2021)



Schneebrett-, Gleit- und Lockerschneelawinen in der Samnaungruppe. Am linken Bildrand erkennt man ein Gleitschneemaul - ein Vorzeichen einer möglichen Gleitschneelawine (Foto: 23.02.2021)



Gefährdungspotential für exponierte Verkehrswege, Gschnitztal, Foto: 23.02.2021



Spontaner Lawinenabgang aus extrem steilem südexponierten Gelände. Zentrale Lechtaler Alpen (Foto: 23.02.2021)



Kleine Gleitschneelawine mit großer Folgewirkung. Diese Lawine verschüttete die Zufahrtsstraße nach Kals - sh. unteres Foto (Foto: 23.02.2021)



Lawinenablagerung obiger Lawine auf der Kalser Landesstraße (Foto: 23.02.2021)


Erfolgreiche Lawinensprengungen 


Aufgrund erhöhten Gefährdungspotentials mancher Straßenabschnitte im schneereichen Osttirol wurden dort u.a. auch Lawinen künstlich vom Hubschrauber aus gesprengt. Zum richtigen Zeitpunkt durchgeführt, waren die Sprengungen durchwegs sehr erfolgreich, wie folgendes Video zeigt.



Lawinensprengung für die Sicherung der Kalser Landesstraße (Video: 24.02.2021)


Einige Lawinen mit Personenbeteiligung bzw. einige Lawineneinsätze


Ebenso sind uns einige Lawinenabgänge gemeldet worden, bei  denen Personen beteiligt waren bzw. bei denen Lawineneinsätze aufgrund unklarer Situationen initiiert wurden. Unserem Informationsstand kamen dabei keine Personen zu Schaden. Hier eine grobe Auflistung:
 
17.02.2021 11:50 Uhr: Nederkogel, Gurgler Gruppe, Südost, 2650m, 
20.02.2021 09:50 Uhr: Lämpermahdspitze, Nördliche Ötztaler und Stubaier Alpen, Ost, 2400m
20.02.2021 11:35 Uhr: Vordere Brandjochspitze, Karwendel, Südost, 2250m
20.02.2021 --:-- Uhr : Kesselspitze, Nördliche Ötztaler und Stubaier Alpen, Nordost, 2300m
21.02.2021 13:15 Uhr: Hohe Warte, Westl. Tuxer Alpen, Nord, 2250m
23.02.2021 17:40 Uhr: Arzler Reise, Karwendel, Süd, 1950m
24.02.2021 11:00 Uhr: Foppmandl, Zentrale Stubaier Alpen, Nordost, 2350m
24.02.2021 12:15 Uhr: Kleiner Kaserer - Wildlahnertal, Westliche Tuxer Alpen, Südwest, 2100m
24.02.2021 15:15 Uhr: Arztaler Hochleger, Westliche Tuxer Alpen, 2200m, Süd
25.02.2021 07:45 Uhr: Zirmeggenkar, Gurgler Gruppe
25.02.2021 12:45 Uhr: Riffelsee Talabfahrt, Weißkugelgruppe
25.02.2021 14:15 Uhr: Schafkar, Lechtaler Alpen, Südost, 2300m
25.02.2021 15:50 Uhr: Gleierschköpfe, Karwendel


Nachteinsatz Arzler Reise, Karwendel (Foto: 23.02.2021)


Lawineneinsatz Arztal-Hochleger (Foto: 24.02.2021)


Lawinenabgang Foppmandl (Foto: 24.02.2021)


Schneebrett Kleiner Kaserer-Wildlahnertal (Foto: 24.02.2021)


Lawinenabgang Zirmeggenkar (Foto: 25.02.2021)


Schneebrett Schafkar (Foto: 25.02.2021)


Systematische Schneedeckenuntersuchungen als Basis für die Gefahreneinschätzung


Die vergangenen Tage konzentrierten wir uns auf die Beobachtung der zunehmenden Durchfeuchtung bzw. Durchnässung der Schneedecke. Im Rahmen einer großräumigen Geländeerkundung unter Zuhilfenahme des Landeshubschraubers konnten wir systematisch Schneedeckenuntersuchungen durchführen.  


Landeplatz bei der Wetterstation Gallreideschrofen im Pitztal (Foto: 23.02.2021)


Wir nützten diese Gelegenheit gleich auch dazu, die für einige Wetterstationen eingerichteten Schneedeckensimulationen zu verifizieren. Das Ergebnis war verblüffend. Realität und Modell passten gut zusammen.


Steter Temperaturanstieg, gute nächtliche Ausstrahlung und Abkühlung sowie tageszeitliche Durchfeuchtung der Schneedecke - Station Gallreideschrofen.


Schneeprofil im Nahbereich der Wetterstation Gallreideschrofen, Osthang, 2190m, Isotherme Schneedecke, also durchwegs feucht und 0°C. Potentielle Schwachschichten innerhalb der Schneedecke


Schneedeckensimulation: Linker Teil: Die roten Drei- und Vierecke zeigen mögliche Schwachstellen aufgrund eines Nassschneeindizes. Rechter Teil zeigt das simulierte Schneeprofil für den Stationsstandort Gallreideschrofen.


Wenige Meter von obigem Profil entfernt in einem 23° steilen NW-Hang: Die Schneedecke hat noch Temperaturreserven, d.h. Die Wärme macht der Schneedecke schattig in der Höhenlage noch nichts aus.



Karte für die EUREGIO-Region mit Nassschneeindizes für ausgewählte Stationen und simulierte  Südhänge: Je röter, desto instabiler.


Interessant war wiederum der in der Luft vorhandene Saharastaub, der die Sicht insbesondere zwischen dem 22.02. und 24.02. eintrübte.




Häufig findet man an der Schneeoberfläche bzw. in deren Nahbereich Saharastaub von Anfang Februar. Dieser fördert die Wärmeaufnahme und dadurch die Durchfeuchtung der Schneedecke (Foto: 23.02.2021)


Ausblick für die kommenden Tage


Die Frühjahrsverhältnisse mit einem tageszeitlichen Anstieg der Lawinengefahr bleiben vorerst bestehen. Eine schwache Kaltfront, die Tirol von Freitag auf Samstag erreicht, führt zu einer Besserung der Situation mit einem geringeren tageszeitlichen Anstieg der Lawinengefahr, als dies während der vergangenen Woche der Fall war. Ab Sonntag, 28.02. soll sich neuerlich ein stabiles Hochdruckgebiet über Tirol etablieren.

Die Hauptgefahr werden Gleitschneelawinen darstellen, die auf steilen Wiesenhängen abgleiten können. Diese Lawinen können zu jeder Tages- und Nachtzeit, auch bei tragfähigem Schmelzharschdeckel abgehen. Deshalb unser Rat: Meidet Bereiche unterhalb von Gleitschneerissen. Im schneereichen Osttirol können Gleitschneelawinen weiterhin gefährlich groß werden und dabei u.a. auch Wanderwege oder Forststraßen gefährden.

Bereits abgegangene Gleitschneelawinen bzw. Gleitschneerisse auf der Nordkette oberhalb von Innsbruck (Foto: 24.02.2021)


Für den Wintersportler gilt: Bei guter Tourenplanung, sprich guter Zeiteinteilung dominieren nach klaren Nächten - abgesehen vom Gleitschneeproblem - gute Bedingungen. Während der Morgenstunden besteht allerdings auf der meist hart gefrorenen Schneeoberfläche Absturzgefahr. Im Gratbereich lauert mancherorts zudem die Gefahr von Wechtenbrüchen.