Donnerstag, 5. Januar 2023

Frischen Triebschnee und teilweise schwachen Altschnee beachten - Gefahrenbereiche nehmen mit der Höhe zu

Frische Triebschneepakete sind meist klein, jedoch recht störanfällig


Aktuell weht in der Höhe starker Wind aus westlicher Richtung. Dieser verfrachtet die wenigen Zentimeter Neuschnee, welche am 03.01.2023 sowie heute am 05.01.2023 gefallen sind. Der Neuschnee bildet in der Höhe in windgeschützten Lagen - bevorzugt im schattigen Gelände - eine mögliche Schwachschicht für darüber gelagerten, frischen Triebschnee. (Im Neuschnee findet man teilweise auch Graupel und kleine Oberflächenreifkristalle). Triebschneepakete sind aktuell eher überschaubar, Lawinen deshalb meist klein, teilweise - v.a. in Kammnähe - auch mittelgroß.


15cm Anriss misst dieser Rutsch auf der Nordseite des Zuckerhütl in den Stubaier Alpen. Es handelt sich um ein frisches Triebschneepaket. (Foto: 04.01.2022)
15cm Anriss misst dieser Rutsch auf der Nordseite des Zuckerhütl in den Stubaier Alpen. Es handelt sich um ein frisches Triebschneepaket. (Foto: 04.01.2022)



Etwas Neuschnee auf den Bergen. Unterhalb etwa 2000m regnete es.
Etwas Neuschnee auf den Bergen. Unterhalb etwa 2000m regnete es.



Vielerorts weht in der Höhe recht kräftiger Wind
Vielerorts weht in der Höhe recht kräftiger Wind



Vergangene Woche war übrigens VIEL zu warm (Neue Rekordwerte seit Messbeginn.) Kaum Niederschlag. Aktuell kräftiger Wind.
Vergangene Woche war übrigens VIEL zu warm (Neue Rekordwerte seit Messbeginn!) Kaum Niederschlag. Aktuell kräftiger Wind.


Altschneeproblem kleinräumig, vermehrt schattseitig


Während der vergangenen Woche sind bei uns keine Meldungen über Lawinenabgänge eingegangen, bei denen Personen beteiligt waren. Dies spricht zusammen mit den meisten Stabilitätsuntersuchungen für eine inzwischen eher spannungsarme Altschneedecke. (Im Gelände bricht man u.a. recht häufig bis zum Boden durch.) Dennoch, das Altschneeproblem bleibt tückisch. Wenige Gefahrenbereiche findet man wohl am ehesten noch im sehr steilen Gelände mit mächtigeren, älteren Triebschneepaketen. Vermehrt betroffen ist inzwischen schattiges und wohl auch kammnahes Gelände. Vorsicht u.a. an Übergängen von wenig zu viel Schnee.



Brüche im Altschnee können nicht ausgeschlossen werden, dürften inzwischen aber nur mehr selten möglich sein. Tuxer Alpen (Foto: 30.12.2022)
Brüche im Altschnee können nicht ausgeschlossen werden, dürften inzwischen aber nur mehr selten möglich sein. Tuxer Alpen (Foto: 30.12.2022)


Frühjahrsbedingungen im Hochwinter


Für die Jahreszeit ist es weiterhin viel zu warm. Dies führte zu einem weiteren Abschmelzen des wenigen Schnees, v.a. in besonnten Hängen. Dies führte dort aber auch zu einer vermehrten Lawinenaktivität aus extrem steilem Gelände. Nicht alltäglich waren wohl auch die gebietsweise recht guten Firnbedingungen. Vermehrte Rückmeldungen bekamen wir diesbezüglich aus dem südlichen Osttirol.



Nasse Lockerschnee- und Gleitschneelawinen aus besonntem Gelände. Südliches Osttirol (Foto: 01.01.2023)
Nasse Lockerschnee- und Gleitschneelawinen aus besonntem Gelände. Südliches Osttirol (Foto: 01.01.2023)



Der Wärmeeintrag aktiviert das Pflanzenwachstum. Süd. 1300m. Raum Lienz (Foto: 05.01.2023)
Der Wärmeeintrag aktiviert das Pflanzenwachstum. Süd. 1300m. Raum Lienz (Foto: 05.01.2023)



Die vergleichsweise brauchbarsten Tourenverhältnisse gibt es aktuell im südlichen Osttirol. (Foto: 04.01.2023)
Die vergleichsweise brauchbarsten Tourenverhältnisse gibt es aktuell im südlichen Osttirol. (Foto: 04.01.2023)


Ein schneller Blick in die Schneedecke


Hier zwei Schneeprofile, die für die aktuelle Situation recht typisch sind.



Schneeprofil Nord, 2375m, 20° in den Westlichen Kitzbüheler Alpen. Stabilitätstests zeigen nur mehr unvollständige Brüche. Die Schneeschichten sind eher weich. Oberflächennahe Krusten lösen sich tendenziell auf. An der Schneeoberfläche lockerer, verfrachtbarer Schnee, hier durchsetzt mit Oberflächenreifkristallen (mancherorts findet man dort auch Graupel) (Profil vom 04.01.2023)
Schneeprofil Nord, 2375m, 20° in den Westlichen Kitzbüheler Alpen. Stabilitätstests zeigen nur mehr unvollständige Brüche. Die Schneeschichten sind eher weich. Oberflächennahe Krusten lösen sich tendenziell auf. An der Schneeoberfläche lockerer, verfrachtbarer Schnee, hier durchsetzt mit Oberflächenreifkristallen (mancherorts findet man dort auch Graupel) (Profil vom 04.01.2023)




Schneeprofil Ost, 2140m, 33° in den Östlichen Tuxer Alpen. Temperatur- Strahlungs- und Regeneinfluss dominieren in dieser Höhe und Hangausrichtung das Bild der Schneedecke. Der oberflächennahe, tragende Schmelzharschdeckel firnte vergangene Woche mehrmals auf. (Profil vom 05.01.2023)
Schneeprofil Ost, 2140m, 33° in den Östlichen Tuxer Alpen. Temperatur- Strahlungs- und Regeneinfluss dominieren in dieser Höhe und Hangausrichtung das Bild der Schneedecke. Der oberflächennahe, tragende Schmelzharschdeckel firnte vergangene Woche mehrmals auf. (Profil vom 05.01.2023)



Skibetrieb gebietsweise nur auf Kunstschnee möglich


Ohne Kunstschnee würde ein Skibetrieb in einigen Skigebieten nicht oder nur stark eingeschränkt möglich sein. Manche Skigebiete profitieren von den kalten Tagen um den 10.12...



Schneebänder ins Tal im Zillertal (Foto: 04.01.2023)
Schneebänder ins Tal im Zillertal (Foto: 04.01.2023)


 
Vorsorglich angelegte Schneedepots. Zillertal Arena (Foto: 04.01.2023)
Vorsorglich angelegte Schneedepots. Zillertal Arena (Foto: 04.01.2023)



Ähnliches Bild im Außerfern. Hahnenkammgebiet. (Foto: 01.01.2023)
Ähnliches Bild im Außerfern. Hahnenkammgebiet. (Foto: 01.01.2023)



Achtung: Zahlreiche schwere Skiunfälle im Pisten-Nahbereich


Seit den Weihnachtsferien häuften sich sehr schwere, auch tödliche Skiunfälle aufgrund harter Pisten bzw. fehlender Sturzräume außerhalb des Pistenrandes. Das Österreichische Kuratorium für Alpine Sicherheit hat diesbezüglich eine Presseaussendung verfasst. Details dazu findet man hier: 


Wie gehts weiter?


Laut Wetterdienststelle (ehemalige ZAMG - neu: Geosphere Austria) sind keine größeren Schneemengen in Sicht. Das Wetter soll eher wechselhaft werden. Dies trifft für den Temperaturverlauf zu, aber auch für die Windtätigkeit. Vorerst bleibt es viel zu warm...Der morgige Dreikönigstag soll nach Auflösung von Nebelfeldern recht sonnig werden. Dann wird es zunehmend föhnig. Ab Montag dann Niederschlag und kühler. 

Die Lawinengefahr ändert sich vorerst nicht wesentlich. Frische Triebschneepakete sollten im sehr steilen Gelände vorerst gemieden werden. Beachtet v.a. auch eine mögliche Mitreißgefahr im extrem steilen Gelände.



Schneeverfrachtungen in der Höhe dürften im Verlauf der nächsten Woche immer wieder ein Thema sein. (Foto: 05.01.2023)
Schneeverfrachtungen in der Höhe dürften im Verlauf der nächsten Woche immer wieder ein Thema sein. (Foto: 05.01.2023)

Freitag, 30. Dezember 2022

Altschneeproblem weiterhin vorherrschend - Gefahrenbereiche beginnend von etwa 2200m aufwärts

Gefahrenstellen auch für Profis schwer erkennbar


Die Lawinengefahr ist im Westen Nordtirols und im nördlichen Osttirol oberhalb etwa 2200m bzw. 2400m weiterhin erheblich. Das der Lawinengefahr zugrunde liegende Problem ist ein Altschneeproblem. D.h. wir haben es mit Schwachschichten in der Altschneedecke zu tun, die über längere Zeit störanfällig sind. Konkret handelt es sich meist um kantige Kristalle bzw. Schwimmschnee in bodennahen Schichten. Diese grenzen teilweise an dünne Krusten an. Gefahrenbereiche findet man vermehrt im Sektor W über N bis O oberhalb etwa 2200m / 2400m sowie im Südsektor oberhalb etwa 2800m.

Typisch für die aktuelle Situation ist die hohe Variabilität bei der Schneehöhe, aber auch bei der Schneedeckenstabilität: Übergänge von viel zu wenig Schnee wechseln genauso wie Bereiche mit guter und schlechter Schneedeckenstabilität. Typisch für die aktuelle Situation ist aber auch, dass Gefahrenbereiche selbst für Profis schwierig zu erkennen sind. Das bedeutet, dass weiterhin Erfahrung in der Beurteilung der Lawinengefahr sowie Zurückhaltung im Gelände Wegbegleiter im freien Gelände sein sollten.



Schneeprofil Glocknergruppe. 2540m. NO. 30°: Bodennahe Schwachschicht aus Schwimmschnee, lche sich relativ leicht stören lässt. Profil vom 26.12.2022 (Weitere Details sh. lawis.at)
Schneeprofil Glocknergruppe. 2540m. NO. 30°: Bodennahe Schwachschicht aus Schwimmschnee, lche sich relativ leicht stören lässt. Profil vom 26.12.2022 (Weitere Details sh. lawis.at)



Schneeprofil Nördliche Zillertaler Alpen. 2250m. Nord. 32°. Hier konnte bei Stabiliätstests kein Bruch erzeugt werden. Profil vom 28.12.2022 (Weitere Details sh. lawis.at)
Schneeprofil Nördliche Zillertaler Alpen. 2250m. Nord. 32°. Hier konnte bei Stabiliätstests kein Bruch erzeugt werden. Profil vom 28.12.2022 (Weitere Details sh. lawis.at)



Schneeprofil Sellrainer Berge. 2520m. NO. 25°. Bruch der Schneedecke in einer bodennahen, kantigen Schicht unterhalb einer dünnen Schmelzkruste. (Details sh. lawis.at)
Schneeprofil Sellrainer Berge. 2520m. NO. 25°. Bruch der Schneedecke in einer bodennahen, kantigen Schicht unterhalb einer dünnen Schmelzkruste. (Details sh. lawis.at)



Seltener werdend: Fernauslösungen von Schneebrettlawinen, wie hier am Beispiel des Kleinen Königtals in der Gurgler Gruppe am 28.12.2022.
Seltener werdend: Fernauslösungen von Schneebrettlawinen, wie hier am Beispiel des Kleinen Königtals in der Gurgler Gruppe am 28.12.2022. 


Gefahrenbereiche findet man weiterhin auch im Pistennahbereich. Samnaungruppe. (Foto: 29.12.2022)
Gefahrenbereiche findet man weiterhin auch im Pistennahbereich. Samnaungruppe. (Foto: 29.12.2022)



Günstiger sind die Verhältnisse abgesehen vom nördlichen Osttirol in den südöstlichen Regionen Tirols. Allerdings liegt auch dort für die Jahreszeit zu wenig Schnee.
Günstiger sind die Verhältnisse abgesehen vom nördlichen Osttirol in den südöstlichen Regionen Tirols. Allerdings liegt auch dort für die Jahreszeit zu wenig Schnee.


(Stark) unterdurchschnittliche Schneehöhe für die Jahreszeit


Einige unserer Beobachterstationen bestehen seit Beginn des Lawinenwarndienstes Tirol im Jahre 1960. Dafür an dieser Stelle einmal ein riesiges Danke an unsere (langjährigen) Beobachter! Schaut man sich dort die aktuelle Schneehöhe an, so hat diese teilweise das bisherige Minimum unterschritten.


Beobachterstation Obergurgl: Bisherige Maxima, Minima und Mittelwert der Gesamtschneehöhe. Magenta: Werte der Wintersaison 2022-23. Noch nie wurde seit Messbeginn um diese Jahreszeit eine so geringe Schneehöhe gemessen.
Beobachterstation Obergurgl: Bisherige Maxima, Minima und Mittelwert der Gesamtschneehöhe. Magenta: Werte der Wintersaison 2022-23. Noch nie wurde seit Messbeginn um diese Jahreszeit eine so geringe Schneehöhe gemessen.



Beobachterstation Obertilliach: Auch hier ist die Gesamtschneehöhe für die Jahreszeit unterdurchschnittlich.
Beobachterstation Obertilliach: Auch hier ist die Gesamtschneehöhe für die Jahreszeit unterdurchschnittlich.



Wenig Schnee im Gelände. Bei der Abfahrt besteht ein erhöhtes Verletzungsrisiko durch herausragende bzw. knapp unterhalb der Schneeoberfläche befindliche Steine. Grieskogelgruppe (Foto: 28.12.2022)
Wenig Schnee im Gelände. Bei der Abfahrt besteht ein erhöhtes Verletzungsrisiko durch herausragende bzw. knapp unterhalb der Schneeoberfläche befindliche Steine. Grieskogelgruppe (Foto: 28.12.2022)



Das Weihnachtstauwetter samt Regen hat der Schneedecke in den meisten Regionen Tirols stark zugesetzt. Mieminger Gebirge (Foto: 25.12.2022)
Das Weihnachtstauwetter samt Regen hat der Schneedecke in den meisten Regionen Tirols stark zugesetzt. Mieminger Gebirge (Foto: 25.12.2022)



Wetterverlauf der vergangenen Woche im Westen Tirols: Anfangs viel Niederschlag samt Regen (bis etwa 2300m hinauf). Kleine Kaltfront vom 26.12. auf den 27.12.2022. Ab dann trocken mit (für die Jahreszeit) überdurchschnittlichen Temperaturen.
Wetterverlauf der vergangenen Woche im Westen Tirols: Anfangs viel Niederschlag samt Regen (bis etwa 2300m hinauf). Kleine Kaltfront vom 26.12. auf den 27.12.2022. Ab dann trocken mit (für die Jahreszeit) überdurchschnittlichen Temperaturen. 



Tiefe und mittlere Lagen sind häufig aper. Blick Richtung Kaunergrat (Foto: 29.12.2022)
Tiefe und mittlere Lagen sind häufig aper. Blick Richtung Kaunergrat (Foto: 29.12.2022)


Wie geht es weiter? Sehr warm!


Die ZAMG-Wetterdienststelle sagt für die kommenden Tage überdurchschnittlich warme Temperaturen voraus. Das Jahr 2022 endet somit, wie es auch in die Statistik eingehen wird, nämlich als das wärmste Jahr der Messgeschichte (die immerhin über 250 Jahre lang ist). Bereits letztes Jahr wurden um die Jahreswende einige bisherige Temperaturmaxima geknackt. Heuer könnten diese Maxima ev. neuerlich überschritten werden! Da bereits in tiefen und mittleren Lagen kaum Schnee liegt, werden die Auswirkungen auf die Lawinengefahr voraussichtlich nicht allzu gravierend sein. Wir rechnen allerdings in Sonnenhängen und auf Wiesenhängen mit vermehrten Gleitschnee- und ev. Nassschneerutschen. Ansonsten wird das Altschneeproblem tendenziell abnehmen (außer es wird so warm und die Luftmasse so feucht, dass Wasser bis in bodennahe Schwachschichten eindringen und wiederum zu einer erhöhten Störanfälligkeit führen kann. Das lässt sich aktuell noch nicht abschätzen und kann nur unmittelbar beurteilt werden.)



Mit den warmen Temperaturen wird die Gleitschneeaktivität wohl wieder etwas zunehmen. (Foto: 29.12.2022)
Mit den warmen Temperaturen wird die Gleitschneeaktivität wohl wieder etwas zunehmen. (Foto: 29.12.2022)


Das Team des Lawinenwarndienstes Tirol wünscht euch allen auf diesem Weg ein gesundes, erlebnisreiches und unfallfreies Jahr 2023!

Mittwoch, 28. Dezember 2022

Sehr gute Sprengerfolge und Lawinenauslösungen durch Personen bestätigen eine gebietsweise immer noch schwache Schneedecke

Weiterhin heimtückische Lawinensituation

Gleich vorweg: Speziell im Westen des Landes, aber auch im nördlichen Osttirol haben wir es mit einem zum Teil recht ausgeprägten Altschneeproblem zu tun. Das Altschneeproblem beginnt von etwa 2200m (meist 2400m) aufwärts, anfangs in Schattenhängen, dann zunehmend auch in West- und Osthängen. Oberhalb etwa 2700m findet man es vermehrt auch in reinen Südhängen.

Bestätigt wird das durch Stabilitätsuntersuchungen, weiters durch Schneebrettlawinen, die von WintersportlerInnen ausgelöst wurden und gebietsweise sehr guten Sprengerfolgen während der vergangenen Tage. Die sehr guten Sprengerfolge wurden uns vom neuschneereichen Westen des Landes gemeldet.

Schneebrettlawinen lösten sich aufgrund des gut ausgebildeten "Bretts" (Schneefall, Erwärmung und Wind) zum Teil recht großflächig bei einer für die Jahreszeit häufig unterdurchschnittlichen Schneehöhe.

Heimtückisch ist die Situation auch deshalb, weil die Gefahrenstellen im Gelände schwer zu erkennen und recht diffus verteilt sind. Zusätzlich beobachten wir eine hohe Variabilität, nicht nur bei der Schneehöhe, sondern auch bei der Schneedeckenstabilität.


Hier ein kurzer Rückblick auf die vergangenen Tage:


Vom 23.12. abends bis inkl. 25.12.2022 stuften wir die Lawinengefahr im Westen des Landes in der Höhe mit "groß", also Stufe 4 ein. Es handelte sich dabei um ein "Wintersportler-Groß"
Vom 23.12. abends bis inkl. 25.12.2022 stuften wir die Lawinengefahr im Westen des Landes in der Höhe mit "groß", also Stufe 4 ein. Es handelte sich dabei um ein "Wintersportler-Groß"



Wetterstation Dias/Kappl im neuschneereichen Westen des Landes. In der Höhe ca. 50cm Neuschnee. Erwärmung während des Schneefalls. Am 25.12. Schönwetter, dann kleine Kaltfront mit Wind und folgender Wetterbesserung.
Wetterstation Dias/Kappl im neuschneereichen Westen des Landes. In der Höhe ca. 50cm Neuschnee. Erwärmung während des Schneefalls. Am 25.12. Schönwetter, dann kleine Kaltfront mit Wind und folgender Wetterbesserung.


In tiefen und mittleren Lagen schmolz der Schnee durch Regen dahin. Die Regengrenze lag meist um 2300m. Oberhalb etwa 2200m-2400m schneite es v.a. im Westen des Landes 30-50cm, lokal auch mehr.
In tiefen und mittleren Lagen schmolz der Schnee durch Regen dahin. Die Regengrenze lag meist um 2300m. Oberhalb etwa 2200m-2400m schneite es v.a. im Westen des Landes 30-50cm, lokal auch mehr.


Einige Lawinenauslösungen durch WintersportlerInnen


In Tirol hatten wir Glück, dass während der Weihnachtsfeiertage keine Personen durch Lawinenabgänge zu Schaden gekommen sind. Uns sind einige Lawinenabgänge bekannt, bei denen Wintersportler involviert waren. Hier eine Auswahl:



Lawinenabgang Lampsenspitze vom 25.12.2022. NO. 2700m. Person konnte ausfahren. (Foto: 25.12.2022)
Lawinenabgang Lampsenspitze vom 25.12.2022. NO. 2700m. Person konnte ausfahren. (Foto: 25.12.2022)



Weiterer Lawinenabgang Lampsenspitze vom 26.12.2022. Ost, 2840m. Keine Verschütteten. (Foto: 26.12.2022)
Weiterer Lawinenabgang Lampsenspitze vom 26.12.2022. Ost, 2840m. Keine Verschütteten. (Foto: 26.12.2022



Lukas Ruetz, einer unserer Beobachter, recherchierte aufgrund von Webkameras (großflächige) Lawinenabgänge im Bereich des Pirchkogels und des Hinteren Grieskogels. Rote Ellipse: Spontaner Lawinenabgang um 10:40 Uhr. Türkise Ellipse: Spontaner Lawinenabgang um 11:10 Uhr. Grüne Ellipse: Lawinenauslösung durch Wintersportler um 13:00 Uhr. 2600m Nord und Ost
Lukas Ruetz, einer unserer Beobachter, recherchierte aufgrund von Webkameras (großflächige) Lawinenabgänge im Bereich des Pirchkogels und des Hinteren Grieskogels. Rote Ellipse: Spontaner Lawinenabgang um 10:40 Uhr. Türkise Ellipse: Spontaner Lawinenabgang um 11:10 Uhr. Grüne Ellipse: Lawinenauslösung durch Wintersportler um 13:00 Uhr. 2600m Nord und Ost



Foto vom Anriss Pirchkogel / Ht. Grieskogel auf 2660 Nord. Eingekreist: Aufstiegs- und Abfahrtsspur eines Wintersportlers. Vieles spricht dafür, dass die Lawine durch eine Person im Aufstieg im Bereich des Kreises fernausgelöst wurde. (Foto: 26.12.2022)
Foto vom Anriss Pirchkogel / Ht. Grieskogel auf 2660 Nord. Eingekreist: Aufstiegs- und Abfahrtsspur eines Wintersportlers. Vieles spricht dafür, dass die Lawine durch eine Person im Aufstieg im Bereich des Kreises fernausgelöst wurde. (Foto: 26.12.2022)


Für die oben eingezeichneten spontanen Lawinen spricht v.a. die deutliche Erwärmung während des Tages, die Einfluss auf die Eigenschaften des "Bretts" hatten.


Eingekreist: Temperatursprung am 25.12.2022. Station Kühtai im Nahbereich des Lawinenabgangs
Eingekreist: Temperatursprung am 25.12.2022. Station Kühtai im Nahbereich des Lawinenabgangs

 

Im unmittelbaren Nahbereich der Pirchkogellawine löste sich eine Schneebrettlawine als sich ein Wintersportler im Bereich der Ellipse bei der Abfahrt befand (Foto: 26.12.2022)
Im unmittelbaren Nahbereich der Pirchkogellawine löste sich eine Schneebrettlawine als sich ein Wintersportler im Bereich der Ellipse bei der Abfahrt befand. 2595. NO (Foto: 26.12.2022)



Ein Lawinenabgang am Tiefenbachferner. 2830m, NO. Einfahrender Skifahrer konnte ausfahren, meldete dies aber nicht bei der Leitstelle Tirol unter 140. Erst nach einer großangelegten Suchaktion konnte der Einsatz abgebrochen werden. (Foto: 25.12.2022)
Ein Lawinenabgang am Tiefenbachferner. 2830m, NO. Einfahrender Skifahrer konnte ausfahren, meldete dies aber nicht bei der Leitstelle Tirol unter 140. Erst nach einer großangelegten Suchaktion konnte der Einsatz abgebrochen werden. (Foto: 25.12.2022)



Lawinenabgang Rietzer Grießkogel vom 27.12.2022. Lawine wurde im Aufstieg fernausgelöst. Person wurde teilverschüttet. 2700m. SW
Lawinenabgang Rietzer Grießkogel vom 27.12.2022. Lawine wurde im Aufstieg fernausgelöst. Person wurde teilverschüttet. 2700m. SW



Lawinenauslösung Weißer Knoten in der Glocknergruppe vom 27.12.2022. Der Bruch breitete sich orographisch links noch weiter aus. ca. 2600m, Ost
Lawinenauslösung Weißer Knoten in der Glocknergruppe vom 27.12.2022. Der Bruch breitete sich orographisch links noch weiter aus. ca. 2600m, Ost



Lawineneinsatz aufgrund einer "Kunstschnee"-Gleitschneelawine im Bereich der Untermarkter Alm in Hochimst (Foto: 27.12.2022). Der Einsatz wurde in den Abendstunden abgebrochen, nachdem mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden konnte, dass keine Personen verschüttet waren. (Übrigens löste sich am 05.12.2018 an derselben Stelle eine ebensolche "Kunstschnee"-Gleitschneelawine.)
Lawineneinsatz aufgrund einer "Kunstschnee"-Gleitschneelawine im Bereich der Untermarkter Alm in Hochimst (Foto: 27.12.2022). Der Einsatz wurde in den Abendstunden abgebrochen, nachdem mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden konnte, dass keine Personen verschüttet waren. (Übrigens löste sich am 05.12.2018 an derselben Stelle eine ebensolche "Kunstschnee"-Gleitschneelawine.) 



Am Karnischen Kamm: Gleitschneerutsche auf steilen Wiesenhängen. (Foto: 26.12.2022)
Am Karnischen Kamm: Gleitschneerutsche auf steilen Wiesenhängen. (Foto: 26.12.2022)



Der Wind wehte kürzlich in der Höhe sehr stark. Hier ein Bild von Schneeverfrachtungen in der Gurgler Gruppe (Foto: 26.12.2022)
Der Wind wehte kürzlich in der Höhe sehr stark. Hier ein Bild von Schneeverfrachtungen in der Gurgler Gruppe (Foto: 26.12.2022)


Ausblick

Die gebietsweise heimtückische Lawinensituation wird anhalten. Noch ist das kürzlich gebildete "Brett" gut ausgeprägt und fördert nach einem Bruch einer Schwachschicht in der Altschneedecke die Bruchausbreitung. Wir raten deshalb weiterhin zu Besonnenheit und Zurückhaltung im freien Skigelände. Allgemein sind auch aufgrund der dürftigen Schneelage die Bedingungen für Skitouren / Variantenfahrten eher schlecht.

Samstag, 24. Dezember 2022

Nochmaliger Appell an alle WintersportlerInnen: Erster Schönwettertag nach einer stürmischen Niederschlagsperiode ist besonders unfallträchtig

"Klumpenrisiko": Störanfällige Schneedecke - strahlend schönes Wetter - hohe Wahrscheinlichkeit von Lawinenabgängen mit Personenbeteiligung! Vorsicht insbesondere im Westen Tirols oberhalb etwa 2400m!


Nach Auflösung einiger Nebel- und Wolkenfelder (besonders im Norden des Landes) wird der morgige Christtag laut ZAMG-Wetterdienststelle strahlend sonnig. Im Westen des Landes, wo seit den Nachtstunden des 23.12. oberhalb etwa 2400m 30 bis 50cm, lokal auch mehr Schnee gefallen ist, haben wir es mit einer für den Wintersportler heiklen Lawinensituation ("Wintersportler-Groß") zu tun. Auf einer gebietsweise schwachen Altschneedecke hat sich durch Neuschnee, Wind und Erwärmung ein ausgeprägtes Brett gebildet. Wir gehen für morgen, 25.12. zumindest im sehr steilen Gelände oberhalb etwa 2400m (Regengrenze der vergangenen Tage) von einer hohen Störanfälligkeit der Schneedecke aus. Vermehrt betroffen sind West- Nord- und Osthänge sowie allgemein kammnahes Gelände. In reinen Südhängen gehen wir aktuell davon aus, dass die Altschneedecke nur in hochalpinen Lagen störanfällig ist. Auch Fernauslösungen sind aufgrund des aktuell gut ausgebildeten Brettes denkbar. Also haltet Abstand, insbesondere von sehr steilen West-, Nord- und Osthängen in der Höhe. Vermehrt betroffen werden wohl Hänge im Nordsektor sein.


Morgen am Christtag, 25.12. ist v.a. im Westen des Landes ein unfallträchtiger Tag!

Freitag, 23. Dezember 2022

Turbulentes Wetter mit Schneefall, Regen, Wind und Erwärmung - Anstieg der Lawinengefahr auf "Wintersportler-Groß"

Deutlicher Anstieg der Lawinengefahr

Warmfront und Kaltfront

Eine Warmfront bringt laut ZAMG-Wetterdienststelle Innsbruck am Freitag, 23.12.2022 unbeständiges, stürmisches und sehr mildes Bergwetter. Es fällt zum Teil kräftiger Niederschlag, unterhalb etwa 2000m häufig als Regen. Am intensivsten werden die Niederschläge im Westen Nordtirols ausfallen. Man rechnet dort am 23.12. mit 30-50mm. Dies entspricht in der Höhe ca. 30-50cm Neuschnee. Am Heiligen Abend, 24.12.2022 folgt eine Kaltfront. Am Vormittag schneit und regnet es in Nordtirol und im nördlichen Osttirol noch häufig. Am Nachmittag lässt der Niederschlag nach. Das südliche Osttirol bekommt kaum Niederschlag.


Prognostizierter Neuschnee der kommenden Tage. Niederschlagsgefälle von West nach Südost.
Prognostizierter Neuschnee der kommenden Tage. Niederschlagsgefälle von West nach Südost.


Der Niederschlag wird häufig von starkem bis stürmischem Wind begleitet.
Der Niederschlag wird häufig von starkem bis stürmischem Wind begleitet.



Die Schneefallgrenze am 23.12. um 00:00 Uhr...
Die Schneefallgrenze am 23.12. um 00:00 Uhr...



Die Schneefallgrenze steigt im Laufe des Tages. Hier abgebildet: Die Schneefallgrenze am 23.12. um 16:00 Uhr...
Die Schneefallgrenze steigt im Laufe des Tages. Hier abgebildet: Die Schneefallgrenze am 23.12. um 16:00 Uhr...



Niederschlags- und Windprognose für eine der niederschlagsreichsten Regionen Tirols. Der Niederschlag beginnt in der Nacht vom 22.12. und zieht sich bis zum Heiligen Abend. Starker Wind. Schwankende Temperaturen.
Niederschlags- und Windprognose für eine der niederschlagsreichsten Regionen Tirols. Der Niederschlag beginnt in der Nacht vom 22.12. und zieht sich bis zum Heiligen Abend. Starker Wind. Schwankende Temperaturen.


Auswirkungen auf die Lawinengefahr

Wir gehen aktuell von einem deutlichen Anstieg der Lawinengefahr im Tagesverlauf aus. Fallen die vorhergesagten Niederschlagsmengen, so wird während des Nachmittags / frühen Abends die Stufe 4 "groß" erreicht  werden. Dabei handelt es sich um ein so genanntes "Wintersportler-Groß": Die Schneedecke ist schwach und störanfällig. Es gibt zahlreiche Gefahrenstellen. Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Wintersportler Schneebrettlawinen auslösen können. Zudem erwarten wir spontane Lawinen. Meist sind die Lawinen mittelgroß (typische Skifahrerlawinen-Größe). Besonders in Schattenhängen können diese auch groß werden. Hier die Hintergründe: 
  • Dort wo es schneit, fällt der Schnee anfangs bei etwas tieferen Temperaturen. Während des Schneefalls steigt die Temperatur dann an. Dadurch lagert wärmerer Schnee auf etwas kälterem Schnee, also ein "Brett" auf einer potentiellen Schwachschicht. Je nachdem, wie deutlich der Temperaturanstieg ausfällt, wird die Schneedecke rasch geschwächt. Kleine und mittelgroße Lawinen werden im Laufe des Temperaturanstieges vermehrt von selbst abgehen. Das "Brett" fördert großflächigere Auslösungen. Das Brett erhöht aber auch die Wahrscheinlichkeit von Fernauslösungen.
  • Die Altschneedecke ist häufig schwach. Vermehrt trifft dies für West-, Nord- und Ost-Hänge oberhalb etwa 2200m zu. Brüche in Schwachschichten innerhalb der Altschneedecke sind einerseits durch den Impuls spontaner, oberflächennaher Lawinen (im Neuschneepaket) denkbar. Andererseits ist dies auch "nur" durch das Gewicht des Neuschnees möglich. Am ungünstigsten ist die Altschneedecke im Nordsektor oberhalb von etwa 2200m aufgebaut. In West- und Osthängen dürfte die Altschneedecke aktuell vermehrt oberhalb etwa 2400m zu stören sein. In Südhängen ist dies v.a. in hochalpinen Lagen der Fall. Bei Brüchen in der Altschneedecke, können Lawinen auch groß werden.
  • In den regenbeeinflussten Gebieten wird die ohnehin während der vergangenen Tagen bereits angefeuchtete bzw. durchfeuchtete Schneedecke rasch nass. Die Schneedecke verliert an Festigkeit. Wir erwarten zahlreiche nasse Lockerschneelawinen, aber auch vermehrte Gleitschneeaktivität. Aufgrund der geringen Schneelage werden die Lawinen meist klein, vereinzelt mittelgroß sein.

Impressionen zur aktuellen Situation


Risse in der Schneedecke als Alarmzeichen einer störanfälligen Schneedecke. Sattelberg, am 14.12.2022. Seit dem Foto ist eine gute Woche vergangen. Inzwischen gibt es nur mehr wenige Rückmeldungen über Rissbildungen und Wummgeräusche.
Risse in der Schneedecke als Alarmzeichen einer störanfälligen Schneedecke. Sattelberg, am 14.12.2022. Seit dem Foto ist eine gute Woche vergangen. Inzwischen gibt es nur mehr wenige Rückmeldungen über Rissbildungen und Wummgeräusche.



In tiefen und mittleren Lagen wurde die Schneedecke feucht. Der Wind hat zugelegt.
In tiefen und mittleren Lagen wurde die Schneedecke feucht. (2. Grafik von oben mit Temperatur, Taupunkt und Schnee-Oberflächentemperatur). Der Wind hat zugelegt.



Durch die Erwärmung, aber auch durch kürzlichen Regen beobachtete man vermehrt nasse Lockerschneelawinen und Gleitschneerutsche.
Durch die Erwärmung, aber auch durch kürzlichen Regen beobachtete man vermehrt nasse Lockerschneelawinen und Gleitschneerutsche. 



Nassschneerutsche Nordseite Kitzbüheler Horn (Foto: 20.12.2022)
Nassschneerutsche Nordseite Kitzbüheler Horn (Foto: 20.12.2022)



"Noppenpulver" wurde inzwischen durch den Wärmeeintrag meist zerstört. Tuxer Alpen (Foto: 18.12.2022)
"Noppenpulver" wurde inzwischen durch den Wärmeeintrag meist zerstört. Tuxer Alpen (Foto: 18.12.2022)



Profil im Bereich des Hochzeigers. Nord, 2340m. Bodennahe Schwachschicht, die bei Belastung brechen kann.
Profil im Bereich des Hochzeigers. Nord, 2340m. Bodennahe Schwachschicht, die bei Belastung brechen kann.



Wechsel von härteren und weichen Schichten. Axamer Lizum. West. 2260m. 28°. An diesem Standort konnten bei Stabilitätstests keine durchgehenden Brüche erzeugt werden. (Foto: 22.12.2022)
Wechsel von härteren und weichen Schichten. Axamer Lizum. West. 2260m. 28°. An diesem Standort konnten bei Stabilitätstests keine durchgehenden Brüche erzeugt werden. (Foto: 22.12.2022)


Der Wind hat bereits zugelegt und verfrachtet in großen Höhen bereits Schnee. Hier  Schneefahnen in der Gurgler Gruppe (Foto: 22.12.2022)
Der Wind hat bereits zugelegt und verfrachtet in großen Höhen bereits Schnee. Hier  Schneefahnen in der Gurgler Gruppe (Foto: 22.12.2022)


Heikle und unfallträchtige Tage für Wintersportler stehen bevor - Große Zurückhaltung erscheint angebracht!

Am Sonntag, Christtag, 25.12. bessert sich das Wetter. Es bleibt mild. Bitte beachtet: Wir haben es in den neuschneereichen Gebieten mit einer für Wintersportler durchaus angespannten Lawinensituation zu tun. Bekanntlich passieren die meisten Lawinenunfälle innerhalb kurzer Zeiträume während erhöhter Lawinengefahr. Seid defensiv unterwegs! Unerfahrenen Personen raten wir, auf den gesicherten Pisten zu bleiben.