Freitag, 30. Dezember 2022

Altschneeproblem weiterhin vorherrschend - Gefahrenbereiche beginnend von etwa 2200m aufwärts

Gefahrenstellen auch für Profis schwer erkennbar


Die Lawinengefahr ist im Westen Nordtirols und im nördlichen Osttirol oberhalb etwa 2200m bzw. 2400m weiterhin erheblich. Das der Lawinengefahr zugrunde liegende Problem ist ein Altschneeproblem. D.h. wir haben es mit Schwachschichten in der Altschneedecke zu tun, die über längere Zeit störanfällig sind. Konkret handelt es sich meist um kantige Kristalle bzw. Schwimmschnee in bodennahen Schichten. Diese grenzen teilweise an dünne Krusten an. Gefahrenbereiche findet man vermehrt im Sektor W über N bis O oberhalb etwa 2200m / 2400m sowie im Südsektor oberhalb etwa 2800m.

Typisch für die aktuelle Situation ist die hohe Variabilität bei der Schneehöhe, aber auch bei der Schneedeckenstabilität: Übergänge von viel zu wenig Schnee wechseln genauso wie Bereiche mit guter und schlechter Schneedeckenstabilität. Typisch für die aktuelle Situation ist aber auch, dass Gefahrenbereiche selbst für Profis schwierig zu erkennen sind. Das bedeutet, dass weiterhin Erfahrung in der Beurteilung der Lawinengefahr sowie Zurückhaltung im Gelände Wegbegleiter im freien Gelände sein sollten.



Schneeprofil Glocknergruppe. 2540m. NO. 30°: Bodennahe Schwachschicht aus Schwimmschnee, lche sich relativ leicht stören lässt. Profil vom 26.12.2022 (Weitere Details sh. lawis.at)
Schneeprofil Glocknergruppe. 2540m. NO. 30°: Bodennahe Schwachschicht aus Schwimmschnee, lche sich relativ leicht stören lässt. Profil vom 26.12.2022 (Weitere Details sh. lawis.at)



Schneeprofil Nördliche Zillertaler Alpen. 2250m. Nord. 32°. Hier konnte bei Stabiliätstests kein Bruch erzeugt werden. Profil vom 28.12.2022 (Weitere Details sh. lawis.at)
Schneeprofil Nördliche Zillertaler Alpen. 2250m. Nord. 32°. Hier konnte bei Stabiliätstests kein Bruch erzeugt werden. Profil vom 28.12.2022 (Weitere Details sh. lawis.at)



Schneeprofil Sellrainer Berge. 2520m. NO. 25°. Bruch der Schneedecke in einer bodennahen, kantigen Schicht unterhalb einer dünnen Schmelzkruste. (Details sh. lawis.at)
Schneeprofil Sellrainer Berge. 2520m. NO. 25°. Bruch der Schneedecke in einer bodennahen, kantigen Schicht unterhalb einer dünnen Schmelzkruste. (Details sh. lawis.at)



Seltener werdend: Fernauslösungen von Schneebrettlawinen, wie hier am Beispiel des Kleinen Königtals in der Gurgler Gruppe am 28.12.2022.
Seltener werdend: Fernauslösungen von Schneebrettlawinen, wie hier am Beispiel des Kleinen Königtals in der Gurgler Gruppe am 28.12.2022. 


Gefahrenbereiche findet man weiterhin auch im Pistennahbereich. Samnaungruppe. (Foto: 29.12.2022)
Gefahrenbereiche findet man weiterhin auch im Pistennahbereich. Samnaungruppe. (Foto: 29.12.2022)



Günstiger sind die Verhältnisse abgesehen vom nördlichen Osttirol in den südöstlichen Regionen Tirols. Allerdings liegt auch dort für die Jahreszeit zu wenig Schnee.
Günstiger sind die Verhältnisse abgesehen vom nördlichen Osttirol in den südöstlichen Regionen Tirols. Allerdings liegt auch dort für die Jahreszeit zu wenig Schnee.


(Stark) unterdurchschnittliche Schneehöhe für die Jahreszeit


Einige unserer Beobachterstationen bestehen seit Beginn des Lawinenwarndienstes Tirol im Jahre 1960. Dafür an dieser Stelle einmal ein riesiges Danke an unsere (langjährigen) Beobachter! Schaut man sich dort die aktuelle Schneehöhe an, so hat diese teilweise das bisherige Minimum unterschritten.


Beobachterstation Obergurgl: Bisherige Maxima, Minima und Mittelwert der Gesamtschneehöhe. Magenta: Werte der Wintersaison 2022-23. Noch nie wurde seit Messbeginn um diese Jahreszeit eine so geringe Schneehöhe gemessen.
Beobachterstation Obergurgl: Bisherige Maxima, Minima und Mittelwert der Gesamtschneehöhe. Magenta: Werte der Wintersaison 2022-23. Noch nie wurde seit Messbeginn um diese Jahreszeit eine so geringe Schneehöhe gemessen.



Beobachterstation Obertilliach: Auch hier ist die Gesamtschneehöhe für die Jahreszeit unterdurchschnittlich.
Beobachterstation Obertilliach: Auch hier ist die Gesamtschneehöhe für die Jahreszeit unterdurchschnittlich.



Wenig Schnee im Gelände. Bei der Abfahrt besteht ein erhöhtes Verletzungsrisiko durch herausragende bzw. knapp unterhalb der Schneeoberfläche befindliche Steine. Grieskogelgruppe (Foto: 28.12.2022)
Wenig Schnee im Gelände. Bei der Abfahrt besteht ein erhöhtes Verletzungsrisiko durch herausragende bzw. knapp unterhalb der Schneeoberfläche befindliche Steine. Grieskogelgruppe (Foto: 28.12.2022)



Das Weihnachtstauwetter samt Regen hat der Schneedecke in den meisten Regionen Tirols stark zugesetzt. Mieminger Gebirge (Foto: 25.12.2022)
Das Weihnachtstauwetter samt Regen hat der Schneedecke in den meisten Regionen Tirols stark zugesetzt. Mieminger Gebirge (Foto: 25.12.2022)



Wetterverlauf der vergangenen Woche im Westen Tirols: Anfangs viel Niederschlag samt Regen (bis etwa 2300m hinauf). Kleine Kaltfront vom 26.12. auf den 27.12.2022. Ab dann trocken mit (für die Jahreszeit) überdurchschnittlichen Temperaturen.
Wetterverlauf der vergangenen Woche im Westen Tirols: Anfangs viel Niederschlag samt Regen (bis etwa 2300m hinauf). Kleine Kaltfront vom 26.12. auf den 27.12.2022. Ab dann trocken mit (für die Jahreszeit) überdurchschnittlichen Temperaturen. 



Tiefe und mittlere Lagen sind häufig aper. Blick Richtung Kaunergrat (Foto: 29.12.2022)
Tiefe und mittlere Lagen sind häufig aper. Blick Richtung Kaunergrat (Foto: 29.12.2022)


Wie geht es weiter? Sehr warm!


Die ZAMG-Wetterdienststelle sagt für die kommenden Tage überdurchschnittlich warme Temperaturen voraus. Das Jahr 2022 endet somit, wie es auch in die Statistik eingehen wird, nämlich als das wärmste Jahr der Messgeschichte (die immerhin über 250 Jahre lang ist). Bereits letztes Jahr wurden um die Jahreswende einige bisherige Temperaturmaxima geknackt. Heuer könnten diese Maxima ev. neuerlich überschritten werden! Da bereits in tiefen und mittleren Lagen kaum Schnee liegt, werden die Auswirkungen auf die Lawinengefahr voraussichtlich nicht allzu gravierend sein. Wir rechnen allerdings in Sonnenhängen und auf Wiesenhängen mit vermehrten Gleitschnee- und ev. Nassschneerutschen. Ansonsten wird das Altschneeproblem tendenziell abnehmen (außer es wird so warm und die Luftmasse so feucht, dass Wasser bis in bodennahe Schwachschichten eindringen und wiederum zu einer erhöhten Störanfälligkeit führen kann. Das lässt sich aktuell noch nicht abschätzen und kann nur unmittelbar beurteilt werden.)



Mit den warmen Temperaturen wird die Gleitschneeaktivität wohl wieder etwas zunehmen. (Foto: 29.12.2022)
Mit den warmen Temperaturen wird die Gleitschneeaktivität wohl wieder etwas zunehmen. (Foto: 29.12.2022)


Das Team des Lawinenwarndienstes Tirol wünscht euch allen auf diesem Weg ein gesundes, erlebnisreiches und unfallfreies Jahr 2023!