Donnerstag, 28. März 2019

Mehrheitlich günstige Verhältnisse und schönes Wetter am Wochenende

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Zusammenfassung

Die hervorragende Wettervorhersage für das Wochenende lässt erwarten, die stabile Schneedecke gut nützen zu können.

Einflussreiche Witterungsfaktoren der letzten Tage waren etwas kalter Neuschnee mit Wind, wechselnde Temperaturen, erhöhter Strahlungseintrag und die zeitweise starke Setzung der Schneedecke. Je nach Höhenlage und Exposition werden diese Faktoren mehr oder weniger relevant sein.

Rückblick

Der letzte Schneefall von Montag den 25. und Dienstag kam mit einem Temperatursturz um -15 Grad und regional starkem Wind. Dadurch konnten sich auslösebereite Triebschneepakete bilden, die jedoch zumeist klein ausfallen und gut erkennbar hinter Rücken und in Rinnen und Mulden lagern.

Einige Zentimeter Neuschnee fielen am Montag den 25. und Dienstag den 26.03. bei kalten Temperaturen und gebietsweise starkem Wind wie hier am Plattkopf in den Zillertalern.

Wir messen diesen Paketen nur kleinräumig Bedeutung zu und mit kommenden steigenden Temperaturen werden sie schnell neutralisiert. Ein latentes potenzielles Problem stellt noch die Kombination aus Krusten und kantigen Formen dar, wie sie im letzten Blogeintrag beschrieben wurde. Um für größere Schneebretter verantwortlich zu werden fehlt im Moment aber ein markanter Energieeintrag.

Unter Harschdeckeln verbergen sich aufgebaute Schwachschichten, die als Bruchfläche für Schneebretter dienen können. Hier im Navistal konnten südseitig Setzungsgeräusche wahrgenommen und ein Rutsch fernausgelöst werden (Foto: 24.03.2019).

Lockerschneelawinen können sowohl trocken als auch nass sein; letztere treten gehäuft mit dem tageszeitlichen Temperaturanstieg auf. Am Nachmittag steigt somit auch die Mitreißgefahr in extrem steilem, felsdurchsetztem Gelände.

Lockerschneerutsche sind jeden Frühling ein weit verbreitetes Bild und bleiben im Moment mehrheitlich klein. Im Foto vom Härmelekopf negativ zu werten ist, dass diese größere Strecken überwinden können; positiv ist, dass dadurch keine Schneebretter ausgelöst werden (Foto: 24.03.2019).

Die Gleitschneeaktivität hat abgenommen und auch nach dem letzten großen Regen zu Monatsmitte sind eher nur kleine Flecken in Bewegung versetzt worden. Ähnlich anderer immerwährender alpiner Gefahren heißt das aber leider nicht, dass diese im Einzelfall nicht bedrohlich werden können.

Gleitschneeabgang an der Nordkette ertappt von einer Webcam am 24.03.2019.

Die guten Verhältnisse konnten in der vergangenen Woche genutzt werden, um steilere Anstiege und Abfahrten zu wählen. Der kalte Neuschnee kam dann auf eine stabile und unregelmäßige Oberfläche zu liegen.

Nordseitige Rinne in den Stubaier Alpen genutzt für den Aufstieg bis auf 3000m und für die Abfahrt (Foto: 23.03.2019).

Mensch und Tier wurden belohnt, wenn der Neuschnee zeitnah genutzt werden konnte, wie hier im Sellrain (Foto: 26.03.2019).

Da die angesprochenen Probleme kleinräumig sind erstrahlt die Karte des Lawinenreports seit über einer Woche in grün und gelb und es steht einem prächtigen Skitourenwochenende nichts im Wege. Für die Tourenplanung relevant werden mehr und mehr die Frühjahrsverhältnisse, während sich Hochwinterprobleme in große Höhen zurückziehen.

Schneelage

Dank des Schneefalls Anfang der Woche befinden wir uns bei der 72-Stunden-Neuschneesumme im nördlichen Teil Tirols im positiven Bereich (bis +30 cm in den Lechtalern und im Karwendel), während die Bilanz in Richtung Alpenhauptkamm erneut negativ ausfällt.

Schneeverteilung des letzten Niederschlags. Im Unterschied zum letzten Blogeintrag konnte der Neuschnee die Schmelze großteils überwiegen.
 
In den Tälern hat der Frühling endgültig Einzug gehalten und die Skier werden bei niedrigen Ausgangspunkten vermehrt am Rücken Platz finden. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass es oben immer noch Winter ist und wir nachwievor von beachtlichen Schneesummen zehren können. 

Sehr schnell ansteigende Schneesummen mit der Höhe wie z.B. an der Grenze Innsbruck/Nordkette zeugen von der Trennung in Sommer- und Winterwelt.

Prägend für den Winter das Nord/Süd-Gefälle: Im Außerfern liegt die Schneehöhe noch deutlich über dem langjährigen Mittel, während die Reserven vom Februar in Osttirol schon aufgebraucht sind.
 
Durchfeuchtung

Modellrechnungen zeichnen schon ein sehr homogenes Bild der Schneetemperatur, was aber nur als Wegweiser interpretiert werden sollte (da die Rechnung an die Lufttemperatur gekoppelt ist).

Die von SNOWGRID modellierte mittlere Schneedeckentemperatur erreicht großräumig den Gefrierpunkt.

Die Durchfeuchtung schreitet naturgegebenermaßen höhen- und expositionsabhängig äußerst unterschiedlich stark voran. Sonnseitig kann die Schneedecke bis weit hinauf isotherm sein, vor allem an steilen Süd- bis Westhängen mit geringer Schneemächtigkeit. Schattseitig und in höheren Lagen findet man noch Pulver und lockeren, aufgebauten Schnee.

Stationen, die die Schneeoberflächentemperatur messen zeigen an, wenn Durchnässung einsetzt. Die Messung ist allerdings technisch herausfordernd und wird fehleranfällig, wenn der Schnee an der Oberfläche warm wird.

Die Oberflächentemperatur näherte sich hier nordwestlich auf über 2100 Meter Seehöhe immer länger dem Maximum von 0 Grad, also der Schneeschmelze. Mit der Kaltfront ab 25. wurde auch die Schneeoberfläche wieder abgekühlt. Sie beginnt jedoch schon wieder zu steigen und wird hier am Wochenende wieder auf 0° klettern.

Üblicherweise spricht man von einer isothermen Schneedecke (durchgehend konstante Temperatur), wenn diese Temperatur konstant bei Null Grad liegt. Die Schneedecke hat dann keinen Kältepuffer mehr und wird komplett durchnässt. Nächtliche Ausstrahlung kann die Schneedecke zwar wieder abkühlen, aber nur von der Oberfläche ausgehend. Dieser Puffer (Bereiche negativer Schneetemperatur zwischen Boden und Oberfläche) bildet momentan wieder die unterschiedlichen Verhältnisse ab. 

Profil 1: W, 1900m, 30°, Karwendel. Die Schneeedecke ist isotherm und durchgehend schwach feucht bis feucht (©LWD Tirol). Profil 2: O, 1900m, 25°, Verwall. Die Sonne hat ausgereicht um Krusten auszubilden, jedoch noch nicht, um die Schneedecke komplett zu erwärmen. Viel Spielraum ist allerdings nicht mehr (©Fun). Profil 3: N, 2700m, 30°, Stubaier Alpen. Tiefe Luft- und Schneetemperaturen im schattigen Hochgebirge (© Lukas Ruetz). In rot die Schneetemperatur.

Ausblick auf das Wochenende

Laut der ZAMG Wetterstelle werden heute Donnerstag restliche Wolken verschwinden und die Nacht wird teilweise schon klar sein. Nach einem frostigen Freitag Morgen mit stellenweise Hochnebel wird es im Tagesverlauf wärmer und am Samstag frühlingshaft mit der Nullgradgrenze auf zirka 2700 m. Am Sonntag setzt leichte Bewölkung ein, die sich am Montag zu punktuellen Schauern verdichten kann.

Die Nächte werden also klar, was die Schneedecke ausstrahlen und oberflächlich gefrieren lässt. Diesem Effekt entgegen wirken die hohe Luftfeuchtigkeit (siehe Abbildung unten) und die prognostizierte Inversionslage am Samstag (die Atmosphäre gibt mehr Wärme an die Erdoberfläche ab).

Nach einer Phase niedriger Luftfeuchtigkeit, die der direkten Sublimation von Schnee in Wasserdampf förderlich ist, folgt seit Montag den 25. eine Phase hoher Luftfeuchte. Das fördert einerseits Schmelze ohne Sublimation an der Oberfläche, gibt andererseits wie Wolken Energie an die Schneedecke ab, und fördert drittens den klassischen Treibhauseffekt. Hohe Luftfeuchte wirkt der nächtlichen Abstrahlung dementsprechend effektiv entgegen.
 
Insgesamt sollte in tieferen Lagen und besonnten Hängen dem Tagesgang vermehrt Bedeutung geschenkt werden, auch um Bruchharsch zu vermeiden. Höher oben könnte bis die Setzung vorangeschritten ist noch vereinzelt Triebschnee gestört werden. Vorsicht auch dort, wo dieser durch Lockerschneerutsche verschleiert wird. Der Schneedeckenaufbau ist also sehr unterschiedlich und gute Planung wird den Genuss steigern können.

Kurzwellige Strahlung ist der höchste Energieeintrag in die Schneedecke, die gerade an der Temperaturgrenze sehr schnell reagieren kann. Hier gezeigt am Schwarzhorn noch vor dem letzten Schneefall (Foto: 24.03.2019).



(Dieser Blogeintrag wurde von unserem Praktikanten Michael Reisecker erstellt.)