Überblick über die Lawinenabgänge der vergangenen zwei Tage
An den vergangenen zwei Tagen bestätigte sich wieder einmal eine unserer langjährigen Erfahrungen: Bei erheblicher Lawinengefahr registrieren wir die meisten Lawinenabgänge mit Personenbeteiligung.
Über die Leitstelle Tirol wurden uns am 19.03. und 20.03. beachtliche 21 Lawinenabgänge gemeldet. Diese hohe Anzahl hat wohl auch mit dem zunehmenden Bewusstsein von Wintersportlern und Freeriderinnen zu tun, auch Negativlawinen zu melden. Danke dafür!
Eine grobe Analyse zeigt, dass die meisten Lawinen in einem Höhenband zwischen der Waldgrenze und etwa 2400m hinauf ausgelöst bzw. beobachtet wurden. Betroffen waren alle Expositionen. Gehäuft traten Lawinen im kammnahen Gelände auf, teilweise aber auch inmitten von Hängen (häufig ein Indiz für die Ausbildung des Gefahrenmuster gm.4 (kalt auf warm)). Als Schwachschicht dürften vermehrt aufbauend umgewandelte Kristalle im Bereich von Krusten bzw. an schneearmen Stellen bodennahe Schwachschichten eine Rolle gespielt haben. Bei einem Lawinenabgang heute am 20.03. am Mittagskopf in der Samnaungruppe verletzte sich eine Person am Arm. Die restlichen Lawinen gingen gut aus.
Hier die Auflistung sämtlicher Meldungen mit ersten groben Infos, (soweit verfügbar):
19.03.2021:
Seefelder Spitze (Karwendel): Person konnte ausfahren; W, ca. 2100m
Gilfert (Tuxer Alpen): 150-200m breit, nordöstlich vom Grat
Hoarbergkar (Tuxer Alpen): 60-70m breit, 300m lang
Birgitzköpfl (Stubaier Alpen): NW, 2000m
Kreuzjoch / Gerlos (Kitzbüheler Alpen)
Axamer Kögele (Stubaier Alpen): 100m unterhalb des Gipfels, NO, 30m breit, 100m lang
Kleiner Beil (Kitzbüheler Alpen): Wechte abgetreten, 10m breit, 50m lang
Niederer Burgstall (Stubaier Alpen): 20-30m beit
20.03.2021:
Lämpersberg (Kitzbüheler Alpen): 1 Person konnte unverletzt von der BR geborgen werden
Axamer Kögele (Stubaier Alpen): 2 Lawinenabgänge; 1 Person teilverschüttet, unverletzt
Wetterkreuzspitze (Tuxer Alpen): O, 200m breit, 400-500m lang, ev. spontan?
Sumpfkopf (Tuxer Alpen): 150m unter Gipfel Richtung Padasteralm, 50m breit
Kreuzjoch / Mitterwandskopf (Tuxer Alpen): 2200m
Lampsenspitze (Stubaier Alpen): 100m breit, 40m lang (ev. spontan?)
Mittagskopf (Samnaungruppe): ca. 200m nördlich des Gipfels; 1 Person teilverschüttet, Armverletzung
Plamort (Nauderer Berge): 50m lang, 20m breit
Wetterkeuzbahn / Skigebiet Hochötz (Stubaier Alpen)
Seblasspitze (Stubaier Alpen): ca. 400Hm über Brandstattalm; O-seitig, 20m breit, 50m lang
Roter Kogel (Stubaier Alpen): ca. 50m unter Gipfel; SO, kleines Schneebrett
Weißer Knoten (Glocknergruppe): vermutlich eine bereits zumindest einen Tag alte Lawine
Folgend ein paar Bilder zu den kürzlichen Lawinenabgängen bzw. -beobachtungen:
Seefelder Spitze - 19.03. |
Schlick - Lawinensprengung - 19.03.2021 |
Hoher Napf - Tuxer Alpen - Person löste Lawine aus, konnte ausfahren - 19.03.2021 |
Birgitzköpfl - Personen am Kegel - 19.03.2021 |
Kalkkögel - Lockerschneelawinen - 19.03.2021 |
Spontanes Schneebrett - Maningenbachkogel - Ötztaler Alpen - 19.03.2021 |
Lawinensprengung - Söldner Skigebiet - 19.03.2021 |
Axamer Kögele - kammnaher Anriss in bodennaher Schwachschicht - 20.03.2021 |
Gern - Kitzbüheler Alpen - Lawine im Hintergrund - 18.03.2021 |
Nun kommt wieder vermehrt Wind auf - neue Triebschneepakete bilden eine zusätzliche Gefahr
Die Prognosen der ZAMG sowie bereits einige unserer Wetterstationen zeigen, dass der Wind nun wieder zulegt. Die Folge sind neue Triebschneepakete, die zumindest schattseitig und in höheren Lagen, insbesondere auch kammnah störanfällig sein werden.
Windprognose für heute 20.03. nachts |
Jene Wetterstation, bei der der Wind aktuell bereits am kräftigsten zugelegt hat: Vorderegg, Hinteres Ötztal bei Vent |
Kürzliche Triebschneepakete bleiben v.a. dort noch störanfällig, wo kantige Schwachschichten eine Rolle spielen. Vermehrt dürfte dies aktuell v.a. folgende Bereiche betreffen: Nord: schmales Höhenband um 2000m; West und Nordwest sowie Ost und Nordost zwischen etwa 2000m und 2400m, Süd: vermutlich erst oberhalb etwa 2300m)
Dieser Blogeintrag könnte den Eindruck erwecken, dass es überall gefährlich sei. Dies ist nicht so. Allerdings ist die Situation zum Teil etwas heimtückisch, da Gefahrenbereiche nicht immer offensichtlich erkennbar sind. Wir raten deshalb weiterhin, einerseits frischen Triebschneepaketen im Steilgelände konsequent auszuweichen, andererseits im Zweifel eher defensiv, also nicht zu steil unterwegs zu sein.