Mögliche Ausbildung neuer Schwachschichten
Gerade macht uns das unbeständige Wetter mit zum Teil beachtlichen Temperaturschwankungen etwas Kopfzerbrechen. Wir haben nämlich aktuell perfekte Voraussetzungen für die Ausbildung des Gefahrenmusters "kalt auf warm" (gm.4). Dieses ist dafür bekannt, dass sich nach Schneefällen verzögert Schwachschichten innerhalb des Schneedecke ausbilden können. Seit heute, 15.04.2021 haben wir erstmals Anhaltspunkte, die für diese Problematik sprechen: In der Glocknergruppe wurde von Setzungsgeräuschen im Sonnensektor oberhalb von 2700m berichtet. Am Tschadinhorn in der Schobergruppe löste sich ebenso auf etwa 2700m in einer SW-ausgerichteten Rinne eine 100m lange und ebenso breite Schneebrettlawine aufgrund künstlicher Zusatzbelastung. Unweit von Tirol - in der Sesvennagruppe - spricht auch Vieles dafür, dass eine oberflächennahe Schwachschicht zu einer erhöhten Störanfälligkeit der Schneedecke, insbesondere in größeren Höhen in besonnten Hängen führt. Es werden Erinnerungen an eine ähnliche Situation vor vier Jahren wach.
Anhaltspunkte inwieweit schattiges Gelände von dieser Entwicklung betroffen ist, haben wir aktuell wenige. Fakt ist, dass zumindest die Schneeoberfläche am vergangenen Wochenende auch nordseitig bis in größere Höhen angefeuchtet war und von kaltem Neuschnee überlagert wurde.
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Schneebrettauslösung aufgrund einer Lockerschneelawine. Art der Schwachschicht nicht bekannt. 2700m Nord, Lüsener Villerspitze |
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Seit Beginn dieses Monats dominiert ein Wechsel von warmen und kalten Wetterphasen |
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Markante Temperaturunterschiede während der Woche. Anfangs kalt, dann warm mit Ausbildung einer feuchten Schneeoberfläche, dann wieder kalt mit Schneefall. Hier eine jener Stationen mit den größten gemessenen Neuschneemengen. Franz-Senn-Hütte in den Stubaier Alpen |
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Ähnlich im Süden. Dort wehte tendenziell stärkerer Wind. Station Zischke im Defereggental |
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24h-Schneedifferenz vom 12.04. auf den 13.04.2021 |
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Eine der neuschneereichen Orte während der vergangenen Woche: Halltal im Karwendel (Foto: 14.04.2021) |
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Ein oftmaliger "Begleiter" während der Schneefälle: Graupel. Gleirschtal in den Nördlichen Stubaier Alpen (Foto: 12.04.2021) |
Problembereiche in oberflächennahen Schichten
Für die Ausbildung eines Schneebretts benötigt man nicht nur eine Schwachschicht, sondern auch ein darüber gelagertes, gebundenes Schneepaket. Letzteres findet man vermehrt in größeren Höhen aufgrund von kürzlichem Windeinfluss, aber auch in Sonnenhängen, wo sich die Schneedecke trotz der kalten Temperaturen aufgrund des Strahlungseinflusses langsam setzt und etwas verdichtet. Wichtig erscheint v.a., dass wir es aktuell v.a. mit oberflächennahen Problembereichen zu tun haben. Mögliche Schwachschichten sind entweder kantige Kristalle aufgrund von gm.4, kurzfristig noch lockerer, überwehter Pulverschnee oder lokal massivere Graupeleinlagerungen.
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Bei diesem Profil fehlt das Brett. Der Neuschnee ist locker. Mögliche Schwachschichten Graupel und kantige Kristalle in Oberflächennähe (Pfeil aufwärts) |
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Ein recht dünnes Brett über einer dünnen, lockeren Schwachschicht (Pfeil symbolisiert den möglichen, oberflächennahen Problembereich). Interessant auch der Temperatursprung in Oberflächennähe: Kurzwellige Strahlung führte wenige cm unterhalb einer sehr lockeren Schneeoberfläche zu einer Anfeuchtung ("radiation recrystallisation") |
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Hauptkonzentration im markierten Bereich. Gut zu erkennen auch die von Anfang Februar stammende Saharastaubschicht. Jamtal, Silvretta (Foto: 14.04.2021) |
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Bezeichnend für kammnahes, höher gelegenes Gelände: Windeinfluss samt Triebschneepaketen sowohl in Schatten-, als auch in Sonnenhängen. |
Häufig noch guter Pulverschnee
Trotz der obigen Ausführungen mit schwierig einzuschätzenden Entwicklungen darf der Fokus wohl auch auf den tollen Pulverschnee während der vergangenen Tage gerichtet werden.
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Ein Pulvertraum in der Gurgler Gruppe. Hinterer Seelenkogel (Foto: 14.04.2021) |
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Ähnlich im Jamtal... (Foto: 14.04.2021) |
Zahlreiche Lockerschneelawinen
Lockerer Pulverschnee zieht gerade während dieser Jahreszeit eine erhöhte Abgangsbereitschaft von Lockerschneelawinen nach sich. Die unterdurchschnittlichen Temperaturen bremsten die Aktivität zwar etwas, dennoch wurden speziell am 13.04. und 14.04. zahlreiche Lockerschneelawinen beobachtet.
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Ablagerungen von frischen Lockerschneelawinen. Nördliche Stubaier Alpen (Foto: 14.04.2021) |
Vorsicht vor Wechten
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Im kammnahen Gelände lauert um diese Jahr eine nicht zu unterschätzende Wechtengefahr. Großglockner (Foto: 15.04.2021) |
Ausblick
Es bleibt kühl. Ein Zwischenhoch bringt am Freitag, 16.04. sowie zumindest am Samstag, 17.04. vormittags Sonne. Danach wird es bei einer Nordostströmung zunehmend unbeständig. An der Lawinensituation ändert sich vorerst wenig. Wir gehen von recht günstigen Verhältnissen zumindest in tiefen und mittleren Höhenlagen und von einer zum Teil heimtückischen Situation in größeren Höhen aus. Sonneneinstrahlung wird zu einer vermehrten Bindung oberflächennaher Schichten führen.
Übrigens können oberflächennahe Stabilitätsuntersuchungen erfahrenen Personen helfen, mögliche Schwachschichten aufzuspüren. Wir sind an solchen Beobachtungen sehr interessiert. Entsprechende Informationen am liebsten samt Angabe der Seehöhe und der Exposition bitte direkt an unsere zentrale e-mail: lawine@tirol.gv.at. Herzlichen Dank für eure Unterstützung!
Nur mehr wenige Lifte geöffnet
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Traumhafte Bedingungen u.a. in dem, bis Sonntag, 18.04. noch geöffneten Skigebiet im Kühtai (Foto: 14.04.2021) |