Donnerstag, 1. April 2021

Im Norden anfangs ungünstige Lawinensituation - Abkühlung bringt Entspannung der Nassschneeproblematik

Schwierige Lawinenvorhersage


Wir befinden uns gerade in einer Zeit, während der die Lawinenvorhersage besonders fordernd ist. Dies hat damit zu tun, weil kleine Unterschiede bei unterschiedlichsten meteorologischen und nivologischen Parametern große Wirkung auf die Lawinengefahr haben können. Konkret geht es insbesondere um folgendes Wechselspiel:

  • Wolkenbedeckung während der Nacht
  • Wolkenbildung während des Tages in verschiedensten Höhenbereichen samt Bedeckungsgrad
  • lokale Regenschauer 
  • absolute Luftfeuchtigkeit
  • (diffuser) Strahlungseinfluss
  • Luft-Temperaturentwicklung
  • Schneeoberflächen-Temperaturentwicklung samt Taupunkt
  • Temperaturreserven der Schneedecke samt Wassereintrag in die Schneedecke
  • Schneedeckenaufbau in unterschiedlichsten Expositionen und Höhenlagen
Aktuell gehen wir für den morgigen Karfreitag, 02.04.2021, davon aus, dass weiter im Norden die Nacht großteils bedeckt ist, es zudem immer wieder lokale Schauer geben kann. Die Schneedecke wird deshalb nicht oder nur ungenügend auskühlen können. Die Bedingungen sollten deshalb bereits während der Morgenstunden ungünstig sein. Besser ist es dann nur schattseitig in großen Höhen - aber da kommt man ja nicht ganz so leicht, ohne einen ungünstigen Bereich passieren zu müssen...
Weiter im Süden hingegen soll die Nacht klarer, die Schauerneigung gering sein. Wirklich günstig sind die Verhältnisse dort allerdings auch nur in größeren Höhen, weil der sich über Nacht bildende Harschdeckel aufgrund des bereits massiven Wärmeeintrages meist eher brüchig sein wird.



Blick von der Meilerhütte im Karwendel Richtung Norden. Vermehrtes Wolkenaufkommen (Foto: 01.04.2021)



Blick von der Zugspitze Richtung Süden. Tendenziell weniger Wolkenaufkommen (Foto: 01.04.2021)



Am 01.04. erkennt man sehr gut den Anstieg des Taupunktes gegen 0°C, aber auch die sich verflachende Kurve der Schneeoberflächentemperatur. Beides ein Zeichen für die zunehmende Durchnässung der Schneedecke.



Nassschnee-Lawinenaktivität - Beobachtungen im Gelände


Die vergangenen Tage standen bei uns ganz im Zeichen der Beobachtung der Nassschnee-Lawinenaktivität und von Schneedeckenuntersuchungen. Ein massiver spontaner Nassschnee-Zyklus ist zwar bisher ausgeblieben, dennoch wurden uns jeden Tage spontane Lawinenabgänge gemeldet bzw. von uns beobachtet. Schneebrettlawinen lösten sich beispielsweise fast ausschließlich in oberflächennahen Schichten (Schneefälle ab März). Auffallend war zudem die sehr hohe Störanfälligkeit der Schneedecke im Steilgelände überall dort, wo die Schneedecke massiver durchfeuchtet wurde. Auffallend war auch die weite Verbreitung solcher Gefahrenstellen im Gelände. Diese Kriterien spiegelten sich auch in der kürzlichen Gefahreneinschätzung wieder.



Spontane Schneebretter der vergangenen Tage. Weißkugelgruppe (Foto: 01.04.2021)



Lawinenkegel im Pollestal. Auch zu erkennen: ein Gleitschneemaul (Foto: 01.04.2021)



Kaserer Winkl in den Westlichen Tuxer Alpen. Aufnahme: 01.04.2021 07:06 Uhr



Kaserer Winkl in den Westlichen Tuxer Alpen. Aufnahme: 01.04.2021 12:14 Uhr. Die spontane Nassscheelawine löste sich auf 2200m im Sektor ONO



Schneedeckenuntersuchungen


Sonnenhänge


Bei den Sonnenhängen bestätigte sich die erhöhte Störanfälligkeit der Schneedecke in oberflächennahen Schichten. 


Pfeil zeigt auf eine durchnässte oberflächennahe Schwachschicht auf 2215, Süd in der Silvretta



Dieses, von einem Wintersportler ausgelöste Schneebrett in der Weißkugelgruppe löste sich oberflächennah bei einer Schwachschicht aus kantigen Kristallen unterhalb einer Kruste (Foto: 01.04.2021) - ähnlich wie bei obigem Profil 


"Krusten-Sandwich" in extrem steilem Südhang auf 2850 in den Nördlichen Stubaier Alpen. Die untere, sehr dicke Kruste wirkt vorerst noch stabilisierend, verliert aber durch Wassereintrag an Festigkeit.




Schattenhänge


Da Schattenhänge während des massiven Lawinenzyklus um den 23.02.2021 noch nicht durchnässt und dadurch geschwächt wurden, konzentrierten wir uns auch auf den bevorstehenden Nässeeintrag in Schattenhängen. In großen Höhen gibt es noch ausreichend Temperaturreserven. Unterhalb etwa 2200m könnte sich für morgen, 02.04. insbesondere in den nördlicheren Regionen lokal bereits eine erhöhte Störanfälligkeit von Schattenhängen ergeben.


Wichtig erscheint v.a. die Temperaturkurve. Außer oberflächennah schon überall isotherm. Nord, 2150m. Die Pfeile zeigen auf mögliche Schwachschichten, die durch Wassereintrag aktiviert werden können



Foto zu obigem Profil. Lukas, einer unserer Zivildiener, zeigt auf die zwei potentiellen Schwachschichten bei Nässeeintrag (Foto: 01.04.2021)



Schattig auf 2740m ist die Schneedecke noch kalt und an diesem Profilstandort stabil


Schneequalität


Typisch für die Jahreszeit ist ein rascher Wechsel der Schneequalität ja nach Höhenlage und Exposition. Alles wurde geboten: Top-Firn, immer noch guter Pulverschnee, eine sehr harte Schneeoberfläche,  vermehrt jedoch Bruchharsch und natürlich eine durchnässte Schneedecke am Nachmittag. (Foto: 30.03.2021)



Ausblick


Laut ZAMG-Wetterdienststelle lässt der Hochdruckeinfluss nach. Während der Norden immer wieder etwas Regen abbekommt, ist der Süden wetterbegünstigt. Die Temperaturen gehen langsam zurück. Dadurch wird die Nassschneeproblematik spätestens am Karsamstag deutlich zurückgehen. Nach einem sehr sonnigen Ostersonntag und teils sonnigen Ostermontag erreicht uns aus Nordwesten eine Kaltfront mit Neuschnee...

Das Team des Lawinenwarndienstes Tirol wünscht allen Frohe Ostern!