Alarmzeichen ernst nehmen!
Der heurige Winterstart hat es bereits in sich. Nach den zwei vergangenen, markanten Niederschlagsereignissen (26.11.-29.11. sowie 30.11.-01.12.2021) ist die Lawinengefahr - wie prognostiziert - deutlich angestiegen. Wir befinden uns im oberen Bereich der Gefahrenstufe 3 (erheblich), nahe dem "WintersportlerInnen-4er" mit einer gebietsweise hohen Auslösewahrscheinlichkeit von Lawinen.
Die im vorletzten Blogeintrag beschriebenen Schwachschichten sind nun von einer von Wind- und Wärmeeinfluss geprägten Schneedecke überlagert. (Es handelt sich dabei um den für Schneebrettlawinen notwendigen, gebundenen Schnee, das sogenannte Brett!). Dieses Brett ist aufgrund der Warmfront, die vom 30.11. auf den 01.12. übers Land zog, besonders ausgeprägt. Wir finden deshalb aktuell im Gelände viele gespannte Fallen, die gebietsweise leicht durch die Belastung von Wintersportlern ausgelöst werden können.
Alarmzeichen, wie spontane Lawinenabgänge, Fernauslösungen, Rissbildungen und Setzungsgeräusche (Wumm-Geräusche), aber auch Lawinenabgänge mit Personenbeteiligung oder gute Sprengerfolge standen kürzlich bzw. stehen an der Tagesordnung: Spontane Lawinen sind dabei v.a. in der Nacht vom 30.11. auf den 01.12. abgegangen, als die Warmfront die Schneedecke massiv schwächte. Lawinen, bei denen Personen erfasst wurden bzw. unmittelbar beteiligt waren, häuften sich während des gestrigen Schönwetterfensters (01.12.2021). Ebenso wurden uns während der vergangenen Tage sämtliche andere Alarmzeichen vermehrt gemeldet bzw. haben wir diese selbst beobachtet. Zudem zeigen aktuell Schneedeckenuntersuchungen in den neuralgischen Gebieten (insbesondere, dort, wo vor den kürzlichen Schneefällen eine Altschneedecke vorhanden war) eine durchwegs hohe Störanfälligkeit mit sehr guter Bruchfortpflanzung.
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Schneedeckenuntersuchungen im Arlberggebiet in der Nähe des Galzig. Der im Vordergrund ersichtliche Schneeblock löste sich bereits bei sehr geringer Störung (Propagation Saw Test). Ähnlich waren die Ergebnisse weiterer Stabilitätstests im ganzen Land. (Foto: 01.12.2021) |
Lawinenabgänge mit Personenbeteiligung
Lawine Hoadl, Kalkkögel, (Stubaier Alpen) am 01.12.2021
Am 01.12. fuhren zwei Personen auf etwa 2270m in den 35° steilen, nach NO ausgerichteten Hang unmittelbar unterhalb der Hoadl-Bergstation ein. Dabei löste sich eine Schneebrettlawine. Während eine Person ausfahren konnte, wurde die andere Person von der Lawine mitgerissen. Die Person konnte den mitgeführten Lawinen-Airbag aktivieren, wurde teilverschüttet, verletzte sich am Sprunggelenk und wurde anschließend mit dem Hubschrauber C1 in die Klinik geflogen.
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Lawinenabgang Hoadl. Foto im Landeanflug des C1-Hubschraubers. Der Kreis symbolisiert die Verschüttungsstelle des Verletzten. Bei den orographisch linken Lawinen dürfte es sich um sekundäre Fernauslösungen gehandelt haben. (Foto: 01.12.2021) |
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Lawinenabgang Hoadl mit Einfahrtsspur und Verschüttungsstelle (Foto: 01.12.2021) |
Lawine Gamsgarten, Stubaier Gletscher, (Zentrale Stubaier Alpen) am 01.12.2021
Unmittelbar angrenzend an die Piste Nr. 3 Richtung Gamsgarten fuhren zwei Wintersportler in einen 36° steilen NO-Hang ein. Während eine Person sichtbar ganz verschüttet wurde (Snowboard schaute aus dem Schnee), wurde die zweite Person nur teilweise verschüttet. Beide Personen konnten rasch geborgen werden, wurden aber vorsorglich in die Klinik geflogen. Unserem Informationsstand dürften sie unverletzt geblieben sein.
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Lawinenabgang Gamsgarten. Nord, 2450m, 36°. Sicherheitshalber wurde der Lawinenkegel noch sondiert. (Foto: 01.12.2021) |
Lawine Naviser Kreuzjöchl, (Westliche Tuxer Alpen) am 01.12.2021
Direkt unterhalb des Gipfels des Naviser Kreuzjöchls löste sich auf etwa 2450m eine Schneebrettlawine, als ein einzelner Skitourengeher in den sehr steilen Hang einfuhr. Die Person wurde von der Schneebrettlawine mitgerissen und verlor dabei einen Skistock. Sie konnte anschließend unverletzt aus der Lawine ausfahren.
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Lawinenabgang Naviser Kreuzjöchl. Die Pfeile zeigen auf Einfahrts- und Ausfahrtsspur. Eingefärbt ist zudem eine weitere Schneebrettlawine in der selben Hangausrichtung und Höhenlage - ein offensichtliches Warnsignal... (Foto: 01.12.2021) |
Lawine im Nahbereich der Damenabfahrt am Hoadl, (Nördliche Stubaier Alpen) am 01.12.2021
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Foto einer Webcam am Hoadl Richtung Süden. Alpinpolizist Jörg Randl hat einen Skifahrer eingezeichnet...Nächstes Bild -> (Foto: 01.12.2021) |
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Beim nächsten Bild, das 10 Minuten später aufgenommen wurde, erkennt man eine Schneebrettlawine. Die Person konnte unverletzt entkommen. (Foto: 01.12.2021) |
Nun folgen weitere interessante Bilder von Lawinenabgängen, bei denen sich Personen zumindest in deren Nahbereich aufgehalten haben.
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Webkamera-Aufnahme im Kühtai. Blickrichtung Pirchkogel (Nördliche Stubaier Alpen). Eine Person befindet sich im Aufstieg...Nächstes Bild -> |
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Eingezeichnet ist dieselbe Person wie im vorigen Bild. Im Vordergrund erkennt man Lawinenabgänge. Die Lawinen sind mit hoher Wahrscheinlichkeit im nur wenig geneigten Gelände fernausgelöst worden. (Foto: 01.12.2021) |
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Selbe Örtlichkeit wie bei den letzten zwei Fotos. Die Bruchfortpflanzung dürfte bis in den hintersten Kessel stattgefunden haben. Man erkennt im felsdurchsetzten Steilgelände orographisch rechts des Sattels einen weiteren großflächigen Lawinenanriss. (Foto: 01.12.2021) |
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Alexander Blümel machte uns auf dieses Webcam-Bild im Bereich des Drei-Seen-Liftes im Kühtai aufmerksam. Personen im Nahbereich eines frischen Schneebrettabgangs, wohl auch fernausgelöst. (Foto: 01.12.2021) |
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Bei der Abfahrt von der Lampsenspitze in den Nördlichen Stubaier Alpen. Rechts oberhalb des Skifahrers im Schatten erkennt man Risse in der Schneedecke als Indiz einer Bruchfortpflanzung. (Foto: 01.12.2021) |
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Beim eingezeichneten Pfeil stand ein Skitourengeher, als sich um ihn herum dieses Schneebrett löste. Pfoner Kreuzjöchl, 2520m, Ost |
Spontane Lawinenabgänge und Sprengerfolge
Sowohl aus Osttirol, als auch aus Nordtirol gingen Meldungen über, zum Teil zahlreiche Lawinenabgänge ein. Die meisten davon sind - wie schon zuvor erwähnt - während der Abendstunden des 30.11. abgegangen.
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Spontanes Schneebrett im Außerfern (Foto: 01.12.2021) |
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Spontane Schneebretter Langschneid, Defereggental (Foto: 29.11.2021) |
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Eine von den sehr guten Sprengerfolgen im Land - Rendl am Arlberg. Einzeichnet ist die Sprengvorrichtung (Foto: 01.12.2021) |
Viel weniger besorgniserregend als die Schneebrettlawinen sind die ebenso beobachteten Gleitschnee- und Lockerschneerutsche.
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Eingekreist sind zahlreiche Gleitschneerutsche auf steilen Wiesenhängen im Außerfern. (Foto: 01.12.2021) |
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Lockerschneerutsche aus extrem steilem Gelände. Zudem erkennbar. Der massive Windeinfluss während des vergangenen Schneefalls. Arlberggebiet (Foto: 01.12.2021) |
Wetterrückblick und Vorausschau
Für ein besseres Bild der kürzlichen Wetterentwicklung hier noch ein paar Karten und Grafiken...
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72-Stunden Schneedifferenz 26.11.-29.11.. Der Südosten war diesbezüglich bevorzugt. |
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72-Stunden Schneedifferenz 29.11.-02.12.2021. Der Norden und Westen waren bevorzugt. Die Werte sind unterrepräsentiert, da sich die Schneedecke ab dem 01.12. zum Teil gut setzte. |
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Spitzenreiter bei dem letzten Niederschlägen war die Station Alphütte im Mieminger Gebirge. |
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Bezeichnend: Steter Schneehöhenanstieg samt anschließendem Abfall aufgrund der massiven Erwärmung samt Setzung der Schneedecke. Auf den Bergen zum Teil stürmisch. Inzwischen wieder kühler und windschwächer. |
Der Wetterausblick kann kurz gehalten werden. Es geht sehr wechselhaft weiter mit einem steten Anstieg und Abfall der Lufttemperatur, immer wieder Niederschlägen mit unsicherer Prognose der Mengen. Nach einem schönen Freitag, 03.12. und einer klaren Nacht auf 04.12. ist für Samstag Früh eine Warmfront prognostiziert. Die Temperatur soll entsprechend markant ansteigen. Schneefallgrenze noch unsicher, vermutlich um 1500m.
FAZIT
Zurückhaltung und Erfahrung
Schönwettertage, wie der morgige Freitag, 03.12. sind bei einer für den Wintersportler gebietsweise angespannten Lawinensituation besonders unfallträchtig. Wir raten deshalb weiterhin, möglichst defensiv unterwegs zu sein. Zudem sollte man derzeit im freien Skigelände unbedingt über sehr gutes lawinenkundliches Wissen verfügen.
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Mäßig steiles Wiesengelände in den schneereicheren Regionen als ideales Ziel zum Naturgenießen und "Auspowern"...
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Wenig Schnee und DOCH ein "gespannter" 3-er
Oftmals werden wir mit der Meinung konfrontiert, dass bei einer gering mächtigen Schneedecke die Lawinengefahr ja nicht allzu hoch sein könne. Aktuell ist genau das Gegenteil der Fall: Die in der Schneedecke vorhandene Schwachschicht kann aufgrund der nicht allzu mächtigen Schneeauflage besonders leicht gestört werden. Erst wenn die Schwachschicht von zumindest 75cm stabilem Schnee überlagert ist, hat das Gewicht eines Wintersportlers kaum oder gar keinen Einfluss mehr. Aktuell passen Schwachschicht und Brett leider gut zusammen: Eine ausgeprägte, zum Teil flächig vorhanden Schwachschicht und ein ebenso gut ausgeprägtes, große Flächen umspannendes, nicht allzu mächtiges Brett!
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Auch wenn noch das Gras aus der Schneedecke ragt, kann es bereits brandgefährlich sein. Anriss einer spontanen Schneebrettlawine im Arlberggebiet (Foto: 01.12.2021) |