Donnerstag, 23. Dezember 2021

Altschneeproblem mit vereinzelten Gefahrenstellen - Frischer Triebschnee - häufig schlechte Schneequalität

Altschneeproblem: Vereinzelte Gefahrenstellen v.a. in sehr steilen Schattenhängen

Schneedeckenuntersuchungen sowie Rückmeldungen von Wintersportlern bestätigen ein stetig abnehmendes, jedoch vereinzelt immer noch vorhandenes und in Summe als heimtückisch zu bezeichnendes Altschneeproblem. Gefahrenstellen findet man v.a. in sehr steilen Schattenhängen oberhalb etwa 2200m, aber auch in Sonnenhängen in großen Höhen. Lawinenauslösungen sind insbesondere an Übergangsbereichen von wenig zu viel Schnee denkbar, wobei Brüche innerhalb der Schneedecke meist im Mittelteil der Schneedecke zu beobachten sind.


Sehr vereinzelt noch zu beobachten: Schneebrettauslösung durch Fernauslösung in der Glockner Gruppe. (Foto: 15.12.2021 (c) Toni Riepler)
Sehr vereinzelt: Schneebrettauslösung durch Fernauslösung. Interessant und typisch ist die sehr unterschiedliche Schneemächtigkeit. Glockner Gruppe. (Foto: 15.12.2021 (c) Toni Riepler)


Spontane Lawinenauslösung aufgrund stürmischen Windes und der in Folge zu großen Zusatzbelastung des frischen Triebschnees. Zentralosttirol (Foto: 20.12.2021)
Spontane Lawinenauslösung aufgrund stürmischen Windes und der in Folge zu großen Zusatzbelastung durch den frischen Triebschnee. Zentralosttirol (Foto: 20.12.2021) 

Zwei Meldungen erreichten uns diese Woche allerdings auch über spontane Schneebrettabgänge, bei denen die Brüche in bodennahen Schwachschichten auf Gletschereis erfolgten. Einmal war dies am Manigenbachkogel in der Gurgler Gruppe auf 3200m, NO, ein weiteres Mal unterhalb des Gablers in den Zillertaler Alpen auf 2850m, NW.  Auch hier dürfte die Belastung des frischen Triebschnees  jeweils der Auslöser gewesen sein. Vergleiche dazu die Lawinenabgänge von Anfang November im vergletscherten Gebiet, aber auch den im letzten Blogeintrag erwähnten Lawinenabgang am Linken Fernerkogel.


Triebschneeproblem meist gut erkennbar

Bezeichnend für die vergangene Woche war wettertechnisch v.a. der in der Höhe kurzfristig zum Teil stürmische Wind, meist aus nördlicher bzw. westlicher Richtung.


Wetterstation St. Veit Zischke im Defereggental. Stürmischer Wind um den 20.12.2021. Schneeverfrachtungen auch unterhalb der Waldgrenze waren die Folge. Abgesehen davon: Meist sonnig.
Wetterstation St. Veit Zischke im Defereggental. Stürmischer Wind um den 20.12.2021. Schneeverfrachtungen auch unterhalb der Waldgrenze waren die Folge. Abgesehen davon: Meist sonnig.


Windeinfluss führte zu ungleicher Schneeverteilung. Sattelberg. (Foto: 16.12.2021)
Windeinfluss führte zu ungleicher Schneeverteilung. Sattelberg. (Foto: 16.12.2021)


Wechtenbildung in den Zillertaler Alpen (Foto: 19.12.2021)
Wechtenbildung in den Zillertaler Alpen (Foto: 19.12.2021)

Das Triebschneeproblem ist aktuell eher noch auf Steilgelände beschränkt, welches unmittelbar hinter Geländekanten liegt. Vermehrt betroffen ist kammnahes Gelände. Mit etwas Erfahrung in der Lawinenbeurteilung lassen sich solche Gefahrenbereiche gut erkennen und umgehen. Vorsicht v.a. dort, wo frischer Triebschnee auf dem kürzlich gebildeten Oberflächenreif oder auf dünnen Schmelzkrusten (mit darunter befindlichen lockeren Kristallen) abgelagert wird, weil dieser dann leicht zu stören sein wird.


Nur mehr vereinzelt Gleitschneelawinen


Nach einer sehr hohen Gleitschneeaktivität um den 13.12. werden uns aktuell nur mehr sehr wenige Gleitschneelawinen gemeldet. Hier ersichtlich: Gleitschneemäuler als mögliche Abgangsorte von Gleitschneelawinen. Karnische Alpen (Foto: 16.12.2021)
Nach einer sehr hohen Gleitschneeaktivität um den 13.12. werden uns aktuell nur mehr sehr wenige Gleitschneelawinen gemeldet. Hier ersichtlich: Gleitschneemäuler als mögliche Abgangsorte von Gleitschneelawinen. Karnische Alpen (Foto: 16.12.2021)


Häufig schlechte Schneequalität

Die Schneeoberfläche wurde kürzlich zumindest oberhalb der Waldgrenze von Wind beeinflusst. Zudem findet man durch den Regeneinfluss vom 12.12. auf den 13.12. sowie durch nachfolgenden Strahlungseinfluss recht verbreitet eine dünne Schmelzkruste, die das Skivergnügen trübt. Mancherorts, wie z.B. in den Karnischen Alpen wurde die dünne Regenkruste schattseitig inzwischen wieder zu lockeren Kristallen umgewandelt. Dort, wo kein Wind im Spiel war, sind die Bedingungen in den Karnischen Alpen somit vergleichsweise besser.


Bruchharsch in den Lechtaler Alpen (Foto: 20.12.2021)


Grober Überblick der Krustenbildung an der Schneeoberfläche. Ausgewertet wurden sämtliche Rückmeldungen von unseren Beobachtern, von WintersportlerInnen sowie Schneeprofile. Inneralpin sowie im südlichen Osttirol liegt die Höhengrenze etwas tiefer. Sonnseitig sind dort allerdings auch höher gelegene Bereiche betroffen.
Grober Überblick der Krustenbildung an der Schneeoberfläche. Ausgewertet wurden sämtliche Rückmeldungen von unseren Beobachtern, von WintersportlerInnen sowie Schneeprofile. Inneralpin sowie im südlichen Osttirol liegt die Höhengrenze in Schattenhängen etwas tiefer. Sonnseitig sind dort allerdings auch höher gelegene Bereiche betroffen.

Mancherorts liegt für ein ungetrübtes Skivergnügen einfach noch (zu) wenig Schnee. Nördliche Stubaier Alpen (Foto: 14.12.2021)
Mancherorts liegt für ein ungetrübtes Skivergnügen einfach noch (zu) wenig Schnee. Nördliche Stubaier Alpen (Foto: 14.12.2021)


Oberflächenreif

Interessant für uns ist auch die vermehrte Oberflächenreifbildung. Ähnlich wie bei der oberflächigen Krustenbildung scheint Oberflächenreif recht weit verbreitet zu sein, zumindest unterhalb der Waldgrenze, aber auch darüber, v.a. im schattigen bzw. allgemein flacheren Gelände. Vermehrt dürfte sich dieser auch in den Nebelgrenzbereichen (Nebel u.a. um den 15.12.2021) gebildet haben.


Oberflächenreif: Schön anzusehen. Kritisch wirds immer, wenn dieser überschneit bzw. überweht wird. Grubenkopf, Zentrale Stubaier Alpen (Foto: 14.12.2021)
Oberflächenreif: Schön anzusehen. Kritisch wirds immer, wenn dieser überschneit bzw. überweht wird. Grubenkopf, Zentrale Stubaier Alpen (Foto: 14.12.2021)


An der Nebelgrenze bildet sich bevorzugt ein schmales Band an Oberflächenreif. (Foto: 16.12.2021)
An der Nebelgrenze bildet sich bevorzugt ein schmales Band an Oberflächenreif. (Foto: 16.12.2021)



Sehr bezeichnend: Oberflächenreif, darunter eine dünne Schmelzkruste, darunter eine dünne Schicht aus lockeren Kristallen. Salfeins. 2000m, O. Profil vom 15.12.2021 (c) Anna Siebenbrunner
Sehr bezeichnend: Oberflächenreif, darunter eine dünne Schmelzkruste, darunter eine dünne Schicht aus lockeren Kristallen. Salfeins. 2000m, O. Profil vom 15.12.2021 (c) Anna Siebenbrunner


Da die Beschaffenheit der Schneeoberfläche für die weitere Entwicklung der Lawinengefahr eine entscheidende Rolle spielt, sind wir auch weiterhin über Informationen zur Schneeoberflächenbeschaffenheit, insbesondere über Beobachtungen zu Schmelzkrusten und Oberflächenreif (mit Angabe des Höhen- und Expositionsbereichs) sehr dankbar! Infos bitte via mail an: lawine@tirol.gv.at.


Entwicklung über die Weihnachtsfeiertage


Die ZAMG-Wetterdienststelle beschreibt die Wetterentwicklung folgendermaßen: "Der Alpenraum liegt in einer Nordwestströmung, mit der eine Warmfront streift, die in erster Linie deutliche Milderung bringt. Dahinter stellt sich Westströmung mit milden aber nicht allzu feuchten Luftmassen ein."

Dies bedeutet, dass sich an der Lawinensituation vorerst nichts Gravierendes ändern wird. Neue Gefahrenstellen werden v.a. dort zu finden sein, wo die aus dünnen Krusten bzw. Oberflächenreif bestehende Schneeoberfläche von frischem Triebschnee überlagert wird. 


FROHE WEIHNACHTEN!


Im Namen des gesamten Teams des Lawinenwarndienstes Tirol wünschen wir euch allen frohe und besinnliche Weihnachtsfeiertage!


Einer der vielen Kraftplätze Tirols für besinnliche Weihnachten. (Foto: 23.12.2021)
Einer der vielen Kraftplätze Tirols für besinnliche Weihnachten. (Foto: 23.12.2021)