Erhöhte Gleitschneeaktivität
Am eindrucksvollsten war vergangene Woche die kurzfristig sehr hohe Gleitschneeaktivität zwischen dem 12.12. und 13.12.2021. Wärmeeinfluss in Kombination mit Regen erhöhte den Wassergehalt in der Schneedecke. Dadurch verringerte sich in Folge wiederum der Gleitwiderstand der Schneedecke auf steilen Grashängen, was schlussendlich die Abgangsbereitschaft von Gleitschneerutschen und -lawinen erhöhte.
Regenrinnen, Gleitschneemäuler und -lawinen im Außerfern (Foto: 14.12.2021) |
Gleitschneeaktivität gabs allerdings auch schon vor dem Regen, und zwar in den neuschneereicheren Regionen, wie hier z.B. im südlichen Osttirol (Foto: 11.12.2021) |
Feuchte / Nasse Lockerschneelawinen
Parallel zu den Gleitschneelawinen lösten sich aus extrem steilem Gelände insbesondere in den regenbeeinflussten Bereichen vermehrt feuchte bzw. nasse Lockerschneelawinen bzw. -rutsche.
Lockerschneerutsche in der Westlichen Verwallgruppe. Zudem erkennt man Gleitschneeaktivität. (Foto: 16.12.2021) |
Niederschlagsverteilung
Niederschlagsverteilung vom 12.12. auf den 13.12. in Tirol. Nirgends war es richtig viel. Die Schneefallgrenze lag häufig zwischen 2000m und 2300m, lokal auch höher. |
Immer wieder Niederschlag. Regen gabs mit Temperaturanstieg vom 12.12. auf den 13.12. |
Kurzfristiger Ausfall zahlreicher Windsensoren
Auffallend war auch, dass bei vielen Windstationen am 13.12. die Windmessung abrupt über zumindest mehrere Stunden auf 0 sank. Dies hatte nicht damit zu tun, dass der Wind "einschlief", sondern damit, dass sehr feuchte Luftmassen und Nieselregen zu kurzfristiger Vereisung bzw. Anraumbildung auf den Stationen führte. Mit den anhaltend warmen Temperaturen schmolz der Anhang und die Windmessung funktionierte wieder tadellos.
Deutlicher Temperaturanstieg vom 12.12. auf den 13.12. Die Schneeoberflächentemperatur erreichte 0°, Die Windmessung funktionierte kurzfristig nicht mehr. |
Abnahme der Schneequalität - Bruchharsch
Während der Nacht vom 13.12. auf den 14.12. klarte es dann auf. Die Schneetemperatur fiel in den Keller - ein für die WintersportlerIn unbefriedigendes Ergebnis: Bruchharsch! In den regenbeeinflussten Gebieten beobachtet man eine mehr oder weniger ausgeprägte oberflächige Schmelzkruste in Schattenhängen bis häufig 2300m, teilweise bis 2500m und vereinzelt bis 2700m hinauf. In Sonnenhängen ist dies aktuell in steilen Hängen (auch strahlungsbedingt) bis knapp in hochalpine Bereiche hinauf festzustellen.
Eine Schmelzkruste an der Schneeoberfläche als Folge von Regen und anschließender Abkühlung bzw. nächtlicher Abstrahlung. Westliche Verwallgruppe (Foto: 16.12.2021) |
Längerfristig ev. problematisch
Regen, Schneeregen bzw. feuchter Schneefall bis in größere Höhen hinauf wird von uns Lawinenprognostikern immer auch etwas sorgenvoll beobachtet. Möglich erscheint bei entsprechender Wetterlage die Ausbildung zumindest einer markanten Schwachschicht unmittelbar angrenzend an diese Kruste. Eine ähnliche Situation hatten wir z.B. vergangenen Winter, als sich um eine kurz vor Weihnachten entstandene Schmelzkruste kantige Kristalle gebildet hatten. Diese Schicht aus kantigen, lockeren Kristallen war ab Mitte Jänner für etwa 1 Monat lang unfallkausal.
Altschneeproblem nimmt langsam ab, bleibt aber tückisch
Während wir bis vor kurzem noch etliche Rückmeldungen über Lawinenauslösungen im Altschnee, vereinzelt auch noch über Rissbildungen und Setzungsgeräusche bekommen haben, werden solche Rückmeldungen nun sukzessive weniger. Parallel dazu zeigen kürzliche Schneedeckenuntersuchungen ebenso eine Entwicklung in Richtung langsamer Besserung der Situation.
Lawinenauslösung eines einzelnen Wintersportlers am Hohen Aifner. Die Pfeile zeigen den Einfahrts- und Ausfahrtsbereich. WSW, 2500m (Foto: 12.12.2021) |
Schneebrettabgang im Bereich der Murmentenkarspitze. Personen befanden sich zu diesem Zeitpunkt im Aufstieg. Der Pfeil symbolisiert den Aufstiegsbereich. W, 2500m (Foto: 12.12.2021) |
Rissbildungen und Setzungsgeräusche im Nahbereich des Hochzeiger-Skigebietes (Foto: 12.12.2021) |
Im Vordergrund eine massiv vom Wind geprägte Schneeoberfläche, im Hintergrund ein Lawinenanriss samt Ablagerung. Person konnte unverletzt entkommen. Großer Leppleskogel - Osttirol (Foto: 14.12.2021) |
Schneearme Bereiche bzw. Übergänge von wenig zu viel Schnee sind problematisch
Eigene Schneedeckenuntersuchungen sowie vorhandene Schneeprofile belegen recht klar, dass Problembereiche v.a. noch an schneearmen Stellen zu finden sind. Bei massiverer Überdeckung der im November gebildeten Schwachschichten (sh. frühere Blogeinträge) gibt es hingegen häufig keine bzw. nur unvollständige Brüche.
Schneeprofil mit einer störanfälligen Schwachschicht aus kantigen Kristallen und Schwimmschnee. Nord, 2080m, 30°. Östliche Rieserfernergruppe. Profil: Alois Mariacher, (14.12.2021) |
Schwachschichten im unteren Teil der Schneedecke konnten bei Tests nicht mehr gestört werden. NO, 2300m, 38°. Profil vom 15.12.2021. Westliche Lechtaler Alpen (c) Kärle/Perl |
Sonstige Eindrücke und kurzer Ausblick
Die vergangene Zeit war windreich. Die Schneeoberfläche wurde entsprechend massiv bearbeitet. Triebschneepakete waren jedoch nur kurzfristig zu stören und stabilisierten sich rasch aufgrund der warmen Temperaturen und der damit einhergehenden Setzung der Schneedecke.
Pulverschnee in tiefen Lagen, dort wo der Wind nicht im Spiel war. Arlberg. (Foto: 10.12.2021) |
Die kommenden Tage stehen unter Hochdruckeinfluss. Wind in der Höhe kann insbesondere ab Freitag störend sein. Ab dann sollte man v.a. in großen Höhen vermehrt in Kammnähe frische Triebschneepakete im Auge behalten.
FAZIT
Das in den vergangenen Blogeinträgen schon mehrfach thematisierte Altschneeproblem stellt unverändert die vergleichsweise größte Gefährdung für WintersportlerInnen dar. Am häufigsten findet man Gefahrenbereiche in Schattenhängen von der Waldgrenze aufwärts. Dort können Lawinen immer wieder noch durch geringe Belastung vornehmlich an schneearmen Stellen bzw. an Übergangsbereichen von wenig zu viel Schnee ausgelöst werden. Brüche können sich von dort mitunter auch in stabilere Bereiche fortpflanzen. In Sonnenhängen scheinen Lawinenauslösungen v.a. noch in größeren Höhen, vermehrt von etwa 2500m aufwärts, meist wohl nur mehr durch große Belastung möglich zu sein.