Freitag, 24. März 2023

Überwiegend ungünstige Verhältnisse - Nassschneelawinen sind zu erwarten - ab Montag winterlich

Kurz vorweg

Die vergangene Woche war von einer zunehmenden Durchnässung der Schneedecke bis in hohe Lagen geprägt. Zahlreiche Lawinenabgänge - vermehrt handelte es sich um nasse Lockerschnee- und Gleitschneelawinen - waren die Folge. Bei sehr wechselhaftem Wetter hatte man es häufig bereits während des Vormittags mit einer für Wintersportler bis in hohe Lagen hinauf ungünstigen Lawinensituation zu tun. Die Lawinengefahr ist aktuell unterhalb etwa 2800m als erheblich (Stufe 3) eingestuft.


Zunehmende Durchnässung

Wir befinden uns aktuell in einem klassischen Nassschneezyklus. Die für die Jahreszeit allgemein unterdurchschnittlich mächtige Schneedecke wurde inzwischen bis in große Höhen bis zum Boden durchnässt. In West- und Osthängen dürfte dies häufig bis etwa 2800m hinauf der Fall gewesen sein, in Südhängen auch höher. In Nordhängen pendeln wir aktuell zwischen etwa 2200m und 2400m.


Aktuell interessiert uns bei Schneeprofilen v.a. auch die rote Linie - das Temperaturprofil. Bei diesem Standort auf 2227m in einem 22° geneigten NO-Hang war die Schneedecke am 19.03.bereits isotherm (Schneetemperatur liegt bei 0°C)
Aktuell interessiert uns bei Schneeprofilen v.a. auch die rote Linie - das Temperaturprofil. Bei diesem Standort auf 2227m in einem 22° geneigten NO-Hang war die Schneedecke am 19.03.bereits isotherm (Schneetemperatur liegt bei 0°C)


Temperaturprofil in einem Nordhang auf 2500m. Hier gab es am 19.03.2023 noch Temperaturreserven.
Temperaturprofil in einem Nordhang auf 2500m. Hier gab es am 19.03.2023 noch Temperaturreserven.


Typischer Wetterverlauf der vergangenen Woche: Wechselhaft. Vom 19.03. auf den 20.03. fiel etwas Niederschlag, bei dieser Station in Form von Schnee. Spätestens dann, wenn der Taupunkt die 0° erreicht hat, hatten wir es mit einem massiven Feuchtigkeitseintrag in die Schneedecke zu tun. Aktuell ist dies bei dem Standort auch der Fall...
Typischer Wetterverlauf der vergangenen Woche: Wechselhaft. Vom 19.03. auf den 20.03. fiel etwas Niederschlag, bei dieser Station in Form von Schnee. Spätestens dann, wenn der Taupunkt die 0° erreicht hat, hatten wir es mit einem massiven Feuchtigkeitseintrag in die Schneedecke zu tun. Aktuell ist dies bei dem Standort auch der Fall...


Heute am 24.03. setzt im Laufe des Tages Niederschlag ein. Anfangs wird dieser unterhalb etwa 2400m in Form von Regen fallen. Dadurch dürften dann wohl auch die meisten Schattenhänge bis etwa 2400m bis zum Boden durchnässt worden sein. Vorsicht: Es ist in den regenbeeinflussten Gebieten durchaus auch mit spontanen Lawinenabgängen v.a. aus sehr steilen Nordhängen zu rechnen! Die Regengrenze soll allerdings eher kurzzeitig höher liegen. Laut Auskunft der GSA (Geosphere Austria) soll diese relativ rasch gegen etwa 1700m absinken. Es ist mit etwa 10-15mm Niederschlag zu rechnen, entlang des Alpenhauptkammes mitunter auch etwas mehr.


Neuschneeprognose von heute, 24.03. auf morgen 25.03.2023
Neuschneeprognose von heute, 24.03. auf morgen 25.03.2023

 
Auf dieser Karte erkennt man die eindringende kältere Luftmasse aus Nordwesten, die zu einem Absinken der Schneefallgrenze führen wird.
Auf dieser Karte erkennt man die eindringende kältere Luftmasse aus Nordwesten, die zu einem Absinken der Schneefallgrenze führen wird.


Lawinentätigkeit während der vergangenen Woche

Die Lawinenaktivität nahm während der vergangenen Woche erwartungsgemäß stetig zu. Wie bekannt, führen gerade im Frühjahr kleine Änderungen des Wettergeschehens zu großen Änderungen bei der Lawinengefahr. Restbewölkung an den Hängen samt (diffuser) Strahlung und warmen Temperaturen können z.B. auch kleinräumig zu einer sehr raschen Durchnässung der Schneedecke führen. Kurz: Wir hatten es immer wieder mit einem "Waschkuchlwetter" zu tun, bei dem massiver Energieeintrag in die Schneedecke gegeben war und die Schneedecke entsprechend massiv geschwächt wurde.


Am 18.03. hielt sich die Lawinenaktivität noch in Grenzen. Typisch: Nasse Lockerschneelawinen aus extrem steilem Gelände. Serleskamm
Am 18.03. hielt sich die Lawinenaktivität noch in Grenzen. Typisch: Nasse Lockerschneelawinen aus extrem steilem Gelände. Serleskamm

   
"Waschkuchlwetter" begünstigte dann zunehmend die Durchnässung der Schneedecke. Man erkennt am Bild einige spontane Lockerschneelawinen. Alpeiner Berge (Foto: 20.03.2023)
"Waschkuchlwetter" begünstigte dann zunehmend die Durchnässung der Schneedecke. Man erkennt am Bild einige spontane Lockerschneelawinen. Alpeiner Berge (Foto: 20.03.2023)


Nasse Lockerschneelawinen in der Silvretta vom 19.03.2023 um die Mittagszeit (Foto: 20.03.2023)
Nasse Lockerschneelawinen in der Silvretta vom 19.03.2023 um die Mittagszeit (Foto: 20.03.2023)


Ähnliches Bild in Kühtai. Spontane und gesprengte nasse Lockerschneelawinen. (Foto: 22.03.2023)
Ähnliches Bild in Kühtai. Spontane und gesprengte nasse Lockerschneelawinen. (Foto: 22.03.2023)


Lawinen konnten bewusst durch kleine Impulse ausgelöst werden. Die Schneedecke war hier durchnässt und locker. (Foto: 22.03.2023)
Lawinen konnten bewusst durch kleine Impulse ausgelöst werden. Die Schneedecke war hier durchnässt und locker. (Foto: 22.03.2023)



Mieminger Gebirge. Lawinenkegel von kürzlich abgegangenen, nassen Lockerschneelawinen (Foto: 23.03.2024)
Mieminger Gebirge. Lawinenkegel von kürzlich abgegangenen, nassen Lockerschneelawinen (Foto: 23.03.2024)


Besonderheit zur aktuellen Situation - viel befahrenes Gelände kann gefährlicher sein

Wie schon erwähnt, lösten sich vermehrt nasse Lockerschneelawinen. Dies hat v.a. auch mit der geringen Schneemächtigkeit zu tun. Eindringendes Wasser durchnässte rasch auch oberflächennahe, meist gering mächtige, härtere Schichten. Das "Brett", eine der Voraussetzungen für Schneebrettlawinen, wurde dadurch zerstört. In Gelände, welches den Winter über viel befahren wurde (und wo vom Frühwinter noch bodennahe Schwachschichten erhalten blieben), ist dieses "Brett" besser ausgebildet. Bei Durchnässung ist deshalb in viel befahrenem Gelände eher mit Schneebrettlawinen zu rechnen. Es handelt sich da quasi um das Paradoxon, dass viel befahrenes Gelände aktuell gefährlicher sein kann, als wenig befahrenes Gelände. 


Trockene Schneebrettlawinen in großen Höhen noch möglich

Neben den Nassschneelawinen haben wir weiterhin Potential für trockene Schneebrettlawinen. Vermehrt betroffen sind sehr steile O- und Westhänge oberhalb etwa 2800m. Insbesondere in oberflächennahen Schichten können insbesondere durch große Zusatzbelastung dort noch Schneebrettlawinen ausgelöst werden. Als Schwachschicht findet man bevorzugt kantige Kristalle unter einer dünnen Schmelzharschkruste (von der langen Schönwetterphase im Februar und Anfang März). Schattseitig oberhalb etwa 2500m sind es vereinzelte Bereiche, vornehmlich an Übergängen von wenig zu viel Schnee im extrem steilen Gelände, wo bei "Schwimmschneenestern" Lawinenauslösungen denkbar sind. Überschneiter Oberflächenreif von Anfang des Monats sollte wohl kaum mehr anzusprechen sein.


Wie gehts weiter?

Nach den bereits erwähnten Niederschlägen, die heute am 24.03. über Tirol ziehen werden, kündigt sich für morgen Samstag, 25.03. ein Apriltag mit diffuser Strahlung bei einer kräftigen Westströmung an. Der frische Neuschnee wird sich im extrem steilen Gelände häufig als kleine Lockerschneelawinen lösen. Überall ist auf die durch diffuse Strahlung begünstigte weitere Durchnässung zu achten. Besondere Vorsicht auch in Schattenhängen in einem Höhenband um 2200m-2400m, lokal auch höher? Kurz: Die Verhältnisse bleiben sowohl von der Lawinengefahr aus gesehen, als auch von der Schneequalität aus gesehen, ungünstig.

Ab Sonntag, 26.03. wird es dann zunehmend winterlich. Bereits am Vormittag soll es gebietsweise bis etwa 1600m schneien. In der 2.Nachthälfte von Sonntag, auf Montag, 27.03. erwartet uns laut GSA-Wetterdienststelle in der Höhe dann Sturm und zudem einiges an Schnee bis in tiefe Lagen. Alles Weitere muss dann kurzfristig beobachtet und beurteilt werden.