Mittwoch, 15. März 2023

Zunehmende Durchfeuchtung schwächt die Schneedecke - Vermehrter Tagesgang der Lawinengefahr

Kurz vorweg

Mildes Wetter führt während der kommenden Tage zu einem zunehmenden Nassschneeproblem. Nässeeintrag schwächt die Schneedecke. Lawinen können dadurch leichter von WintersportlerInnen ausgelöst werden. Auch spontane Lawinenabgänge werden dadurch wahrscheinlicher. Entscheidend sind wieder einmal eine gute Tourenplanung, eine vernünftige Zeiteinteilung, eine entsprechende Ausrüstung sowie Erfahrung in der Beurteilung der Lawinengefahr.

Es entwickelte sich ein gut ausgebildetes Brett

Für Schneebrettlawinen benötigt man bekanntlich mehrere Zutaten: Zumindest eine Schwachschicht innerhalb der Schneedecke. Darüber das "Brett", also ein gebundenes Schneepaket. Zusätzlich muss das Gelände steil genug sein, dass ein Schneebrett überhaupt abgehen kann. Typisch liegt diese Neigung bei 30°. Das wechselhafte Wetter der vergangenen Zeit brachte immer wieder Neuschnee. Starker Wind verfrachtete den Neuschnee und bildete umfangreiche Triebschneepakete. Triebschnee und Neuschnee wurden zusätzlich durch diffusen Strahlungseinfluss sowie Wärmeeintrag gebunden. Das heißt, es bildete sich in Summe ein gut ausgebildetes Brett.


48h-Schneedifferenz 13.03.-14.03.
48h-Schneedifferenz 13.03.-14.03.


Diffuse Strahlung, hohe Luftfeuchtigkeit fördern die Bildung eines "Bretts". (Foto: 11.03.2023)
Diffuse Strahlung, hohe Luftfeuchtigkeit fördern die Bildung eines "Bretts". (Foto: 11.03.2023)

Schwachschichten werden zusätzlich durch Nässeeintrag geschwächt

Schwachschichten innerhalb der Schneedecke sind aktuell (15.03.) am ehesten sowohl in Schattenhängen  in einem Höhenband zwischen etwa 2000m und 2400m, als auch in W- und Osthängen oberhalb etwa 2400m zu stören. Ost/Nordosthänge oberhalb etwa 2500m scheinen dabei am vergleichsweise ungünstigsten zu sein. "Schuld" daran haben aufbauend umgewandelte Schwachschichten innerhalb der Schneedecke (kantige Kristalle, Schwimmschnee). In  den besagten Schattenhängen beobachten wir gerade einen stetig zunehmenden Wassereintrag bis in bodennahe Schichten. In Sonnenhängen wurde die Schneedecke während des zu milden Winters schon häufiger durchfeuchtet bzw. durchnässt. Bodennahe Schwachschichten wurden deshalb in Südhängen bis in große Höhen, aber auch in West- und Osthängen bis etwa 2400m "aktiviert". Deshalb konzentrieren sind für uns aktuell auf die erstmalige Durchnässung in West- und Osthängen oberhalb etwa 2400m. Ost/Nordosthänge sind aktuell auch deshalb kritischer einzustufen, weil dort vermehrt oberflächennahe kantige Schwachschichten unterhalb einer - je nach Höhe und Steilheit unterschiedlich ausgeprägten - Schmelzkruste vorhanden sind.


Die rote Linie zeigt die Schneetemperatur. Auf 2140m Nord sind die Temperaturreserven nur mehr gering ausgrägt. D.h. bei weiterem Wärmeeintrag wird es zu einer raschen Durchnässung bis zum Boden kommen.
Die rote Linie zeigt die Schneetemperatur. Auf 2140m Nord sind die Temperaturreserven nur mehr gering ausgrägt. D.h. bei weiterem Wärmeeintrag wird es zu einer raschen Durchnässung bis zum Boden kommen.


Vermehrte Lawinenaktivität

Nach Schneefällen und folgender Sonneneinstrahlung muss um diese Jahreszeit immer mit zahlreichen Lockerschneelawinen aus extrem steilem Gelände gerechnet werden. Zusätzlich ist in den neuschneereichen Regionen mit vermehrten Gleitschneerutschen bzw. -lawinen auf steilen Wiesenhängen zu rechnen. UND GANZ WICHTIG: Schneebrettlawinen lassen sich durch Wintersportler immer leichter auslösen. Auch werden spontane Lawinen gegen das Wochenende hin wahrscheinlicher. Morgen am 16.03. wird der nächste Blogeintrag erscheinen. Da wird u.a. auch auf die kürzlichen Lawinenereignisse im Nahbereich der Pforzheimer Hütte (jeweils O / NO-Hänge von 2500m aufwärts) eingegangen.



Nasse Lockerschneelawine in den Deferegger Alpen (Foto: 14.03.2023)
Nasse Lockerschneelawine in den Deferegger Alpen (Foto: 14.03.2023)