Kurz vorweg
Das Frühjahr ist u.a. auch für rasche Änderungen der Lawinengefahr bekannt. So kann durch diffuse Strahlung, erhöhte Luftfeuchtigkeit und warme Temperaturen die Schneedecke innerhalb sehr kurzer Zeiträume zumindest oberflächennah durchfeuchtet werden. Dies ändert die Eigenschaft des Bretts. Oder aber Wasser dringt bis in eine bestehende Schwachschicht und erhöht deren Störanfälligkeit. Umgekehrt können einfließende trockene und zudem kalte Luftmassen eine feuchte Schneedecke rasch stabilisieren. Was wollen wir damit sagen: Im Frühjahr ist es besonders wichtig, das Wetter und dessen Einfluss auf die Schneedecke sehr gut im Auge zu behalten und entsprechend zu reagieren.
Großteils immer noch recht günstige Lawinenverhältnisse - Lawinenauslösungen dennoch möglich
Während der vergangenen 10 Tage herrschte in Tirol mäßige bzw. geringe Lawinengefahr, was aktuell (am 10.03.2023) auch so ist. Die Schneedecke ist sehr unregelmäßig und häufig recht stabil.
Während der vergangenen Wochen wurde häufig auch extrem steiles Gelände begangen bzw. befahren. Osttirol (Foto: 09.03.2023) |
Immer wieder findet man dennoch Schwachschichten, die von Wintersportlern gestört werden können. Betroffen ist meist schattiges Gelände oberhalb etwa 2200m, vermehrt auch ostseitiges, v.a. kammnahes Gelände in größeren Höhen. Lawinenauslösungen der jüngeren Vergangenheit hatten v.a. mit dem bekannten Altschneeproblem (mit bodennahe Schwachschichten) zu tun. Der im vergangenen Blogeintrag thematisierte Prozess des Gefahrenmusters kalt auf warm (gm.4) konnte im Gelände immer wieder beobachtet werden. Bösartig dürfte sich die Schwachschicht nur sehr vereinzelt entwickelt haben, wenn dann am ehesten im schattigen Gelände zwischen etwa 2100m und 2400m.
Lawinenauslösung Blankenstein bei Innervillgraten in den Östlichen Deferegger Alpen. 04.03.2023 2400m, NO, 40°. Eine Person verletzte sich am Knie. |
Die herausmodellierte Schwachschicht (unterhalb einer dünnen Schmelzkruste) entstand durch gm.4 2340m, NW, 36°. Östliche Lechtaler Alpen (Foto: 03.03.2023) |
Profil zu obigem Foto. Stabilitätstests mit vollständigen Brüchen (03.03.2023) |
Diffuse Strahlung
Heute am 09.03.2023 haben wir beobachtet, wie durch diffuse Strahlung oberflächennahe Schichten im schattigen Gelände um 2200m angefeuchtet und dadurch dichter wurden. Eine bis dato recht spannungsarme Schneedecke mit einem lockeren Fundament kann dadurch die Voraussetzungen für die Ausbildung eines Schneebretts entwickeln (Brett und Schwachschicht). Kleinräumig kann entsprechend die Gefahr von Schneebrettlawinen (etwas) ansteigen.
Durch diffuse Strahlung wird viel Energie von der Schneedecke aufgenommen. Silvretta (Foto: 08.03.2023) |
Diffuse Strahlung kann aber auch oberflächennahe Schwachschichten zerstören. Dies ist insofern wichtig, weil sich kürzlich zum Teil recht massiv Oberflächenreif gebildet hat. Häufig hatte das mit dem zum Teil recht hartnäckigen Nebel inkl. nächtlicher Ausstrahlung zu tun. Teilweise entwickelte sich der Oberflächenreif auch aufgrund des Nigg-Effekts.
Die bei uns während der vergangenen 10 Tagen eingelangten Meldungen über Oberflächenreif (inkl. 09.03.2023) |
Oberflächenreif in den Nördlichen Zillertaler Alpen (Foto: 04.03.2023) |
Kammnaher Oberflächenreif aufgrund des Nigg-Effekts. Kaunergrat (Foto: 04.03.2023) |
Der Oberflächenreif hatte es insofern schwer, weil einerseits kräftiger Westwind, andererseits diffuse Strahlung am 08.03. und 09.03. diesen vielerorts zerstört haben dürfte - allerdings sicherlich nicht überall...
Wie gehts weiter?
Mitteleuropa liegt laut Geosphere Austria in einer kräftigen Westströmung. Damit werden immer wieder Frontensysteme nach Österreich transportiert. Von Freitag, 10.03. auf Samstag 11.03. fällt etwas Schnee, am meisten soll es im Westen schneien - etwa 20cm, lokal auch mehr. Die Schneefallgrenze soll bis in tiefe Lagen sinken. Danach gehts wechselhaft mit Wind und wieder milderen Temperaturen weiter.
72h Neuschnee zwischen 10.03. und 12.03. für Tirol |
Hinsichtlich der Lawinengefahr wird sich vorab wenig ändern. Nach den Schneefällen vom 10.03. auf den 12.03. erwarten wir vermehrte Lockerschneelawinen-Aktivität.
Frische Lockerschneelawinen in der Silvretta vom 09.03.2023 |
In den neuschneereicheren Gebieten kann unmittelbar nach Schneefällen wohl kurzfristig Pulverschnee genossen werden. (Foto: 09.03.2023) |